Rollstuhlbasketball macht Schule (Unterrichtsstunde Klasse 6)


Unterrichtsentwurf, 2012

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Thema des Unterrichtsvorhabens:

„Paralympics @ AVH 2012 - Gemeinsames Sporttreiben für ALLE“ – Erprobung paralympischer Disziplinen zur Erweiterung der Bewegungserfahrung, der Toleranz und Empathie, dem Abbau von Klischees und Vorurteilen und der Entwicklung der sozialen Kompetenzen im Sinne der Inklusion.

Thema der Unterrichtsstunde:

(3. Std. in der Reihe)

„Rollstuhlbasketball macht Schule“ – Gemeinsame Exploration des Rollstuhls als Sportgerät anhand diverser Bewegungsaufgaben als Hinführung zu einer Perspektivenübernahme unter besonderer Berücksichtigung inklusiver Kooperation.

Thema der vorhergehenden Stunde:

„Wo steht das Tor?“ - Einführung in das Goalballspiel mit besonderer Betonung der Ballabwehr zur Förderung der Sinneswahrnehmung und der Kooperation im zufällig zusammengestellten Team.

Thema der nächsten Stunde:

„Wie bitte?“ - Erproben und Auswerten kooperativer Teamspiele unter Einschränkung des Hörsinnes zur Durchführung in der Klasse.

Zentrales Stundenziel:

Indem die Schülerinnen und Schüler am Beispiel des Rollstuhlbasketballs in Kleingruppen inklusiv-kooperativ den Umgang mit Rollstuhl und Ball und die Situation des selbst „behindert“ seins erfahren und ihr Handeln unter dem Aspekt sozialer Auswirkungen für sich und andere abschließend reflektieren erweitern sie ihre Empathiefähigkeit sowie ihre Bewegungs- und Wahrnehmungskompetenz.

Inhaltsfelder sowie Bewegungsfelder und Sportbereiche:

Leitende Inhaltsfelder:

Bewegungsstruktur und Bewegungslernen (a)

Kooperation und Konkurrenz (e)

Leitendes Bewegungsfeld und Sportbereich:

Gleiten, Fahren, Rollen – Rollsport / Bootssport / Wintersport (8) Weiteres Bewegungsfeld und Sportbereich: Spielen in und mit Regelstrukturen - Sportspiele (7)

Teillernziele:

- Motorische Lernziele (MotLZ): - Die Schülerinnen und Schüler erweitern ihre Bewegungs- und Wahrnehmungskompetenz, indem sie Rollstuhlbasketball in vereinfachter Form mit und gegeneinander sowie fair spielen. (1)
- Die Schülerinnen und Schüler erweitern ihre Handlungskompetenz, indem sie sich mit dem Sportrollstuhl fortbewegen, Hindernisse umfahren, sowie in Ansätzen situations- und sicherheitsbewusst beschleunigen und bremsen. (2) - Die Schülerinnen und Schüler erweitern ihre Urteilskompetenz, indem sie ihr sportliches Handeln im Umgang mit dem Rollstuhl reflektieren, dies als Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit einschätzen und bewerten. (3)

- Sozial-affektive Lernziele (S-ALZ):

- Die Schülerinnen und Schüler erweitern ihre Bewegungs- und Wahrnehmungskompetenz, indem sie durch das Hineinversetzen in die Lage von Menschen mit Behinderung ihre eigenen Emotionen und die Emotionen anderer identifizieren und beschreiben. (1) - Die Schülerinnen und Schüler erweitern ihre Methodenkompetenz, indem sie den Übungsprozess mit dem Rollstuhl durch sicherheitsbewusstes Verhalten aufrechterhalten sowie kooperativ beim Umgang damit Hilfen geben und aufeinander achten. (2)

Einordnung der Stunde in die Unterrichtsreihe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bemerkungen zur Lerngruppe In der von Frau K. unterrichteten Klasse 6B hospitiere ich seit wenigen Wochen und unterrichte seit drei Einzelstunden. Das Unterrichtsvorhaben „Paralympics @ AVH 2012 - Gemeinsames Sporttreiben für ALLE“ soll den Schülerinnen und Schülern am Beispiel paralympischer Disziplinen einen Impuls für das gemeinsame Sporttreiben mit Menschen mit Behinderungen bieten und so ihre Aufmerksamkeit auf die Leistungsfähigkeit dieser Menschen richten und ihre Empathiefähigkeit erweitern..[1] Die Lerngruppe zeigte sich in den von mir hospitierten Stunden auf der einen Seite als motorisch sehr motiviert und mit großer Freude an Bewegung. Auf der anderen Seite fällt es der Klasse durch nicht immer vorhandene Rituale, wie z.B. Reflexionsphasen, sehr schwer sich in diesen zu konzentrieren und einander zuzuhören. Speziell einige Jungen sorgen hier immer wieder für Unruhe (Nico, Mike, Jan). Besonders auffällig ist Eric, der ein diagnostiziertes ADHS aufweist. Es fällt ihm sehr schwer sich zu konzentrieren und mit immer wiederkehrenden kindlichen Geräuschen versucht er die Aufmerksamkeit der Anderen auf sich zu lenken. Auch Absprachen mit der Klassenlehrerin halfen bisher nicht, aber der Schüler soll nach den Ferien mit einem speziell hierfür ausgebildeten Lehrer an unserer Schule zusammenarbeiten. Um der Situation dennoch etwas entgegenzusteuern stelle ich mich in den Gesprächsphasen immer nah zu Eric, um ihn so etwas zu beruhigen, was bisher in Ansätzen auch funktionierte.

Auf die Einführung dieser Reihe reagierte die Klasse sehr gut, da sie bereits durch ihre Mitschülerin Laura mit dem Thema in Berührung gekommen ist. Laura sitzt temporär aus noch nicht geklärten Gründen im Rollstuhl kann allerdings bereits wieder wenige Minuten selbstständig laufen, wonach sie allerdings öfter Schmerzen in den Gelenken verspürt. Auch in ersten Gesprächsphasen zeigte sich die Lerngruppe den Themenbereichen des paralympischen Sports als sehr aufgeschlossen und interessiert.

Die Klasse besitzt im Bewegungsfeld 8 (Gleiten, Fahren, Rollen – Rollsport/Bootssport/Wintersport), in Bezug auf Rollstuhlbasketball keine Vorerfahrung. Im Bewegungsfeld 7 (Spielen in und mit Regelstrukturen – Sportspiele) wurde ein Vorhaben zum Basketball durchgeführt.

In den von mir unterrichteten Stunden bahnte ich Reflexionsphasen an, um die Lernenden hieran zu gewöhnen. Die Lerngruppe hatte hier jeweils vorstrukturierte Aussagen, um die Stunde zu reflektieren und sollte sich im Prinzip des 1, 2 oder 3 entscheiden, welche Aussage für sie heute am zutreffendsten für die Stunde ist und warum. Die Beteiligung in diesen Phasen war sehr breit.

Ebenfalls vollzogen die Schülerinnen und Schüler erste Schritte zu einem inklusiven Sportunterricht. Sie erarbeiteten durch die Einschränkung, sowohl der unteren Extremitäten als auch des Sehsinnes, völlig neue Bewegungsformen sowie erste Erfahrungen, was es heißt mit einer körperlichen Behinderung gemeinsam aktiv Sport zu treiben. Die Begeisterung der Lernenden für die paralympischen Disziplinen war im bisherigen Unterrichtsvorhaben groß.

Didaktisch-methodischer Kommentar

Zu der im Kernlehrplan vorgesehenen Obligatorik für das Fach Sport gehört die Beschäftigung mit dem Bewegungsfeld 8 „Gleiten, Fahren, Rollen – Rollsport/Bootssport/Wintersport“.[2] Das Unterrichtsvorhaben „Paralympics @ AVH 2012 - Gemeinsames Sporttreiben für ALLE“ könnte dabei unter dem Inhaltsfeld (a): „Bewegungsstruktur und Bewegungslernen“ und (e): „Kooperation und Konkurrenz“ stehen.[3]

Eine weitere Legitimation erhält das Unterrichtsvorhaben durch die Annahme der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch den Deutschen Bundestag. Hier heißt es in Artikel 24, dass Menschen mit Behinderung das Recht auf Bildung nicht verwehrt bleiben darf.[4] Dies sollte berücksichtigt werden, vor allem vor dem Hintergrund, dass laut Statistik jeder zehnte Einwohner Deutschlands eine Behinderung aufweist.[5] Leider konnte Laura seit sie im Rollstuhl sitzt nicht mehr am Sportunterricht teilnehmen, weil die Inhalte nicht auf sie abgestimmt wurden. Es war mir ein Anliegen dies auch nach Rücksprache mit den Eltern zu verändern.

Der Gedanke des gemeinsamen Sporttreibens für alle hat gerade in Bezug auf Inklusion an Schulen oft noch mit Problemen zu kämpfen. Diese können sowohl institutionell als auch personell sein.[6] Alle Kinder sollten jedoch an einem qualitativ hochwertigen Sportunterricht teilnehmen.[7] Dieser sei das wirkungsvollste und integrationsförderndste Mittel jedem Kind die Fähigkeiten, Einstellungen, Werte und Kenntnisse sowie das Verständnis zu vermitteln, das für eine lebenslange Teilnahme an körperlichen Aktivitäten und am Sport erforderlich ist.[8] So wird der Sportunterricht seinem postulierten Doppelauftrag einer Erziehung im und einer Erziehung durch Sport gerecht.[9]

Die Schwerpunkte liegen in dieser Stunde im Kennenlernen und Erproben des Rollstuhls nicht als exkludierendes Mittel zur Fortbewegung sondern als inkludierendes Sportgerät im Rollstuhlbasketball. Zusätzlich wird die Erweiterung der Sozialkompetenz angestrebt, indem die Lernenden in Kooperation zusammenarbeiten und lernen, dass Kooperation nur durch Toleranz und Kommunikation gelingt. Sie erfahren sich als Team in einem für sie neuen Spiel und erfahren, dass jeder seine individuellen Stärken einbringen kann. Die Fähigkeit, eigene und fremde Leistungen besser einordnen und verstehen zu können, soll die Empathiefähigkeit der Lernenden fördern.

In diesem Unterrichtsvorhaben soll durch das Aufgreifen des paralympischen Wettkampfgedankens die Chance genutzt werden konstruktiv und pädagogisch auf den Leistungsbegriff der Schülerinnen und Schüler einzuwirken. Dabei sind die Rücksichtnahme auf Andere, die völlig neuen Bewegungserfahrungen und die Inklusion[10] aller Lernenden von größerer Bedeutung als die Orientierung an absoluten Leistungsnormen in den jeweiligen Bewegungsfeldern und Sportbereichen.[11] Inklusion ist hier die Miteinschließung anderer in die eigene Existenz.[12] Die Lernenden sollen erfahren, dass ein inkludierender Sportunterricht neben dem vordergründigen Leistungsgedanken Werte der Solidarität und der Akzeptanz einer Andersartigkeit in den Vordergrund stellt. Er kann somit dazu verhelfen, Barrieren zwischen Menschen mit und ohne Behinderung zu reduzieren und eine gleichzeitige Teilhabe beider Gruppen zu ermöglichen.[13] Für die Praxis der Inklusion sind solche qualitativ wertvollen Kontakte zwischen Menschen mit und ohne Behinderung ausschlaggebend, weil diese auf der Basis der Kontakthypothese zum Abbau bestehender Vorurteile in einem interaktionistischem Prozess genutzt werden, Nähe und Distanz zueinander ermöglichen und im Wesentlichen mitleidsfreie und die Person mit Behinderung als solche respektierende und achtende Einstellungen und Verhaltensweisen hervorbringen können.[14] Der Gegenstand Paralympics ist für dieses Unterrichtsvorhaben besonders geeignet, weil er sehr konkret und anschaulich unterschiedliche körperliche und sensomotorische Beeinträchtigungen und deren Einfluss auf die Teilhabe am Sport sichtbar werden lässt.

Das gesamte Unterrichtsvorhaben wurde nach der Konfrontationsmethode[15] gestaltet, um für den kurzen Zeitrahmen der Einzelstunden möglichst vielfältige Spielerfahrungen zu ermöglichen. Dies soll in der heutigen Stunde durch die Technik-taktik-Methode[16] etwas verändert werden. Der Vorteil liegt darin, dass zunächst kein Gegner vorhanden ist und gerade im Umgang mit einem völlig neuen Sportgerät wie dem Rollstuhl sollte zunächst die in Ansätzen sichere Beherrschung gegeben sein. Das Erlernen der Fahrtechniken ist Grundvoraussetzung für das Spiel Rollstuhlbasketball.[17] Im Erfahren des Rollstuhls als Sportgerät kann die Einstellung diesem gegenüber grundsätzlich zum Positiven verändert werden. Es werden hier bewusst nicht „erstbeste“ Lösungen aufgezeigt, sondern die Lernenden sollen selbst angeregt werden Lösungen zu finden.[18] Auch die anschließenden Ballgewöhnungs- und Passaufgaben dienen der Vorbereitung für das abschließende Spiel und runden diese Art der Zergliederungsmethode ab. Ein zusätzliches Argument ist meiner Ansicht nach, dass eine befriedigende Leistung erst mit einer ansatzweisen Beherrschung der Basistechniken möglich wird, sodass dem Erlernen dieser zunächst ausreichend Platz gegeben werden muss. Prinzipiell denkbar wäre auch hier eine ganzheitliche Vermittlung, was mir allerdings im Bereich Rollstuhlbasketball mit seinen doch vorhandenen Gefahren wenig sinnvoll erscheint.

[...]


[1] Stangier, S.: Eine Schule für alle. Inklusion umsetzen in der Sekundarstufe, Mühlheim a.d.R. 2011, S. 131ff.

[2] vgl. ebd. S. 20.

[3] vgl. ebd. S. 37.

[4] Bundesanzeiger: Rechte von Menschen mit Behinderungen: http://www.un.org/Depts/german/uebereinkommen/ar61106-dbgbl.pdf zuletzt abgerufen am 23.06.2012.

[5] Statistisches Bundesamt: Zahlen und Daten zu Behinderten Menschen: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/ThemenAZ/BehinderteMenschen/behinderte-2007-07-05-zahlen-daten-fakten.html zuletzt abgerufen am 23.06.2012.

[6] vgl. Schöler, J.: Alle sind verschieden. Auf dem Weg zur Inklusion in der Schule, Weinheim 2009, S. 52ff.

[7] vgl. Doll-Tepper, G.: Über den Tellerrand geschaut. Internationale Entwicklungen der Inklusion, in: Sportpädagogik (4) 2003, S. 49.

[8] vgl. Scoretz, G.: Weltgipfel zum Schulsport. Schulsport weltweit. Fakten – Analysen – Trends, Schorndorf 2001, S. 116.

[9] vgl. Kernlehrplan, S. 9.

[10] Feduk, F.: Schüler mit Behinderung. Für eine Sportpädagogik der Vielfalt, in: Sportpädagogik (4) 2003, S. 22.

[11] Ministerium für Schule und Weiterbildung (Hrsg.): Kernlehrplan für das Gymnasium – Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen. Sport, Düsseldorf 2011, S.18.

[12] Ondracek, P. et al.: Verhalten und Handeln. Behaviour and Action, Berlin 2006, S. 26.

[13] vgl. Rheker, U.: Spiel und Sport für alle. Behinderte machen Sport, Aachen 2005, S. 67.

[14] vgl. Cloerkes, G. & Markowetz, R.: Stigmatisierung und Entstigmatisierung im Gemeinsamen Unterricht, in: Zeitschrift für Heilpädagogik (54) 2003, S. 453.

[15] vgl. Dietrich/Dürrwächter/Schaller: Die großen Spiele, Aachen 1994, S. 37.

[16] vgl. Söll, W.: Sport unterrichten. Ein Handbuch für Sportlehrer, Schorndorf 2003, S. 240.

[17] vgl. Strohkendl, H. in: Dreuscher, A.: Körperliche Aktivität und Sport zur Förderung der Inklusion von Kindern mit einer körperlichen Behinderung, Köln 2011, S. 37f.

[18] vgl. Wurzel, B.: Was über „erstbester Lösungen“ hinausgeht, in Sportpädagogik (4) 2003, S. 40ff.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Rollstuhlbasketball macht Schule (Unterrichtsstunde Klasse 6)
Hochschule
Seminar für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen Bonn
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V288194
ISBN (eBook)
9783656900962
ISBN (Buch)
9783656900979
Dateigröße
1450 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
unterrichtsbesuch, rollstuhlbasketball, wahrnehmung
Arbeit zitieren
Andreas Bonß (Autor:in), 2012, Rollstuhlbasketball macht Schule (Unterrichtsstunde Klasse 6), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/288194

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