Bis zum Mauerfall 1989, versuchten insgesamt ca. 370.000 Flüchtlinge der SED-Diktatur zu entkommen. Die Gründe hierfür waren vielschichtig, jedoch basierten sie fast alle auf der Unzufriedenheit mit der Herrschaftsweise des SED-Regimes. Doch nicht allen Flüchtlingen gelang ein erfolgreicher Weg in den Westen. Trotz der scharfen Kontrollen der Machthaber schafften wenige Menschen unter glücklichen Umständen die Flucht in die Freiheit, viele hingegen wurden erschossen, zahlreiche gefasst und gefangen genommen.
Es stellt sich die Frage: Was passierte mit denjenigen, welchen die Flucht misslang? Das Schicksal dieser Menschen war im DDR-System nicht sichtbar, da nach offiziellen Angaben der Regierung politische Flüchtlinge nicht existierten .
Umso schockierender erscheint die heute geschätzte Anzahl von ca 200.000 Bürgern, welche aufgrund ihrer Gegnerschaft zum SED-Regime inhaftiert und im Zeitraum von 1949 bis 1989 in den Untersuchungshaftanstalten der DDR gefangen gehalten wurden.
Unter ihnen waren nicht nur Fluchtwillige, sondern auch Fluchthelfer, und selbst einige Personen, die einen Antrag zur Ausbürgerung stellten, konnten mithilfe der undurchsichtigen Gesetzgebung der DDR mit bis zu 5 Jahren Haft verurteilt werden.
Ab 1962 gab es für die Gefangenen einen Lichtblick. Mithilfe der Bundesrepublik Deutsch-land wurden durch die Zahlung von über drei Milliarden West-Mark bis zum Mauerfall 1989 ungefähr 34.000 Häftlinge befreit und in die Bundesrepublik übergesiedelt.
Doch bis dahin hatten die Inhaftierten in den Untersuchungshaftanstalten der DDR unter einem perfiden System psychischer Druckmittel zu leiden, mit dessen Auswirkungen viele der Häftlinge auch heute noch zu kämpfen haben. Um gegen den sog. „Klassenfeind“, dessen Bedeutung im ersten Kapitel erläutert wird, vorzugehen, setzte das Ministerium für Staatssi-cherheit in- und außerhalb seiner Untersuchungshaftanstalten verschiedene Mittel ein.
In dieser Arbeit werden diese angewandten Maßnahmen aufgezeigt und im Hinblick auf ihre Wirksamkeit zur Unterdrückung und Bekämpfung des sog. „Klassenfeindes“ untersucht und bewertet. Eine besondere Rolle kommt hierbei auch dem System der Untersuchungshaft in der DDR zu, welches auf der Rechtsgrundlage der Strafprozessordnung (StPO) basierte, sie wird analysiert und auf ihre korrekte Anwendung hin überprüft. Ferner wird aufgezeigt, welche Auswirkungen und Intentionen die Arbeit des MfS im Bereich der Untersuchungshaft auf die Inhaftierten hatte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriff des ,,Klassenfeindes“
- Untersuchungshaft
- Die gesetzlichen Voraussetzungen
- Die Linie IX - das Untersuchungsorgan
- Ermittlungsverfahren
- Verhaftung
- Vollzug und Zweck der Untersuchungshaft
- Einsatz psychischer Zwangsmittel
- Isolation
- Desorientierung
- Totale Überwachung
- Die Vernehmungen
- Einsatz psychischer Zwangsmittel
- Fazit
- Literatur- und Quellenverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit den Methoden zur Unterdrückung und Bekämpfung des sogenannten „Klassenfeindes“ durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR, insbesondere im Kontext der Untersuchungshaft. Sie analysiert die gesetzlichen Grundlagen und die Praxis der Untersuchungshaft und untersucht die Wirksamkeit der angewandten Maßnahmen.
- Die Rolle des „Klassenfeindes“ im SED-System und die politischen Ziele der DDR
- Die rechtlichen Grundlagen und die Praxis der Untersuchungshaft in der DDR
- Die Methoden und Strategien des MfS zur Bekämpfung des „Klassenfeindes“
- Die Auswirkungen der Untersuchungshaft auf die Inhaftierten
- Die Wirksamkeit der Maßnahmen des MfS in der Bekämpfung des „Klassenfeindes“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Untersuchungshaft in der DDR ein und beleuchtet die historische und politische Situation. Sie beleuchtet die Gründe für die Flucht aus der DDR und die Schicksale derer, denen die Flucht misslang. Außerdem wird die Rolle des „Klassenfeindes“ im SED-System erläutert.
Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Begriff des „Klassenfeindes“ und dessen Bedeutung im Kontext der DDR. Es wird darauf eingegangen, wie das SED-Regime mit politischer Opposition umging und die Verfolgung Andersdenkender rechtfertigte.
Kapitel 2.1 erläutert die gesetzlichen Voraussetzungen für die Untersuchungshaft. Es werden die entsprechenden Artikel der Verfassung der DDR sowie die Strafprozessordnung und das Strafgesetzbuch der DDR besprochen.
Kapitel 2.2 beleuchtet die „Linie IX“ des MfS als Untersuchungsorgan. Die Aufgaben und Methoden der „Linie IX“ werden vorgestellt.
Schlüsselwörter
Untersuchungshaft, DDR, MfS, Klassenfeind, politische Verfolgung, Strafprozessordnung, Strafgesetzbuch, Freiheit, „Linie IX“, Ermittlungsverfahren, Verhaftung, Vernehmung, Zwangsmittel, Desorientierung, Überwachung.
- Quote paper
- Lana Körner (Author), 2012, Politische Häftlinge in der DDR, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293829