Es gab auf dieser Welt einmal einen abgeschiedenen Ort, an dem etwa 300 Menschen lebten, die ausschließlich von einem einzigen Mann beherrscht wurden. Dieser Mann konnte dort unbehelligt seine unumschränkte Macht ausleben; vergewaltigen, foltern, Kinder missbrauchen, morden, betrügen, lügen, erpressen, schmuggeln und Regierungen stürzen. Paul Schäfer war dieser Führer, der diesen Staat im Staate gründete.
Die Vorgeschichte von Paul Schäfer beginnt im Deutschland der fünfziger Jahre, als der damalige charismatische Laienprediger eine Gruppe von Christen in seinen Bann zog, welche durch sektenartige Züge charakterisiert war. Sein Gefolge begleitete ihn bis nach Chile, wo sie gemeinsam an einem abgeschieden Ort die berüchtigte und geheimnisumwitterte Colonia Dignidad (Kolonie der Würde) gründeten. Ein Name, der an Zynismus kaum zu übertreffen ist, denn das, was über diese Siedlung bekannt wurde, hatte wenig mit menschlicher Würde zu tun. Schäfer und eine handvoll seiner besonders hörigen Anhänger hielten die Sektenmitglieder wie Sklaven, hinter Zäunen, Stacheldraht, Wachposten und einer elektronischen Sicherheitsanlage der Siedlung gefangen. Ihr Leben war vollständig durch ihren Führer reglementiert, sodass gute Taten, Mord und Folter sich nicht zwangsläufig ausschlossen, sondern vielmehr den inneren Zusammenhalt der Kolonie förderten. Am 11. September 1973 etablierte sich in Chile die Militärdiktatur unter der Führung des Oberbefehlshabers des Heeres, Augusto Pinochet, die sich siebzehn Jahre lang durch blutigen Staatsterror auszeichnete. Dieser Tag war ein folgenreicher Moment für die Colonia Dignidad, denn sie ging ein blutiges Bündnis mit Pinochets wichtigstem Geheimdienst, der DINA, ein. Die ideologische Kooperation betrieb über Jahre unter der schützenden Hand des Diktators systematische Folter an Regimegegnern.
Grundsätzlich stellten Misshandlungen an Verhafteten oder politischen Gefangenen das Hauptinstrument zur Wahrung des siebzehn Jahre währenden Militärregimes dar.
Es ist heute klar, dass die Colonia zwischen 1973 und 1990 als Ausbildungs-, Haft- und Folterzentrum des chilenischen Geheimdienstes DINA fungierte. Eine unbekannte Zahl von Menschen wurde hier über Jahre festgehalten, gefoltert und einem Zwangsarbeitssystem unterworfen, das getreu Schäfers Motto »Arbeit ist Gottesdienst« funktionierte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Ende eines sozialistischen Experiments
- Der Militärputsch und die Pinochet-Diktatur
- Repression und Ideologie des Regimes
- Die DINA
- Was ist die Colonia Dignidad?
- Die Entstehungsgeschichte der Colonia Dignidad
- Die Kolonie der Würde-Die Entstehung des Folterlagers
- Der Putsch und die Zusammenarbeit mit der Patria y Libertad
- Die Militärdiktatur und die Zusammenarbeit mit der DINA
- Die Kolonie und die deutsche Diplomatie
- Versuch der Wiedergutmachung
- Fazit
- Literaturverzeichnis
- Internetquellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Colonia Dignidad in Chile und untersucht die Rolle der Sekte im Kontext der Pinochet-Diktatur. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen der Colonia Dignidad und dem chilenischen Geheimdienst DINA zu analysieren und die Bedeutung der Kolonie für die Realisierung und Aufrechterhaltung der Diktatur zu beleuchten.
- Die Entstehung und Entwicklung der Colonia Dignidad als Sekte
- Die Rolle der Colonia Dignidad als Folterlager und Ausbildungszentrum der DINA
- Die ideologische und praktische Zusammenarbeit zwischen der Colonia Dignidad und der DINA
- Die Auswirkungen der Colonia Dignidad auf die chilenische Gesellschaft und die Opfer des Regimes
- Der Versuch der Wiedergutmachung und die Aufarbeitung der Vergangenheit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Colonia Dignidad ein und stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor. Sie beleuchtet die Geschichte der Sekte und ihre Entstehung in den 1960er Jahren in Chile. Die Einleitung erläutert zudem die politische Situation in Chile vor dem Militärputsch von 1973 und die Machtergreifung der Militärjunta unter Augusto Pinochet.
Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Ende des sozialistischen Experiments in Chile und der Etablierung der Pinochet-Diktatur. Es analysiert die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die zur Machtergreifung der Militärjunta führten, sowie die Repression und Ideologie des Regimes. Dieses Kapitel beleuchtet auch die Rolle des Geheimdienstes DINA und seine Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Diktatur.
Das dritte Kapitel widmet sich der Colonia Dignidad und ihrer Entstehung. Es beschreibt die Geschichte der Sekte und ihren Aufbau in Chile. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung der Kolonie zum Folterlager und Ausbildungszentrum der DINA. Dieses Kapitel analysiert die Zusammenarbeit der Colonia Dignidad mit der rechten Bewegung Patria y Libertad und die enge Verbindung zum Geheimdienst DINA.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Colonia Dignidad, die Pinochet-Diktatur, den Geheimdienst DINA, die Folter, die Menschenrechtsverletzungen, die Sekte, die Ideologie, die Repression, die Zusammenarbeit, die Aufarbeitung und die Wiedergutmachung.
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- Natalie Reguillo Carbayo (Author), 2013, Die Pinochet-Diktatur. Die Rolle der Colonia Dignidad, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286042