Die Szene Wald und Höhle gehört zu den viel diskutierten und umstrittenen Szenen des 'Faust I'1. Gegenstand heftiger Diskussionen ist nicht nur die Figur des Erdgeists, ob dieser hier von Faust angesprochen wird ("Erhabener Geist" V. 3217), und der Widerspruch zum Prolog im Himmel, ob Mephistopheles nun vom Herrn oder vom Erdgeist gesandt wurde, sondern auch die Frage der Platzierung dieser Szene in Goethes Werk. Diese Szene kommt im sogen. Urfaust überhaupt nicht vor und später im Fragment von 1790 steht sie zunächst hinter der Szene Am Brunnen, also nach der Vereinigung Fausts mit Gretchen. Goethe setzte sie erst in der endgültigen Fassung von 1808 vor benannte Szene. Durch diese Verschiebung wurde in verschiedenen Interpretationen ihre Bedeutung und auch ihre Dramatik2 verschoben und ihr sogar zum Teil abgesprochen.3
Die Meinungen über die angesprochenen Streitpunkte gehen weit auseinander, und sollen hier nur supplementarisch die Bedeutung dieser Szene veranschaulichen, des weiteren jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit werden. Diese Arbeit will sich mit darüber hinaus gehenden Aspekten der Szene auseinandersetzen, die aufzeigen welchen Einfluss auf die Wirkung des 'Faust I', sowie welche Auswirkungen für das Verständnis des faustischen Dilemmas dieser Szene beigemessen werden kann. Es soll ihr für den ersten Teil von Faust eine zentrale Bedeutung zugesprochen werden.
Im einzelnen soll folgend die Bedeutung des Titels der Szene und seine Funktion analysiert werden. Hieran schließt sich die Erörterung von Wald und Höhle an, als Symbol für die Lebenstendenzen der Ausbreitung und der Einschränkung, sowie dessen Variante, des Wanderer-Hütte Motivs. Daran knüpft sich eine Besprechung der aus früheren Szenen gesponnenen Handlungsfäden, die zurückverfolgt werden, um hieraus einen textimmanenten Aufschluss über Goethes Charakteranlage Fausts zu erlangen. Goethes Theorie über die Unerreichbarkeit eines Ideals wird hier, anschaulich besprochen, belegt. Es wird die These vertreten, dass Fausts Ideal knapp vor seiner Erfüllung steht. Die Schlussbetrachtung möchte die besprochenen Aspekte zusammenführen und aussöhnen.
1 „FAUST I“ STEHT IM FOLGENDEN FÜR GOETHES LETZTE FASSUNG VON 1808: „FAUST. DER TRAGÖDIE
ERSTER TEIL“.
2 VGL. PETER MICHELSEN: S.87.
3 VGL. PAUL REQUADT: S. 247 F.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung: Die Diskussion um die Szene Wald und Höhle
- B. Interpretationsversuch der Szene Wald und Höhle
- 1. Der Szenentitel: Wald und Höhle
- a) Szenentitel im Vergleich
- b) Szenenbild von Wald und Höhle: kein wirklicher Ort?
- 2. Einschränkung und Ausbreitung
- a) Eine „Eng-weite Situation“
- b) Das Wanderer-Hütte Motiv
- 3. Von der Sehnsucht zur Erfüllung
- a) Vom Studierzimmer zu Wald und Höhle
- b) Der Taumel als unerreichbares Ideal
- C. Schlußbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Szene „Wald und Höhle“ in Goethes Faust I. Ziel ist es, die Bedeutung dieser oft diskutierten Szene für das Verständnis des faustischen Dilemmas und ihre zentrale Rolle im ersten Teil von Faust herauszuarbeiten. Die Analyse fokussiert auf verschiedene Aspekte, um die Wirkung der Szene auf das Gesamtwerk zu beleuchten.
- Bedeutung des Szenentitels und seiner Funktion
- Wald und Höhle als Symbole für Ausbreitung und Einschränkung, inklusive des Wanderer-Hütte Motivs
- Verfolgung der Handlungsfäden aus vorherigen Szenen zur Charakterisierung Fausts
- Goethes Theorie der Unerreichbarkeit eines Ideals im Kontext der Szene
- Zusammenführung und Aussöhnung der analysierten Aspekte in der Schlußbetrachtung
Zusammenfassung der Kapitel
A. Einleitung: Die Diskussion um die Szene Wald und Höhle: Die Einleitung beleuchtet die kontroversen Interpretationen der Szene „Wald und Höhle“ in Faust I. Diskutiert werden die Rolle des Erdgeists, der Widerspruch zum Prolog im Himmel und die unterschiedliche Platzierung der Szene in verschiedenen Fassungen von Goethes Werk. Die Einleitung betont, dass diese Arbeit sich nicht auf die bereits viel diskutierten Streitpunkte konzentriert, sondern darüber hinausgehende Aspekte der Szene untersucht, um ihren Einfluss auf die Wirkung des Faust I und das Verständnis des faustischen Dilemmas zu beleuchten. Es wird die zentrale Bedeutung der Szene für den ersten Teil von Faust herausgestellt und der Fokus der folgenden Analyse auf den Szenentitel, die Symbole Wald und Höhle, die Handlungsfäden aus vorherigen Szenen und Goethes Theorie der Unerreichbarkeit eines Ideals angekündigt.
B. Interpretationsversuch der Szene Wald und Höhle: Dieser Abschnitt bietet eine detaillierte Interpretation der Szene „Wald und Höhle“. Zunächst wird der Szenentitel analysiert und dessen ungewöhnliche Konstruktion aus zwei nicht unbedingt zusammengehörigen Orten (Wald und Höhle) untersucht. Die Frage nach der Bedeutung der Konjunktion „und“ und der Reihenfolge der Begriffe wird gestellt. Im Anschluss wird die Symbolik von Wald und Höhle als Repräsentation von Ausbreitung und Einschränkung erörtert, wobei auch das Wanderer-Hütte-Motiv in die Analyse einbezogen wird. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Rückverfolgung der Handlungsfäden aus vorherigen Szenen, um Aufschluss über Goethes Charakterisierung Fausts zu erhalten. Schliesslich wird Goethes Theorie über die Unerreichbarkeit eines Ideals im Zusammenhang mit der Szene beleuchtet und die These vertreten, dass Fausts Ideal kurz vor der Erfüllung steht.
Schlüsselwörter
Faust I, Goethe, Szene Wald und Höhle, Erdgeist, Mephistopheles, faustisches Dilemma, Ausbreitung und Einschränkung, Symbolik, Wanderer-Hütte Motiv, Unerreichbarkeit des Ideals, Interpretationsansätze, Szenentitel.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Interpretation der Szene "Wald und Höhle" in Goethes Faust I
Was ist der Inhalt dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Szene "Wald und Höhle" in Goethes Faust I. Sie untersucht die Bedeutung dieser Szene für das Verständnis des faustischen Dilemmas und ihre Rolle im Gesamtwerk. Die Analyse konzentriert sich auf den Szenentitel, die Symbolik von Wald und Höhle, Handlungsfäden aus vorherigen Szenen und Goethes Theorie der Unerreichbarkeit eines Ideals.
Welche Aspekte der Szene "Wald und Höhle" werden untersucht?
Die Analyse umfasst die Bedeutung des Szenentitels (inklusive der Konjunktion "und" und der Reihenfolge der Begriffe), die Symbolik von Wald und Höhle als Repräsentation von Ausbreitung und Einschränkung (mit Einbezug des Wanderer-Hütte-Motivs), die Rückverfolgung von Handlungsfäden aus vorhergehenden Szenen zur Charakterisierung Fausts und die Anwendung von Goethes Theorie der Unerreichbarkeit eines Ideals auf die Szene.
Welche Ziele verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die Bedeutung der oft diskutierten Szene "Wald und Höhle" für das Verständnis des faustischen Dilemmas und ihre zentrale Rolle in Faust I herauszuarbeiten. Sie beleuchtet die Wirkung der Szene auf das Gesamtwerk und integriert verschiedene Interpretationsansätze.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, einen Hauptteil mit detaillierter Interpretation der Szene und eine Schlussbetrachtung. Der Hauptteil analysiert den Szenentitel, die Symbolik von Wald und Höhle, die Handlungsfäden und Goethes Theorie der Unerreichbarkeit eines Ideals. Die Einleitung diskutiert bestehende Interpretationen der Szene und den Fokus der Arbeit. Die Schlussbetrachtung fasst die Ergebnisse zusammen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Faust I, Goethe, Szene Wald und Höhle, Erdgeist, Mephistopheles, faustisches Dilemma, Ausbreitung und Einschränkung, Symbolik, Wanderer-Hütte Motiv, Unerreichbarkeit des Ideals, Interpretationsansätze, Szenentitel.
Wie wird der Szenentitel "Wald und Höhle" interpretiert?
Der ungewöhnliche Szenentitel, bestehend aus zwei nicht unbedingt zusammengehörigen Orten, wird im Detail analysiert. Die Bedeutung der Konjunktion "und" und die Reihenfolge der Begriffe werden hinterfragt und in den Gesamtkontext eingeordnet.
Welche Rolle spielt die Symbolik von Wald und Höhle?
Wald und Höhle werden als Symbole für Ausbreitung und Einschränkung interpretiert. Das Wanderer-Hütte-Motiv wird in die Analyse mit einbezogen, um diese Symbolik zu vertiefen.
Wie wird Goethes Theorie der Unerreichbarkeit eines Ideals in die Analyse einbezogen?
Goethes Theorie der Unerreichbarkeit eines Ideals wird im Kontext der Szene beleuchtet. Die Arbeit vertritt die These, dass Fausts Ideal kurz vor der Erfüllung steht.
- Quote paper
- Kristian Klett (Author), 2002, Faust - Die Szene Wald und Höhle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29416