Einleitung
Mitte Februar 1999 wurde der kurdische PKK-Führer Abdullah Öcalan am Flughafen von Nairobi vom türkischen Militärgeheimdienst festgenommen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich in der griechischen Botschaft Kenia versteckt gehalten. Vier Monate zuvor hatte seine Flucht von Syrien aus, wo er sich seit 1979 aufhielt und die Aktionen der PKK organisierte, begonnen und führte ihn über Griechenland, Russland, Italien, Belarus, wieder Griechenland, letztlich nach Kenia. Seiner Verhaftung folgte die Aufgabe des offenen Kampfes der PKK gegen den türkischen Staat. Dem vorausgegangen war ein jahrelanger gewaltsam ausgetragener Konflikt. Jüngste Meldungen aus der Türkei berichten von einer scheinbar gänzlich anderen Sachlage. Ehemaligen Kämpfern der PKK werden von türkischer Seite Amnestie-Angebote gemacht, mit dem Ziel diese in die Gesellschaft wieder einzugliedern. 1 Von einer „türkische(n) Revolution“ ist die Rede; und sogar das traditionell einflussstark in Verfassung und Staatsverständnis verankerte türkische Militär ist auf dem Rückzug aus der Politik und gibt sich reformfreudig.2
Es könnte der Eindruck entstehen in den letzten vier Jahren habe sich vieles in der Türkei geändert. Der türkisch-kurdische Konflikt ist beigelegt und Staatsreformen werden wohlwollend angegangen. Demzufolge stünde einem EU-Beitritt der Türkei nicht mehr viel im Wege. Ganz so einsichtig und überschaubar gestaltet es sich jedoch nicht. Der türkisch-kurdische Konflikt bestand nicht nur aus den Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Militär. Dies war lediglich die äußere Erscheinungsform, die durch die Medien immer wieder an die Weltöffentlichkeit drang. Die Ursachen und Hintergründe hingegen haben eine weitaus komplexere und vielschichtigere Gestalt. Und auch der Weg in die Europäische Union ist noch nicht so freigeräumt wie es oberflächlich den Anschein haben mag. Es ist der Gegenstand dieser Arbeit hinter die Kulissen des türkisch-kurdischen Konflikts in Vergangenheit und Gegenwart zu blicken. Dabei kann keinesfalls der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Vielmehr liegt der Fokus darauf, verschiedene essentielle Faktoren zu analysieren, den Konflikt sowohl in die türkische als kurdische Gesellschaft einzufügen, die Rolle der Akteure zu beleuchten, den internationalen Kontext zu skizzieren und schließlich den Bezug und die Bedeutung des Konflikts zu einem EU-Beitritt der Türkei herzustellen.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der türkisch-kurdische Konflikt
2.1. Die Perzeptionen des Konflikts
2.2. Historische Hintergründe
2.2.1. Friedensabkommen von Sèvres und Lausanne
2.2.2. Kemalismus und Staatsverständnis der Türkei
2.3. Die Kurdische Identität und Gesellschaftsstruktur
2.4. Die türkische Kurdenpolitik
2.5. Die Rolle des türkischen Militärs
2.6. Die PKK
2.7. Die transnationale Dimension des Kurdenkonflikts
3. Der türkisch-kurdische Konflikt und die Europäische Union
3.1. Historischer Abriss der Beziehungen zwischen Europa und der Türkei
3.1.1. Die Anfänge der türkischen Westorientierung
3.1.2. Vom Assoziierungsabkommen, über Zollunion zur Beitrittspartnerschaft
3.2. Menschenrechte und Reformen in der Gegenwart
3.2.1. Die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien
3.2.2. Die sozioökonomische Lage im Südosten der Türkei
4. Fazit und Schlussbemerkungen
5. Bibliographie
1. Einleitung
Mitte Februar 1999 wurde der kurdische PKK-Führer Abdullah Öcalan am Flughafen von Nairobi vom türkischen Militärgeheimdienst festgenommen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich in der griechischen Botschaft Kenia versteckt gehalten. Vier Monate zuvor hatte seine Flucht von Syrien aus, wo er sich seit 1979 aufhielt und die Aktionen der PKK organisierte, begonnen und führte ihn über Griechenland, Russland, Italien, Belarus, wieder Griechenland, letztlich nach Kenia. Seiner Verhaftung folgte die Aufgabe des offenen Kampfes der PKK gegen den türkischen Staat. Dem vorausgegangen war ein jahrelanger gewaltsam ausgetragener Konflikt.
Jüngste Meldungen aus der Türkei berichten von einer scheinbar gänzlich anderen Sachlage. Ehemaligen Kämpfern der PKK werden von türkischer Seite Amnestie-Angebote gemacht, mit dem Ziel diese in die Gesellschaft wieder einzugliedern.[1] Von einer „türkische(n) Revolution“ ist die Rede; und sogar das traditionell einflussstark in Verfassung und Staatsverständnis verankerte türkische Militär ist auf dem Rückzug aus der Politik und gibt sich reformfreudig.[2]
Es könnte der Eindruck entstehen in den letzten vier Jahren habe sich vieles in der Türkei geändert. Der türkisch-kurdische Konflikt ist beigelegt und Staatsreformen werden wohlwollend angegangen. Demzufolge stünde einem EU-Beitritt der Türkei nicht mehr viel im Wege. Ganz so einsichtig und überschaubar gestaltet es sich jedoch nicht.
Der türkisch-kurdische Konflikt bestand nicht nur aus den Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Militär. Dies war lediglich die äußere Erscheinungsform, die durch die Medien immer wieder an die Weltöffentlichkeit drang. Die Ursachen und Hintergründe hingegen haben eine weitaus komplexere und vielschichtigere Gestalt.
Und auch der Weg in die Europäische Union ist noch nicht so freigeräumt wie es oberflächlich den Anschein haben mag. Es ist der Gegenstand dieser Arbeit hinter die Kulissen des türkisch-kurdischen Konflikts in Vergangenheit und Gegenwart zu blicken. Dabei kann keinesfalls der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Vielmehr liegt der Fokus darauf, verschiedene essentielle Faktoren zu analysieren, den Konflikt sowohl in die türkische als kurdische Gesellschaft einzufügen, die Rolle der Akteure zu beleuchten, den internationalen Kontext zu skizzieren und schließlich den Bezug und die Bedeutung des Konflikts zu einem EU-Beitritt der Türkei herzustellen. Ziel ist es dabei die Komplexität des Konflikts herauszuarbeiten und damit zu verdeutlichen, inwiefern die kurdische Frage trotz jüngster Reformbestrebungen der Türkei immer noch enorme Relevanz für einen EU-Beitritt hat.
Im Rahmen dieser Arbeit wird vornehmlich die Rede vom türkisch-kurdischen Konflikt, oder aber auch in weiterem Sinne von der kurdischen Frage sein. Diese Begrifflichkeit erscheint mir der Sachlage am angemessensten Rechnung zu tragen. In vielen wissenschaftlichen Quellen tauchen Bezeichnungen wie „Kurdenproblem“, „Kurdenkonflikt“ oder gar nur „Terrorismusproblem“ auf. Die grundlegende Herangehensweise an diesen Konflikt ist hier die Annahme, dass es immer zweier Parteien bedarf, um zu Unstimmigkeiten zu gelangen. Aus diesem Grund scheint die Bezeichnung als türkisch-kurdischer Konflikt zutreffender.
In bezug auf die Literaturauswahl ist anzumerken, dass sie nach dem Kriterium der Aktualität und der Bemühung um Objektivität der Autoren selektiert wurde. Monographien jüngeren Datums, die sich mit diesem Thema beschäftigen sind schwer, bzw. kaum erhältlich. Der Rückgriff auf Essays und Publikationen in wissenschaftlichen Magazinen erklärt sich vor diesem Hintergrund.
2. Der türkisch-kurdische Konflikt
Der türkisch-kurdische Konflikt gestaltet sich in seiner Komplexität so weitreichend und facettenreich, dass es im Rahmen dieser Arbeit nicht Ziel sein kann, ihn als solches erschöpfend zu analysieren. Die Zielsetzung in diesem Kapitel richtet sich vielmehr auf eine punktuelle Herausarbeitung bestimmter ursächlicher Faktoren und Charakteristika des Konflikts, um jene Komplexität aufzuzeigen. Die zentrale Relevanz des türkisch-kurdischen Konflikts für einen EU-Beitritt der Türkei soll somit verdeutlicht werden. Es soll ersichtlich werden, dass die Wurzeln des Konflikts historischer, sozialer und auch politischer Natur sind und in ihrer Tragweite nicht auf kurze Sicht durch einige politische Reformen neutralisiert werden können; dass es eines grundsätzlichen Wandels des Staatsverständnisses in der Türkei bedarf.
2.1. Die Perzeptionen des Konflikts
Charakteristisches Merkmal eines Konfliktes sind vorhandene Interessensunterschiede der beteiligten Parteien in bezug auf einen bestimmten Streitgegenstand. Theoretisch ist eine Konfliktbeilegung nach der Darstellung und Analyse der jeweiligen Standpunkte und Argumente durch Kompromiss oder Kooperation der Parteien möglich. Die Voraussetzung zum erfolgreichen Konfliktmanagement und zur konstruktiven Auseinandersetzung ist jedoch eine grundlegende Einigkeit was den Streitgegenstand und damit die generelle Wahrnehmung des Konfliktes betrifft. In bezug auf den türkisch-kurdischen Konflikt liegen bereits an diesem Punkt erhebliche Divergenzen vor.
Auf der einen Seite stellt sich der Konflikt als Ausdruck von Freiheitsbestrebungen und dem Verlangen nach rechtlicher Gleichstellung der kurdischen Bevölkerung dar. Die gewaltförmigen Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Militär von 1984 bis 1999 sind demnach das Resultat der türkischen Verweigerung von Rechten für die kurdische Bevölkerung und der Unterdrückung einer ethnischen Minderheit durch eine mehrheitliche Gruppe. Cornell zufolge wird der Konflikt sowohl weitestgehend in westlichen als auch in Ländern der Dritten Welt so wahrgenommen.[3]
Auf der anderen Seite, aus türkischer Perspektive, gestaltet sich die kurdische Frage grundlegend davon losgelöst. „Der Konflikt wird im Sinne einer ethnischen Minderheitenfrage oder nationalen Frage abgelehnt.“[4] Vielmehr handelt es sich für das türkische Militär und die türkische Regierung um ein sozioökonomisches Problem und um ein Terrorismusproblem.[5] Eine Veränderung der türkischen Perspektive kann im Hinblick auf die Unantastbarkeit der kemalistischen Prinzipien nur mühsam erfolgen.
Die türkische Regierung hat lange Zeit nicht eingesehen, dass es ein kurdisches Problem gab und gibt, vielmehr setzte sie dies gleich mit dem PKK-Problem. „If the Kurdish-Turkish dichotomy represents the central ethnic cleavage in Turkey, its crucial nature has often been obscured by the struggle between the Turkish state and the PKK.“[6] Dieser Logik folgend ist es der Türkischen Regierung ermöglicht nicht über ein kulturelles oder politisches Problem zu reden, sondern lediglich über ein terroristisches, welches Maßnahmen zum Erhalt der staatlichen Sicherheit erfordert. Philip Robins argumentiert, dass im kurdischen Volk eine zweitteilige Gesellschaft existiert. Der eine Teil, der sich selber als Kurden identifiziert und der andere Teil, der sich in Form der Organisation der PKK darstellt. Sich von türkischer oder auch kurdischer Seite von den „Extrempositionen“ zu entfernen ist schwierig. „(...) Most of the middle ground in Kurdish-Turkish relations has either disappeared or has become extremely uncomfortable - not to mention dangerous – to occupy.”[7] Jene auf türkischer Seite, die Bestrebungen zur Anerkennung einer kurdischen politischen Realität, losgelöst von der PKK, unternahmen, standen schnell allein da oder machten sich angreifbar. Jene von der kurdischen Seite, auf der Suche nach einem Mittelweg, bekamen Druck von gleich mehreren Seiten zu spüren.[8]
Zieht man nun diese gegensätzliche Wahrnehmung der kurdischen Frage in Betracht, wird ersichtlich, wie komplex sich die Problematik nicht nur per se gestaltet, sondern wie problematisch darüber hinaus bereits eine Übereinkunft der Parteien bezüglich des Problemgegenstandes und damit eines Ausgangspunktes zur Konfliktbeilegung ist.
2.2. Historische Hintergründe
Die gegenwärtige Verteilung des kurdischen Volkes auf die verschiedenen Länder, Irak, Iran, Syrien und Türkei, resultiert aus den Folgen des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall des Osmanischen Reiches. Um den heutigen türkisch-kurdischen Konflikt zu verstehen, ist es unumgänglich seine historischen Wurzeln zu betrachten und einen Blick auf die damaligen Geschehnisse zu werfen. Auch Lale Yalcin-Heckmann betont, dass die Ereignisse in den ersten drei Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts in der Türkei, bzw. im Osmanischen Reich, entscheidend für das türkisch-kurdische Verhältnis waren.[9]
2.2.1. Friedensabkommen von Sèvres und Lausanne
Das Friedensabkommen von Sèvres vom 10.August 1920, unterzeichnet von den alliierten Kräften und dem Osmanischen Reich, sah für die Kurden relativ weitgehende Souveränitäts- und Autonomierechte vor. Es kam jedoch nicht zu einer praktischen Umsetzung des Abkommens. Türken und Kurden setzten sich gegen die Besetzung des ehemaligen Osmanischen Reiches und die Verteilung der Territorien unter den Alliierten gewaltsam zur Wehr. Am Ende des Unabhängigkeitskrieges, in dem sowohl Kurden als auch Türken gemeinsam kämpften, wurde am 24.Juli 1923 das Friedensabkommen von Lausanne unterzeichnet. Im Gegensatz zum vorherigen Friedensabkommen von 1920 wurden hier die Interessen der kurdischen Bevölkerung weitaus weniger berücksichtigt.[10]
„In Turkey, the Kurds contributed to the War of Independance (1919-1923), but in the immediate post-1923 period Kemal Atatürk rejected the Kurds` demands for autonomy, severely crushed Kurdish revolts in 1920s and 1930s and pursued a strategy aimed at their assimilation into the Turkish nation, using both education and military force.”[11]
Ismail Görer zufolge waren die Erdölvorkommen in den kurdischen Gebieten für die Verteilung der Territorien zwischen den Alliierten, insbesondere für England und Frankreich, von erheblicher Bedeutung. Das kurdische Gebiet wurde ohne Gegenwehr von Seiten der Türkei „aufgrund der Interessen der imperialistischen Mächte“ auf die vier Staaten, Türkei, Irak, Iran und Syrien verteilt.[12]
Der Vertrag von Lausanne beinhaltet keine gesonderten Rechte für die Kurden, wie noch während des Unabhängigkeitskrieges von Seiten Kemal Atatürks den Kurden zugesagt, noch gelten die im Vertrag festgehaltenen Minderheitenrechte für muslimische Minderheiten. Mumtaz Soysal erklärt, dass nach islamisch religiöser Kultur unterschiedliche Ethnien keine Rolle spielten und dem Konzept der „umma“ folgend alle Muslime gleichgestellt waren.[13] Dieser Logik folgend werden die größtenteils muslimischen Kurden in der Türkei nicht als Minderheit angesehen.
2.2.2. Kemalismus und Staatsverständnis der Türkei
Der türkische Nationalismus und das türkische Staatsverständnis werden in einer Vielzahl literarischer, wissenschaftlicher Quellen als einer der zentralen ursächlichen Faktoren des türkisch-kurdischen Konfliktes angeführt.[14] Im folgenden sollen die Entstehung und die Bedeutung der türkischen Staatsideologie erläutert und ihre Unvereinbarkeit mit den kurdischen „Befreiungsbestrebungen“ veranschaulicht werden.
Die Gründung der türkischen Republik im Jahr 1923 durch Kemal Atatürk[15] erfolgte nach dem Vorbild des europäischen Nationalstaats, welcher sich „als Einheitsstaat mit einheitlichem Staatsvolk definiert“[16]. Diesem Verständnis des Staates entsprechend erkennt die Türkei keine anderen als in dem Vertrag von Lausanne genannten Minderheiten an. „Die türkische Minderheitenpolitik gründet sich also nicht auf ein besonderes islamisches oder türkisches Nations- oder Staatsverständnis, sondern ist durch und durch europäisch geprägt.[17] Verankert war dieses Staatsverständnis in den sechs Prinzipien Atatürks, welche 1931 von ihm aufgestellt wurden und seither unter dem Begriff des Kemalismus bekannt sind:
- „Nationalismus (Staatslegitimation durch das türkische Staatsvolk),
- Laizismus (Säkularismus – Trennung von Staat und Islam),
- Republikanismus (republikanische Staatsform im Gegensatz zur Monarchie, Ersatz des persönlichen Herrschers durch 'Vater Staat' mit einer Elite von beamten, die den Weg in die Moderne zeigt),
- Popularismus (Beteiligung des Volkes am Staat mit Rechten und Pflichten)
- Etatismus (Wirtschaftslenkung durch Staatsmonopole, Staatskapitalismus als Antwort auf die Wirtschaftskrise),
- Reformismus (ständige innere Erneuerung in Richtung auf weitere Verwestlichung“.[18]
Das die kurdische Frage mit Abstand am stärksten tangierende Gründungsprinzip ist der Nationalismus. Nach Atatürks Ideologie war ab 1923 jeder ein Türke und somit türkischer Bürger, der in den Grenzen der Türkei lebte. Im Kontext des Zusammenbruchs des Osmanischen Reiches und den Unruhen der Nachkriegszeit entstand Philip Robins nach der türkische Nationalismus aus der Notwendigkeit heraus die verschiedenen Völkergruppen in einem Staatsgebilde zu vereinen und zu binden. In der Vergangenheit, zur Zeit des Osmanischen Reiches, diente der Islam, die gemeinsame Religion, als Bindeglied zwischen den einzelnen ethnischen Gruppen; Atatürk jedoch lehnte die Religion in einer solchen Rolle als rückwärtsgewandt ab und orientierte sich anstatt dessen an dem europäischen Nationalstaat als Vorbild.[19] Das kurdische Bedürfnis nach politischen und kulturellen Rechten steht jedoch im Widerspruch zum allumfassenden Verständnis vom Staat der Türken. Heinz Kramer beschreibt dies auch als „für sakrosankt erklärte reformfeindliche politische Traditionen“[20] der Türkei. Wenn auch Atatürks Auffassung des türkischen Nationalismus im Kontext der Nachkriegszeit angemessen sein mochte, hat sich die Nationalstaatsidee der Türkei seither kaum verwandelt und ist nicht mit der Zeit gereift. „For the truth of the matter is that Turks have continued to be gripped by an 'insecurity complex' throughout most of the seventy-seven-year existence.”[21] Hinter diesem “insecurity complex” verbirgt sich die ständige Befürchtung, die Einheit der türkischen Republik könnte durch die Gewähr zu weitreichender Rechte an die Kurden erschüttert werden.
[...]
[1] Vgl. Schlötzer, SZ vom 06.08.03
[2] Vgl. Schlötzer, SZ vom 08.08.03 und 09./10.08.03
[3] Vgl. Cornell, p.31
[4] Gürbey (1998), S.42
[5] Vgl. hierzu Cornell, p.31/32, Vgl. Gürbey (1998), S.42
[6] Robins, p.77
[7] Robins, p.78
[8] ebd.
[9] Vgl. Yalcin-Heckmann, S.43
[10] Vgl. Görer, S.4 ff.
[11] Galletti, p.123
[12] Vgl. Görer, S.9
[13] Vgl. Soysal, p.11
[14] Vgl. Gürbey (1998), S.41; Vgl. Kramer (2002), S.33; Vgl. Cornell, p.34/35; Vgl. Robins, p.66/67; Vgl. Ergil, p.19/20
[15] Zur Zeit der Staatsgründung war sein offizieller Name Mustafa Kemal Pascha. Erst 1934 wurde ihm der Ehrenname Atatürk, der Vater der Türken, verliehen und ersetzte seinen vormaligen Familienname.
[16] Kramer (2002), S.33
[17] ebd., S.34
[18] Franz, S.27
[19] Vgl. Robins, p.66
[20] Kramer (2000), S.226
[21] Robins, p.67, gemeint ist in diesem Zusammenhang, das was bekannt wurde als die „Sèvres mentality“, wonach verschiedene Gruppierungen mit dem Ziel der Teilung des Staates agierten.
- Quote paper
- Elfi Victoria Siebert (Author), 2003, Der türkisch-kurdische Konflikt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28884
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