Kann ein multimediales, mehrsprachiges Fragebogenprogramm auf Tablet-PCs die Kommunikation zwischen Ärztin und Arzt und Patientin und Patient verbessern und damit die Patientensicherheit erhöhen?
In Rahmen der präoperativen Vorbereitungen und Untersuchungen hören wir immer wieder die Patientinnen und Patienten sagen: „Was hat der Doktor gemeint? Ich habe nicht verstanden, was er gesagt hat, können Sie mir das nochmals erklären? Ich kann das nicht lesen, meine Brille, Sie wissen schon… Was muss ich zuhause machen? Welche Tabletten, wann, wie, …?“
Gerade im medizinischen Bereich ist eine verständliche Sprache unumgänglich, da jeder medizinische Eingriff eine Körperverletzung darstellt und deshalb die Zustimmung der Patientin oder des Patienten verlangt. Die präoperative Aufklärung und Information von Patientinnen und Patienten sind deshalb eine wichtige Bedingung für jede ärztliche Behandlung und in Österreich eine Bringschuld für die Ärztin bzw. den Arzt.
Wenn es zu einem Gerichtsprozess kommt, sind die Richterinnen und Richter oft von Informationen der Patientinnen und Patienten abhängig, auch deshalb, weil oft die ärztliche Dokumentation fehlt. Hierbei geht die Rechtsprechung allgemein von „verständigen Patientinnen“ oder „verständigen Patienten“ aus. Es wird allerdings auch gesehen, dass es diese nicht wirklich gibt und deshalb auch „von den Patientinnen und Patienten eine Mitverantwortung“ verlangt werden kann. Im Allgemeinen ist es weithin bekannt, dass es fast unmöglich ist, sich an Informationen im Detail über einen längeren Zeitraum zu erinnern. Viele empirische Studien haben daher die Qualität multimedialer Information als wesentlichen Punkt der Qualitätssicherung in der Kommunikation vor dem persönlichen Gespräch zwischen Ärztin bzw. Arzt und Patientin bzw. Patient erkannt.
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit der Problematik der Kommunikation bei der Behandlung in Krankenhäusern. Es wurde ein multimediales, mehrsprachiges Tablet-System entwickelt um die Papierfragebögen zu ersetzen.
Die Arbeit basiert zunächst auf einer umfassenden Literaturrecherche zum Thema Kommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten einerseits und Patientinnen und Patienten andererseits.
Die Arbeit wird abgerundet durch eine Stake Holder Befragung, die sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch mögliche Patientinnen und Patienten umfasste.
Inhalt
1. Wissenschaftliche Fragestellung
2. Arzt-Patienten-Verhältnis
2. 1. Entscheidungsmodelle
2. 2. Abwehrmechanismen der ärztlichen Seite
2.2.1. Zeitdruck
2.2.2. Körperlichkeit und ihre Vermeidung
2.2.3. Täuschungsmanöver
2.2.4. Manipulation
2.2.5. Ärztliche Gesprächsführung als Vorgang der Abwehr
2.3. Aus der Sicht des Arztes
2.4. Schwierige Arzt-Patienten-Beziehung
2.4.1. Vorinformierte Patientinnen und Patienten in der Sprechstunde
3. Ärztliche Behandlung und Sprache
3.1. Arzt-Patienten-Kommunikation in der Ausbildung der Mediziner
3.2. Arzt-Patienten-Kommunikation mit ausländischen Patienten
3.3. Der Dolmetscher in der vermittelten Arzt-Patienten-Kommunikation
3.4. Sprachbarrieren in der Arzt-Patienten-Kommunikation
3.5. Krankheitserleben von ausländischen Patientinnen und Patienten
3.6. Sonderfall Dolmetschen via Telefon
4. Kommunikation zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient
4. 1. kommunikative Ziele
4. 2. Besonderheiten der Arzt-Patienten-Kommunikation im Krankenhaus
4. 3. Diagnose: Missverständnis
4.3. 1. Missverständnisse
4.3.2. Gesundheitsminister: "Nicht zuständig"
4.3. 3. "Bringschuld"
5. Zeitgemäße Patientenaufklärung
5. 1. Patientenaufklärung aus rechtlicher Sicht
5. 2. Bedeutung der zielgruppengerechten Patientenaufklärung
5.2. 1. Ähnliche Patientinnenerwartungen, aber andere Bedürfnisse
5.2. 2. Unzufriedenheit mit dem Behandlungsprozess
5. 3. Patientenzufriedenheit und Patientenangst
5. 4. Die Verlässlichkeit von Patientenangaben
5. 5. Erinnerungsvermögen von Patienten
5. 6. „Informed consent“
5. 7. Menschen mit eingeschränkten Lese- und Schreibfähigkeit
5. 8. Menschen mit eingeschränkten Kenntnissen der deutschen Sprache
5. 9. Barrieren
6. Multimediale Patientenaufklärung
6. 1. Audiovisuelle Aufklärung
6. 2. Multimediale Inhalte
6. 3. Multimediale präoperative Aufklärung
6. 4. Interaktives, multimediales Programms im Bereich der Anästhesie
6. 5. Aufklärung per CD-ROM
6. 6. PC-gestützten Aufklärung
6.6. 1. Computerkenntnisse der Patientinnen und Patienten
7. Normgerechte Entwicklung von Software als Medizinprodukt
7. 1. Definition eines Medizinproduktes
7. 2. Qualitätsmanagement
7.2. 1. Dokumentationsanforderungen
7.2. 2. Verantwortung der Leitung
7. 3. Risikomanagement
7.3. 1. Bedeutung des Risikomanagements
7.3. 2. Begriffe: Schaden, Gefährdung und Risiko
7.3. 3. Risikoanalyse
7. 4. Gebrauchstauglichkeit
8. Die Entwicklung des Programmes durch die HTL Grieskirchen
8. 1. Die HTBLA Grieskirchen
8. 2. Projektablauf
8. 3. Prototypentwicklung und Start als Diplomarbeit
8. 4. Softwareentwicklungsschritte
8.4. 1. Entwicklungsplanung
8.4. 2. Anforderungsanalyse
8.4. 3. Softwarearchitektur
8.4. 4. Softwaredesign
8.4. 5. Implementierung
8.4. 6. Integration
8.4. 7. Softwaretest
8.4. 8. Freigabe und Inbetriebnahme
9. Anforderungen an ein mehrsprachiges, multimediales Fragebogen-Programm
9. 1. Stake Holder-Analyse
9. 2. Ergebnis der Anforderungsanalyse
9.2. 1. Diskussion auf internationalen Konferenzen
9.2. 2. Einsatzumgebung und Zweckbestimmung
9.2. 3. Systemkontext
9.2. 4. Nutzungsanforderungen
9.2. 5. Benutzerschnittstelle
9.2. 6. Patientenfreundliche Sprache:
9.2. 7. Multimediale Daten
10. Der multimediale, mehrsprachige Fragebogen für Android-Tablet-PCs
10. 1. Eigenschaften der PC-Komponente
10.1. 1. Erfassung der Patientendaten
10.1. 2. Erstellung der Fragebögen
10.1. 3. Senden der Fragebögen an den Tablet-PC
10.1. 4. Ausdruck der Fragebögen
10. 2. Eigenschaften der Tablet-Komponente
10.2. 1. Sprache zur Laufzeit umschalten
10.2. 2. Fragetypen
10.2. 3. Sprach-Ein – und Ausgabe
10.2. 4. Datenschutz
11. Akzeptanz eines multimedialen Aufklärungsprogrammes
11. 1. Wissenschaftliche Frage
11. 2. Studiendesign
11. 3. Stake Holder-Befragung
11.3. 1. Patientinnen und Patienten
11.3. 2. Angehörige gesundheitsdienstleistender Berufe
11. 4. Durchführung der Interviews
11. 5. Ergebnisse der Befragung
11.5. 1. Patientinnen und Patienten
11.5. 2. Angehörige gesundheitsdienstleistender Berufe
12. Zusammenfassung und Ausblick
13. Anhang
13. 1. Anhang 1: ISO 62366 Usability engineering to medical devices
13. 2. Anhang 2: DIN EN ISO 13485 - Qualitätsmanagementsystem
13. 3. Anhang 3: EN ISO 14971:2012 Risiko Management für med. Geräte
13. 4. Anhang 4: EN 62304 Medical Device - Software Life Cycle Processes
13. 5. Anhang 5: Ergonomie nach DIN EN 62366 bzw. DIN EN 60601-1-6
14. Verzeichnisse
14. 1. Abbildungsverzeichnis
14.2. Literaturverzeichnis
Kann ein multimediales, mehrsprachiges Fragebogenprogramm auf Tablet-PCs die Kommunikation zwischen Ärztin und Arzt und Patientin und Patient verbessern und damit die Patientensicherheit erhöhen?
In Rahmen der präoperativen Vorbereitungen und Untersuchungen hören wir immer wieder die Patientinnen und Patienten sagen: „Was hat der Doktor gemeint? Ich habe nicht verstanden, was er gesagt hat, können Sie mir das nochmals erklären? Ich kann das nicht lesen, meine Brille, Sie wissen schon… Was muss ich zuhause machen? Welche Tabletten, wann, wie, …?“
Und das alles in türkischer, bosnischer, serbischer, russischer, tschechischer oder einer anderen Sprache. Die sprachliche und kulturelle Vielfalt führt immer wieder zu Verwirrung, Missverständnissen und manchmal auch zu Schäden an Leib und Leben.
Muss das wirklich sein? Wirklich?
Danksagung
Mein Dank gilt meiner Frau Nadiya und meiner Tochter Ruslana, die mich auf die Idee für dieses Projekt brachten. Leider muss ich allerdings sagen. Als russischsprachiger Österreicher erlebte und erlebe ich immer wieder die Problematik des „dolmetschenden Verwandten“.
Mein besonderer Dank gilt Frau Dr. Maria Kletečka-Pulker, die mich als Lehrer bzw. IT-Experten und damit als „Quereinsteiger“ im Bereich Gesundheitswesen in den Lehrgang „Patientensicherheit und Qualität im Gesundheitssystem“ aufgenommen hat und mich immer unterstützt und mein Projekt gefördert hat. Als Geschäftsführerin der Plattform Patientensicherheit hat sie für die HTBLA Grieskirchen mit ihren Kontakten weitere Projekte der Abteilung „Medizin- und Gesundheitsinformatik“ ermöglicht.
Bedanken möchte ich mich auch bei Dr. Karl Heinz Kellermayr, der mich schon von Beginn meiner Studien an der Johannes Kepler Universität Linz bis jetzt zu meinem Studium an der Universität Wien immer wieder begleitete und unterstützte.
Und nicht zuletzt gilt mein Dank Oliver Jedinger, Kevin Zarhuber und Tobias Mayr die im Schuljahr 2012/13 im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der HTBLA Grieskirchen das Fragebogen-Programm erstellten.
Kurzfassung
Gerade im medizinischen Bereich ist eine verständliche Sprache unumgänglich, da jeder medizinische Eingriff eine Körperverletzung darstellt und deshalb die Zustimmung der Patientin oder des Patienten verlangt. Die präoperative Aufklärung und Information von Patientinnen und Patienten sind deshalb eine wichtige Bedingung für jede ärztliche Behandlung und in Österreich eine Bringschuld für die Ärztin bzw. den Arzt.
Wenn es zu einem Gerichtsprozess kommt, sind die Richterinnen und Richter oft von Informationen der Patientinnen und Patienten abhängig, auch deshalb, weil oft die ärztliche Dokumentation fehlt. Hierbei geht die Rechtsprechung allgemein von „verständigen Patientinnen“ oder „verständigen Patienten“ aus. Es wird allerdings auch gesehen, dass es diese nicht wirklich gibt und deshalb auch „von den Patientinnen und Patienten eine Mitverantwortung“ verlangt werden kann. Im Allgemeinen ist es weithin bekannt, dass es fast unmöglich ist, sich an Informationen im Detail über einen längeren Zeitraum zu erinnern. Viele empirische Studien haben daher die Qualität multimedialer Information als wesentlichen Punkt der Qualitätssicherung in der Kommunikation vor dem persönlichen Gespräch zwischen Ärztin bzw. Arzt und Patientin bzw. Patient erkannt.
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit der Problematik der Kommunikation bei der Behandlung in Krankenhäusern. Es wurde ein multimediales, mehrsprachiges Tablet-System entwickelt um die Papierfragebögen zu ersetzen.
Die Arbeit basiert zunächst auf einer umfassenden Literaturrecherche zum Thema Kommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten einerseits und Patientinnen und Patienten andererseits.
Es wird überdies die Problematik der Entwicklung einer Software als Medizinprodukt behandelt.
Das Tablet-System selbst wurde im Rahmen einer Diplomarbeit an der HTBLA Grieskirchen entwickelt.
Die Arbeit wird abgerundet durch eine Stake Holder Befragung, die sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch mögliche Patientinnen und Patienten umfasste.
Abstract
Particularly in the medical field, a comprehensible language is essential, since every medical intervention affects a physical injury and, therefore requires the informed consent of the patients to avoid liability. Therefore, presurgical information and clarification to the patients is an important condition for any medical treatment and, in Austria, an obligation for the doctor.
In the case of a lawsuit, judges depend on the information from the patients. In this instance, justice has a sensible patient in mind, but, nevertheless, admits that also on the part of the patient a joint responsibility can be required. However, the doctor has to consider the common knowledge and general education level, as well as the concrete life situation of the patient in the clarification conversation. This seems to be difficult, but is of essential meaning, especially with non-German-speaking patients. In addition, the recollection of the patient is another hurdle on the way to the sensible patient. The recollection is tied together with the patient's understanding and has, up to now, not been considered by justice. In general, it is well known that it is nearly impossible to remember such information in detail for a long time. However, studies show that multimedia contents, before the personal information and clarification conversation with patients take place, have a high acceptance and substantially improve the recollection. Many empirical studies have identified the quality of communication between patient and doctor as a major weak point in the treatment process.
The present thesis deals with the problems of communication during the treatment in hospitals. A multimedia, multilingual tablet system was developed to replace the paper questionnaires used until now.
The work is based on a comprehensive literature review on the topic of communication between doctors on the one hand and patients, on the other hand. It discusses also the issue of the development of software as a medical device.
The tablet system itself has been developed in the context of a diploma thesis at the HTBLA Grieskirchen.
The work is rounded off by a stake holder consultation, which included both physicians and doctors at hospitals as well as possible patients.
1. Wissenschaftliche Fragestellung
Sprache bestimmt unser Leben – in gesprochener, geschriebener Form, aber auch durch Lautstärke und Tonlage. Sprache ist die wichtigste Grundlage für das Zusammenleben von uns Menschen. Die Sprache verbindet uns, gerade heute im Zeitalter der Kommunikation.
Die Sprache muss verfügbar und verständlich sein, für jeden. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten, von der gesprochenen Sprache, über Gebärdensprache, Schrift bis hin zu Musik, Filmen oder Bildern. Sprache muss aber auch inhaltlich verständlich sein – und da beginnt oft das Problem: verschiedene Berufe haben fast immer ihre eigenen Fachsprachen. Oft fällt es schon Menschen aus unterschiedlichen Berufsgruppen schwer, sich miteinander zu verständigen.
Etwas nicht zu verstehen macht die Menschen unsicher, und diese Unsicherheit erzeugt Angst. Schnell entstehen verschiedene Fragen: Mache ich alles richtig, was muss ich denn jetzt tun, was sagen die da bloß, was wird gleich mit mir passieren?
Einander zu verstehen ist im zwischenmenschlichen Umgang eine der ganz großen Herausforderungen. Eine verständliche Sprache bedeutet auch immer die Auseinandersetzung mit dem Mitmenschen und drückt gleichzeitig Wertschätzung und Aufmerksamkeit aus. Klarheit in der Kommunikation schafft Vertrauen. Durch eine verständliche Ausdrucksweise können die bestehenden Erwartungen leichter erfüllt und damit Missverständnisse leichter ausgeräumt werden.
„Es ist unmöglich, die soziale Wirklichkeit insgesamt sinnesmäßig wahrzunehmen. Fassbar sind immer nur Ausschnitte, und die Ausschnitte werden erst dann sinnvoll, wenn sie systematisch und theorieorientiert erhoben werden. Das Ziel schließlich des gesamten Vorganges ist Schöpfen neuer Erkenntnis.“ [1 S.4f]
In den Medien, aber auch in wissenschaftlichen Diskussionen wird immer wieder die fehlerhafte, unvollständige oder missverständliche Kommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten einerseits und Patientinnen und Patienten andererseits thematisiert.
Die Fragestellungen für diese Arbeit lauteten deshalb:
1. Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten in Bezug auf schwierige Situationen?
2. Welche Rolle spielt die Sprache in der Arzt-Patienten-Beziehung?
3. Kann mit Hilfe der IT die Kommunikation und damit das Verhältnis zwischen Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten verbessert werden?
4. Wie sehr sind multimediale, mehrsprachige Inhalte behilflich die Patientenangst zu verringern und die Merkfähigkeit der Patientinnen und Patienten zu erhöhen?
5. Bei welchen Patientengruppen können Tablet-PCs eingesetzt werden um diese Kommunikation zu verbessern?
6. Wie stehen Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte zur Verwendung eines multimedialen, mehrsprachigen Fragebogenprogrammes auf Tablet-PCs?
Der 1. Teil dieser Arbeit ist eine umfassende Literatur-Recherche (Kapitel 2-5) und beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Ärztinnen und Ärzten zu ihren Patientinnen und Patienten, immer im Hinblick auf Menschen mit eingeschränkten Kenntnissen der deutschen Sprache.
Kapitel 2 thematisiert dabei das Arzt-Patienten-Verhältnis im Allgemeinen. Kapitel 3 behandelt das so wichtige Thema „Ärztliche Behandlung und Sprache“, während das 4. Kapitel die Kommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten beleuchtet. Das 5. Kapitel ist dem so bedeutsamen Thema der Patientenaufklärung gewidmet. Diese ist ja die Voraussetzung für jede medizinische Behandlung die eine Ärztin bzw. ein Arzt an Patientinnen und Patienten vornimmt.
Der 2. Teil (Kapitel 6-11) der Arbeit setzt sich mit dem Einsatz von multimedialen, mehrsprachigen Programmen zur Patientenaufklärung auseinander.
Im Kapitel 6 wird geklärt, dass multimediale Patientenaufklärung wirkungsvoller sein kann als reine schriftliche oder mündliche Aufklärung. Die Kapitel 7-10 behandeln die normgerechte Entwicklung eines multimedialen, mehrsprachigen Programmes zur Patientenaufklärung auf Android-Tablet-PCs. Im 11. Kapitel werden Stake Holder des Gesundheitssystems befragt, wie ihre Meinung zu einem multimedialen, mehrsprachigen Patienten-Aufklärungsprogramm ist.
2. Arzt-Patienten-Verhältnis
Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist sehr vielgestaltig. Es ist getragen durch das Vertrauen das Patientinnen und Patienten zu Ärztinnen und Ärzten haben. Es wird aber auch geprägt von Angst vor jeder Art von medizinischer Behandlung und der oft zur Schau getragenen Macht die Ärztinnen und Ärzte in diesen Situationen haben. Oft trauen sich die Patientinnen und Patienten nicht, mit den Ärztinnen und Ärzten wirklich offen zu sprechen oder ihre Befürchtungen und Ängste zu thematisieren. Der „Gott in Weiß“ ist im Kopf sehr vieler Akteure im Gesundheitssystem immer noch verankert.
Klemperer und Rosenwirth [2] bezeichnen „Shared-Decision-Making“ (SDM) als eine Form der Kommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten einerseits sowie Patientinnen und Patienten andererseits, die zum Ziel hat, die Patientinnen und Patienten in die Entscheidungen zu ihren Gesundheitsproblemen einzubinden. Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten kommunizieren dabei auf einer partnerschaftlichen Ebene über zukünftige Behandlung. Dabei können auch mehrere Optionen zur Auswahl stehen, wobei eine Option auch beobachtendes Abwarten sein kann. Das SDM-Modell ist gekennzeichnet durch die Interaktion zwischen allen Beteiligten, gegenseitige Information, gemeinsames Abwägen aller Für und Wider und einer gemeinsamen Entscheidung. Die Patientin bzw. der Patient informiert dabei die Ärztin bzw. den Arzt über die jeweiligen subjektiven behandlungsrelevanten Bedürfnisse, Bedenken und persönlichen Risiken. SDM soll die Entscheidungsqualität verbessern, in dem neueste, evidenz-basierte Informationen mit den Patientinnen und Patienten abgestimmt werden.
2. 1. Entscheidungsmodelle
Verstärkt wurde die Emanzipation der Patientinnen und Patienten durch die Erkenntnis, dass häufig unterschiedliche Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen, ohne, dass eine als klar die beste angesehen werden kann. Des Weiteren führte auch die Zunahme von chronischen Krankheiten dazu, dass sich die Arzt-Patienten-Beziehung veränderte. Dabei kommt dem Begriff der Kundenorientierung in der Medizin in den letzten Jahren zusehends mehr Bedeutung zu. Die klassische Arzt-Patienten-Beziehung entwickelte sich weiter und heute werden vier verschiedene „Entscheidungsmodelle“ unterschieden [3, 4].
Paternalistisches Entscheidungsmodell
Bei diesem klassischen Ansatz stellt die Ärztin oder der Arzt den Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten fest und entscheidet anschließend über die beste Behandlungsmöglichkeit. Die Patientin bzw. der Patient kooperiert und befolgt dabei die Anordnung der Ärztin bzw. des Arztes.
Informatives Entscheidungsmodell
Bei diesem Konzept werden den Patientinnen oder den Patienten alle medizinischen Informationen, Diagnosen und Behandlungsmöglichkeiten in verständlicher Sprache erklärt, damit diese eine Entscheidung treffen können. Dieses Modell wird auch als wissenschaftliches Modell oder Konsumentenmodell bezeichnet. Die Verantwortung für die Entscheidung übernimmt hierbei nur die Patientin bzw. der Patient.
Interpretatives Entscheidungsmodell
Ziel der Ärztin bzw. des Arztes ist hierbei, die Vorstellungen und Werte der Patientin bzw. des Patienten in Erfahrung zu bringen. Der Patientin oder dem Patienten wird dabei geholfen, die geeigneten Behandlungen und Maßnahmen auszuwählen. Der Unterschied zum informativen Entscheidungsmodell besteht darin, dass zwar einerseits alle Informationen für eine Entscheidung bereitgestellt werden, jedoch die Patientin bzw. der Patient die Entscheidung mit Hilfe der ärztlichen Beratung trifft.
Abwägendes Entscheidungsmodell
Dieses Modell entspricht dem „Shared-Decision-Making“. Die Ärztin bzw. der Arzt versucht hierbei der Patientin oder dem Patienten bei der Formulierung seiner Wertvorstellungen, Präferenzen, Wünsche aber auch Bedenken und Ängste zu helfen. Die Ärztinnen oder Ärzte informieren die Patientinnen bzw. Patienten mit ihrer spezifischen Fachkenntnis über die medizinischen Möglichkeiten. Die Rollenverteilung ist hiermit insofern abgegrenzt, als dass die Patientinnen bzw. Patienten als „Expertinnen“ oder „Experten“ ihrer Erwartungen auftreten und die Ärztin oder der Arzt als „Expertin“ bzw. „Experte“ für medizinisches Wissen. Eine Behandlungsentscheidung wird einvernehmlich vorgenommen, wobei die Ärztin bzw. der Arzt die Patientin oder den Patienten von der Lösung überzeugen will.
2. 2. Abwehrmechanismen der ärztlichen Seite
Thorsten Kerbs beschäftigt sich in seiner Diplomarbeit „Das Arzt-Patienten-Verhältnis – Eine Literaturstudie zu den psychologischen Implikationen eines unterschätzten Beziehungsproblems“ [5] mit dem problematischen Verhältnis von Ärztinnen bzw. Ärzten zu Patientinnen bzw. Patienten.
Als Autor einer Feldstudie erwähnt Thorsten Kerbs Andreas Wiseman. Dieser ist praktizierender Krankenhausarzt und schildert sehr anschaulich die Fülle der teils stark institutionalisierten Rituale, die in erster Linie Angstvermeidung durch Distanzvergrößerung zu Patientinnen und Patienten bezwecken [6]. Leider entbehrt die Darstellung vollständig eines Ansatzes, auf dessen Grundlage Verbesserungen der zugrundeliegenden Strukturen angedacht werden könnten, stattdessen beschränkt sie sich ausschließlich auf eine Beschreibung.
Er beschreibt verschiedene Formen dieser Rituale, die nachfolgend kurz behandelt werden.
2.2. 1. Zeitdruck
Der gesamte medizinische Betrieb krankt heute trotz der insgesamt immensen Ausgaben für das Gesundheitswesen an chronischer Geldknappheit, die gerade im Krankenhausbetrieb an einem flächendeckenden Personalmangel sichtbar wird. Pflegepersonal ist rar und wird trotz eines bemerkenswert niedrigen Lohnniveaus in dieser Berufsgruppe zu selten eingestellt. Auch die Stellen für approbierte Ärztinnen oder Ärzte werden unterhalb des tatsächlichen Bedarfs aufgefüllt.
Hier stellt sich nun die Frage, inwieweit die Ärztinnen oder die Ärzte als Teilhaber einer Opferrolle selbst vom strukturellen Mangel betroffen sind und inwiefern daraus eine enorme zusätzliche Arbeitsbelastung erwächst, oder ob sie an der Herstellung dieses Zustands in gewisser Weise mitbeteiligt sind und sich darin ein Abwehrmechanismus verdeutlicht. Andreas Wiseman schreibt dazu folgendes: „Der Arzt beklagt die gehetzten und zerrissenen Arbeitsabläufe und stellt sich selbst als deren Opfer dar. Er distanziert sich erfolgreich von den Bedingungen, indem er eine kritische Haltung einnimmt. Als Ursache der chaotischen Arbeitsbedingungen identifiziert er die Schwestern, den Chef, den Verwaltungskram und übertriebene Forderungen von Patienten.“ [6 S. 11]
2.2. 2. Körperlichkeit und ihre Vermeidung
Einerseits wird im Krankenhaus der Körper der Patientin oder des Patienten behandelt, andererseits ist dieser gesellschaftlich mit einem Tabu belegt, das für die Beteiligten belastendende Auswirkungen im Fall von Berührung, Betrachtung und des direkten Kontaktes mit sich bringt. Es ist also nur verständlich, wenn die Ärztin bzw. der Arzt diese Situation aufgrund ihres unangenehmen Beigeschmacks grundsätzlich zu vermeiden sucht bzw. wenn sich die Schulmedizin zunehmend auf diagnostische Verfahren zurückzieht, die direkten Körperkontakt immer überflüssiger werden lassen oder einen Distanz schaffenden technischen Gegenstand zwischenschalten [6 S. 70].
Wiseman beschreibt diesen Trend so: „Allgemein tendiert die Entwicklung der Diagnostik eindeutig weg von der unmittelbaren Beurteilung des Körpers durch Tasten, Betrachten, Bewegen, Riechen, aber auch weg vom Fragen und Zuhören, hin zur Handhabe technischer Vorrichtungen, die eine mittelbare, saubere Untersuchung durch dazwischengeschaltete sterile Apparate ermöglichen (z. B. Röntgenverfahren, Sonographie, Kernspintomographie, Szintigraphie, EKG, EEG, Labordiagnostik)“ [6 S. 36].
2.2. 3. Täuschungsmanöver
Es existiert schon lange eine äußerst kontrovers geführte Auseinandersetzung darüber, welche Informationen den Patientinnen bzw. den Patienten mitgeteilt werden sollten und welche nicht, und wenn Aufklärung erfolgen soll, wie vorzugehen ist [7–10]. Zweifelsfrei schützen sich Ärztinnen und Ärzte vor der Emotionalität der Patientinnen und Patienten, wenn sie ihnen schlechte Nachrichten verheimlichen oder in positivem Licht darstellen. Die Auseinandersetzung mit der geballten Verzweiflung eines Menschen stellt sicherlich eine enorme emotionale Belastung dar, auf die die Ärztinnen oder Ärzten zum einen von ihrer Ausbildung her vorbereitet sein sollten und die zum anderen anschließend auch Raum für Verarbeitung erfordert.
2.2. 4. Manipulation
Eine manipulative Situation würde dann vorliegen, wenn die Zielsetzung eines Aufklärungsgespräches nicht darauf abzielt, die Patientinnen bzw. die Patienten über deren gesundheitlichen Zustand zu informieren und mit ihnen die geeigneten Maßnahmen zu besprechen, sondern wenn es der Ärztin oder dem Arzt darum geht, sich für bereits beschlossene Maßnahmen rechtlich abzusichern. „Dem Patienten wird dabei gezielt jene Information und Fehlinformation zugeleitet, die nach Ermessen des Arztes zwar einerseits die Einwilligung zum geplanten Eingriff noch garantiert, aber andererseits auch den möglichen Misserfolg absichert.“ [6 S. 61]. In dem Zusammenhang wird auch von einer „Absicherungsmedizin“ gesprochen, deren Handeln maßgeblich auch durch das Vermeiden juristischer Risiken motiviert ist.
2.2. 5. Ärztliche Gesprächsführung als Vorgang der Abwehr
Auch wenn bereits vorab von der Kommunikation zwischen Ärztin oder Arzt und Patientin oder Patient die Rede war, erwähnt Thorsten Kerbs speziell die der Gesprächsführung innewohnende Abwehrfunktion. Denn neben dem reinen Austausch von Informationen, die für die diagnostische Erhebung oder die Festlegung der Therapie erforderlich sind, kann das Gespräch noch weitere Zwecke verfolgen. In der Regel bedienen sich Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten einer sehr unterschiedlichen Sprache. Ärztinnen und Ärzte sind es gewohnt, die Dinge in einer medizinischen Fachsprache zu benennen, die ihren Ursprung zudem noch in einer historischen Fremdsprache hat, womit die tiefere Bedeutung der Diagnosen und Krankheiten den Patientinnen und Patienten in der Regel weitestgehend unverständlich bleibt. Siehe dazu auch Kapitel 3.
2. 3. Aus der Sicht des Arztes
Thorsten Kerbs [5] sieht als vorrangiges beziehungsgestaltendes Medium in der Arzt-Patienten-Beziehung das Gespräch. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass die Kommunikation insofern zu wünschen übrig lässt, als Ärztinnen und Ärzte unter Druck und Zeitmangel ihr aufrichtiges Interesse an der Lebenswelt der Patientinnen und Patienten nicht immer zu äußern verstehen. Für den diagnostischen und therapeutischen Prozess sind Einblicke in das Persönliche nur von untergeordnetem Interesse, während es zu den wesentlichen Bedürfnissen von Patientinnen und Patienten zu gehören scheint, sich als vollständiges Wesen mit geistigem, körperlichem, emotionalen und sozialem Erleben wahrgenommen zu fühlen – und nicht nur als Träger eines isolierten Symptoms.
Die Analysen zeigten weiterhin, dass die Arzt-Patienten-Beziehung von mehreren Erwartungsebenen überlagert wird. Zum einen erwarten Patientinnen und der Patienten Linderung oder gar Heilung von ihren Erkrankungen, zumindest jedoch die Befreiung von den ungeliebten Symptomen. Die Ärztin bzw. der Arzt erwartet von sich, die Patientinnen und Patienten in deren Anliegen helfen zu können, während die Gesellschaft neben einem weitestgehend fehlerlosen Funktionieren seit neuestem auch kosteneffizientes Handeln einfordert. Es konnte dokumentiert werden, dass in der Triade von Ärztin/Arzt, Patientin/Patient und Gesellschaft hochgesteckte Erwartungshaltungen aufeinandertreffen, deren Erfüllung beachtliche Anforderungen insbesondere an die Person der Ärztin bzw. des Arztes stellen. Alle Maßnahmen sollten letztlich in die Bestrebungen münden, den Patientinnen und Patienten in der Arzt-Patienten-Beziehung in Richtung einer aktiveren, eigenständigen Rolle zu ermutigen und zu mobilisieren. Dazu gehört auch die ausdrückliche Ermunterung, solche Wahrnehmungen zu äußern die nur mit Hilfe ihrer Innenperspektive zu gewinnen sind. Das nächste Kapitel zeigt allerdings, dass ein verantwortliches und eigenständiges Patientenverhalten von den Ärztinnen und Ärzten nicht immer gewünscht wird und durchaus auch zur Belastung für das Arzt-Patienten-Verhältnis werden kann.
2. 4. Schwierige Arzt-Patienten-Beziehung
Julia Baumgart beschäftigt sich in ihrer Magisterarbeit zum „Master of Public Health“ [11] mit dem Problemfeld der vorinformierten Patientinen bzw. Patienten. Das Verhältnis von Ärztinnen und Ärzten zu diesen bereits vorinformierten Personen ist nicht immer ungetrübt.
Patientinnen bzw. Patienten und Ärztinnen und Ärzte haben oft nicht die gleichen Erwartungen an die Arzt-Patienten-Beziehung und ihre Wahrnehmung der Realität weichen oftmals voneinander ab. Problematisch werden dann, wenn diese Diskrepanzen nicht erkannt und daher auch nicht angesprochen werden.
So zeigen Martin Butzlaff, Betina Floer und Jana Isfort deutlich, dass Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten ihre Kontakte besonders im Bereich Kommunikation und Information oft sehr unterschiedlich wahrnehmen [12]: Bezogen auf die jeweils zuletzt erlebte Entscheidungssituation war die große Mehrheit der im Rahmen des Bertelsmann-Gesundheitsmonitors befragten Ärztinnen und Ärzte überzeugt, Vor- und Nachteile verschiedener Behandlungsoptionen erklärt, Alternativen vorgeschlagen, die Vorstellungen der Patientinnen und Patienten einbezogen und sie zu Fragen ermuntert zu haben (Werte zwischen 66 und 89 Prozent). Auf Patientenseite dagegen lagen die entsprechenden Werte alle (und zum Teil deutlich) unter der 50-Prozent-Marke. Noch weiter strebte die Wahrnehmung beider Seiten auseinander, wenn es darum ging, ob die Ärztin oder der Arzt den Patientinnen bzw. Patienten Informationsmaterial mitgegeben und sie ermuntert hätte, weitere Informationsquellen zu nutzen. In entsprechenden Auswertungen der Folgejahre des Gesundheitsmonitors fanden sich ähnliche Werte und entsprechende Diskrepanzen [13]. Andere Studien bestätigen diese auseinanderklaffenden Wahrnehmungen [14, 15].
Je unterschiedlicher solche Einstellungen und Urteile ausfallen, umso wichtiger wäre es, sich darüber auszutauschen. Nur dann besteht für die Ärztin bzw. den Arzt eine Chance, als Grundlage des Arzt-Patienten-Arbeitsbündnisses „eine gemeinsame Wirklichkeit mit seinem Patienten aufzubauen“ [16]. Vor diesem Hintergrund bekommen die Defizite im Bereich Information und Kommunikation noch größeres Gewicht.
2.4. 1. Vorinformierte Patientinnen und Patienten in der Sprechstunde
Eine grundsätzliche Frage im Zusammenhang mit vorinformierten Patientinnen und Patienten in der Sprechstunde ist, ob die Ärztin oder der Arzt überhaupt etwas von eventuellen Vorinformationen erfährt. In einschlägigen Umfragen geben von den Patientinnen und Patienten, die sich eigenständig medizinische Informationen besorgt haben, nur 28 % bis 50 % der Befragten an, dies ihren Ärztinnen und Ärzten gesagt zu haben [17–19]. Das heißt aber im Umkehrschluss, eine große Gruppe derjenigen, die sich selbst zu medizinischen Themen informiert, spricht nicht darüber mit ihren Ärztinnen und Ärzten und ebenso wenig über die eventuell damit auftauchenden Fragen, Zweifel und Ängste.
Andere Gründe Vorinformationen nicht zu erwähnen haben eher mit der Beziehungsebene zu tun und deuten auf Defizite in der Arzt-Patienten-Beziehung hin [20, 21]. Dazu gehört die Wahrnehmung oder zumindest die Vermutung, dass dafür keine Zeit sei. Ebenso besteht die Furcht, die Ärztin oder der Arzt könne negativ reagieren, sich persönlich oder in seinem Status als Expertin bzw. Experte angegriffen fühlen und in der Konsequenz die Patientin oder den Patienten schlechter zu behandeln. Auch negative Vorerfahrungen dieser Art führen eher dazu, dass Patientinnen oder Patienten eigene Informationen nicht mehr ansprechen. Rechnet man alle diese auf der Beziehungsebene liegenden Gründe zusammen, fallen sie quantitativ mehr ins Gewicht als die informationsbezogenen Motive für das Nicht-Ansprechen, auch wenn die einzelnen Aussagen (z.B. zur Angst, den Expertenstatus der Ärztinnen und Ärzte in Frage zu stellen) jeweils nur Zustimmungsraten von unter 10 % erreichen [20, 21].
Eine weitere mögliche negative Reaktion ist auch, dass Ärztinnen und Ärzte einfach darüber hinweggehen, dass Patientinnen und Patienten ihre Vorinformationen ansprechen – in der Bremer Umfrage von Silke Stroth, Antje Post, Janine Pfuhl und Gerd Marstedt berichten 30 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dies erlebt zu haben. Interessant ist, dass jüngere Patientinnen und Patienten insgesamt deutlich häufiger von negativen Ärzte-Reaktionen berichten [22], was ein mögliches Zeichen für die bei Jüngeren häufiger anzutreffende arztkritische Haltung sein könnte
3. Ärztliche Behandlung und Sprache
Immer wieder berichten Ärztinnen und Ärzte, dass die sprachliche Verständigung oft das Hauptproblem im Umgang mit Patientinnen und Patienten ist, da sie sehr viel Zeit beansprucht, manchmal aber auch sehr nervenraubend ist, und trotz aller Bemühungen oft nicht zum gegenseitigen Verständnis führt. Und das durchaus nicht nur mit Patientinnen und Patienten mit geringen Kenntnissen der deutschen Sprache.
Manche Migrantinnen und Migranten haben unzureichende Deutschkenntnisse oder haben nur einen lückenhaften Wortschatz für die Begriffe Körper, Gesundheit, Befinden und Sexualität. Dies kann die Verständigung im Gesundheitsbereich wesentlich erschweren.
Darüber beklagen sich - oft zu Recht Pflegende, Ärztinnen und Ärzte - beispielsweise über ungenaue Angaben zu den Beschwerden der Patientinnen und Patienten, die eine Diagnose erschweren, über fehlende Sprachkenntnisse aber auch über zu zahlreichen Patientenbesuch in den Krankenzimmern.
Migrantinnen und Migranten sind, was ihre Gesundheit anbelangt, oft in mehrfacher Hinsicht benachteiligt. Sie gehören oft zu den Bevölkerungsschichten in sozial schwierigeren Lebenslagen. Diese sind sowohl hinsichtlich ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen als auch aufgrund ihres Lebensstils deutlich höheren Krankheitsrisiken ausgesetzt und weisen daher auch eine geringere Lebenserwartung auf. Ein weiterer Aspekt ist, dass trotz aller Fortschritte die Bedürfnisse von Migrantinnen und Migranten im Gesundheitswesen noch nicht erfüllt werden. Nach wie vor bestehen viele Barrieren, die den Zugang zu den Gesundheitsdiensten erschweren.
Solche Barrieren sind u.a.:
mangelnde Sprachkompetenz,
kulturell unterschiedliche Auffassungen von Krankheit und Gesundheit,
fehlendes Fachpersonal mit Migrationshintergrund, und
mangelnde Information über die Angebote und das österreichische Gesundheitssystem als solches.
Viele Menschen mit Migrationshintergrund, vor allem aber Migrantinnen und Migranten der ersten Generation, verfügen nur über unzureichende oder aber gar keine Kenntnisse der Sprache des Landes, in das sie migrieren [23 S. 17]. Insbesondere wenn es nicht nur um Begriffe des täglichen Lebens, sondern um gesundheitsrelevante Fachbegriffe geht, ist der Wortschatz oftmals sehr begrenzt. Sprache spielt aber eine entscheidende Rolle in der interkulturellen Kommunikation und Interaktion. Es gilt zu beachten, dass, „was Sprachbarrieren genannt wird, eigentlich eher Sprachlücken sind: Da ist nichts, was die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner aktiv trennt, sondern es besteht eine Lücke, eine Kluft, die die Kommunikation verunmöglicht“ [24 S. 28]. Dies macht es für die Gesundheitsförderung und Prävention schwer, an die Zielgruppe heranzukommen: Werden Ankündigungen von Angeboten in den lokalen Medien nicht in die Sprache der Zielgruppe übersetzt, werden sie nicht verstanden. In Folge werden oft auch die bestehenden Angebote nicht genutzt. Das Ziel muss es daher sein, alternative Kommunikationsformen zu nützen. Das kann durch mehrsprachiges Material, „visuelle Kommunikationshilfen“ [25 S. 109] in der Ankündigungsphase oder durch Dolmetscherinnen und Dolmetscher im persönlichen Kontakt ermöglicht werden. Denn nur, wenn Menschen mit Migrationshintergrund ausreichende Kenntnis über gesundheitliche Vorsorge haben, können sie auch entscheiden, ob sie diese in Zukunft nutzen wollen.
Beim Handlungsverstehen ist es wichtig, die mit dem Handeln verbundenen Absichten und Erwartungen zu erkennen. Dies ist bei banalem allgemeinem menschlichem Handeln vielleicht noch möglich, jedoch bei komplexeren Situationen, wie sie in der Medizin vorkommen, ist ein Verstehen schwierig, wenn sich die gewohnten Erfahrungen von denen der jeweiligen Kommunikationspartnerinnen bzw. -partner unterscheiden. So kommt es dann ohne dieses Vorverständnis zu einem furchtbaren Kommunikationsverlauf [26 S. 12-16]. Dies kann sogar zum Tod führen wie aktuelle Medienberichte der letzten Zeit immer wieder zeigen.
Ist die Verständigung in der Arzt-Patienten-Kommunikation nun schon durch die kulturell unterschiedlich geprägten Begriffsinhalte erschwert, wird die Interaktion fast unmöglich, wenn den ausländischen Patientinnen oder Patienten schon das einfache Wortverstehen schwer fällt. Ein Gespräch wird dann meist reduziert auf das sogenannte „Ausländerdeutsch“. Dies passiert meist in dem Glauben, dass die Patientinnen und Patienten eben nur diese Sprache verstehen. Dabei gibt es Variationen von einfachen korrekten Sätzen, bis hin zu einer herablassenden Form, in der überwiegend Infinitive und Hauptwörter gebraucht werden. So entstehen Sätze wie „Kind viel krank, gehen Klinik sofort, Arzt anrufen, sagen wann kommen“. Auch wenn diese Art des Redens nicht immer herablassend gemeint ist, zeigt sich in so einem Jargon die latent oder bewusst existierende ausländerfeindliche Einstellung [26 S. 16-18].
Oft versuchen Ärztinnen und Ärzte in der Kommunikation Strategien einzusetzen, um der Patientin oder dem Patienten das Verstehen zu erleichtern. So werden ausländische Patientinnen und Patienten oft wesentlich lauter angesprochen, – das Ausländerdeutsch wird auch Fabrikdeutsch genannt, da so laut gesprochen wird wie in einer Fabrik – als ob das das Verstehen erleichtern könnte, oder die Inhalte werden besonders oft wiederholt. Die Patientinnen und Patienten wiederum empfinden dieses Verhalten als Befehlssprache und herabsetzend. Dazu kommt, dass im Süden Europas und im Orient in der Arzt-Patienten-Interaktion viel ruhiger und rücksichtsvoller miteinander umgegangen wird, als hierzulande. Es ist auch selbstverständlich, dass die Patientinnen und Patienten besonders aufmerksam sind und der Ärztin oder dem Arzt signalisieren, verbal oder nonverbal, ob sie verstanden haben. Ständiges nachfragen, ist daher nicht von Nöten [26 S. 18-19].
Schipperges [27] unterteilt die Arzt-Patienten-Beziehung in drei zu durchlaufende Phasen. Das ist die „elementar sympathische Sinnstufe“, in welcher die Ärztin bzw. der Arzt kranken Menschen begegnet, dann kommt die „diagnostische Verfremdungsphase“, in welcher es zu einer Versachlichung durch technische Distanzierung kommt, und schließlich der „personale Sinnkreis“, wo die Ärztin bzw. der Arzt mit der Patientin bzw. dem Patienten wieder auf höherer Ebene in eine Kommunikation tritt. In der westlichen Biomedizin liegt das Schwergewicht auf der zweiten Phase, während die beiden anderen, die vor allem Emotionalität und Sympathie erfordern entsprechend vernachlässigt werden. Das ist der wichtigste Grund, warum deutsche Patientinnen und Patienten mit der Arzt-Patienten-Beziehung unzufrieden sind, und das gilt umso mehr für ausländische Mitmenschen.
Stefan Zimmermann behandelt in seiner Diplomarbeit [28] das Problem aus der Sicht der Dolmetscherin bzw. des Dolmetschers. Er sieht eines der größten Probleme in der fehlenden Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten in den Bereichen Kommunikation und interkulturellem Einfühlungsvermögen.
3. 1. Arzt-Patienten-Kommunikation in der Ausbildung der Mediziner
Dem ärztlichen Gespräch wird in der Ausbildung kaum Bedeutung gegeben. Im Vordergrund steht die Aneignung von Fachwissen und hinsichtlich der Interaktion mit dem Patienten hauptsächlich Diagnoseerstellung, Behandlung und therapeutische Tätigkeiten [29 S. 24].
Wie Zimmermann ausführt werden oft Turnusärztinnen und -ärzte bei Anamnesegesprächen eingesetzt, was den Patientinnen und Patienten jedoch nicht mitgeteilt wird. Dadurch können die an die Ärztin bzw. den Arzt gestellten Erwartungen seitens Patientinnen und Patienten oft nicht befriedigt werden. Diese Tatsache wird auch als Verschleierung bezeichnet. Turnusärztinnen und -ärzte dürfen jedoch keine Diagnose stellen und über keine weiteren Therapien entscheiden. Sie müssen sich Techniken der Anamneseerhebung meist autodidaktisch oder durch Zuhören bei anderen Ärztinnen und Ärzten aneignen. Dabei sind jedoch formale Kriterien wie das genaue Ausfüllen des Formulars mit den speziellen Ausdrücken, Jargons und Abkürzungen von großer Wichtigkeit [30 S. 15-18].
„Neben Techniken der Befragung wird damit die Erlernung des teilnehmend/ einfühlsamen Zuganges zum Patienten wie auch die Fähigkeit zur Reflexion des eigenen emotionalen Erlebens wesentlich für seine Arbeit“ [31 S. 14].
Mit dem angeführten Zitat zeigt Wimmer, dass es zu einer Erweiterung der ärztlichen Ausbildung kommen sollte, wobei die Sensibilität für die Bedeutung psychischer und sozialer Faktoren bei Krankheitsverläufen erhöht wird, genauso wie auch die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und auch die Verbesserung der Gesprächsfähigkeit trainiert werden sollte. Außerdem müssten auch die organisatorischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, damit menschliche Bedürfnisse im Krankenhaus anstelle von technischen Gegebenheiten in den Mittelpunkt des Interesses rücken können [31 S. 14f].
3. 2. Arzt-Patienten-Kommunikation mit ausländischen Patienten
Wie Zimmermann [28] erwähnt kommen viele Migrantinnen und Migranten aus Ländern, wo Sprache und sprachliche Fertigkeiten im Gespräch einen sehr hohen Stellenwert genießen. Gespräche sind hier oft personenzentriert und die Versachlichung steht nicht im Mittelpunkt. Dabei spielt Nähe im sozialen Miteinander eine wichtige Rolle. Die Wichtigkeit von Sprache in diesen Gesellschaften in der Interaktion ist jedoch nicht nur für gehobene Schichten von Bedeutung, sondern ebenso für Angehörige der unteren Schichten [26 S. 20].
Während beispielsweise deutsche Patientinnen und Patienten aus unteren Schichten durch Verwendung einer eingeschränkten Sprache Probleme in der verbalen Kommunikation haben, so kommen bei ausländischen Patientinnen und Patienten noch die fehlenden Deutschkenntnisse dazu.
Durch die fehlenden Sprachkenntnisse werden Anamnesegespräche häufig von Ärztinnen und Ärzten frühzeitig abgebrochen und man verlässt sich mehr und mehr auf Befunde und dergleichen. Die stumme Medizin führt jedoch zu langwierigen Behandlungsverläufen, hohen Kosten des Gesundheitssystems und zu Frustration bei den Patientinnen und Patienten [26 S. 21].
Außerdem können ausländische Patientinnen und Patienten selbst durch ihren Sprachstil emotionale Inhalte nicht entsprechend ausdrücken. Dadurch kann es zu einer Überforderung der Ärztinnen und Ärzte kommen, welche dadurch den Patientinnen und Patienten schließlich noch weniger Zeit und Beachtung schenken.
Der Gebrauch von sehr persönlichen Ausdrücken wie des „Du-Wortes“ kann von Ärztinnen und Ärzten ebenfalls als herabwürdigend empfunden werden. Von Ausländerinnen und Ausländern wird das duzen oft eher als Dankbarkeit und Anerkennung verstanden. Ebenso werden oft Ausdrücke wie „ich will“ statt „ich möchte“ von Ärztinnen und Ärzten als provokant eingestuft, obwohl es von den ausländischen Patientinnen und Patienten nicht so gemeint wird [26 S. 21]. Näheres wird im Kapitel 4 behandelt.
Die Problematik von Frauen in der Arzt-Patienten-Kommunikation betrifft hauptsächlich muslimische Patientinnen. In diesen Gesellschaften hat der Mann die Entscheidungsinstanzen in der Familie inne, daher fühlen sich Frauen auch bei Entscheidungen in der Arzt-Patienten-Beziehung oft hilflos, und wirken auf die Ärztinnen und Ärzte als unselbständig und werden infolgedessen oft diskriminiert. Unbeholfene Patientinnen und Patienten werden oft als ungebildet abgewertet und deshalb schlechter behandelt [26 S. 22].
Dem bei ausländischen Patientinnen und Patienten erhöhten Aufklärungsbedarf wird von Ärztinnen und Ärzten oft nicht entsprochen. Auf die Fragen, ob man alles verstanden habe, reagieren die meisten Patientinnen und Patienten mit einem „Ja“, auch wenn nicht alles klar war. Das gilt allerdings auch für eher ungebildete deutschsprachige Personen, aber in noch größerem Umfang für nicht oder nur teilweise der deutschen Sprache mächtige Personen. Für sie trägt die Ärztin bzw. der Arzt die Verantwortung über die gefällte Entscheidung, unabhängig davon, ob sie alles verstanden haben oder nicht. Die Eigenverantwortlichkeit von Patientinnen und Patienten ist gerade vielen ausländischen Personen noch nicht in dem Umfang bewusst wie z. B. Westeuropäern. Auch sprachlich nicht kompetente Ärztinnen und Ärzte schüchtern bereits ängstliche Patientinnen und Patienten noch weiter ein, da sie diese mit komplizierten Fachbegriffen verwirren und verunsichern. Bei Südeuropäern und Türkinnen und Türken obliegt im höflichen Gespräch die Entscheidung ob das Gesagte verstanden wurde oder nicht den Erklärenden. Aus diesem Grund müssen diese bei der Verständnisfrage gezielt von sich aus fragen, ob die Erklärungen verständlich waren und nicht ob die Zuhörenden die Aussagen verstanden haben. Dazu kommt noch, dass ausländische Patientinnen und Patienten nicht dem Vorurteil gerecht werden wollen, dass sie minderbegabt bzw. unintelligent sind. Daher stimmen sie oft der Verständnisfrage zu, um sich nicht genieren zu müssen. Vor allem ältere Patientinnen und Patienten können aufgrund oftmals geringer Schulbildung, unzureichender Sprachkenntnisse und mangelndem Verständnis für wissenschaftliche Zusammenhänge den Aussagen der Ärztinnen und Ärzten nicht folgen [26 S. 22f].
Das erste Arzt-Patienten-Gespräch mit ausländischen Patientinnen und Patienten ist ein erstes Abklären der Krankheit, welches noch weitere Behandlungsschritte notwendig macht. Dabei müssen deren persönliche Befürchtungen und Erlebnisse im Gespräch berücksichtigt werden. Viele ausländische Patientinnen und Patienten fühlen sich nicht ausreichend informiert bzw. teilweise sogar belogen, da ihnen oft zu wenige Informationen gegeben werden. Eine verständnisorientierte Gesprächsführung von Ärztinnen und Ärzten mit fremdsprachigen bzw. ausländischen Patientinnen und Patienten sollte in Zukunft das rein erfolgsorientierte Gespräch ablösen [26 S. 24].
3. 3. Der Dolmetscher in der vermittelten Arzt-Patienten-Kommunikation
In der Arzt-Patienten-Kommunikation mit nicht deutschsprachigen Patientinnen und Patienten übernehmen Dolmetscherinnen und Dolmetscher unterschiedliche Aufgaben: „Er passt Aussagen der Parteien auf der Sprach- und Diskursebene an, vermittelt im Gespräch eigenständig Informationen über die Gesprächspartner aufgrund nur von ihm wahrgenommener sprachlicher und nichtsprachlicher Botschaften, er expliziert und strukturiert Aussagen etc.“ [32 S. 146].
Die Dolmetscherinnen bzw. Dolmetscher sind Ansprechperson für die beiden anderen Gesprächspartnerinnen bzw. -partner, da diese beide Sprachen beherrschen und so die Kommunikation erst ermöglichen. Sie schaffen damit eine Vertrauensbasis, auf welcher erst eine gemeinsame Gesprächsbasis zwischen allen Beteiligten möglich ist. Daneben sind sie oft auch für andere Dinge zuständig. Einerseits helfen sie den Patientinnen und Patienten bei Missverständnissen nach der Arztkonsultation weiter, z. B. falls sie etwas nicht richtig verstanden haben, andererseits „[…] vermittelt [er] administrative Informationen und solche, die Behandlungsabläufe eines bestimmten Krankheitsbildes oder Krankenhaus- und Stationsabläufe betreffen“ [32 S. 146].
Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind aber auch Kulturvermittler zwischen den Beteiligten und kümmern sich häufig um die soziale Betreuung innerhalb und außerhalb des Krankenhauses [32 S. 146f]. Das Tätigkeitsfeld von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sollte am besten genau abgegrenzt und die Zuständigkeitsbereiche genau definiert werden.
Ärztinnen und Ärzte sollten außerdem bei der Wahl der Dolmetsch-Strategien und Kommunikationsmittel die Dolmetscherinnen und Dolmetscher mit einbeziehen [32 S. 148f].
Laut Zimmermann [28] bereiten Dolmetscherinnen und Dolmetscher vor dem eigentlichen Arzt-Patienten-Gespräch die fremdsprachigen Patientinnen und Patienten auf das Gespräch vor. Sie klären anstehende Fragen und geben im Vorfeld Informationen über die Situation im Krankenhaus sowie über die Einstellung des Personals den Patientinnen und Patienten gegenüber. Im Gespräch selbst sorgen sie für eine Anpassung der Sprachebenen und versuchen, kulturelle Missverständnisse auszugleichen. Danach wiederholen sie eventuell für die Patientinnen und Patienten nichtverstandene Aussagen der Ärztin bzw. des Arztes und geben den Patientinnen und Patienten weitere administrative Informationen sowie Informationen zu weiteren Handlungsabläufen bezüglich deren Erkrankung [32 S. 152].
Dolmetscherinnen und Dolmetscher mit reinem bi-kulturellem Hintergrund aber ohne fundierte sprachliche Ausbildung haben oft Mängel in Bezug auf fachliche Spezialbegriffe und sind daher eher weniger geeignet für den Einsatz im Gesundheitswesen. Auch die Beziehung von Familienangehörigen als Dolmetscherinnen und Dolmetscher ist nicht wirklich geeignet, vor allem in therapeutischen Gesprächen. Diese sind oft sehr emotional und können daher die Familienmitglieder nicht selten überfordern. Zweisprachiges Krankenhauspersonal kommt aus diesem Grund häufig zum Einsatz, wenn es spontan erforderlich ist und kein professioneller Dolmetsch-Service zur Verfügung steht. Dabei besteht aber die Gefahr einer Kompetenzvermischung, und diese fühlen sich oftmals auch nicht wohl in dieser Rolle. Diese Tätigkeit abzulehnen ist aber oft mit Konflikten innerhalb der Organisation des Krankenhauses verbunden, obwohl viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dies nicht wirklich freiwillig machen möchten. Dass es für das Personal nicht einfach ist, aus einer Betreuerposition in die eines neutralen Vermittlers zu schlüpfen wird dabei oft übersehen. Außerdem werden solche Dolmetscher nicht für ihre Zusatzleistung bezahlt, was sich wiederum negativ auf die Motivation auswirkt, vor allem wenn es bedeutet sich zusätzlich auf diesem Gebiet weiterzubilden.
Aus dem Krankenhauspersonal rekrutierte nichtprofessionelle Dolmetscherinnen und Dolmetscher sprechen zwar die Sprache der Patientinnen und Patienten, verfügen aber meistens über einen anderen soziokulturellen Hintergrund. Das ist ein Grund dafür Dolmetscherinnen und Dolmetscher zu verwenden die sowohl die Sprache beherrschen als auch über einen sozialen Hintergrund verfügen, der den Patientinnen und Patienten nahe ist. Zu beachten ist dabei allerdings auch, dass nicht zwischen allen Patientinnen und Patienten und Ärztinnen und Ärzten gravierende soziokulturelle und sozioökonomische Unterschiede bestehen. Neben Migrantinnen und Migranten bzw. Flüchtlingen nehmen auch Touristen und Geschäftsleute medizinisch soziale Dolmetsch-Dienste in Anspruch [32 S. 44].
Professionelle Dolmetscherinnen und Dolmetscher dolmetschen in der Regel in der 1. Person, in Ausnahmesituationen auch in der dritten Person. Bei Kleinkindern sollte in der dritten Person gedolmetscht werden, da sie die Situation meist nicht adäquat verstehen können. Eigenartig erscheint oft, wenn eine Frau in der ersten Person eines Mannes dolmetscht bzw. auch umgekehrt, wenn ein Mann in der ersten Person einer Frau dolmetscht [33 S. 34].
In der Kommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten und fremdsprachigen Patientinnen und Patienten kommen in der Regel zwei Sprachen zum Einsatz. Dabei werden zwei unterschiedliche Sprachsysteme mit ihren nonverbalen Zeichen angewandt. Die Präsenz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern kann aber manchmal die beiden anderen Beteiligten irritieren. Das Ziel der Kommunikation, nämlich der Austausch der Informationen, darf dabei allerdings nicht außer Acht gelassen werden. Wesentlich ist auch, dass durch die Dolmetscherinnen und Dolmetscher das Gespräch verlängert wird und der Charakter der Konversation sich verändern kann. Zwischen jeder Frage und Antwort findet die Übersetzung statt, damit wird der Gesprächsverlauf immer nur sehr stockend ablaufen. [33 S. 27ff].
Das Dolmetschen in der Arzt-Patienten-Kommunikation ist nach Zimmermann [26 S. 26] „[…] ein semantischer und weitgehend semiotischer Akt, der vor allem, wie gezeigt, intensive Kenntnisse beider Systeme, der medizinisch-wissenschaftlichen des Arztes und der laienmedizinischen der Patienten, voraussetzt.“
Dolmetscherinnen und Dolmetscher müssen im Stande sein, sowohl die wissenschaftlichen Inhalte auf die Verständnisebene der Patientinnen und Patienten aber auch die laienhaften medizinischen Inhalte auf die Verständnisebene der Ärztinnen und Ärzte zu vermitteln [26 S. 26].
Da die Ärztinnen und Ärzte jedoch die soziokulturelle Hintergründe der Heimatländer der Patientinnen und Patienten nicht kennen bzw. immer noch wenig Kenntnisse über das laienmedizinische System haben, werden die Verkürzungen noch weiter verzerrt und es kann zusätzlich zu groben Fehlern kommen. Die Aufgabe von Dolmetscherinnen und Dolmetschern ist es aber auch, die transportierten Inhalte mit all ihren dabei entstehenden Verkürzungen und Bedeutungsunterschieden auf Basis der Kenntnisse sowohl des wissenschaftlichen Systems der Ärztinnen und Ärzten als auch des laien-medizinischen Systems der Patientinnen und Patienten für beide Seiten verständlich und mit minimalen Fehlern zu übersetzen. Außerdem muss die Dolmetscherin bzw. der Dolmetscher eine unterstützende Funktion sowohl bei den Erklärungen der Ärztin bzw. des Arztes als auch bei Fragen der Patientin bzw. des Patienten übernehmen [26 S. 27].
Zimmermann [26 S. 27] beschreibt im Weiteren die Wichtigkeit der Einschätzung der Gesprächssituation. Dabei erwähnt er folgende wichtige Faktoren:
Erwartungen und Gestimmtsein aller Gesprächspartnerinnen und -partner
affektives Verhältnis zueinander
die zu Verfügung stehende Gesprächszeit
die Einstellung auf den Inhalt des zu übersetzenden Gegenstandes
3. 4. Sprachbarrieren in der Arzt-Patienten-Kommunikation
Für die Verständigung mit ausländischen Patientinnen und Patienten ist die Sprache natürlich besonders wichtig. Dabei sind nicht nur die einzelnen Wörter und Begriffe, sondern auch die Darstellung der Wirklichkeit von besonderer Bedeutung. Durch die Sprache wird erst ein Zugang zum fremden Gesundheitssystem ermöglicht [34 S. 21].
Da es bereits bei deutsch-deutscher Arzt-Patienten-Kommunikation viele Probleme gibt, ist es vor allem für ausländische Patientinnen und Patienten, die oft aus einfacheren Schichten kommen, wesentlich schwieriger die herkömmliche Arzt-Patienten-Kommunikation zu meistern. Sie kennen aus ihren Herkunftsländern oft eine eher auf verbale Kommunikation ausgerichtete Behandlung durch Ärztinnen und Ärzte, da die Technisierung in der Medizin oft noch nicht so weit fortgeschritten ist wie in modernen westlichen Gesellschaften [26 S. 13].
Durch die Sprache wird die Realität beschrieben. Diese Beschreibung ist abhängig von kultureller, sozialer und individueller Sicht. Mittels Sprache kann die Realität zwar detailliert beschrieben werden, das genauere Erfassen ist hingegen für die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht immer möglich, sie können sich den Sachverhalt lediglich entsprechend der Schilderungen und ihrer eigenen Erfahrung entsprechend vorstellen [26 S. 14].
Vor allem die Nicht-Übereinstimmung von verschiedensprachigen Wörtern und Begriffen, die denselben Sachverhalt meinen, ist besonders erwähnenswert. Sprachen entwickelten sich in den unterschiedlichen Kulturen unter verschiedenen Umständen und so kommt es zu einer sogenannten „Inkongruenz“ [26 S. 14] eines Wortes in verschiedenen Sprachen. So können auch in der Arzt-Patienten-Kommunikation Wörter zwar eins zu eins in die Fremdsprache übersetzt werden. Damit ist allerdings nicht gewährleistet, dass diese Begriffe von beiden Seiten auch inhaltlich richtig verstanden werden. Auch Begriffe, wie Krankheit, Arzt, Schmerzen werden in den verschiedenen Sprachen von den Beteiligten völlig unterschiedlich gesehen [26 S. 15].
Um die entsprechenden Begriffe in der Kommunikation auch wirklich verstehen zu können, muss die Situation, in der sich die Beteiligten befinden, beiden Seiten in ähnlicher Weise bekannt und bewusst sein [26 S. 15].
Dass ausländische Patientinnen und Patienten eine andere Einstellung als inländische Patientinnen und Patienten zum Ablauf eines Arzt-Patienten-Gesprächs haben, zeigt Zimmermann [26 S. 16] in folgendem Textausschnitt:
„Im Allgemeinen sind ausländische Patienten, mehr noch als deutsche Patienten, von einer ‚verständigungsorientierten’ Einstellung, also von kommunikativem Handeln geleitet, während Ärzte und meist auch das Pflegepersonal von einer ‚erfolgsorientierten’ Einstellung ausgehen“ [26 S. 16].
Wenn nur einfachste Informationen weitergegeben werden, spricht man auch oft von „Ausländerdeutsch“ oder „Fabrikdeutsch“. Inländerinnen und Inländer passen sich häufig dem Niveau von Ausländerinnen und Ausländern an bzw. werden Elemente der eigenen Sprache und der Fremdsprache vermischt und vereinfacht transportiert [26 S. 16].
Vor allem für Arbeitsmigrantinnen und -migranten ist der Erwerb der deutschen Sprache oft kein primäres Ziel, da viele von ihnen denken, dass sie bald wieder in die Heimat zurückkehren werden. Oft ist die schulische Vorbildung nicht ausreichend genug, sodass sie professionell die deutsche Sprache erlernen können. Sowohl Inländerinnen und Inländer als auch Ausländerinnen und Ausländer glauben daher, dass eine sehr einfache Kommunikation mit einfachen Ausdrücken mit beispielsweise einfachem Gebrauch von Verben und Hauptwörtern dem Gesprächspartner entgegenkommt. Diese Vereinfachung der Sprache kann sogar bis zu einer „Kleinkindkommunikation“ führen. Die Kommunikation wird dabei häufig in Du-Form durchgeführt. Diese Du-Form wird von den Beteiligten oft als fürsorglicher Aspekt angesehen [26 S. 17].
Das Entstehen dieser vereinfachten Sprache kann auch als „universeller Prozess“ [26 S. 18] gesehen werden, der von Ärztinnen und Ärzten entwickelt wurde, um besser mit dem ausländischen Gegenüber zu kommunizieren.
3. 5. Krankheitserleben von ausländischen Patientinnen und Patienten
Da die Patientinnen und Patienten unterschiedlichen sozialen Schichten angehören, werden auch die Beschwerden bzw. Symptome unterschiedlich geschildert. Während Angehörige der Mittelschicht ein Krankheitsverständnis haben, bei dem die Krankheit auf Störungen im Körper zurückgeführt wird, haben Angehörige von unteren Schichten oft ein Krankheitsverständnis, bei dem die Krankheit viel umfassender aufgefasst wird. Dabei drücken Mittelschichtsangehörige ihre Anliegen eher medizinnahe aus, während Unterschichtsangehörige diese eher medizinfern ausdrücken [32 S. 14].
In anderen Ländern herrschen andere medizinische Traditionen, welche damit zu weiteren Verständigungsschwierigkeiten zwischen Ärztin und Arzt und fremdsprachigen Patientinnen und Patienten führen [32 S. 15].
So gesehen kann das ärztliche Gespräch als „[…] ein Aushandeln von Denkkonzepten[…] gesehen werden, mit der Intention, dass man „[…] zu einer gemeinsamen Verständigungsgrundlage [findet]“ [32 S. 16].
Durch die erwähnten sprachlichen und kulturellen Verständigungsschwierigkeiten versuchen sich die Ärztinnen und Ärzte den fremdsprachigen Patientinnen und Patienten mit einer Beschreibung der Beschwerden und dem Erklären von möglichen Symptomen anzunähern. Diese „sprechende“ Medizin wird allerdings oft wegen Personalmangels zugunsten einer apparativen Diagnostik immer weniger und seltener eingesetzt [32 S. 16].
Ausländische Patientinnen und Patienten erleben die Krankheit oft als ein ganzheitliches Phänomen. Für sie ist oft nicht einsehbar, dass nur ein einzelner Körperteil erkrankt sein soll. Dazu kommt noch, dass wegen ihres oft niedrigeren Bildungsniveaus, das Verstehen von Krankheitsbildern innerhalb der Arzt-Patienten-Kommunikation noch schwieriger wird [34 S. 31].
3. 6. Sonderfall Dolmetschen via Telefon
Dolmetsch-Dienste via Telefon kommen häufig in Notfällen zum Einsatz, wenn es sonst keine anderen Möglichkeiten mehr gibt. Dabei sind Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten via Telefon mit den Dolmetscherinnen und Dolmetschern verbunden. Während der Kommunikation reichen einander die am Gespräch Beteiligten abwechselnd das Telefon, um den übersetzten Text zu hören oder, falls möglich, wird via Lautsprecher mitgehört. Einerseits ist der spontane Einsatz von Telefondolmetscherinnen bzw. -dolmetschern oft sehr hilfreich, andererseits gehen die Eindrücke die über die nonverbale Kommunikation übermittelt werden bei dieser Form verloren. Dieses Fehlen muss häufig durch spezielle verbale Leistungen der Dolmetscherinnen bzw. der Dolmetscher ausgeglichen werden. Auch der Sprecherwechsel, der häufig durch nonverbale Elemente geregelt wird, muss hier verbal angezeigt werden [33 S. 23f].
Im Pilotprojekt, das derzeit am AKH Wien läuft, wird dieses Problem insofern entschärft, als statt des Telefons eine Videoverbindung eingesetzt wird. Damit werden die meisten Nachteile des Dolmetschens via Telefon vermieden.
Pinzker [35 S. 37ff] spricht von vielen Nachteilen, welche dolmetschen via Telefon mit sich bringen. Sie meint, dass das Telefondolmetschen nur in Notsituationen eingesetzt werden sollte, in denen es keine anderen Möglichkeiten mehr gibt. Problematisch ist vor allem auch, dass die Telefondolmetscherinnen und -dolmetscher die gegebene Situation nicht überblicken können. Es wird hier ebenfalls erwähnt, dass dieser Sprecherwechsel sehr schwierig zu managen ist, daher werden Ärztinnen und Ärzte aber auch die Patientinnen und Patienten bei dieser Form sehr oft dazu neigen, lange zu sprechen ohne auf die Dolmetscherin bzw. den Dolmetscher Rücksicht zu nehmen. Wichtig ist daher das Verwenden einer guten Notiztechnik, um alles vollständig bearbeiten zu können. Als Vorteile des Telefondolmetschens führt Pinzker an, [35 S. 37ff] dass dadurch die Anonymität aller Beteiligten gewahrt bleibt. Dadurch sind die Patientinnen und Patienten bei der Beschreibung ihrer Beschwerden eventuell offener und unbefangener. Ein weiterer Vorteil für die Dolmetscherinnen und Dolmetscher ist, dass sie bei ansteckenden Krankheiten nicht anwesend sein müssen.
4. Kommunikation zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient
Ein Krankenhaus ist eine Institution mit besonders vielfältigem Charakter. Hier arbeiten Angehörige verschiedener kultureller Hintergründe mit Patientinnen und Patienten, die ihrerseits wiederum anderen Lebenswelten angehören. Um Verständnis für die unterschiedlichen Lebenswelten zu erlangen, bedarf es einer effektiven und wirkungsvollen Kommunikation. Illhardt stellt diesbezüglich fest:
„Die Welten aus denen Behandler kommen, und die Welten, aus denen die Patienten kommen, sind oftmals sehr unterschiedlich. Insbesondere im Krankenhaus ist das wichtig, weil hier mit Krankheit umgegangen wird und Entscheidungen anstehen, wie man sich den Risiken einer Behandlung stellt, wie man Vertrauen zu seinen Behandlern entwickelt usw. […] Diese Verschiedenheit muss überbrückt werden, damit man nicht aneinander vorbeiarbeitet.“ [36]
Die Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte besteht darin, für diese verschiedenen Wirklichkeiten eine gemeinsame Beschreibung zu finden. Ohne sie ist eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten bzw. Patientinnen und Patienten unmöglich [37 S. 17]. Die Kommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten einerseits und Patientinnen und Patienten andererseits erweist sich also als ein komplexes Zusammenspiel, das von verschiedensten Faktoren beeinflusst wird. Vor allem der Faktor Zeit spielt eine bedeutsame Rolle.
Neben dem knapp bemessenen Faktor Zeit und einem Nebeneinander von Handlungen erscheint in der Arzt-Patienten-Kommunikation vor allem aber auch die Wissensdivergenz bzw. bestehende Machtasymmetrien zwischen den Akteurinnen und Akteuren als besonderes wesentlich. „[…] Denn die Medizin ist nie stumm und geschieht immer mindestens zwischen zwei Menschen, von denen der eine in Not ist und der andere Hilfe versucht.“ [38 S. 417] Dass sich die Auseinandersetzung zwischen Ärztin und Arzt und Patientin und Patient eindeutig asymmetrisch verhält, ist ein maßgebliches und unbedingt zu berücksichtigendes Faktum. Es stehen sich dabei nicht zwei gleichgestellte Personen gegenüber, sondern ein der Hilfe bedürftiger Mensch und jemand mit einer spezifischen Fachkompetenz. [37 S. 17]. Man kann die Interaktion zwischen Ärztin und Arzt und Patientin und Patient auch einem Zusammentreffen zwischen Laie und Expertin bzw. Experten gleichsetzen, wobei die Expertin oder der Experte aufgrund einer fundierten Ausbildung über fachspezifisches Wissen sowie über praktische berufliche Erfahrung im entsprechenden Fachgebiet verfügt und der Laie besitzt diese Kenntnisse und Kompetenzen im Regelfall nicht. Hinzu kommt, dass Patientinnen und Patienten im Allgemeinen von einem kommunikativem ‚verständigungsorientierten Handeln geleitet werden, während Ärztinnen und Ärzte von einer erfolgsorientierten Einstellung ausgehen [26 S. 16]. Wadensjö meint dazu:
“It comes as no surprise that a layperson’s and a professional’s perspective sometimes clash, and this could reinforce (rather than resolve) interlocutors´ mistrust or fear of miscommunication, which in turn, will tend to promote miscommunication rather than shared understanding.” [39 S. 99]
Damit dieser asymmetrische Wissenstransfer – und somit erfolgreiche Verständigung – gelingt, muss einerseits ein gemeinsamer Bezugsrahmen gefunden werden und es braucht eine gewisse Kenntnis der Perspektive des anderen Menschen, um die eigenen Beiträge an die Sprache, an die verfügbaren Konzepte und an die implizite Fragestellung der Kommunikationspartnerinnen und -partner anpassen zu können [40, 41] zitiert nach [42 S. 33].
Als Beispiele für Arzt-Patienten-Gespräche im Krankenhaus, in denen bestehende unterschiedliche Lebenswelten spürbar werden, Machasymmetrien zum Tragen kommen und in denen die für das ärztliche Personal mangelnde Zeit schwer wiegt, sind vor allem Anamnese – und Aufklärungsgespräche zu nennen. Bei der Anamnese bzw. beim Erstgespräch versucht die Ärztin bzw. der Arzt Informationen einzuholen, um eine Diagnose stellen zu können und die Patientinnen und Patienten sprechen möglicherweise vorwiegend aus einem Mitteilungsbedürfnis heraus bzw. suchen Anteilnahme an ihren Beschwerden.
4. 1. kommunikative Ziele
Ärztin bzw. Arzt und Patientin bzw. Patient verfolgen unterschiedliche kommunikative Ziele [42 S. 36]. Wird diese Abweichung von der Ärztin bzw. dem Arzt nicht ausreichend reflektiert, ist leicht zu erkennen, dass einerseits irrelevante Auskünfte gegeben bzw. aufschlussreiche Inhalte verschwiegen werden können. Schließlich bleibt zu bemerken, dass heute, obwohl eine Vielzahl an hochtechnisierten diagnostischen Verfahren zur Verfügung stehen, die Information, die die Ärztin oder der Arzt von Patientinnen und Patienten im Rahmen eines Anamnesegespräches erhält, entscheidend dafür ist, wie sich die Diagnose bzw. die weiterführende Behandlung gestaltet.
Für die Aufklärung von migrantischen Patientinnen und Patienten liegen im Spital häufig schriftliche Informationszettel in den verschiedensten Sprachen auf, die zur Erläuterung von Prophylaxe, Diagnose und Therapie dienen sollen. Diese ersetzen aber nicht die mündliche Kommunikation mit der Patientin bzw. dem Patienten, da besonders durch solche Broschüren viele Fragen auftauchen, die beantwortet werden müssen [43 S. 142]. Für den zusätzlich in die Aufklärung fallenden Bereich der präoperativen Aufklärung, ist das Einverständnis der Patientinnen oder des Patienten Grundlage jeder medizinischen Hilfe und nur dann wirksam, wenn Klarheit über das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffes besteht [44 S. 50]. In der Rechtsprechung wird zu diesem Punkt die völlige Informiertheit der Patientinnen und Patienten gefordert [45 S. 131].
Dies gilt selbstverständlich ebenfalls für Menschen, die die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen. „[...] Die Meinung, dass sich Flüchtlinge und MigrantInnen bei Behörden oder in Krankenhäusern selbst um die Verständigungsmöglichkeiten zu kümmern hätten, ist weit verbreitet.“ [46 S. 13].
4. 2. Besonderheiten der Arzt-Patienten-Kommunikation im Krankenhaus
Lalouschek, Menz und Wodak [47 S. 32] beschreiben in einer durchgeführten Analyse die Situation eines Ambulanzvormittages. Während der Vormittag meist noch ruhig und geordnet beginnt, kommt es bald zu diversen kurzfristigen Veränderungen und spontanen Störungen mit denen das Personal flexibel umgehen muss. Schließlich nehmen im Laufe des Vormittags auch der Zeitdruck und die allgemeine Belastung zu. Durch diese zusätzlichen Einflüsse nimmt die Unzufriedenheit zu und durch kommunikative Probleme werden Stresssituationen größer. So können in aktuell geführten Gesprächen Inhalte von vorangegangenen Interaktionen wieder aufgegriffen werden und diese sich über mehrere Patientengespräche weiter ziehen. Die Überlastung ist also dahingehend schon vorprogrammiert [47 S. 32].
"Unter dem Blickwinkel des Gesamtzusammenhanges lässt sich ein Ambulanzvormittag also als ein in sich geschlossenes interaktives Ereignis erfassen und beschreiben, das sich aus sämtlichen an einem Vormittag stattfindenden Arzt- Patient-Gesprächen zusammensetzt." [47 S. 32]
Die Gespräche zwischen Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten werden während eines Ambulanzvormittages vor allem durch das Auftreten von unerwarteten äußeren Störungen, notwendigen Reorganisationen des Ablaufs, zunehmender Zeitdruck und der wachsenden Belastung des Ambulanzteams stark beeinflusst [47 S. 34].
Lalouschek erwähnt das sogenannte „Störungs-Paradoxon“, welches vor allem bei institutionell geregelten Abläufen vorkommt. Dabei interpretieren Ärztinnen und Ärzte unerfahrene bzw. mit dem schematischen Handlungsablauf nicht sehr vertraute Personen als unkooperativ und halten sich in ihren Ausführungen aufgrund dieser Fehlinterpretation gerade erst recht zurück. Problematisch ist hier vor allem die Tatsache, dass gerade solche Patientinnen und Patienten eine detaillierte Aufklärung brauchen würden. [47 S. 41].
Durch verschiedene Untersuchungen konnten Lalouschek und sein Team [47] feststellen, dass der ärztliche Umgang mit Patientinnen und Patienten in Ambulanzen vor allem durch äußere Faktoren beeinflusst wird. Dazu zählen Unterbrechungen und Störungen, die aber vom arbeitenden Personal eigentlich nicht als Routine akzeptiert werden und so den inneren Druck noch zusätzlich steigen lassen. [47 S. 71f].
So wurde in diesen Untersuchungen von Lalouschek siehe [28] auch festgestellt, dass zu Beginn eines Ambulanzvormittages die Arzt-Patienten-Kommunikation wesentlich entspannter und zugleich wesentlich effektiver stattfindet. Die Ärztinnen und Ärzte sind im Gespräch noch mehr um Patientinnen und Patienten und deren Anliegen bemüht und gehen intensiver auf deren Fragen ein. Im Laufe eines Vormittages kommen jedoch zahlreiche Unterbrechungen und Störungen ins Spiel, welche die Gesprächsqualität seitens der Ärztinnen und Ärzte stark vermindert. Es werden dann wesentliche kürzere Befundabklärungen und Nachbesprechungen durchgeführt. Auf Ausführungen und Fragen der Patientinnen und Patienten wird nicht mehr eingegangen. Auch die Eigeninitiative der Patientinnen und Patienten wird unbewusst durch die angespannte Situation negativ beeinflusst. Nicht-kooperative Patientinnen und Patienten werden von Ärztinnen und Ärzten dabei als zusätzliche Störfaktoren gesehen. Diese teils „chaotischen“ Zustände könnten durch organisatorische Maßnahmen beseitigt werden, durch die sehr starke Institutionalisierung dieser Zustände werden sie oftmals jedoch einfach hingenommen, ohne dagegen etwas unternehmen zu wollen [47 S. 72f]. Ambulanzgespräche sind vor allem durch ein Nebeneinander von verschiedenen Handlungen geprägt, welche eine geregelte Normalität meist nicht möglich macht. Dies wird im folgenden Zitat nochmals deutlich gemacht:
"Es wird gleichermaßen untersucht, behandelt, beraten, gelehrt, und gelernt, organisiert, reorganisiert und telefoniert. Turnusärzte/ärztinnen, Oberärzte/ärztinnen, Professoren und Primarii, Oberschwestern, Ambulanzschwestern, Stationsschwestern, Schwesternschülerinnen, Pfleger, Träger, Sanitäter, Bedienerinnen und letztendlich Patienten und Patientinnen geben sich die Klinke in die Hand." [47 S. 73]
Die Handlungsabläufe verlaufen meist ineinander und widersprechen sich ebenso häufig. So kommt es zu Überlastungen und Rollenkonflikten aller Beteiligten [47 S. 73]. Durch ihr eigenes überfordertes und unzufriedenes Verhalten, welches sich negativ auf die Arzt-Patienten-Kommunikation auswirkt, versuchen Ärztinnen und Ärzte die Realität in den Griff zu bekommen. Dabei kommt es oft zu gemeinsamen negativen gestressten Aussagen von Ärztinnen und Ärzten über die erlebte Situation, um sich gemeinsam zu erleichtern [28, 47 S. 75ff].
Die wirkliche Gleichbehandlung von Patientinnen und Patienten in Arztpraxen sowie in Krankenhäusern ist praktisch nicht gegeben. Vor allem ältere Menschen, die oftmals als nicht kooperationswillig angesehen werden, Menschen mit geringem Ausbildungsniveau und Ausländerinnen und Ausländer werden häufig autoritärer behandelt als übrige Patientengruppen. Doch nicht nur diese sozialen Faktoren, die die Patientinnen und Patienten betreffen, sondern auch der Ambulanzalltag haben nachhaltigen Einfluss auf den Verlauf des ärztlichen Gesprächs [28, 47 S. 156].
Vor allem die folgenden Faktoren haben laut Lalouschek [47 S. 156f] Einfluss auf die Qualität des Gesprächs im Krankenhaus:
Teamarbeit: Durch die Anwesenheit von zwei oder mehr Ärztinnen oder Ärzten während des Arzt-Patienten-Gesprächs kommt es oft zu einem indirekten Gespräch mit den Patientinnen und Patienten. Ärztinnen und Ärzte reden oft miteinander und schließen dabei Patientinnen und Patienten aus bzw. diese fühlen sich ausgeschlossen.
Die aktuelle Situation mit den erwähnten Störungen hat prägenden Einfluss auf das ärztliche Verhalten. Die Belastung von Störungssituationen nimmt tendenziell im Laufe des Vormittags zu.
Die Kooperationsbereitschaft von Patientinnen und Patienten hat ebenfalls Einfluss auf das Gespräch, da Ärztinnen und Ärzte mit zurückhaltenden und gleichzeitig gut informierten Patientinnen und Patienten in der Regel besser umgehen bzw. sich von diesen nicht noch zusätzlich unter Druck gesetzt fühlen.
Ein spezifisches Problem der Ambulanz, welches ebenfalls die Qualität des Gesprächs beeinflusst, ist die Beziehungslosigkeit zwischen Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten. Patientinnen und Patienten wird auch bei mehrmaliger Konsultation in einer Ambulanz in der Regel immer von verschiedenen Ärztinnen und Ärzten betreut. So kann keine Beziehung zwischen ihnen aufgebaut werden.
Auch der Status von Patientinnen und Patienten spielt eine Rolle. So werden Ärztinnen und Ärzte sich im Gespräch mit Privat- und Sonderklassepatientinnen und -patienten anders verhalten als zu „normalen“ Patientinnen und Patienten.
Dabei variiert das Sprachverhalten in folgenden Arten: [47 S. 157f]
Geben und Verweigern von Erklärungen
das Reden über oder mit den Patientinnen und Patienten
Aufnehmen oder Unterbrechen von Patienteninitiativen
sachlicher oder bewertender (moralisierender) Umgang mit Problemen (non-compliance, Alkohol/Nikotin-Konsum)
Viele andere Faktoren bestimmen laut Lalouschek [47 S. 198] noch die Arzt-Patienten-Kommunikation in Krankenhäusern, so z. B.
zermürbende Wartezeiten
unzumutbare Wartebedingungen
fehlende Empathie
Chaos
routinemäßige Störungen
Stress
mangelnde Information über den Ablauf im Krankenhaus
mangelnde Information über die Krankheit
Beziehungslosigkeit
Tabuisierung von Angst und Sexualität
Tabuisierung von Tod und Sterben
Mystifikation von Allwissenheit und Fehlerlosigkeit von Ärztinnen und Ärzte
straffe Hierarchie
Delegation von Verantwortung
[...]
1 https://statistik.gv.at/web_de/dynamic/statistiken/bildung_und_kultur/piaac/073360
2 UML: Unified Modeling Language, eine grafische Methodensammlung in der Softwareentwicklung
3 UseCase Diagram: zeigt eine Sicht auf die Akteure und das erwartete Verhalten eines Systems
4 Activity Diagram: zeigt den Ablauf eines Anwendungsfalls
5 ClassModel Diagram: Eine Klasse ist in der Objektorientierung ein abstrakter Oberbegriff für die Beschreibung der gemeinsamen Struktur und des gemeinsamen Verhaltens von Objekten (Klassifizierung).
6 Bosnisch / Kroatisch / Serbisch
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