„Le premier pas vers la philosophie, c’est l’incrédulité.“ Es sind Aussagen wie diese, die uns das Bild vermitteln, das wir heute von Denis Diderot haben. Es ist das Bild des radikalen Aufklärers, der es nicht nur, wie seine
Vorgänger Voltaire und Montesquieu, auf die geistige Diktatur des Dogmatismus und die Hegemonie der katholischen Kirche im politischen Leben abgesehen hatte, sondern
den Glauben selbst in seinen Grundfesten angriff. Heute gilt er, neben Philosophen wie Jean Meslier, Julien Offray de la Mettrie und Paul Thiry d’Holbach, als wichtigster
Vertreter der Renaissance des Atheismus in der Neuzeit.
Häufig wird versucht, Diderots Sinneswandel an den Jahren von 1746 bis 1749 festzumachen. Man verweist dabei auf sein erstes eigenständiges Werk, die „Pensées philosophiques“, in dem er dem Deismus am meisten zugetan zu sein scheint, und den „Lettre sur les aveugles“, der die Vollendung von Diderots Orientierung hin zum Atheismus seiner reifen Jahre darstellen soll. Dennoch gibt es sowohl Positionen, die bereits materialistische Bekenntnisse in den „Pensées“ vermuten, als auch solche, die Diderot auch nach dem „Blindenbrief“ noch für einen gemäßigten Deisten halten, und am Ende ist es auch Diderot selbst, der es sich nicht nehmen lässt, aufkommende Vermutungen zu seiner eigentlichen Gesinnung immer wieder zu zerstreuen.
Wer dennoch gesicherte Aussagen zu Diderots eigener Positionierung wagen möchte, muss seine Werke einer genauen Analyse unterziehen, um möglicherweise verborgene Absichten und Hinweise Diderots verstehen und deuten zu können. Um dieses Vorhaben zu realisieren, werden im Folgenden die beiden genannten Werke, als traditionelle Fixpunkte seiner Konversion, untersucht und geprüft, ob sich Präferenzen im Diderotschen Denken aufdecken lassen. Auch seine anderen frühen Schriften dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden und finden ihre Verwendung, da sie wertvolle Wegmarken seiner Entwicklung hin zu einer materialistischen Weltsicht sind. Anhand dieser Analyse werden zudem die unterschiedlichen Einflüsse aufgezeigt, die Diderot in seiner frühen Phase entscheidend prägten. Bei einem Philosophen, dessen geistige Entwicklung zu einem bedeutenden Teil das Ergebnis eines lebhaften Austauschs mit Freunden und anderen großen Denkern seiner Zeit ist, genügt es nicht, einzelne Werke zu nennen, vielmehr müssen die Spuren seiner Entwicklung in der Geisteswelt der Aufklärung und dem intellektuellen Kreis, in dem er sich bewegte, gesucht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vom Deismus zum Atheismus?
- Der Begriff des Atheismus im Zeitalter der Aufklärung
- Der Weg zum Frühwerk
- Vom Abbé zum Schriftsteller
- Die Shaftesbury-Übersetzung
- Die „Pensées philosophiques“
- Schriften und Einflüsse bis 1749
- Weitere Werke
- Maßgebliche Einflüsse
- Der \"Lettre sur les aveugles à l'usage de ceux qui voient\"
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Bachelorarbeit befasst sich mit der Frage nach einer möglichen Konversion von Denis Diderot vom Deismus zum Atheismus in seinen frühen Schriften. Sie untersucht die geistige Entwicklung Diderots und analysiert seine Werke im Kontext der Aufklärungsphilosophie und des gesellschaftlichen Klimas seiner Zeit.
- Die Bedeutung des Atheismus-Begriffs in der Aufklärung
- Die Entwicklung Diderots vom jungen Abbé zum radikalen Aufklärer
- Die Analyse von Diderots frühen Schriften, insbesondere der „Pensées philosophiques“ und des „Lettre sur les aveugles à l'usage de ceux qui voient“
- Die Darstellung wichtiger Einflüsse auf Diderots Denken
- Die Herausforderungen bei der Interpretation von Diderots Werken aufgrund seines sprunghaften und oft widersprüchlichen Stils
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor und zeichnet Diderots Lebensweg und seine Bedeutung für die Philosophie der Aufklärung nach. Sie beleuchtet die Besonderheiten seines Stils und die Schwierigkeiten bei der Interpretation seiner Schriften.
- Vom Deismus zum Atheismus?: Dieses Kapitel beleuchtet den Begriff des Atheismus im Kontext der Aufklärung und verfolgt Diderots Weg vom jungen Abbé hin zu seinem philosophischen Frühwerk. Es analysiert die „Pensées philosophiques“ und den „Lettre sur les aveugles à l'usage de ceux qui voient“ sowie weitere wichtige Schriften und Einflüsse auf Diderots Denken.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Atheismus, Deismus, Aufklärungsphilosophie, Denis Diderot, „Pensées philosophiques“, „Lettre sur les aveugles à l'usage de ceux qui voient“, Materialismus, Radikalisierung, Geistesgeschichte, Frühwerk.
- Quote paper
- Thomas Schwalbach (Author), 2013, Vom Deismus zum Atheismus. Zur Frage nach einer Konversion in Denis Diderots frühen Schriften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287269