Die Arbeit des Übersetzers ist nicht einfach. Sie erfordert intensive Auseinandersetzung mit der Übersetzungsvorlage. Im Gegensatz zu fachsprachlichen Texten gelten literarische Texte weithin als größere, in jedem Fall aber grundlegend verschiedene, Übersetzungsherausforderung. Oft werden sie als Kunstwerke bezeichnet, die als solche übertragen werden wollen.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszukristallisieren inwiefern es spezielle übersetzerische Aspekte im Bereich der kinderliterarischen Übersetzung gibt. Existieren Einflussgrößen, die maßgeblich zur Gestaltung eines Zieltextes beitragen und ist es überhaupt nötig während des Übersetzungsprozesses konkret auf den nicht erwachsenen Rezipienten einzugehen? Hierzu werden Stimmen aus der aktuellen übersetzungswissenschaftlichen Forschung zur Literaturübersetzung im Allgemeinen und der kinderliterarischen Übersetzung im Besonderen erörtert. Innerhalb des dadurch entstehenden Rahmens wird anschließend am Beispiel von Michael Endes Kinderbuchs „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ und der englischen Übersetzung „The Night of Wishes or The satanarchaeolidealcohellish Notion Potion“ versucht konkret darzustellen ob sich im ZT besondere Aspekte des kinderliterarischen Übersetzens finden. Aus den Ergebnissen der Analyse wurden Schlussfolgerungen bezüglich der Notwendigkeit des kinderliterarischen Übersetzens gezogen.
INHALTSVERZEICHNIS
Abstract
VORBEMERKUNG
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG
1.1 Ziel- und Aufgabenstellung
1.2 Materialgrundlage
1.3 Methodologisches Vorgehen
2 SPEZIFIKA DER LITERARISCHEN ÜBERSETZUNG
2.1 Übersetzungswissenschaftliche Ansätze
3 KINDERLITERARISCHES ÜBERSETZEN
3.1 Begriffsabgrenzung KJl / ERl
3.2 Übersetzungswissenschaftliche Ansätze
3.3 Inhaltliche Aspekte
3.3.1 Kulturspezifische Aspekte
3.3.1.1 Eigennamen
3.3.1.2 Satire und Humor
3.3.1.3 Illustrationen
3.3.2 Buchtitel
3.4 Stilistische Aspekte
3.4.1 Sprachrhythmus, Stilebene, relative Satzlänge
3.4.2 Dialekt, Soziolekt, Umgangssprache
3.4.3 Wortspiele
3.5 Kurze Zusammenfassung
4 ANALYSE DES WUNSCHPUNSCHS
4.1 Inhaltsangabe
4.2 Analyse der Textstellen
4.2.1 Inhaltliche Aspekte
4.2.1.1 Kulturspezifika
4.2.1.1.1 Eigennamen
4.2.1.1.2 Satire und Humor
4.2.1.1.3 Illustrationen
4.2.1.2 Buchtitel
4.2.1.3 Stilistische Aspekte
4.2.1.3.1 Dialekt, Soziolekt und Umgangssprache
4.2.1.3.2 Sprachrhythmus, Stilebene, relative Satzlänge
4.2.1.3.3 Wortspiele
5 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abstract
Aspekte des kinderliterarischen Übersetzens am Beispiel von
Michael Endes Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch
Stephanie Maria Graf. – 2009. – 61 S.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszukristallisieren inwiefern es spezielle übersetzerische Aspekte im Bereich der kinderliterarischen Übersetzung gibt. Existieren Einflussgrößen, die maßgeblich zur Gestaltung eines Zieltextes beitragen und ist es überhaupt nötig während des Übersetzungsprozesses konkret auf den nicht erwachsenen Rezipienten einzugehen? Hierzu werden Stimmen aus der aktuellen übersetzungswissenschaftlichen Forschung zur Literaturübersetzung im Allgemeinen und der kinderliterarischen Übersetzung im Besonderen erörtert. Innerhalb des dadurch entstehenden Rahmens wird anschließend am Beispiel von Michael Endes Kinderbuchs „ Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch “ und der englischen Übersetzung „The Night of Wishes or The satanarchaeolidealcohellish Notion Potion “ versucht konkret darzustellen ob sich im ZT besondere Aspekte des kinderliterarischen Übersetzens finden.
Aus den Ergebnissen der Analyse wurden Schlussfolgerungen bezüglich der Notwendigkeit des kinderliterarischen Übersetzens gezogen.
VORBEMERKUNG
"Die Erfüllung eines Wunsches zieht immer einen neuen Wunsch nach sich."[1]
(Zit.[2] Michael Ende, deutscher Kinder- und Jugendbuchautor)
Perfektion - perfekt sein. Das ist ein Wunsch, von dem jedermann träumt, der aber leider meistens nur ein Wunschtraum bleibt. Es liegt wohl in der Natur des Menschen stets nach mehr zu streben. Das Ziel ist stets Vollkommenheit.
Das oben angeführte Zitat von Michael Ende bezieht sich wohl auf das Wesen des Menschen im Allgemeinen, doch dürfte ihm mit diesem Ausspruch auch ein Blick auf das Wesen einer Übersetzung gelungen sein. Gibt es die „vollkommene“ literarische Übersetzung? Diese Frage wird sich der bekannte Kinderbuch-Autor des Öfteren selbst gestellt haben. Immerhin wurden seine Werke in über 45 Sprachen übersetzt und haben eine Gesamtauflage von 20 Millionen erreicht. Zudem übersetzte seine Frau Mariko Sato einige seiner Werke ins Japanische.[3] Wie viele tiefgründige Gedanken zum Thema Übersetzen sich aus dieser Verbindung ergaben, lässt sich heute nur noch vermuten. Sicherlich gab es einige spannende Diskussionen darüber wie ein Text angemessen in eine andere Kultur übertragen werden kann. Perfektion kann immer nur relativ sein und liegt im Auge des Betrachters.
Ein Wunsch an diese Arbeit soll sein, dass sie nicht als Kritik an der englischen Übersetzung von „Der Wunschpunsch “ angesehen wird. Sie stellt eine Analyse hinsichtlich der Aspekte des kinderliterarischen Übersetzens dar und konkretisiert diese mit Textbeispielen. Ein weiterer Wunsch ist, dass sich durch die Arbeit ein besonderes Augenmerk auf Michael Endes großartige Werke richtet, die bereits Generationen aller Herren Länder begeisterten. In diesem Jahr, das offiziell als „Michael-Ende-Jahr 2009“ ausgerufen wurde, soll sich diese Arbeit in den Kreis der Schriften und Feierlichkeiten rund um den Autor einreihen und an ihn erinnern. Mein besonderer Dank gilt meiner Familie, Freunden und meinem Partner Wolfgang, die mich beim Schreiben dieser Arbeit stets liebevoll motiviert und unterstützt haben. Des Weiteren bedanke ich mich bei Prof. Dr. Carlos Melches und Dr. Galina Bolotova dafür, dass sie sich dazu bereit erklärt haben diese Arbeit zu betreuen und sie somit überhaupt erst möglich machten.
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 3: La liberté guidant le peuple von Eugène Delacroix 42
1
1 EINLEITUNG
Die Arbeit des Übersetzers ist kein einfaches Unternehmen. Sie erfordert intensive Auseinandersetzung mit der Übersetzungsvorlage. Im Gegensatz zu fachsprachlichen Texten gelten literarische Texte weithin als größere, in jedem Fall aber grundlegend verschiedene, Übersetzungsherausforderung. Oft werden sie als Kunstwerke bezeichnet, die als solche übertragen werden wollen. Das heißt, Form und Inhalt können im Idealfall mindestens gleichwertig beibehalten werden. An diesem Punkt ist der Übersetzer Rezipient, Interpret und selbst Dichter, denn ohne gewisse künstlerische Ambitionen kann die Einfühlung in sprachliche Feinheiten eines literarischen Textes kaum möglich sein. Die Rezipienten der ZK stellen hohe Anforderungen an den Übersetzer. Im besonderen Maße gilt dies für noch nicht erwachsene Leser. Unter anderem sollte auf deren fehlende Weltkenntnis und Bildungsstand Rücksicht genommen werden, um Verständnisprobleme zu vermeiden. Oft herrscht die irrtümliche Annahme, dass übersetzte Texte mit der Vorlage identisch sind und der Übersetzer keine Wirkung auf den ZT ausübt. Doch der ZT kann letztendlich als Erzeugnis zweier Autoren betrachtet werden, da der Übersetzer den AT durch seine persönliche Wahrnehmung gefiltert wiedergibt. Durch seine Augen und seine Deutung kommuniziert der Leser des ZTs nicht direkt, sondern vielmehr über den Umweg des Übersetzers und der Zielsprache mit dem AT. Die Sprache bleibt in allen Fällen der Code, den es hierbei zu entschlüsseln und zu reproduzieren gilt. Daher sind auch sprachwissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungen noch immer von hoher Bedeutung für übersetzungswissenschaftlichen Fortschritt. Die Erforschung des kinderliterarischen Übersetzens stellt jedoch immer noch einen relativ kleinen Teilbereich dieser Forschungen dar.
1.1 Ziel- und Aufgabenstellung
Im Rahmen dieser Arbeit sollen spezielle Verfahren im Bereich der kinderliterarischen Übersetzung dargestellt werden. Gibt es solche Verfahren - und wenn ja - wie werden sie eingesetzt? Um dies zu erörtern werden Stimmen aus der aktuellen übersetzungswissenschaftlichen Forschung widergespiegelt, durch die gezeigt werden soll ob es prinzipiell nötig ist auf den nicht erwachsenen Rezipienten im Übersetzungs-prozess besonders einzugehen. Die erkannten kinderliterarischen Aspekte im Übersetzungsprozess sollen anschließend den Rahmen bilden, in dem an einem konkreten kinderliterarischen Werk Beispiele ihrer Anwendung aufgezeigt werden können. Zur Analyse dienen Michael Endes „ Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch “ und dessen englische Übersetzung von Rick Takvorian und Heike Schwarzbauer „ The Night of Wishes or The satanarchaelidealcohellish Notion Potion “. Anhand dieses ATs und seines zugehörigen ZT soll also dargelegt werden, ob sich konkrete Aspekte des kinderliterarischen Übersetzens auch in der praktischen Anwendung finden lassen.
1.2 Materialgrundlage
Um die Spezifika der literarischen Übersetzung zu bestimmen wurden ausgewählte Theorien und Ansätze der aktuellen Übersetzungswissenschaft mit einbezogen. Aufgrund der vielfältigen Haltungen auf diesem Gebiet wurden ausgewählte Ansätze mit aufgenommen, welche es vermögen, die literarische Übersetzung von der fachtextlichen Übersetzung abzugrenzen. Verwendung finden in der Hauptsache die Arbeiten von Kloepfer (1966), Schleiermacher (2004), Salevsky (2002), Koller (1992, 1997), Leppla (2002), Levy (1969) und Amman (1995). Für die Herausarbeitung kinderliterarischer Aspekte bei der Übersetzung wurde als Grundlage die Arbeit von Rieken-Gerwing (1995) „ Gibt es eine Spezifik kinderliterarischen Übersetzens? Untersuchungen zu Anspruch und Realität bei der literarischen Übersetzung von Kinder- und Jugendbüchern “ gewählt, da sie zu einem der aktuellsten Werke auf dem Buchmarkt zählt. Weiterhin finden sich Arbeiten auf diesem Gebiet von Müller (1977), Bamberger (1963), Klingberg (1973) und Tabbert (1991).
Die Auswahl des zur Analyse ausgewählten Buches begründet sich auf persönliches Interesse, sowie den Umstand, dass Michael Ende in diesem Werk auf besondere Weise mit der Sprache spielt. Das Buch wird im Thienemann Verlag als Kinderbuch geführt, was Grundvoraussetzung für die Analyse der Textstellen war. Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch überrascht mit Klang und Rhythmus, Brillanz, Humor, Ironie, Wortspielen, Slang, Ideolekten, Soziolekten etc.[4] Das Korpus stellt somit eine gute Grundlage zur Untersuchung hinsichtlich des kinderliterarischen Übersetzens dar.
Als AT wurde die Ausgabe „ Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch “ des Thienemann Verlags (Ende 2003) und als ZT die englische Übersetzung „ The Night of Wishes or The satanarchaeolidealcohellish Notion Potion “ Farrar, Straus and Giroux Verlages ausgewählt (Ende 1994).
1.3 Methodologisches Vorgehen
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszukristallisieren inwiefern es spezielle übersetzerische Aspekte im Bereich der kinderliterarischen Übersetzung gibt. Wie wird mit diesen umgegangen und ist es überhaupt nötig auf den nicht erwachsenen Rezipienten Rücksicht zu nehmen? Hierzu werden Stimmen aus der aktuellen übersetzungswissenschaftlichen Forschung widergespiegelt und es wird versucht am Beispiel Michael Endes Wunschpunsch darzulegen ob sich in der englischen Übersetzung besondere Aspekte des kinderliterarischen Übersetzens finden.
Zunächst wird das Wesen der literarischen Übersetzung thematisiert. Dazu ist es erforderlich Theorien und Ansätze aus der allgemeinen Übersetzungswissenschaft aufzuzeigen. Aufgrund der vielfältigen Stimmen auf diesem Forschungsgebiet werden in dieser Arbeit ausgewählte Aspekte der literarischen Übersetzungsforschung ausgewählt, die insbesondere Fachtexte von literarischen Werken abgrenzen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf soziolinguistische Aspekte, den Begriff der Äquivalenz, das Interpretationspotential literarischer Texte, den Wert der literarischen Übersetzung als „Kunstwerk“ sowie die „Kulturkompetenz“ des Übersetzers gelegt.
Im Anschluss daran soll das kinderliterarische Übersetzen mit übersetzungs-wissenschaftlichen Aspekten, seiner spezifischen Situation, Problematik und Handlungsmöglichkeiten für den Übersetzer besprochen werden. Sind besondere Aspekte bei der Übersetzung von KJl zu beachten? Wie wird mit diesen Aspekten umgegangen? Die angeführten übersetzungswissenschaftlichen Erkenntnisse stellen das Korpus dar, das im Folgenden als Grundlage für die Analyse des Textes auf Elemente der kinderliterarischen Übersetzung dienen wird.
Im darauf folgenden analytischen Teil der Arbeit werden die deutsche Ausgabe des Wunschpunsch s und seine Übersetzung hinsichtlich kinderliterarischer Aspekte des Übersetzens untersucht. Wenn es die damit verbundenen Schwierigkeiten und Strategien, wie im vorangegangenen Kapitel besprochen gibt, wie wurden diese von den Übersetzern umgesetzt? Im letzten Kapitel schließlich werden eine kurze Zusammenfassung sowie ein Ausblick gegeben.
2 SPEZIFIKA DER LITERARISCHEN ÜBERSETZUNG
2.1 Übersetzungswissenschaftliche Ansätze
Wer in Begriffen und nicht in Bildern denkt, verfährt der Sprache gegenüber mit derselben Grausamkeit wie jener, der nur Gesellschaftskategorien und nicht die Menschen sieht.[5]
(Zit. Ernst Jünger (1895 - 1998), deutscher Essayist und Erzähler)
Bisher wird das literarische Übersetzen vorherrschend als Sonderform des Übersetzens betrachtet und bleibt weitgehend eine Domäne der Literaturwissenschaft. Die Spezifik der literarischen Übersetzung kann aber auch unter weiteren Gesichtspunkten (linguistisch, semiotisch, kulturell, u.a.) gesehen werden. Aufgrund der vielen verschiedenen Betrachtungsweisen werden hier nun ausgewählt Ansätze betrachtet, die eine literarische Übersetzung besonders von einer fachsprachlichen Übersetzung abgrenzen. Auf diese Weise sollen Spezifika der literarischen Übersetzung aufgezeigt werden, die in gewissem Maße sowohl für das Übersetzen von Erwachsenenliteratur als auch KJl bedeutend sind.
In den seltensten Fällen ist das Übersetzen eines ATs nur mit Hilfe eines Wörterbuchs gelungen. Literaturübersetzer stehen in besonderem Maße vor großen Herausforderungen, da die Literatur mit vielen Faktoren arbeitet. Nicht nur mit der Lexik und Grammatik, sondern auch mit Assoziationsräumen und emotionalen Qualitäten, die Literatur erst zu Literatur machen, wird der Literaturübersetzer konfrontiert. Für eine literarische Übersetzung sollten, genau wie in Fachtextüber-setzungen, natürlich die richtigen Wörter, die richtige Grammatik und Syntax verwendet werden. Doch gerade die deutsche Syntax ist so flexibel und bietet so viele Möglichkeiten, dass der Übersetzer überlegen muss, ob er die deutsche Variante, welche die Fremdsprache ihm gibt, nutzt oder nicht.[6]
Die Frage, inwiefern Texte adäquat übertragen werden können, ruft zwei unterschiedliche Lager hervor. Schleiermacher war der Meinung, dass man den Leser zum Fremden bringen soll; und das Fremde bleiben darf. (Vgl. Schleiermacher in Kittel, 2004, S. 142) Auf der anderen Seite wird die Meinung vertreten, dass das Fremde zum Leser transportiert werden soll. Es soll nicht mehr fremd erscheinen, und der Leser soll gar nicht merken, dass es etwas Fremdes ist.[7]
Im Vergleich zu Fachtexten halten manche Forscher die Übersetzung von literarischen Werken gar für eine „unlösbare Aufgabe“ (Vgl. Paschke 2000, S. 7). So ist Kloepfer der Ansicht, dass es nicht möglich sei die Theorie der literarischen Übersetzung von der Theorie der Dichtkunst und der Hermeneutik zu trennen. Inhaltliche „Invarianz“ und „Äquivalenz“ seien allein in Fachtexten möglich und somit auch nur dort erstrebenswert. (Vgl. Kloepfer 1966, S. 9f).
Soziolinguistische Komponenten der einzelnen Sprachen spielen hierbei eine große Rolle. So können beispielsweise Anspielungen, die in der AK noch mühelos verstanden werden, in der ZK zu Missverständnissen führen oder gar nicht verstanden werden. Ein Beispiel hierfür sind Bräuche die nicht in beiden Kulturen existieren. So wird der Begriff Osterhexe (påskkärring) gewiss von jedem Kind in Schweden verstanden, ist aber in Deutschland gänzlich unbekannt.[8] Im selten vorliegenden Idealfall treten bei der literarischen Übersetzung keinerlei Veränderungen gegenüber dem AT auf.
Theoretisch soll der literarische Übersetzer in der Zielsprache dieselbe Kombination der vom AT intendierten und benutzten inhaltlichen und stilistischen Ausdrucksmittel finden, so dass bei den Rezipienten des Zielsprachenlandes dieselbe Wirkung erzielt wird wie im AT. Die stilistischen und inhaltlichen Elemente der Übersetzung sollen wenn möglich mit denen des ATs identisch sein. (Vgl. Rieken-Gerwing 1995, S. 54). Dass diese Art der literarischen Übersetzung ein Traum bleiben muss, ergibt sich schon aus unterschiedlichen Sprachkonstruktionen und kulturspezifische Eigenheiten der jeweiligen Sprachen und Länder. So sind vor allem Kulturspezifika nur schwer zu übersetzen. Ein Beispiel hierfür sind landestypische Gerichte, die ohne erklärende Anmerkungen nicht unbedingt von der ZK verstanden werden können[9] oder auch landestypische Feste.[10] Jede zusätzliche Anmerkung zu einem Ausdruck oder einer Illustration, die keine direkte Entsprechung in der ZS hat, ist schon eine Abweichung vom angestrebten idealen Übersetzungsprozess. Oft ist Inhalt und Form jedoch einfach nicht miteinander vereinbar.
Literarische Texte werden oft als Kunstwerke bezeichnet. So sieht Salevsky den ästhetisch, künstlerischen Aspekt in literarischen Übersetzungen wenn sie sagt:
Der Text (von lat. Textus = Gewebe) der Ausgangskultur/Ausgangssprache muss für die Zielkultur/Zielsprache neu „gewoben“ werden, damit eine neue komplexe Einheit von Inhalt (Gehalt) und künstlerischer Form (Gestalt mit ästhetischer Funktion) entstehen kann. (Zit. Salevsky 2002, S. 384).
Jede Form der Kunst beinhaltet einen Akt der Neuschöpfung. Auch bei einer Übersetzung finden sich künstlerische Aspekte, wobei der Text für die Zielsprache bzw. Zielkultur neu geschaffen werden muss. Dies gilt insbesondere für das Übertragen von Literatur. Betrachtet man die literarische Übersetzung als eine Form der Kunst, wird schnell klar, dass Maßstäbe, wie man sie für einen Fachtext anlegt, hier kaum gelten können. Es ist nötig eine neue komplexe Einheit von Inhalt und künstlerischer Norm entstehen zu lassen. Literarische Texte, insbesondere jene deren Inhalt phantasiereich ist, spielen mit der Sprache. Konventionen, wie sie für Fachtexte gelten, scheinen aufgehoben. Welches linguistische Standardlineal mag man beispielsweise an einem Kofferwort wie „satanarchäolügenialkohöllisch“ bei der Übersetzung anlegen? Die Struktur der Sprachen ist nicht eins zu eins übertragbar. Dies sieht auch Leppla wenn er sich über die Natur der literarischen Übersetzung äußert und sagt, dass „[…] sie in der Absicht unternommen wird, das Original als solches, als individuellen Organismus, erzeugt von fremdem Geist, in einer neuen Sprachwelt heimisch zu machen, die Ausdruck einer neuen national eigentümlichen Geisteswelt ist“ (Leppla zit. n. Salevsky 2002, S. 385).
Die Frage nach der Übersetzbarkeit von „Kunst“ zieht unmittelbar die Frage nach der Äquivalenz nach sich. Traditionell wird in der Übersetzungswissenschaft die Beziehung zwischen dem AT und dem ZT als Äquivalenz bezeichnet. Darüber, wie diese Beziehung, auch oder vor allem in der literarischen Übersetzung, genau aussehen sollte, wird noch immer diskutiert. Vor allem geht es dabei darum, welche Aspekte eines ATs unbedingt erhalten bleiben sollen um Äquivalenz zu erzielen. Koller unterscheidet diesbezüglich fünf Arten von Äquivalenz in Abhängigkeit vom jeweiligen Bezugsrahmen:
1. denotative Äquivalenz (Bezug auf den außersprachlichen Sachverhalt)
2. konnotative Äquivalenz (Bezug auf die Art der Verbalisierung)
3. textnormative Äquivalenz (Bezug auf die Text- und Sprachnormen)
4. pragmatische Äquivalenz (Bezug auf den Textempfänger)
5. formal-ästhetische Äquivalenz (Bezug auf die Ästhetik)
Zit. Koller 1992, S. 216)
Auch Levy (Vgl. Levy 1969, S. 21) vertritt einen ähnlich funktionalen Ansatz wie Koller. Von der Übersetzung wird eine analoge vergleichbar ästhetische Wirkung in der ZS/ZK gefordert wie sie auch der AT in der AS/ZK erzielt.
Fordert man nun eine formal-ästhetische Äquivalenz nach Kollers Maßstäben ein, bleibt zu bestimmen, welche Stilmittel in der ZS analoge ästhetische Wirkungen hervorrufen. Vermutlich müssen und können dies nicht die gleichen Stilmittel sein wie sie im AT vorkommen. Äquivalenzforderungen müssen in eine Hierarchie eingeordnet werden, da niemals alle in gleicher Weise erfüllt werden können. Den grundlegenden Unterschied zwischen der Übersetzung von literarischen und Fachtexten - die auch formal-ästhetische Qualitäten aufweisen können - sieht Koller darin, dass die ästhetischen Werte nur für die literarischen Texte „konstitutiv“ (Vgl. Koller 1992, S. 253) seien. Im Vergleich zu Fachtexten verschiebt sich hier die Äquivalenzforderung vom Inhalt zur Form. Besonders die Wirkungsäquivalenz, sollte ein Faktor im literarischen Übersetzungsprozess sein, um nicht nur das richtige Wort zu wählen, sondern zu erreichen, dass Worte, Sätze, Gesamttexte auf den Leser des ZTs gleiche Wirkung haben wie auf den Leser des ATs.
Ein weiterer grundlegender Unterschied von literarischen Texten zu fachsprachlichen Texten lässt sich auch durch das Interpretationspotential darstellen. Mit Interpretationspotential ist gemeint, dass ein literarischer Text mehr Auslegungsmöglichkeiten haben kann als ein reiner Fachtext. Es lässt literarische Texte im Allgemeinen vielschichtiger, vieldeutiger erscheinen. Jeder Übersetzer kann innerhalb seiner Epoche und aus weiteren ihn umgebenden Einflüssen heraus andere Äquivalenzentscheidungen und Deutungen für einen AT treffen. Vieldeutigkeit, wie sie in literarischen Werken beispielsweise durch Wortspiele erzeugt wird, ist in Fachtexten nicht erwünscht. Auch der Humor, der in den unterschiedlichen Kulturen stark voneinander abweichen kann, spielt eine große Rolle in der Übersetzung. Rieken-Gerwing empfiehlt bei humoristischen Übersetzungen dem AT treu zu bleiben indem man dessen Wirkung erhält (Vgl. Rieken-Gerwing, 1995, S. 76). Übersetzer müssen manches Mal auf die Möglichkeit der Kompensation zurückgreifen, um die sprachliche Form wiederzugeben oder zu rekonstruieren.
Neben ihrem Interpretationspotenzial fordern literarische Übersetzungen auch einen hohen Grad an übersetzerischer „Kulturkompetenz“ (Vgl. Amman 1995, S. 79). Damit ist die Fähigkeit gemeint von der eigenen Kultur und Situation zu abstrahieren, die fremde Kultur in ihrer Besonderheit und im Vergleich zu der eigenen betrachten und die dabei gemachten Beobachtungen und Annahmen in einer bestimmten (kommunikativen) Situation ziel- und kulturgerecht anwenden zu können. Die Tätigkeit des Literaturübersetzers ist hinsichtlich des kulturellen Hintergrunds somit nicht nur intertextuell, sondern auch stark interkulturell angelegt. (Vgl. Amman 1995, S. 79)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Spezifikum der literarischen Übersetzung eine Verschiebung der Äquivalenzforderung vom formellen zum ästhetischen Aspekt, also eine „veränderte Hierarchie der Äquivalenzforderungen“ (Zit. Koller 1997, S. 266) ist. Es geht darum, durch die stilistische Gestaltung der Übersetzung eine dem AT vergleichbare ästhetische Wirkung zu erzielen. Literarische Texte haben ein höheres Interpretationspotential als Fachtexte. Deshalb wird dem Literaturübersetzer ein hohes Maß an Kulturkompetenz abverlangt. Nur auf diese Weise kann der ZT in der fremden Sprachgemeinschaft die gewünschte Wirkung erzielen und dort trotz seiner Fremdartigkeit heimisch werden. Der literarische Text gilt als Kunstwerk, das sich auf vielerlei Wege in einem schöpferischen Akt übersetzen lässt. Im Vergleich zu Fachtexten unterliegt das „Kunstwerk“ der Literarischen Übersetzung im vergleichbar geringeren Maße grammatikalischen oder stilistischen Konventionen.
[...]
[1] Internetquellen werden ausschließlich in den zugehörigen Fußnoten angegeben. Michael Ende: Zitate – http://mitglied.lycos.de/zitatenschatz/sprache.htm – (06.03.2009)
[2] Alle Zitate, die als solche mit Zit. oder zit. nach gekennzeichnet sind, werden in der originalen Schreibweise ihres Bezugsortes übernommen, auch wenn dies die Verwendung der alten deutschen Rechtschrift bedeutet. Ansonsten wurde die Arbeit nach der neuen deutschen Rechtschrift verfasst..
[3] Michael Ende: Letzte Worte an die Japaner – equilibrismus.de – (06.03.2009)
[4] Anmerkung: Das Buch wurde unter anderem auch deshalb mit dem Schweizer Literaturpreis „La vache qui lit“ (zu Deutsch: die lesende Kuh) ausgezeichnet.
[5] Ernst Jünger: Zitate – http://mitglied.lycos.de/zitatenschatz/sprache.htm – (12.03.2009)
[6] Vgl. Hinrich Schmidt-Henkel: Das literarische Übersetzen und der Berufsalltag des Literaturübersetzers – http://linguapolis.hu-berlin.de/germanopolis/erfahrungsberichte/631.html – (15.03.2009)
[7] Vgl. Hinrich Schmidt-Henkel: Das literarische Übersetzen und der Berufsalltag des Literaturübersetzers – http://linguapolis.hu-berlin.de/germanopolis/erfahrungsberichte/631.html – (15.03.2009)
[8] In Schweden verkleiden sich die Kinder zu Ostern als Osterhexen mit Schürzen, Kopftüchern und aufgemalten Sommersprossen sowie roten Wangen. Sie gehen von Haus zu Haus, verteilen selbstgemalte Osterkarten und freuen sich über Süβigkeiten als Dank. Dieser Brauch geht zurück aufden Glauben, dass die Hexen in der Nacht zum Gründonnerstag (skärtorsdag) auf ihren Besen zum „Blåkulla", dem blauen Hügel, fliegen um gemeinsam zu feiern. Er gleicht unserem deutschen Brauch, dass die Hexen auf ihren Besenstielen zum Blocksberg fliegen.
[9] Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele: Es scheint wie im Falle Harry Potters nicht immer ratsam Kulturspezifika durch Adaption in die ZS eingliedern zu wollen. So kauft sich Harry Potters Onkel in seiner Mittagspause einen Donut. In der Deutschen Ausgabe kauft er hingegen einen "Schokoladenkringel“. Damit wird jedoch eher das Bild einer Süßigkeit geweckt die vollständig aus Schokolade besteht. Zudem ist der Begriff Donut inzwischen auch als Anglizismus in Deutschland bekannt. In späteren Auflagen wurde der „Schokokringel“ dann doch zu „Donut“. (Vgl. Rowling 1999, S. 24)
[10] Im Band eins der Harry Potter Bände sucht ein Meteorologe im Fernsehen nach einer Erklärung für die Sternschnuppenschauer: Perhaps people have been celebrating Bonfire Night early - it's not until next week -"Vielleicht haben die Leute zu früh Silvester gefeiert - das ist noch eine Weile hin" (Vgl. Rowling 1999, S. 4). Bonfire Nights sind mit der Silvesterfeier in Deutschland eigentlich überhaupt nicht gleichzusetzen. In der Nacht des 5. November zünden die Menschen in England Freudenfeuer an und erinnern sich an das Scheitern der großen Pulververschwörung im Jahr 1605 und an den Tod des Verschwörers Guy Fawkes. Dies ist dem englischen Rezipienten bewusst, aber bei deutschen Lesern, insbesondere Kindern kann man dieses Wissen nicht voraussetzen. Deshalb entschied sich der Übersetzer wohl in diesem Fall für die Adaption.
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