Gryphius schrieb sein Trauerspiel Cardenio und Celinde kurz nach dem Ende des Dreissigjährigen Krieges: Zu einer Zeit, in der sich die Menschen der Gerechtigkeit Gottes – der nicht nur die schlechten, sondern auch die guten Menschen straft – nicht mehr sicher waren und zu der eine unglaublich starke Furcht vor dem Tod herrschte. Dies stellt somit auch aus der Sicht der Kirche eine äusserst kritische Zeit dar, in der bei einigen Menschen eine allmähliche Säkularisierung des Denkens einsetzte, die schliesslich zu „eine[r] wachsende[n] Zahl religiöser Einzelgänger [führte], die mit zentralen Lehren des christlichen Glaubens br[a]chen“ oder sich gar von der Religion abwandten. Aus dem erregten Missfallen über die mangelnde Gläubigkeit und die unchristliche Lebensweise vieler Menschen, kamen im 17. Jahrhundert die ersten pietistischen Gedanken und Diskurse auf, die den Pfad für den Pietismus ebneten, der danach strebte, die Frömmigkeit der Christen mit Erbauungsliteratur wieder aufleben zu lassen. Da diese frühpietistischen Gedanken bereits existierten, als Gryphius – der in „vielfältigen Beziehungen zur Frömmigkeitsbewegung stand“ – sein Trauerspiel verfasste, und sein Werk unmissverständlich den didaktischen Zweck der Rückführung zum Glauben und zu einer gottgefälligen Lebenseinstellung, die zum Seelenheil führt, zu erfüllen sucht, kann man auch vermuten auf was für ein Typ von Zuschauern sein Werk zugeschnitten war. Daher werden dem Publikum nicht ein adeliger vorbildlicher Held und – um beiden Geschlechtern gerecht zu werden – eine ebensolche Heldin vorgestellt. Es werden ihm zur besseren Identifizierung – und somit zur Erreichung einer tieferen Katharsis – zwei in Sünden und lasterhafte Affekte verstrickte Protagonisten aus dem gehobenen städtischen Bürgertum, namens Cardenio und Celinde, präsentiert, deren Geschichte ihm als ein lehrreicher Warnungs- und „Traur-Spiegel“ dienen soll. Die beiden sündigen Hauptfiguren hinterfragen und ändern ihre gegenwärtige Lebenseinstellung erst nach den warnenden und schreckenerregenden Gespenster- und Toten-Begegnungen. Ihnen wird ihre beschränkte Zeit auf Erden, die Vergänglichkeit allen Irdischen (vanitas) und die Todverfallenheit des Menschen bewusst, welche jedoch in engem Zusammenhang mit dem späteren ewigen Leben im Jenseits (aeternitas) steht.
Doch in welche Sünden verstricken sich Cardenio und Celinde eigentlich im Laufe des Dramas? [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorbemerkungen zum Drama
- Quellen
- Die Gattung,Trauerspiel und Gryphius' Variante
- Cardenios Laster und Sünden
- Celindes Laster und Sünden
- Der Zeitreyen der 3. Abhandlung
- Sündeneinsicht und Bekehrung der Protagonisten
- Schlusswort
- Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Andreas Gryphius' Trauerspiel „Cardenio und Celinde, Oder Unglücklich Verliebete“ im Kontext der Vanitas-Lyrik des 17. Jahrhunderts. Ziel ist es, die Sünden und Laster der Protagonisten aufzudecken, ihre Lebenseinstellung im Verhältnis zu den Begriffen Vanitas und Aeternitas zu untersuchen und die Prozesse ihrer Sündeneinsicht und Bekehrung zu beleuchten.
- Die Rolle der Vanitas-Lyrik in Gryphius' Werk
- Die Sünden und Laster der Protagonisten Cardenio und Celinde
- Das Verhältnis von Vanitas und Aeternitas in der Lebenseinstellung der Protagonisten
- Die Bedeutung des Zeitreyens in der dritten Abhandlung
- Die Prozesse der Sündeneinsicht und Bekehrung der Protagonisten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Vanitas-Lyrik im 17. Jahrhundert ein und stellt den historischen Kontext von Gryphius' Werk dar. Sie beleuchtet die Bedeutung des Pietismus und die Suche nach Seelenheil in einer Zeit, die von Krieg und Tod geprägt war.
Die Vorbemerkungen zum Drama befassen sich mit den Quellen des Stückes, insbesondere mit der Novelle „La fuerça del desengaño“ von Juan Pérez de Montalbán. Sie beleuchten auch die Gattung des Trauerspiels und Gryphius' Abweichungen von den klassischen Regeln.
Die Kapitel drei und vier analysieren die Sünden und Laster der Protagonisten Cardenio und Celinde. Sie untersuchen ihre Charakterzüge und Handlungen im Lichte der christlichen Moral und zeigen auf, wie ihre Lebensweise von Egoismus, Habgier und sinnlicher Verführung geprägt ist.
Das fünfte Kapitel widmet sich dem Zeitreyen der dritten Abhandlung, der eine zentrale Rolle im Werk spielt. Es beleuchtet die Bedeutung der Vergänglichkeit allen Irdischen und die Notwendigkeit, sich auf das ewige Leben im Jenseits zu besinnen.
Das sechste Kapitel veranschaulicht die Prozesse der Sündeneinsicht und Bekehrung der Protagonisten. Es zeigt auf, wie sie durch Begegnungen mit Gespenstern und Toten zu einem Bewusstseinswandel gelangen und ihre Lebensweise ändern.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Vanitas-Lyrik, das Trauerspiel, Andreas Gryphius, Cardenio und Celinde, Sünde, Laster, Sündeneinsicht, Bekehrung, Vanitas, Aeternitas, Zeitreyen, Pietismus, Seelenheil, Tod, Vergänglichkeit, Jenseits, christliche Moral, historische Faktentreue, Gattung, Ständeklausel, Lebenseinstellung.
- Quote paper
- Jelena Zagoricnik (Author), 2014, Vanitas und aeternitas. Von der Sünde zum Seelenheil in Gryphius’ "Cardenio und Celinde, Oder Unglücklich Verliebete", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286374
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