Einleitung
Der 1984 im Alter von 57 Jahren verstorbene Michel Foucault wurde 1926 als zweites Kind in einer Ärztefamilie geboren. Er begann seine akademische Laufbahn als Student der Geschichte in seiner Heimatstadt Poitiers, später erst wechselte er zum Philosophie- und Psychologiestudium an die Ecole Normale Superieure in Paris. Hier hörte er Vorlesungen des Philosophen Jacques Lacan. Sein philosophischer Betreuer, der ihn u.a. davor bewahrte, sich freiwillig in eine psychiatrische Anstalt zu begeben, hieß Louis Althusser. 1948 erhielt Michel Foucault sein Diplom in Philosophie, 1949 in Psychologie, 1952 in Psychopathologie. Bis sich sein großer Wunsch, ins Ausland zu gehen, erfüllte, war er als philosophischer Assistent in Lille tätig. 1955 erhielt er einen Lektorposten an der Universiät Uppsala in Schweden und leitet das dortige Maison de France. Ähnliche Posten füllte er auch in Warschau und Hamburg aus, bevor er 1960 nach Frankreich zurückkehrte, um als Privatdozent und Professor für Philosophie und Psychologie zu arbeiten. In den folgenden Jahren lehrte er an vielen Universitäten in der ganzen Welt, lebte in vielen verschiedenen Kulturen und war von 1970 an als Professor für Denksysteme am renommierten Collège de France tätig. Nebenher verfasst er zahlreiche Werke, wie z. B. seine Doktorarbeit (die in Schweden als solche abgelehnt worden war!) „Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahnsinns im Zeitalter der Vernunft“(Histoire de la folie), „Die Geburt der Klinik“(La Naissance de la clinique), „Die Ordnung der Dinge“(Les mots et les choses), „Archäologie des Wissens“(Làrcheologie du savoir), „Überwachen und Strafen“(Surveiller et punir) und drei Bände über „Sexualität und Wahrheit" (Histoire de la sexualité). Die Gesamtzahl seiner Veröffentlichungen umfaßt ungefähr 279 Werke, weshalb an dieser Stelle auf die einzelnen Werke nicht näher eingegangen werden wird. Eine Eigenart der Foucaultschen Schreib- und Denkweise war – und gerade das macht ihn sympathisch und lässt ihn als noch größeren Denker erscheinen - dass er niemals für sich beanspruchte, die Wahrheit schlechthin erkannt zu haben, und die Richtigkeit seiner eigenen Aussagen in Zweifel zog, noch bevor er sie aussprach .
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Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Das Subjekt in Foucaults Diskurstheorie
1. Was ist ein Diskurs?
1.1 Ideologische Staatsapparate
2. Der Diskurs
2.1 Wahrheit und Macht
3. Das Subjekt
3.1 Das Verschwinden des Subjekts?
3.2 Die Unterdrückung des Subjekts
III. Das Subjekt in der Literatur
4. Das literarische Subjekt- Die Frage nach dem Autor
4.1. Methoden für das literaturwissenschaftliche Arbeiten
4.2 Die Wiederentdeckung des Subjekts
IV. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Der 1984 im Alter von 57 Jahren verstorbene Michel Foucault wurde 1926 als zweites Kind in einer Ärztefamilie geboren. Er begann seine akademische Laufbahn als Student der Geschichte in seiner Heimatstadt Poitiers, später erst wechselte er zum Philosophie- und Psychologiestudium an die Ecole Normale Superieure in Paris. Hier hörte er Vorlesungen des Philosophen Jacques Lacan. Sein philosophischer Betreuer, der ihn u.a. davor bewahrte, sich freiwillig in eine psychiatrische Anstalt zu begeben, hieß Louis Althusser. 1948 erhielt Michel Foucault sein Diplom in Philosophie, 1949 in Psychologie, 1952 in Psychopathologie. Bis sich sein großer Wunsch, ins Ausland zu gehen, erfüllte, war er als philosophischer Assistent in Lille tätig. 1955 erhielt er einen Lektorposten an der Universiät Uppsala in Schweden und leitet das dortige Maison de France. Ähnliche Posten füllte er auch in Warschau und Hamburg aus, bevor er 1960 nach Frankreich zurückkehrte, um als Privatdozent und Professor für Philosophie und Psychologie zu arbeiten. In den folgenden Jahren lehrte er an vielen Universitäten in der ganzen Welt, lebte in vielen verschiedenen Kulturen und war von 1970 an als Professor für Denksysteme am renommierten Collège de France tätig. Nebenher verfasst er zahlreiche Werke, wie z. B. seine Doktorarbeit (die in Schweden als solche abgelehnt worden war!) „Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahnsinns im Zeitalter der Vernunft“(Histoire de la folie), „Die Geburt der Klinik“(La Naissance de la clinique), „Die Ordnung der Dinge“(Les mots et les choses), „Archäologie des Wissens“(Làrcheologie du savoir), „Überwachen und Strafen“(Surveiller et punir) und drei Bände über „Sexualität und Wahrheit" (Histoire de la sexualité). Die Gesamtzahl seiner Veröffentlichungen umfaßt ungefähr 279 Werke, weshalb an dieser Stelle auf die einzelnen Werke nicht näher eingegangen werden wird. Eine Eigenart der Foucaultschen Schreib- und Denkweise war – und gerade das macht ihn sympathisch und lässt ihn als noch größeren Denker erscheinen - dass er niemals für sich beanspruchte, die Wahrheit schlechthin erkannt zu haben, und die Richtigkeit seiner eigenen Aussagen in Zweifel zog, noch bevor er sie aussprach .
In diesem Sinne sollte auch diese Hausarbeit gelesen werden, denn: „Was ich hier gesagt habe, ist nicht das, „was ich denke“, sondern oft das, von dem ich mich frage, ob man es nicht denken könnte.“ (Dispositive der Macht, S. 216).
In erster Linie sollte sich diese Arbeit mit dem Verschwinden des Subjekts in der Diskurstheorie Michel Foucaults befassen. Nach einer genaueren Auseinandersetzung mit dem Thema gewann ich jedoch die Einsicht, dass es kein wirkliches Verschwinden des Subjekts bei Foucault gibt. Aus diesem Grunde wird in dieser Arbeit vielmehr die Frage nach dem Verschwinden des Subjekts behandelt werden.
Da ich der Meinung bin, dass es sich bei Foucaults Diskurstheorie um eine Weiterentwicklung der Gedanken Althussers handelt, werde ich auf dessen Schema der Ideologischen Staatsapparate den Diskursbegriff aufbauen. Auch Foucaults Subektbegriff weist frappierende Ähnlichkeit mit dem von Althusser auf.
II. Das Subjekt in Foucaults Diskurstheorie
1. Was ist ein Diskurs?
Foucault hat sich eingehend mit der Frage der Macht beschäftigt, wobei ihn weniger interessierte, was Macht ist, als vielmehr, wie diese ausgeübt wird und inwieweit wir ihr als Subjekte unterworfen sind, d.h. von ihr beherrscht werden. Das auf uns als Macht Einwirkende nennt er den Diskurs, von dem es eine unendliche Anzahl gibt, und der im Gegensatz zu einer Regierung, von der man sagen kann, dass sie Macht auf die Bevölkerung ausübt, keineswegs konkret fassbar ist.
1.1 Ideologische Staatsapparate
Louis Althusser, der Foucault an der Ecole Normale Superieure in Paris betreute, teilt diese uns beherrschende Macht in zwei Teile: den Ideologischen Staatsapparat (ISA) und den Repressiven Staatsapparat (RSA). Letzterer entspricht im groben und ganzen dem von Marx beschriebenen Staatsapparat, zu dem u.a. die Regierung, die Verwaltung, die Armee, Polizei und Gefängnisse, kurzum alle Institutionen, die auf die ein oder andere Weise „durch Gewalt funktionieren“ (vgl. Louis Althusser, „Ideology and Ideological State Apparatuses“, S.151), die jedoch nicht unbedingt eine physische sein muss. Demgegenüber stehen die Ideologischen Staatsapparate, die in erster Linie auf ideologischer Basis, und in zweiter Linie eventuell auch auf repressiver Basis funktionieren. Dazu gehören beispielsweise: Familie, Literatur, Medien, Sport, Erziehung, kurzum all das, was unser Weltbild aufgrund irgendeiner Art von Ideologie formt.
„Thesis I: Ideology represents the imaginary relationship of individuals to their real conditions of existence“ (Althusser, S. 153). Demzufolge ist die Welt nicht so, wie wir sie wahrnehmen. Stattdessen lehrt uns die Ideologie ein gewisse Wahrnehmungsweise, aufgrund derer wir die Welt entweder so wahrnehmen, wie wir sie wahrnehmen sollen, oder wie wir es wollen. Ersteres basiert laut Althusser auf dem Willen zur Macht einiger weniger (z.B. Priester, Tyrannen) während letzteres eine Verfremdung der Realität zur Kompensierung einer befremdlichen und befremdenden Realität darstellt (S. 154).
„What is represented in ideology is therefore not the system of the real relations which govern the existence of individuals, but the imaginary relation of those individuals to the real relations in which they live.”(S. 155)
Der Ideologiebegriff nach Althusser beschreibt also eine gewisse Art von Weltanschauung und –wahrnehmung. Denn wer beispielsweise in der jüdischen Religion (Ideologie) aufgewachsen ist, hat eine andere Beziehung zu der Klagemauer als ein Nichtjude. Solange ein Individuum also der Überzeugung ist, ein Gegenstand habe eine bestimmte Bedeutung, dann ist dies für ebendiesen Zeitraum für ihn die objektive Realität (und nicht nur wie er glaubt, dass sie es ist).
2. Der Diskurs
Dies aber entspricht dem Diskursbegriff Foucaults, den man als eine Weiterentwicklung der ISA-Theorie verstehen könnte. Denn auch Diskurse dienen dem Individuum als Mittel, um der von ihm wahrgenommenen Welt bestimmte Bedeutungen zuzuschreiben. Diese Bedeutungen können sich im Laufe der Zeit zwar ändern, aber der Diskurs an sich ist dennoch vorhanden. Andererseits kann etwas wahr sein, solange man nicht darüber redet, es also nicht im Diskurs auftaucht, existiert es nicht (vgl. Geoff Danaher. Tony Schirato and Jen Webb in „Understanding Foucault“). Danaher, Schirato und Webb beschreiben die Diskurse als „language in action: they are windows, if you like, which allow us to make sense of, and ‚see’ things.” (S. 31). Alles wahre und außerhalb des Fensterrahmens Existierende gibt es demnach nicht, solange es nicht im Blickfeld, im Diskurs auftaucht. Einige Diskurse der neueren Zeit sind beispielsweise die Vergewaltigung in der Ehe, sexuelle Belästigung oder die globale Erderwärmung. Solange man nicht darüber redet, existiert es auch nicht. Aus diesem Grunde lassen sich auch die meisten gefährdeten Afrikaner nicht auf HIV testen. Denn solange man sie nicht als todkrank bezeichnet, sind sie es auch nicht, obgleich sie es in Wirklichkeit sind. Nur entspricht letztgenannte eben nicht der diskursiven Realität. Kurzum, „allein die discoursive Situation entscheidet über Bedeutung und Fiktion in einem korrelativen Raum“ (Rüdiger Brede in „Aussage und Diskurs“).
Diskurse sind bedeutungs- und realitätsschaffende Sprache, sie bestehen aus Behauptungen, die in Beziehung zu anderen Behauptungen stehen können, es aber nicht müssen (vgl. Understanding Foucault).
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- Quote paper
- Erika von Bassewitz (Author), 2003, Das Verschwinden des Subjekts in der Diskurstheorie von Michel Foucault?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29361
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