1. Einleitung
In der vorliegenden Arbeit wird der biblische Sündenfall in der Philosophie des Deutschen Idealismus untersucht, genauer gesagt bei drei großen Vertretern dieser Epoche: Kant, Schelling und Hegel. Während Kant einen Grenzfall, sowohl zeitlich, als auch inhaltlich, zwischen Aufklärer und Idealist darstellt und der Begründer des transzendentalen Idealismus ist, gelten Schelling und Hegel zusammen mit Fichte, der in dieser Arbeit keine Rolle spielen wird, als Hauptvertreter des absoluten Idealismus, der in die Philosophiegeschichte unter der Bezeichnung „Deutscher Idealismus“ Einzug gehalten hat.
Merkmale des Deutschen Idealismus sind, dass sich die Subjektivität als das Absolute begreift. Dies bedeutet, dass die Idee nicht als Bedingung der Handlung gesehen wird, sondern die Handlung selbst ist die Idee. Damit wird über die Erkenntnistheorie hinaus eine neue pantheisierende Metaphysik grundgelegt. Der Idealismus setzt die Wesensordnung, die alles Einzelne umfasst und bemisst, als sich selbst umgreifendes Ganzes voraus und ist somit an vielen Punkten im Hinblick auf die Wirklichkeit nicht realistisch, da er versucht, ein geschlossenes System in der Welt zu erzwingen, was nicht zu bewerkstelligen ist. Der Idealismus versucht das Ideal zu erreichen, ein System, das alles in sich zu vereinen und zu erklären versucht, wobei Geschichte in diesem Denken eine große Rolle spielt. Sie verläuft nicht zufällig so wie sie sich uns darbietet, sondern ist die Selbstverwirklichung einer absoluten Idee, die aber dennoch dem Menschen Freiheit in seiner Welt lässt. Der Widerspruch, der sich hieraus ergibt, ist das Problemfeld, das der Deutsche Idealismus bearbeitet. Der Sündenfall als solcher wird von drei Philosophen mit unterschiedlichen Schwerpunkten untersucht. Der Moralist und Rationalist Kant untersucht ihn als Ursprung der Vernunfthandlungen, Schelling legt den Schwerpunkt auf die Entsche idungfreiheit des Menschen und Hegel sieht ihn als Entwicklungsschritt zur Verwirklichung des Weltgeistes, wie er es nennt. Diese unterschiedlichen Ansatzpunkte führen natürlich zu unterschiedlichen Bewertungen, wobei es aber auch einige Gemeinsamkeiten zwischen den drei Denkern gibt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Sündenfall und die Erkenntnis des Guten und des Bösen
2.1.1. Der Sündenfall bei Kant
2.1.2. Das radikale Böse
2.1.3. Kritik an Kant
2.2.1. Der Sündenfall bei Schelling
2.2.2. Die Freiheitsschrift
2.2.3. Kritik an Schelling
2.3.1. Der Sündenfall und das Negative bei Hegel
2.3.2. Kritik an Hegel
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der vorliegenden Arbeit wird der biblische Sündenfall in der Philosophie des Deutschen Idealismus untersucht, genauer gesagt bei drei großen Vertretern dieser Epoche: Kant, Schelling und Hegel. Während Kant einen Grenzfall, sowohl zeitlich, als auch inhaltlich, zwischen Aufklärer und Idealist darstellt und der Begründer des transzendentalen Idealismus ist, gelten Schelling und Hegel zusammen mit Fichte, der in dieser Arbeit keine Rolle spielen wird, als Hauptvertreter des absoluten Idealismus, der in die Philosophiegeschichte unter der Bezeichnung „Deutscher Idealismus“ Einzug gehalten hat.
Merkmale des Deutschen Idealismus sind, dass sich die Subjektivität als das Absolute begreift. Dies bedeutet, dass die Idee nicht als Bedingung der Handlung gesehen wird, sondern die Handlung selbst ist die Idee. Damit wird über die Erkenntnistheorie hinaus eine neue pantheisierende Metaphysik grundgelegt. Der Idealismus setzt die Wesensordnung, die alles Einzelne umfasst und bemisst, als sich selbst umgreifendes Ganzes voraus und ist somit an vielen Punkten im Hinblick auf die Wirklichkeit nicht realistisch, da er versucht, ein geschlossenes System in der Welt zu erzwingen, was nicht zu bewerkstelligen ist. Der Idealismus versucht das Ideal zu erreichen, ein System, das alles in sich zu vereinen und zu erklären versucht, wobei Geschichte in diesem Denken eine große Rolle spielt. Sie verläuft nicht zufällig so wie sie sich uns darbietet, sondern ist die Selbstverwirklichung einer absoluten Idee, die aber dennoch dem Menschen Freiheit in seiner Welt lässt. Der Widerspruch, der sich hieraus ergibt, ist das Problemfeld, das der Deutsche Idealismus bearbeitet.
Der Sündenfall als solcher wird von drei Philosophen mit unterschiedlichen Schwerpunkten untersucht. Der Moralist und Rationalist Kant untersucht ihn als Ursprung der Vernunfthandlungen, Schelling legt den Schwerpunkt auf die Entscheidungfreiheit des Menschen und Hegel sieht ihn als Entwicklungsschritt zur Verwirklichung des Weltgeistes, wie er es nennt. Diese unterschiedlichen Ansatzpunkte führen natürlich zu unterschiedlichen Bewertungen, wobei es aber auch einige Gemeinsamkeiten zwischen den drei Denkern gibt.
Zur Vorgehensweise muss gesagt werden, dass jeweils ausgewählte Schriften der erwähnten Philosophen als Untersuchungsquellen benutzt werden, während bestimmte Grundzüge ihres jeweiligen Denkens als bekannt vorausgesetzt werden müssen. Im Falle Kants sind dies als Quellen „Muthmaßlicher Anfang der Menschheitsgeschichte“ und „Über das radikale Böse in der menschlichen Natur.“ Seine grundsätzlichen, und für sein gesamtes Denken sehr wichtigen, Ansichten über Vernunft, Moral und Sittengesetz können nicht erläutert werden, sondern sollten dem Leser schon bekannt sein.
Von Schelling werden seine Magisterdissertation „Antiquissimi de prima malorum humanorum origene philosophematis genes. III. explicandi tentamen criticum et philosophicum“ und die Abhandlung „Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände“ als Grundlage der vorliegenden Untersuchung benutzt.
Die von Hegel zugrunde liegende Schrift für diese Untersuchung ist sein erstes großes Werk, die „Phänomenologie des Geistes.“
2. Der Sündenfall und die Erkenntnis des Guten und des Bösen
2.1.1.: Der Sündenfall bei Kant
Die Grundlage für Kants Theorie des Bösen bildet seine Interpretation des Sündenfalls. Diese legt er in der Abhandlung „Muthmaßlicher Anfang der Menschheitsgeschichte“ von 1786 dar.
Kant untersucht in dieser kleinen Schrift die Herkunft des Menschen und er stützt sich hierbei auf eine, wie er es bezeichnet, „heilige Urkunde.“ Gemeint ist damit ein Teil der Schöpfungsgeschichte, nämlich 1. Moses II. – VI.[1]
Kant geht davon aus, dass der Mensch, bzw. das erste Menschenpaar, anfangs den Tieren gleich und nur vom Instinkt geleitet war. Doch bald regte sich die Vernunft in ihm und diese wollte sich über die „Stimme Gottes“, wie Kant den Instinkt bezeichnet, hinwegsetzen.[2] Kant gibt für dieses Bestreben der Vernunft keinen Grund, bzw. keinen Verführer an, wie es die biblische Schöpfungsgeschichte in der Gestalt der verschlagenen Schlange macht. Dies kann zwei Gründe haben, die sich aus Kants Denken ergeben: Erstens, die von ihm immer wieder hervorgehobene Theorie der dem Menschen a priori gegebenen Vernunft. Diese Vernunft ist sich ihrer selbst bewusst, sie entdeckt und entfaltet sich darum aus sich selbst heraus, ohne dass es eines äußeren Anstoßes bedarf. Zweitens ist es ein Hinweis auf seine Theorie des „radikalen Bösen“, auf die im weiteren Verlauf noch eingegangen wird. Zunächst sei nur gesagt, dass ein Grundgedanke dieser Theorie ist, dass der Mensch von Natur aus Böse ist. Das bedeutet, dass er keinen Verführer zur bösen Tat benötigt, sondern er sie von sich aus begeht, da es nun mal in seiner Natur liegt.
Die erstmalige Nutzung der Vernunft führt nun dazu, dass das erste Menschenpaar erkannte, dass sie „(…) in sich ein Vermögen, sich selbst eine Lebensweise auszuwählen und nicht gleich anderen Thieren an eine einzige gebunden zu sein“ trugen.[3] Dies bedeutet natürlich nichts anderes, als dass der Mensch frei ist. Die erste Vernunfthandlung, und nichts anderes ist der Übertritt des Verbots vom Baum der Erkenntnis zu essen in der Interpretation Kants, bringt ihm die Freiheit. Aber Freiheit ist auch immer die Freiheit sich für das Böse zu entscheiden.
Der Sündenfall bringt dam Menschen also die Freiheit. Die Freiheit des Menschen sich in jedweder Situation frei entscheiden zu können, bildet die Grundlage von Gut und Böse. Die Antinomie, die nun hieraus entsteht, ist offensichtlich: die von Kant so hoch geschätzte Vernunft ist letztlich die Urheberin des Bösen, da die Erkenntnis der Freiheit auf eben ihr beruht. Da diese Erkenntnisfähigkeit die Entstehung des Bösen durch die freien Entscheidungen der Menschen fördert, stellt sich die Vernünftigkeit der Vernunft selbst in Frage.
2.1.2. Das radikale Böse
Da, wie bereits erwähnt, die Hinwegsetzung des ersten Menschenpaares über das Verbot vom Baum der Erkenntnis zu essen nicht nur von der Vernunft herbeigeführt wurde, sondern auch von dem , laut Kant, dem Menschen innewohnenden radikalen Bösen, soll auch diese Theorie hier erläutert werden.
Die Abhandlung „Über das radikale Böse in der menschlichen Natur“ erschien erstmals 1792 in der „Berlinischen Monatsschrift“. 1794 erschien sie erneut und zwar als eine von vier Abhandlungen in der Monographie „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft.“ Der Titel wurde von Kant erweitert und lautete nun: „Von der Einwohnung des bösen Prinzips neben dem guten: oder über das radikale Böse in der menschlichen Natur.“ Kant untersucht hier die Ursachen der menschlichen Bosheit, denn für ihn steht fest: „Der Mensch ist von Natur Böse“.[4]
Aus dieser Überzeugung leitet Kant den Begriff „radikal Böse“ ab: „Der Satz: der Mensch ist b ö s e , kann nach dem obigen nichts anderes sagen wollen, als: er ist sich des moralischen Gesetzes bewusst, und hat doch die (gelegentliche) Abweichung von demselben in seine Maximen aufgenommen. Er ist von N a t u r böse heißt soviel, als: dieses gilt von ihm in seiner Gattung betrachtet; nicht als ob solche Qualität aus seinem Gattungsbegriffe (dem eines Menschen überhaupt) könne gefolgert werden (denn alsdann wäre sie notwendig), sondern er kann nach dem, wie man ihn durch die Erfahrung kennt, nicht anders beurteilt werden, oder man kann es, als subjektiv notwendig, in jedem, auch dem besten Menschen, voraussetzen. (…) so werden wir diesen einen natürlichen Hang zum Bösen, und da er doch immer selbst verschuldet sein muß, ihn selbst ein r a d i k a le s, angebornes, (nichts destoweniger aber von uns selbst zugezogenes) B ö s e in der menschlichen Natur nennen können.“[5]
Bereits mit dieser Definition macht kant deutlich, dass es ihm um absolute Autonomie der Freiheits-, bzw. Willensakte geht. Allerdings verfängt er sich hier in einen Widerspruch, den er nicht überzeugend auflöst: als ihm klar wird, dass die Behauptung, der Mensch sei von Natur aus Böse darauf hinausläuft, dass der Mensch keine Entscheidungsfreiheit besitzt, spricht er auf einmal von einem Hang zum Bösen, denn Kant ist Anhänger des Autonomiegedankens. Determinismustheorien sind mit seiner aufklärerischen Grundposition nicht vereinbar.
Der Hang zum Bösen ist hingegen wesentlich besser nachzuvollziehen als das abstrakte radikale Böse, da wahrscheinlich jeder Mensch sich schon in Situationen befunden hat, in denen er die Wahl hatte sich „gut“ oder „böse“ zu entscheiden. Die oben zitierte Definition von Böse, als eine Abweichung von den Maxiomen ist anschaulich, die Erklärung, warum der Mensch von Natur aus Böse ist schon schwieriger, aber noch immer nachvollziehbar. Die Behauptung aber, dass der Hang zum Bösen radikal ist, weil er selbst verschuldet ist, die dann aufgehoben wird, weil Kant einen halben Satz später sagt, dass das radikale Böse angeboren ist, ist dann doch nicht mehr schlüssig.
[...]
[1] Kant, Immanuel: „Muthmaßlicher Anfang der Menschheitsgeschichte,“ in: Kants gesammelte Schriften, Bd. VIII, „Schriften nach 1781,“ Berlin und Leipzig 1923, S.109f
[2] ebenda, S. 111
[3] ebenda, S. 112
[4] Kant, Immanuel: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, Stuttgart 1996, S. 38
[5] ebenda, S. 38f
- Arbeit zitieren
- M. A. Markus Renner (Autor:in), 2002, Der Sündenfall in der Philosophie des Deutschen Idealismus - Kant, Schelling, Hegel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28757
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