In dieser sich zunehmend globalisierenden Welt, in der Globalisierung fast ausschließlich neoliberal definiert wird, scheinen sich die Prognosen, die von Anhängern eben dieser Neoliberalität gestellt wurden und dem armen Teil der Weltbevölkerung euphorische Versprechungen machten, nicht zu erfüllen. Im Gegenteil: „Der wirtschaftliche Liberalismus hat den politischen Liberalismus nicht gefördert, die Distanz zwischen den Kulturen und Völkern hat sich nicht verringert, der Lebensstandard zwischen Nord und Süd driftet weiter auseinander.“1 Das Bruttoinlandsprodukt stieg in den Jahren von 1970 bis 1990 in den OECD-Staaten um 35%, während es sich in den Entwicklungsländern gerade mal um 3% steigerte.2 Nach dem Entwicklungsbericht der ´Konferenz der Vereinten Nationen über Handel und Entwicklung´ (UNCTAD) von 1997 war das persönliche Einkommen 1965 in den G7-Ländern 20-mal höher als das in den sieben ärmsten Ländern. 1995 war es 40-mal höher.3 Über ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt heute in vollständiger Armut und die Hälfte der Weltbevölkerung hat nicht mehr als 2 Dollar pro Tag zur Verfügung, so daß heute das Vermögen der drei reichsten Männer der Welt größer ist als das von 50% der ärmsten Länder. Die UNCTAT macht die Liberalisierungspolitik für diese Entwicklung verantwortlich und es scheint, als ob diese immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich „ein notwendiges Strukturelement der neoliberalen Globalisierung“4 darstellt, indem sie als Wettbewerbsvorteil genutzt wird. Angesichts dieser Bilanz stellt sich nicht zuletzt die Frage, was die Entwicklungspolitik in diesem Zusammenhang leistet und bisher geleistet hat, da sie per definitionem das Ziel verfolgt, diese Verhältnisse nach bestimmten Vorgaben abzufangen und einen gegenteiligen Prozeß in Gang zu bringen. [...] 1 Nikonoff, Jacques: Die Finanzierung der Entwicklung, 10.10.2001. Online/Internet: attac. org/fra/list/doc/nikonoff3.de.htm [Stand 7.8.2002], S. 3. 2 Vgl. Brüne, Stefan: Europas Entwicklungspolitiken. Anspruch, Zielkonflikte, Interessen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 45 (1995) 29, S. 32. 3 Vgl. Mies, Maria: Das globale Freihandelssystem als Neokoloniales Kriegssystem. Online/Internet: attacnetzwerk. de/archiv/0110mm_globalkrieg.pdf [Stand 5.8.2002], S. 3. 4 Mies: a.a.O., S. 3.
1 Inhaltsverzeichnis
2 Einleitung
3 Entstehungsphase Europäischer Entwicklungspolitik
3.1. Assoziierung
3.2. Yaoundé I-II
3.3. Lomé I
4 Lomé II – Cotonou: Tendenzen und Probleme europäischer Nord-Süd-Politik
4.1. EEF
4.2. STABEX
4.3. Demokratie und Menschenrechte
4.4. Strukturanpassungspolitik
4.5. Vervielfältigte Auslandsengagements der EU
4.6. Liberalisierungspolitik
4.7. Gemeinschaftliche versus nationale Entwicklungspolitik
5 Abschluß
6 Literatur
2 Einleitung
In dieser sich zunehmend globalisierenden Welt, in der Globalisierung fast ausschließlich neoliberal definiert wird, scheinen sich die Prognosen, die von Anhängern eben dieser Neoliberalität gestellt wurden und dem armen Teil der Weltbevölkerung euphorische Versprechungen machten, nicht zu erfüllen. Im Gegenteil:
„Der wirtschaftliche Liberalismus hat den politischen Liberalismus nicht gefördert, die Distanz zwischen den Kulturen und Völkern hat sich nicht verringert, der Lebensstandard zwischen Nord und Süd driftet weiter auseinander.“[1]
Das Bruttoinlandsprodukt stieg in den Jahren von 1970 bis 1990 in den OECD-Staaten um 35%, während es sich in den Entwicklungsländern gerade mal um 3% steigerte.[2] Nach dem Entwicklungsbericht der ´Konferenz der Vereinten Nationen über Handel und Entwicklung´ (UNCTAD) von 1997 war das persönliche Einkommen 1965 in den G7-Ländern 20-mal höher als das in den sieben ärmsten Ländern. 1995 war es 40-mal höher.[3] Über ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt heute in vollständiger Armut und die Hälfte der Weltbevölkerung hat nicht mehr als 2 Dollar pro Tag zur Verfügung, so daß heute das Vermögen der drei reichsten Männer der Welt größer ist als das von 50% der ärmsten Länder. Die UNCTAT macht die Liberalisierungspolitik für diese Entwicklung verantwortlich und es scheint, als ob diese immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich „ein notwendiges Strukturelement der neoliberalen Globalisierung“[4] darstellt, indem sie als Wettbewerbsvorteil genutzt wird.
Angesichts dieser Bilanz stellt sich nicht zuletzt die Frage, was die Entwicklungspolitik in diesem Zusammenhang leistet und bisher geleistet hat, da sie per definitionem das Ziel verfolgt, diese Verhältnisse nach bestimmten Vorgaben abzufangen und einen gegenteiligen Prozeß in Gang zu bringen.
Die Europäische Union (EU) galt in diesem Politikfeld, selbst für viele Europakritiker, lange Zeit als Vorbild[5]. Zusammen mit ihren Mitgliedsstaaten bringt sie ca. 50% der weltweit, jährlich geleisteten Entwicklungshilfe auf und sie installierte im Rahmen der sogenannten ‚Lomé-Politik‘ ein System, das den Entwicklungsländern rechtsverbindlich Entwicklungshilfe zusicherte und ihnen aufgrund mehrjähriger Vertragslaufzeiten langfristige Planungen ermöglichte[6].
Da sich die Lomé-Politik mit über 2/3 der ärmsten Länder (LDCs) befaßt, erscheint es besonders aufschlußreich, einen konzentrierten Blick auf sie zu werfen, um der Beantwortung folgender Fragen möglichst nahe zu kommen: Hat die Lomé-Politik der EU noch größeren Schaden für die sogenannte ‚dritte Welt‘ abgewendet? Bleibt sie angesichts übergeordneten Interessen und anderen politischen Tendenzen ohne Wirkung? Oder hat sogar sie selbst, trotz ihrer Vorbildrolle in diesem Politikbereich (zumindest im Verhältnis zu anderen entwicklungspolitischen Akteuren), zu einem immer steiler werdenden Gefälle zwischen Nord und Süd beigetragen?
Eine kritische Prüfung der EU-Entwicklungspolitik soll geleistet werden, indem die Entstehungsgeschichte der Europäischen Entwicklungspolitik, bis einschließlich Lomé I, zunächst chronologisch dargestellt wird. Von diesem Ausgangspunkt aus soll der weitere Prozeß systematisch, bis hin zum aktuellen Contonou-Abkommen an Hand der verschiedenen Instrumente, der vorgegebenen Ziele, den leitenden Motiven und einschlägigen Problemen der Europäischen Nord-Süd-Politik, auf seine für die Entwicklung der bedürftigen Länder positiven oder negativen Veränderungen hin, verfolgt werden.
3 Entstehungsphase Europäischer Entwicklungspolitik
3.1. Assoziierung
Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft (EG), „d.h. multilaterale Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, die die Mitgliedsländer der Europäischen Union gemeinschaftlich betreiben“[7], ist so alt wie die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Der am 28.02.1957 in Rom unterzeichnete und am 01.01.1958 in Kraft getretene EWG-Vertrag regelte die Zusammenarbeit der Gründungsstaaten (Belgien, BRD, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande) mit den „überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten“[8] in Artikel 131-136 des Vertrages bereits grundsätzlich. Ein auf 5 Jahre angesetztes Durchführungsabkommen ergänzte weitere Einzelheiten der Assoziierung und gründete insbesondere den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF), der von den Mitgliedsstaaten finanziert und der Kommission verwaltet wurde. Des weiteren wurde der Handel zwischen den besagten europäischen Ländern mit den ehemaligen Kolonien, so wie unter den EWG-Ländern selbst, als freier Handel beschlossen.
In erster Linie Frankreich, welches zu dieser Zeit noch über die meisten überseeischen Länder verfügte, aber auch die anderen Kolonialmächte Belgien, Italien und Niederlande drängten auf die Assoziierung und machten sie zur Bedingung ihres Beitritts zur EWG. Dabei standen die Interessen Frankreichs im Vordergrund: Erstens sollten die Kosten für die Entwicklung der Kolonialstaaten auf die übrigen EWG-Länder verteilt werden (88% der EEF-Finanzmittel flossen in französische Überseegebiete, während Frankreich bloß ein Drittel dieser Mittel aufbrachte), zweitens die Absatzmärkte an erster Stelle in Afrika erhalten bleiben und drittens ergaben sich neue Absatzmärkte für die Rohstoffe aus den Kolonialgebieten.[9]
So erscheint der Beginn europäischer Entwicklungspolitik als „Fortsetzung der Kolonialpolitik mit anderen Mitteln".[10]
3.2. Yaoundé I-II
Als die ehemaligen Kolonien noch im Verlauf des ersten Assoziierungsabkommens ihre Unabhängigkeit erlangten, bedeutete das einen ersten wichtigen Einschnitt für die bisherige Assoziierungspolitik, da diese noch ausschließlich von EWG-Seite beschlossen war und ihr nun die völkerrechtliche Grundlage abhanden kam. Es wurde notwendig, Verhandlungen zwischen - zumindest formal-rechtlich gesehen - gleichberechtigten Partnern aufzunehmen, so daß 18 afrikanische Staaten plus Madagaskar (Assoziierte Afrikanische Staaten und Madagaskar – AASM), mit dem am 20.07.1963 in der Hauptstadt Kameruns beschlossenen Yaoundé-Abkommen (am 01.07.1964 in Kraft getreten; fünf Jahre Laufzeit), Vertragspartner der EWG wurden.[11] Die bisher praktizierte Assoziierungspolitik setzte sich inhaltlich gesehen jedoch weiterhin fort: Den installierten gemeinsam besetzten Institutionen kam keinerlei Entscheidungsbefugnis zu und über die EEF-Finanzen entschied die EWG-Kommission allein. Den AASM-Staaten gewährte das Abkommen lediglich die Initiative bei Projektvorschlägen.
Das 1969 verabschiedete Yaoundé II-Abkommen setzte das erste Abkommen im wesentlichen fort: Weitere Liberalisierung des Handels für Exporte aus den AASM und die Förderung der Industrialisierung sowie der regionalen Zusammenarbeit.[12]
Spätestens mit dem 1971 beschlossenem Allgemeinen Präferenzsystem (ASP) endete die bevorzugte Stellung der AASM gegenüber den anderen Entwicklungsländern. Das ASP gewährte nun allen Entwicklungsländern Handelsvorteile.
Das endgültige Ende der bisherigen Assoziierungspolitik stellte sich ein als insbesondere Großbritannien, neben Dänemark und Irland, der EWG beitrat und die ehemaligen britischen Kolonien die gleiche Behandlung forderten, wie sie bis dahin nur den AASM zustanden. Eine Neuorientierung der Europäischen Entwicklungspolitik war wiederum notwendig geworden.
3.3. Lomé I
Das erste Lomé-Abkommen wurde am 28.02.1975 in der Hauptstadt Togos unterzeichnet. Aus den AASM waren die AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) geworden, eine Staatengruppe, die mittlerweile auf 46 Mitgliedsländer angewachsen war. Diese Staatengruppe war nunmehr von einem passiven zu einem aktiven Partner der EWG geworden, wie sich in den Verhandlungen zu Lomé I zeigen sollte. Sie präsentierte sich mit gewachsenem Selbstvertrauen, als einheitliche Interessengruppe formiert und forderte eine ‚Neue Internationale Wirtschaftsordnung‘ (NIWO)[13], mit dem Ziel, ihrer staatlichen Selbstständigkeit auch die wirtschaftliche folgen zu lassen, da die Verträge von Yaoundé es bisher nicht geschafft hatten, die Lebensverhältnisse in den betreffenden Entwicklungsländern zu verbessern oder die nach wie vor kolonial geprägten Handelsbeziehungen (Rohstoffe gegen Industrieprodukte, Handelsfixierung auf EWG, einseitig auf Agrarprodukte ausgerichtete Wirtschaft etc.) zu entkrampfen.
[...]
[1] Nikonoff, Jacques: Die Finanzierung der Entwicklung, 10.10.2001. Online/Internet: attac.org/fra/list/doc/nikonoff3.de.htm [Stand 7.8.2002], S. 3.
[2] Vgl. Brüne, Stefan: Europas Entwicklungspolitiken. Anspruch, Zielkonflikte, Interessen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 45 (1995) 29, S. 32.
[3] Vgl. Mies, Maria: Das globale Freihandelssystem als Neokoloniales Kriegssystem. Online/Internet: attac-netzwerk.de/archiv/0110mm_globalkrieg.pdf [Stand 5.8.2002], S. 3.
[4] Mies: a.a.O., S. 3.
[5] Vgl. Reithinger, Anton: Probleme und Perspektiven Europäischer Entwicklungspoli- tik, in: Nord-Süd aktuell 11 (1995) 3, S. 387.
[6] Vgl. Brüne, Stefan: Die EU als Nord-Süd Akteur. Abschied von Lomé?, in: Schubert, Klaus/ Müller Brandeck-Bocquet, Gisela (Hrsg.): Die Europäische Union als Akteur der Weltpolitik. Opladen: Leske und Budrich, 2000, S. 208.
[7] Ebd., S. 387.
[8] EWG-Vertrag, zit. nach Schmuck, Otto: Die Süd-Politik der Europäischen Gemein- schaft: Entstehung, Motive, Instrumente und Widersprüche, in: Nuscheler, Franz/ Schmuck, Otto (Hrsg.): Die Süd-Politik der EG. Bonn: Europa Union, 1992, S. 30.
[9] Vgl. Falk, Rainer: Die Rolle Europas in den Nord-Süd-Beziehungen. Auf dem Weg zu einer globalen Struktur- und Friedenspolitik im 21. Jahrhundert?, in: Altvater, Elmar/ Mahnkopf, Birgit (Hrsg.): Ökonomie eines friedlichen Europa. Ziele, Hindernisse, Wege. Münster: Agenda, 2000, S. 105.
[10] Ebd., S. 104.
[11] Vgl., ebd., S. 106.
[12] Vgl., Breitwieser, Franz: Entwicklungspolitisches Engagement der Europäischen Uni on, in: Journal für Entwicklungspolitik 10 (1994) 2, S. 110.
[13] Vgl., Falk, S.107.
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