The congestion costs in Germany are dramatically high due to increasing traffic volume and congestion lengths. These costs are mainly induced to market failure, especially externalities: Car drivers don’t take the mutual impediment in consideration. In conclusion, every car driver causes the congestion while also suffering from it simultaneously. This phenomenon makes it difficult to find the right solutions in order to internalize the external costs. However, by following the Pigovian Tax strategy (congestion pricing) and by using additional advanced technologies the congestion costs can be reduced or even avoided effectively.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abkürzungs- und Variablenverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Staukosten
2.1 Kosten des Verkehrs
2.2 Eingrenzung zu den Staukosten
2.3 Studien – Ausmaß der Staukosten in Deutschland und Europa
3. Externe Kosten
3.1 Definition externer Effekte
3.2 Arten externer Effekte
3.3 Externe Staukosten
3.4 Diskussionen
3.4.1 Gruppeninternalisierung
3.4.2 Staatsversagen
4. Möglichkeiten der Internalisierung
4.1 Strategien der Internalisierung
4.1.1 Pigou-Steuer
4.1.2 Coase-Theorem – Verhandlungslösung
4.1.3 Haftungsrecht
4.1.4 Zwischenfazit
4.2 Instrumente zur Internalisierung
4.2.1 Moralische Appelle
4.2.2 Auflagen
4.2.3 Abgaben
4.2.4 Preis-Standard-Ansatz
4.2.5 Fusion der Beteiligten
4.3 Auswertung der Möglichkeiten
4.3.1 Stauzeitkosten
4.3.2 Energiekosten
4.3.3 Umweltkosten
4.3.4 Unfallrisiko
5. Messung der Internalisierung von Stauexternalitäten
5.1 Messung der externen Staukosten
5.2 Internalisierung: Zurechnung der Einnahmen und Verwendung
5.3 Sind die externen Staukosten in Deutschland internalisiert?
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
Abstract
The congestion costs in Germany are dramatically high due to increasing traffic volume and congestion lengths. These costs are mainly induced to market failure, especially externalities: Car drivers don’t take the mutual impediment in consideration. In conclusion, every car driver causes the congestion while also suffering from it simultaneously. This phenomenon makes it difficult to find the right solutions in order to internalize the external costs. However, by following the Pigovian Tax strategy (congestion pricing) and by using additional advanced technologies the congestion costs can be reduced or even avoided effectively.
Abkürzungs- und Variablenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 1.1: Entwicklung der Personenverkehrsleistung im MIV und der gesamten Straßenlänge in Deutschland.
Tab. 8.1: Entwicklung der Personenverkehrsleistung im MIV und der gesamten Straßenlänge in Deutschland.
Tabelle 8.2: Entwicklung der Treibstoffpreise und des durchschnittlichen Verbrauchs neu zugelassener Pkws.
Abb. 8.1: Entwicklung der Treibstoffpreise und des durchschnittlichen Verbrauchs neu zugelassener Pkws.
1. Einleitung
In den letzten Jahrzehnten stieg das Verkehrsaufkommen auf Deutschlands Straßen kontinuierlich an. Zwischen 1995 und 2012 sind die zurückgelegten Kilometer pro Person auf Individualfahrten mit Kfz um 10 Prozent angestiegen[1], die Länge der Straßen in km hingegen wuchs kaum, lediglich um 0,7%[2] (s. Abb. 1.1). Die erforderliche Kapazität der Straßen wird sowohl durch den täglichen Berufsverkehr als auch zur Urlaubszeit immer häufiger überstrapaziert. Die Folge dieser Kapazitätsauslastung sind kilometerlange Staus, welche für jeden einzelnen Straßennutzer zusätzliche Fahrzeit bedeuten. Ein weiteres Problem aus der volkswirtschaftlichen Sicht sind externe Kosten, die mit dem Verkehrsstau zusammenhängen. Diese werden von den Verursachern des Staus (den Autofahrern) nicht getragen.
Abb. 1.1: Entwicklung der Personenverkehrsleistung im MIV und der gesamten Straßenlänge in Deutschland.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Berechnungen nach Radke (2013).
Es gibt in der Verkehrswissenschaft bereits viele Literaturbeiträge zur Analyse von Staus und den dadurch entstehenden externen Kosten. Im Anschluss an die Problemdarstellungen widmen sich jedoch nur wenige Autoren einer breiten Palette von vielfältigen Möglichkeiten zur Vermeidung von Staus (abgesehen von der Maut), die zugleich auch an der Entstehungsursache ansetzen.
Um dem entgegenzuwirken, wird in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen, das Phänomen Stau aus Sicht der Theorie der externen Kosten zu untersuchen. Nach den gewonnen grundlegenden Erkenntnissen werden vielfältige Möglichkeiten vorgestellt, deren Umsetzung eine Verringerung und sogar eine Vermeidung von Staus bewirken kann.
Folgendermaßen ist die Arbeit aufgebaut: Zunächst werden die Staukosten von den Verkehrskosten im zweiten Kapitel abgegrenzt. Damit die Größenordnung der volkswirtschaftlichen Staukosten dem Leser bewusst werden kann, wird eine Auswahl an Studien mit den jeweiligen Ergebnissen am Ende des Kapitels vorgestellt.
Um die Stauerscheinung aus der Perspektive der Umweltökonomik erklären zu können, beschäftigt sich das Kapitel 3 mit der Theorie der externen Effekte. Aus diesen Erkenntnissen werden Schlüsse gezogen, auf welche Weise sich externe Kosten bei der Entstehung von Stau bilden. Eine der Feststellungen ist, dass die Straßennutzer den Stau verursachen und zugleich Schaden davon tragen. Dieses Phänomen sorgt besonders in der deutschsprachigen Literatur für Verwirrung, welche am Ende des dritten Kapitels präsentiert und mit dem Versuch einer Auflösung abgeschlossen wird.
Das darauffolgende Kapitel behandelt zunächst die drei Strategien der Internalisierung externer Effekte, nämlich die Pigou-Steuer, das Coase-Theorem und das Haftungsrecht. Basierend auf der Beurteilung, welche Strategien sich am besten auf die Stauproblematik anwenden lassen, werden ausgewählte Instrumente vorgestellt und auf ihre Effektivität hin geprüft. Dies erfolgt zum Teil unter Zuhilfenahme von Fallstudien aus der Praxis.
Um die externen Staukosten zu internalisieren, müssen die relevanten Instrumente eine Kompensation der Kosten implizieren. Die Schwierigkeiten bei einer tatsächlichen Messung der externen Kosten und der Kompensierung werden im fünften Kapitel aufgezeigt. Ob die externen Staukosten durch die bereits vorhandenen Mittel in Deutschland im Endeffekt internalisiert sind, wird am Ende dieses Kapitels unter Zuhilfenahme eines Gutachtens dargelegt. Mit einem zusammenfassenden und kritischen Fazit und Handlungsempfehlungen an die Politik wird die Arbeit abgeschlossen.
2. Staukosten
Die generellen Kosten des Straßenverkehrs lassen sich in verschiedene Gruppen unterteilen. Darauf basierend werden die Staukosten entsprechend zugeordnet. So wird es nach der Kategorisierung möglich sein, die Staukosten im richtigen Rahmen zu analysieren, um daraus weitere Erkenntnisse zwecks ihrer Internalisierung und Reduzierung zu gewinnen. Zur ungefähren Einschätzung der Höhe von Staukosten in Deutschland und Europa werden am Ende dieses Kapitels ausgewählte Studien kurz vorgestellt.
2.1 Kosten des Verkehrs
Der Straßenverkehr verursacht verschiedene Arten von Kosten, ob in der Stadt, auf der Landstraße oder der Autobahn. Generell lassen sich diese Kosten in zwei Gruppen unterteilen – Betriebskosten der Verkehrsmittel und die Betriebskosten der Verkehrsinfrastruktur.[3]
Die Kosten der Verkehrsmittel lassen sich in mehrere Arten unterteilen: Fahrzeuge benötigen Energie (fossile Treibstoffe bzw. Elektrizität) zur Fortbewegung, die die Nutzer bezahlen müssen. Zusätzlich sind die Verkehrsteilnehmer dem Risiko ausgesetzt, in einen Unfall zu geraten, welcher nicht nur mit hohen finanziellen Kosten der Verletztenbehandlung und der Sachschadenbeseitigung verbunden ist, sondern auch mit körperlichen und seelischen Schmerzen. Weiterhin ist jede Fahrt für den Verkehrsteilnehmer mit Opportunitätskosten der Zeit verbunden. Denn für die Reise mit einer bestimmten zeitlichen Dauer gibt es immer eine Alternative, durch die ebenfalls Nutzen für einen Haushalt bzw. Gewinn für ein Unternehmen generiert werden könnte. Außerdem werden durch die Fahrzeugnutzung Emissionen verschiedenster Art verursacht – Feinstaub, Lärm und Treibhausgase. Diese Emissionen haben mittel- bis langfristig gesundheits- und umweltschädigende Wirkungen zur Folge, welche wiederum durch Behebung und Vermeidung weitere Kosten hervorrufen.
Die Feinstaubemissionen haben verschiedene Ursprünge. Zum einen werden Rußpartikel aus dem Auspuff dieselbetriebener Fahrzeuge ausgestoßen, sofern kein entsprechender Filter eingebaut ist. Zum anderen entsteht Feinstaub auch durch die mechanischen Abnutzungen in den Bremsvorrichtungen, in den Rädern und durch den Straßenabrieb. Durch die Aufwirbelung der bereits ausgestoßenen Partikel auf den Straßen wird der Feinstaubgehalt in der Luft zusätzlich erhöht.[4] Je nach Größe der Partikel kann der Feinstaub in die Atemwege, in die Lungenbläschen oder gar in die Blutbahnen des Menschen geraten. Die Folgen sind unter anderem Verstärkung der Allergiesymptome, höheres Herzinfarkt-, sowie auch Krebsrisiko.[5]
Auf lokaler Ebene wird neben dem Feinstaub auch Lärm in verschiedenen Lautstärken emittiert. Je nach Höhe der Geschwindigkeit hat der fahrzeugbedingte Lärm verschiedene Ursachen und Pegel: Bis zu einem Tempo von ca. 40 km/h verursachen Autos mit Verbrennungsantrieb Geräusche, die sich auf die Motoren zurückführen lassen. Elektrisch betriebene Autos sind bei dieser Geschwindigkeit deutlich leiser und lassen nur ein schwaches wenig störendes Summen des E-Motors vernehmen. Zwischen 40 und ca. 120 km/h geht der Motorenlärm unter, und zwar in den Geräuschen des Aufeinandertreffens der Reifenoberfläche auf die Fahrbahn. Folglich ist in diesem Geschwindigkeitsintervall irrelevant, welche Art von Motor die Fahrzeuge haben, elektrisch oder treibstoffbetrieben. Die Geräusche entstehen durch die Reifen.[6] Die Auswirkungen des Straßenlärms beeinträchtigen die Gesundheit der anliegenden Bewohner. Das psychische Wohlbefinden leidet darunter, was das Risiko eines Herzinfarktes erhöht. [7]
Das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2) ist eine der Hauptursachen für die globale Erwärmung, für dessen Emission auch die Menschen durch die Nutzung der Autos mit (hauptsächlich) Verbrennungsmotoren mitverantwortlich sind.[8] 2011 betrug in Deutschland der durch den Verkehr verursachte CO2-Ausstoß 155,6 Mio. Tonnen – ungefähr ein Fünftel des gesamten Ausstoßes im Land. Bei einer sinkenden Tendenz des Gesamtausstoßes ist zwischen 2006 und 2011 die CO2-Emission des Verkehrs jedoch konstant geblieben, was den motorisierten Verkehr neben dem Energiesektor immer mehr als Hauptverantwortlichen Emittenten in den Vordergrund stellt.[9] In anderen Ländern mit höherer Bevölkerungszahl und entsprechend höherem Kfz-Bestand ist die Lage gewiss prekärer. Damit soll lediglich verdeutlicht werden, welch signifikante Rolle der weltweite Verkehrssektor beim Klimawandel spielt. Wenn keine weiteren Maßnahmen gegen den Klimawandel eingeleitet werden, so wird es neben politischen und geologischen beträchtlich negativen Konsequenzen auch globale wirtschaftliche Kosten geben, die der Stern-Report mit ca. 5-10 % der Weltwirtschaftsleistung an Einbuße in den nächsten Jahrzehnten beziffert[10].
Ebenso verursacht die Infrastruktur, die zweite Gruppe des Verkehrs, beträchtliche Kosten. Für den Straßenbau müssen hohe Geldsummen investiert und danach die Straßen betrieben werden, um die Mobilität der Bürger zu gewährleisten. Die Nutzung der Straßen hat außerdem deren Verschleiß zur Folge, wodurch eine regelmäßige Wartung unabdingbar wird. Ferner verursacht die großflächige Bodenversiegelung sowie Landschaftszerschneidung durch asphaltierte Straßen zum einen eine Störung im Grundwasserhaushalt, zum anderen eine Beeinträchtigung im Fortbestehen der lokal betroffenen Pflanzenwelt.[11] Jeder Quadratmeter Landfläche hätte beispielsweise für landwirtschaftliche Zwecke statt für die Infrastruktur genutzt werden können. Folglich ist die Nutzung der Gebiete mit Opportunitätskosten verbunden, anhand derer die Kosten der Infrastrukturprojekte zum Teil gemessen werden.
2.2 Eingrenzung zu den Staukosten
Der Verkehrsstau ist die Folge von hauptsächlich drei Ursachen: hohes Verkehrsaufkommen, Engstellen auf der Straße und das Störungsmoment. Das hohe Verkehrsaufkommen entsteht bei starker Nachfrage nach der Straßennutzung zu einer bestimmten Zeit, wie z.B. beim Berufs- oder Urlaubsverkehr, während die Engstellen durch Baustellen oder Unfälle verursacht werden. Das zufallsbedingte Moment der Störung löst im Endeffekt den Stau aus. Dies kann das abrupte Abbremsen bei einem unaufmerksamen Fahren sein, ein nicht ordnungsgemäßer Wechsel des Fahrstreifens oder der Überholvorgang zweier LKWs mit geringen Geschwindigkeitsunterschieden („Elefantenrennen“).[12]
Das Vorliegen des sogenannten „Allmendegutes“ wird hier besonders deutlich. Drei Kriterien werden dabei erfüllt[13]:
Die Straßennutzung ist ein Kollektivgut, d.h. es lassen sich dabei keine bestimmten Verkehrsteilnehmer ausschließen.
Während der Inanspruchnahme der Straßennutzung herrscht eine Nichtrivalität im Konsum. Konkret bedeutet dies, dass Autofahrer sich zunächst nicht gegenseitig behindern und folglich keinerlei Verluste entstehen.
Nach diesen beiden erfüllten Kriterien kann die Nutzung der Straße als „öffentliches Gut“ bezeichnet werden.
Zum Allmendegut wird die Straßennutzung definitionsgemäß aufgrund der dritten Eigenschaft: Bei bestehender Nicht-Ausschließbarkeit und ab einem bestimmten höheren Verkehrsaufkommen ist die Nichtrivalität nicht mehr gegeben. Die Teilnehmer beginnen, sich gegenseitig in ihrer Fortbewegung zu beeinträchtigen. Das öffentliche Gut der Straßennutzung wird knapp – es kommt zum Stau.
Die Konsequenz des Staus sind deutlich längere Fahrtzeiten, da durch eine eingetretene Störung die betroffenen Fahrzeuge sich mit deutlich geringerer Geschwindigkeit fortbewegen bzw. immer wieder zum Stehen kommen. Gleichzeitig steigen durch den Stop-and-Go-Verkehr der Energieverbrauch und die Emissionen. Außerdem kommt ein erhöhtes Risiko des Auffahrunfalls hinzu, welches stets am Ende des Verkehrsstaus besteht. Betriebskosten der Infrastruktur hängen von einer zusätzlichen Erhöhung des Verkehrsaufkommens nicht ab, folglich werden diese den Staukosten nicht aufaddiert.[14]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die verschiedenen Arten der Staukosten sich allesamt den Betriebskosten der Verkehrsmittel zuordnen lassen.
2.3 Studien – Ausmaß der Staukosten in Deutschland und Europa
Nachdem die Eingrenzung und die verschiedenen Arten der Verkehrs- und insbesondere Staukosten vorgestellt wurden, stellt sich nun die Frage, wie schwerwiegend die Staubelastung aus der gesamtwirtschaftlichen Sicht ist. In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche Studien veröffentlicht, die bezeugen sollen, dass sich das Phänomen Stau deutlich negativ auf die Entwicklung der Volkswirtschaften auswirkt. Im Folgenden wird eine Auswahl der Projekte mit Blickpunkt auf die Besonderheiten der jeweiligen Studie und auf die durch Stau verursachte errechnete Schadenshöhe vorgestellt und beurteilt.
BMW-Studie (1997)
Joachim Sumpf veröffentlichte im Namen der BMW AG die Studie „Abschätzung der volkswirtschaftlichen Verluste durch Stau im Straßenverkehr“[15]. Berechnet wurde der Studie zufolge die zusätzliche Zeit, die die Verkehrsnutzer durch Staus auf deutschen Straßen bis zu ihrem Reiseziel brauchen. Bezogen auf diese errechnete Zusatzzeit wurde ein 20% höherer Kraftstoffverbrauch, als im fließenden Verkehr angenommen. Die Zeit wurde differenziert im Hinblick auf verschiedene Kriterien (z.B. Freizeit, Berufszeit) betrachtet und mit den relevanten Preissätzen[16] bewertet. Der resultierenden Geldsumme wurde der bewertete Mehrverbrauch an Kraftstoff aufaddiert.
Im Ergebnis zeigt die Studie von BMW, dass die gesamten Kosten, die durch vermeintliche Staus auf deutschen Straßen jährlich entstehen, sich umgerechnet auf mehr als 100 Milliarden Euro belaufen. Der zeitliche Mehraufwand aufgrund von Stau betrage 4,7 Milliarden Stunden, der Kraftstoffmehrverbrauch 12 Milliarden Liter.[17]
Verglichen mit den hiernach vorgestellten Studien erscheint der dreistellige Milliardenbetrag als volkswirtschaftlicher Gesamtverlust ungewöhnlich hoch. Ein möglicher Erklärungsansatz hierfür ist die gewählte Methode zur Berechnung der zusätzlich benötigten Fahrtzeiten.
Dabei stellt Joachim Sumpf zwei Szenarien gegenüber. Das erste Szenario ist die Bezugsgröße „flüssiger Verkehr“. Hierbei wird angenommen, dass auf den Straßen die Verkehrsdichte zwar nicht so gering ist, dass die Straßennutzer sich komplett unbehindert in ihrer Fortbewegung fühlen, jedoch auch nicht so eingeengt, dass ein hohes Staurisiko besteht.[18] Das zweite Szenario stellt einen weitaus flüssigeren Verkehr dar, als im ersten Szenario, der durch verschiedene Maßnahmen politischer und planerischer Natur realisiert werden soll.[19] Als Maßzahl für die Szenarien dient die Durchschnittsgeschwindigkeit auf den einzelnen Straßenarten. Dies impliziert, dass Staus auch im zweiten Szenario immer noch mit inbegriffen sein können, trotz höherer mittlerer Geschwindigkeit. Auf konkrete empirische Werte bezüglich der Staus geht Joachim Sumpf nicht ein.
Auf diese Weise wurde zum Beispiel die folgende Zeiteinsparung für PKWs innerorts errechnet: Wenn die Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 (1. Szenario) auf 30 km/h (2. Szenario) u.a. durch bedarfsgesteuerte Ampelschaltung erhöht werden würde, ließe sich dann die Gesamtsumme von 7 Milliarden Betriebsstunden der Fahrzeuge um 2,33 Milliarden Stunden reduzieren.[20]
Sicherlich ist ein Teil dieser Differenz die eingesparte Stauzeit, jedoch nicht zu hundert Prozent. Auch können Streckenabschnitte einbezogen sein, auf denen Staus sehr unwahrscheinlich sind und zugleich durch die Maßnahmen das mittlere Tempo des Verkehrsflusses dort erhöht wurde. Auf diese Weise lassen sich ebenfalls Zeiteinsparungen realisieren.
So vielversprechend die Maßnahmen zum flüssigeren Verkehr auch klingen mögen – die Studie des Fahrzeugherstellers BMW stellte zur Zeit ihrer Veröffentlichung ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Stausituation dar. Die extrem hohe errechnete Summe würde bei den meisten Nutzen-Kosten-Kalkulationen (z.B. zu möglichen Erweiterungen des Straßennetzes auf Kosten der Umwelt) stets eine Entscheidung zu Gunsten der PKW-Fahrer nach sich ziehen[21] und folglich aus rationaler Sicht nicht vertretbar sein.
FOCUS-Studie (2001)
Im Auftrag des Magazins FOCUS wurde die Studie „Kapazitätssituation der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland“ vom Institut für Verkehrswissenschaft der Universität Köln unter der Leitung von Herbert Baum durchgeführt.[22]
Das Institut analysierte die Kapazitätsauslastung der deutschen Autobahnen, Schienen und des Luftverkehrs für das Jahr 2001 und prognostizierte diese für 2015. Die Grundannahme der Studie war die vom Institut überarbeitete Schätzung des Verkehrsministeriums, dass die Leistung aller Verkehrsmodi (Straße, Schiene, Wasser, Luft) des Personenverkehrs sich bis 2015 um ca. 14 – 16% und die des Güterverkehrs sich um ca. 43% erhöht.[23] Die Prognosen wurden in zwei Szenarien aufgestellt. Das erste „Trendszenario“ impliziert außer der Einführung einer LKW-Maut keine weiteren politischen Maßnahmen, die Einfluss auf die Verkehrsentwicklung nehmen könnten. Im „Integrationsszenario“ wurde von Bestrebungen ausgegangen, den Anteil der gesamten Verkehrsleistung mehr auf den Schienenverkehr zu verlagern. Bezüglich der Entwicklung in der Infrastruktur nahm man vereinfachend an, dass die Kapazität konstant bliebe.[24]
Folgendes sind die Studienergebnisse im Hinblick auf die Auslastung der Autobahnen: Die Leistung des Personenverkehrs soll bis 2015 auf dem Netz der Autobahn um 18 – 22% steigen, die Güterverkehrsleistung um 20 – 26%. Eine der Schlussfolgerungen ist ein extremes Wachstum der Streckenlängen, die vom täglichen Stau betroffen sind. Im Trendszenario beträgt der Anstieg über 350%, im Integrationsszenario sind es fast 200%. Den volkswirtschaftlichen Schaden schätzten die Studienmitarbeiter auf umgerechnet 20,5 – 25,6 Milliarden Euro im Jahr.[25]
An dieser Studie sind folgende Aspekte kritisch zu betrachten: Es ist in der Untersuchung nicht dargestellt, wie die Staukosten berechnet wurden. Diese sind lediglich im Artikel des FOCUS-Magazins genannt, ohne näher auf sie einzugehen. Beziehen lassen sich diese Kosten wahrscheinlich auf das Jahr 2001 oder 2000. Dementsprechend müssten mit den länger werdenden Staustrecken jedes Jahr höhere Staukosten einhergehen. Außerdem wurde von Beginn an die Annahme getroffen, dass die Kapazität auf allen drei Infrastrukturmodi sich bis 2015 nicht ändern wird. Um einen realistischeren Eindruck bis 2015 zu vermitteln, wurden einige Beispielabschnitte von Autobahnen aufgelistet, die einen hohen Ausbaubedarf hatten. Viele dieser Abschnitte sind bis heute nicht ausgebaut worden. Generell wurde das Straßennetz spätestens seit dem Jahr 2000 nicht mehr erweitert[26], was die Gültigkeit der Annahme im Nachhinein bestätigt. Viele Fragen lässt das Integrationsszenario dennoch offen. Außer dem politischen Ziel, den Personen- und Güterverkehr auf die Schiene teilweise zu verlagern, wurden keine weiteren Details dazu offengelegt, welche Maßnahmen zu der Zielerreichung beitragen sollen.
UNITE-Projekt (2003)
Das Projekt „UNIfication of accounts and marginal costs for Transport Efficiency” (UNITE) wurde 1999 von der Europäischen Kommission im Rahmen eines Wachstumsprogramms in Auftrag gegeben. Das Ergebnis wurde als Grünbuch im Jahre 2003 veröffentlicht und diente damit als Grundlage für weitere politische Diskussionen und für die Entwicklung von konkreten Gesetzen.
Die Berechnung der Staukosten war nur ein Teilbereich des groß angelegten UNITE-Projekts. Hauptsächlich 3 Arbeitsbereiche umfasste dessen Forschungsfeld:[27]
Grenzkosten: Es sollten Methoden entwickelt bzw. verbessert werden, um die Kosten ermitteln zu können, die durch einen zusätzlich zurückgelegten Fahrzeugkilometer verursacht werden.
Verkehrskonten: Eine umfassende Auflistung aller länderspezifischen Kosten und Nutzen sollte erstellt werden. Hierzu gehören u.a. die Kategorien Verkehrsmodus, sowie die Kostenarten, wie z.B. Umwelt- oder Zeitkosten.
Umsetzung: Nach der Methodenentwicklung und Kontenerstellung wurden konkrete Vorschläge für die Einführung von Tarifen erarbeitet, die an die Entscheidungsträger der jeweiligen Länder adressiert sind.
Im Falle der Staukosten definiert UNITE diese als von den Verkehrsteilnehmern wahrgenommene zusätzliche Summe der Betriebs- und Zeitkosten, die durch Staus und im Vergleich zum ungestörten Fließverkehr verursacht wurden.[28] Die anderen Bestandteile der Staukosten (wie z.B. Lärm) sind in dieser Studie nicht impliziert, sondern werden gesondert behandelt. Für das Jahr 1998 wurden die Staukosten in Deutschland mit der Gesamtsumme 18,3 Mrd. EUR beziffert.[29] Ca. 95% davon sind auf den Straßenverkehr zurückzuführen, der Rest auf den Schienen- und Luftverkehr. Europaweit belaufen sich die Staukosten auf insgesamt knapp 70 Mrd. EUR.[30] In beiden Fällen sind die staubedingten Umweltkosten nicht mit einbezogen worden.
Kritisch betrachtet ist die Studie UNITE sehr detailliert und wissenschaftlich nachvollziehbar durchgeführt worden. Diese diente als Grundlage für weitere Studien und Gutachten. Allerdings wurden die Umweltkosten annahmegemäß komplett inkl. der staubedingten Emissionen als eigene Kostenposition dargestellt.
INFRAS-Studie (2011)
Im Auftrag des Internationalen Eisenbahnverbands UIC wurde 2011 die Studie „External Costs of Transports in Europe“ vom Forschungsinstitut INFRAS veröffentlicht. Die ursprüngliche Version von 2008 wurde infolge der EU-Osterweiterung aktualisiert. Die Studie ermittelt die Höhe der externen Kosten[31] in Europa, die durch den Straßen-, Schienen-, Luft- und Seeverkehr verursacht werden.
Zur Ermittlung der gesamten Staukosten in der EU wurde von vornherein zwischen den Kosten der zusätzlich benötigten Zeit und den Kosten des Wohlfahrtverlusts infolge der Straßenüberlastung unterschieden. Die Freizeit wurde annahmegemäß mit 7 EUR pro Stunde bewertet, die Berufszeit mit 24 EUR pro Stunde.[32] Als Ergebnis wurde konstatiert, dass EU-weit pro Jahr geschätzte Zeitkosten zwischen 146 und 243 Mrd. Euro entstehen[33], sowie als Folge die Wohlfahrtverluste sich in einem Intervall zwischen 23,6 und 39,2 Mrd. Euro bewegen.[34]
Diese Ergebnisse der Bewertung von europaweiten Staukosten sind Schätzungen, die auf vielen anderen Quellen beruhen und nicht direkt bestätigt werden können. Es wurden mehr Schätzungen unternommen, als empirische Auswertungen. Eine der Ursachen hierfür liegt an der Tatsache, dass es in der EU noch keinen gemeinsamen und einheitlichen Datenbestand bezüglich der Staukosten gibt, auf den man sich stützen könnte.[35]
Zwischenfazit
Das Ausmaß der Staukosten ist sowohl in Deutschland, als auch in ganz Europa enorm. Abgesehen von den Ergebnissen der BMW-Studie beträgt die jährliche Gesamtsumme zwischen 18 und 40 Milliarden Euro im Jahr für Deutschland. Für Europa wird je nach Studie und Annahme ein Spektrum für Staukosten aufgezeigt, dessen minimale und maximale Grenzen 70 und 240 Milliarden betragen.[36] Diese Größenordnungen begründen das Bestreben, die Ursachen für das Entstehen solcher Belastungen zu durchleuchten. Ein wohl wesentlicher Grund für den Stau findet sich in der Theorie der externen Effekte, welche im nächsten Kapitel in dieser Hinsicht erläutert wird.
3. Externe Kosten
Die zuvor vorgestellten sehr hohen Staukosten und damit verbundene Wohlfahrtsverluste sind zu einem großen Teil auf externe Effekte zurückzuführen. In diesem Kapitel wird präziser auf externe Effekte hinsichtlich ihrer Definition und Arten eingegangen. Daraufhin werden die zuvor analysierten Staukosten auf mögliches Vorliegen einer Externalität hin geprüft. Zuletzt werden Diskussionen im Rahmen dieses Themas umrissen, die die Gefahren einer falschen Auslegung aufzeigen, um damit deutlicher für eine Begriffsabgrenzung zu sorgen.
3.1 Definition externer Effekte
Angebot und Nachfrage bestimmen in einer freien Marktwirtschaft grundsätzlich die Preisbildung. Auf diese Weise kalkulieren bspw. die beteiligten Marktakteure jegliche Kosten in ihr wirtschaftliches Handeln mit ein und decken diese. Allerdings gibt es Ausnahmesituationen, in denen einige Kostenpositionen offen bleiben, womit das Gleichgewicht im Markt nicht mehr vorliegt, was sogar zum Marktversagen führen kann. Die Rede ist von externen Effekten und den entsprechenden Kosten.
Bevor auf die externen Effekte im Detail eingegangen wird, sei an dieser Stelle zur Abgrenzung vom externen der interne Effekt bzw. die internen Kosten beschrieben[37]: Der interne Effekt liegt vor, wenn ein Marktakteur die durch ihn entstandenen Kosten auch selbst deckt bzw. den entstandenen Nutzen oder Gewinn sich zu eigen macht.
Komplizierter sieht dagegen die Definition der Externalität aus. Die internationale Literatur speziell über den externen Effekt ist sehr umfangreich. Zwar stimmen die Beschreibungen dieses Effekts größtenteils überein, weisen jedoch ein breites Spektrum an Formulierungen auf, was auch einen gewissen Spielraum bei der Eingrenzung der relevanten Kosten lässt. Eine treffende und formale Definition findet sich in Fritsch (2014):
Externalitäten würden in dem Moment vorliegen, „wenn in der Nutzen- bzw. Gewinnfunktion eines Akteurs außer dessen eigenen Aktionsparametern mindestens eine Variable (Y) enthalten ist, die nicht (vollständig) von A, sondern von einem (oder mehreren) anderen Akteur(en) kontrolliert wird; es gilt also .“[38]
Hier ist klar zu erkennen: Ein Haushalt ist in dem Augenblick den externen Effekten ausgesetzt, wenn sein Nutzen von einer Einflussgröße beeinträchtigt wird, die der Haushalt nicht kontrollieren kann.[39] Anzumerken bleibt, dass die Spezifizierung sich auf diejenigen Marktteilnehmer bezieht, die den Effekten ausgesetzt sind und nicht auf jene, die die Effekte verursachen.
Die entsprechende gegenläufige Definition aus der aktiven Perspektive liefern bspw. Berg et. al.: „Gehen bestimmte Kosten bzw. Nutzen nicht in die Entscheidungskalküle der Akteure ein, weil der Preismechanismus sie nicht verrechnet, entstehen externe Effekte“.[40] Ein Marktteilnehmer verursacht also Externalitäten, wenn ein in seinem Machtbereich liegender Faktor Einfluss auf die Nutzen- bzw. Gewinnfunktionen anderer Teilnehmer ausübt. Dieser Faktor gehört jedoch nicht zu seiner eigenen Nutzenfunktion (bzw. Gewinnfunktion).
Die beiden genannten Definitionen sind formal gestaltet und lassen sich mithilfe der angesprochenen Funktionen und einzelnen Faktoren gut auf konkrete Beispielsituationen anwenden. Gerade im Falle des Verkehrsstaus ist es wichtig, beide Perspektiven einbeziehen zu können, wie in späteren Kapiteln deutlich wird.
Zu den externen Effekten im Allgemeinen sei zusätzlich angemerkt, dass die Aktivitäten entweder positiver oder negativer Natur sein können. Wenn eine Externalität auf den Haushaltsnutzen bzw. auf die Unternehmensgewinne eine fördernde Wirkung ausübt, so spricht man von einem positiven externen Effekt. Sind die Auswirkungen auf diese verschlechternd, so ist der externe Effekt negativ.[41]
Nach Baumol, Oates (1994) kommt besonders die zweite Bedingung in den Fällen zur Geltung, in denen die externen Effekte negativ sind. D.h. der Nutzen bzw. der Gewinn der Partei, die den Effekten ausgesetzt ist, sinkt durch die Aktivität der anderen Partei.[42] Aus dem sich ergänzenden Paar der Definitionen lässt sich die Externalität mit einem zusätzlichen Aspekt spezifizieren, wie auch schon Buchanan, Stubblebine (1962) ausführen: “An externality is defined to be Pareto-relevant when the extent of the activity may be modified in such a way that the externally affected party, A, can be made better off without the acting party, B, being made worse off.”[43] Wenn also eine Situation mit externen Kosten einfach nur verbessert werden kann, ohne andere schlechter zu stellen, dann liegt eine Pareto-relevante Externalität vor.
3.2 Arten externer Effekte
Bei den externen Effekten wurde die Unterscheidung im Hinblick auf Verbesserung und Verschlechterung der Zielfunktionen bereits im vorangegangenen Abschnitt angesprochen. Die Rede ist hier von positiven und negativen externen Effekten. Eine Differenzierung in weitere drei Typen der Externalitäten wird im Folgenden vorgenommen, um hiernach die Bestandteile der Staukosten genauer einordnen zu können.
Technologische externe Effekte liegen vor, wenn bei den Marktakteuren direkte und physische Beziehungen zwischen ihren Nutzen- bzw. Gewinnfunktionen ohne Gegenleistungen vorliegen. Beispielhaft hierfür ist ein Chemiewerk, das sein Abwasser mit schädlichen Chemikalien kostenlos in den nächsten Fluss ableitet, welches den dortigen Fischbestand verringert. Der Nutzen der dortigen Fischer wäre also von externen Effekten beeinträchtigt.
Psychologische externe Effekte zeigen jedoch im Unterschied zu den technologischen keine physischen Interdependenzen auf, sondern sind geistiger bzw. seelischer Natur. Bestimmte Handlungen lassen zwar keine wahrnehmbaren Rückschlüsse auf extern Betroffene zu, verursachen allerdings emotionale Reaktionen, die wiederum einen Einfluss auf die Zielfunktionen der Betroffenen ausüben.[44] Beispielhaft seien hier altruistische Verhaltensweisen genannt. Streng ökonomisch gesehen, verringert ein Altruist seinen Nutzen, um das Wohlbefinden von Menschen in seiner direkten Umgebung zu steigern, obwohl es aus einer vernünftigeren, „egoistischeren“ Sicht keine direkten Anreize dazu gibt.[45]
Pekuniäre Effekte sind Konsequenzen der stets dynamischen Marktwirtschaft. Angebot und Nachfrage sind für sich allein im ständigen Wandel. Diese ändern sich aber auch bei Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen, die in Substitutions- und Komplementärbeziehungen zu den bereits vorhandenen stehen. Das Ergebnis sind Preise, die sich den Marktbeziehungen anpassen. Diese Preisänderungen sind pekuniäre externe Effekte, die nicht Ursache für Marktversagen sind, sondern als elementare Bestandteile der freien Marktwirtschaft gelten.[46]
3.3 Externe Staukosten
In den vorangegangenen Kapiteln wurden die Staukosten als solche identifiziert und der allgemeine Begriff der externen Effekte präzise definiert. Diese gewonnenen Erkenntnisse werden im nächsten Schritt in Verbindung gebracht. Externe und interne Staukosten werden hervorgehoben und voneinander abgegrenzt, sodass man gegen Ende der Arbeit die „richtigen“ externen Kostenarten des Verkehrsstaus auf ihre mögliche Internalisierung hin überprüfen kann.
Es werden vor diesem Schritt zwei Annahmen getroffen, die die Bedeutung der Internalisierung hervorheben sollen und der leichteren Abgrenzung zwischen den Effektarten dienen.
1. Annahme: Es liegt eine freie Marktwirtschaft vor, in der der Staat (noch) keinerlei Maßnahmen in Form von relevanten Abgaben oder Gesetzen ergriffen hat. Der wirtschaftspolitische Rahmen ist vorerst also nicht gegeben.
2. Annahme: Jeder Teilnehmer ist sich der Staugefahr der relevanten Strecke bewusst und berücksichtigt dies entsprechend in seinen Planungen und damit seiner Nutzenfunktion. Die Annahme ist durchaus realistisch, da der Autofahrer entweder aus Erfahrung die Staugefahr einschätzt, oder von der aktuellen Situation über entsprechende Informationskanäle (Radio, Internet) erfährt. Ausweichreaktionen werden nur dann durchgeführt, wenn die relevanten Kosten den Nutzen des Fahrers übersteigen.[47] Andernfalls wären jegliche Mehrkosten, die durch den unerwarteten Stau (ohne Erfahrungswerte oder Radiohinweise) beim Teilnehmer verursacht würden, externer Natur.
Zunächst werden die internen Staukosten identifiziert. Es sind die Kosten, die der Verkehrsteilnehmer im Stau verursacht und auch selbst trägt.
Für die Betriebskosten des Fahrzeugs kommt der Besitzer selbst auf. So muss der nächste Tankvorgang früher, als nach einer Fahrt ohne Stau getätigt werden, bzw. der Tank wird nach vorausschauender Planung vor der Fahrt aufgefüllt, um abruptes Stehenbleiben auf der Fahrt zu vermeiden.[48] Ebenso gehören die steigenden Belastungen durch die Reparatur zu den Betriebskosten, da der ständige Brems- und Beschleunigungsvorgang im Stau den Verschleiß der Fahrzeugmechanik verstärkt.
Das Risiko der Unfallkosten trägt der Fahrer ebenfalls, indem er dieses (nach vorgeschriebenem Gesetz) mit der Police einer Haftpflichtversicherung abdeckt. Im Falle eines Unfalls, dessen Risiko sich gerade durch Staus erhöht, übernimmt die Versicherung des Unfallverursachers sämtliche direkte Kosten.
Rechnet der Verkehrsteilnehmer mit einem erhöhten Staurisiko an bestimmten Streckenabschnitten, so kalkuliert er für sich eine längere Fahrtzeit ein. Je mehr Zeit der Fahrer im Stau verbringt, desto weniger hat er davon für die Aktivitäten, die seinen Nutzen erhöhen. Mit steigender Stauzeit trägt der Verkehrsteilnehmer folglich höhere Kosten, bedingt durch seine Opportunitäten.[49]
Was sind nun die externen Staukosten? Bezieht man die vorangegangene Definition der externen Effekte auf den Stau, sind es also diejenigen Belastungen, die die Nutzer der Straßen zwar verursachen, jedoch dafür nicht haftbar gemacht werden. Somit würden die Kosten bei den Geschädigten verbleiben. Würde auch dieser zusätzliche Aufwand der Straßennutzung anderer Teilnehmer in das Kalkül des Fahrers einfließen – also wären auch diese Kosten intern, so wäre sein Nettonutzen geringer. Daraus folgt, dass bei einem möglichen, vorab erkannten negativen Nettonutzen (also Nutzenverlust) der Autofahrer die Straßennutzung gar nicht erst in Anspruch nehmen würde. Die Kosten wären zu hoch, um loszufahren und auf der Straße gäbe es weniger Nutzer.
Wird die Stausituation insgesamt betrachtet, so lassen sich Gesamtkosten (soziale Kosten) erkennen, die höher sind, als die Summe der für jeden Nutzer wahrgenommenen (Grenz-) Kosten. Jeder zusätzliche Fahrer im Stau verursacht einen höheren Gesamtkostenbetrag, als er für sich selbst eingeplant hat. Die Differenz ist der externe Effekt mit dem Ausmaß der Höhe der externen Kosten. Die Elemente der externen Staukosten werden im Folgenden genannt und erläutert.
Zu den externen Staukosten lassen sich alle drei Arten der Umweltkosten zählen: Sowohl der Feinstaub, als auch der Lärm, als auch der CO2-Ausstoß fließen bei der Fahrtplanung nicht in das Kalkül des Verkehrsteilnehmers ein. Sehr wohl werden diese Emissionen jedoch durch den Autofahrer besonders im „dichten Stau“ verstärkt und damit die oben genannten globalen und lokalen Folgekosten für Dritte verursacht.
Aus der gesamtwirtschaftlichen Sicht sind auch die Betriebskosten, im Besonderen der Energieaufwand, zum Teil externer Natur. Ein Autofahrer kann noch so gut seinen Energieverbrauch für die nächsten Fahrten einschließlich erwarteter Staus planen. Wohl kaum einer denkt jedoch darüber nach, dass seine zusätzliche Präsenz besonders im Stau andere Autofahrer zusätzlich dazu veranlasst, mehr zu bremsen und wieder zu beschleunigen. Damit steigt der Spritverbrauch um einen zusätzlichen Betrag, der die sozialen Kosten wachsen lässt.
Die direkten Kosten der Unfälle durch Stau mögen zwar intern sein, nicht jedoch die Folgekosten nach den Unfällen. Sofern keine Schmerzensgelder an die Unfallopfer bzw. nach Todesfällen an Verwandte gezahlt werden, bleiben die Folgekosten in Form von psychischen Schmerzen bei den Betroffenen extern.[50]
Sind Zeitverluste durch Stau auch externe Kosten? Nach der Definition der externen Effekte in Bezug auf Stau müssten es Zeitkosten sein, die dem Teilnehmer des Straßenverkehrs nicht bewusst sind, diese aber trotzdem bei anderen verursacht. In der Tat bremst ein Autofahrer alle hinter ihm fahrenden Fahrzeuge etwas aus. Durch seine bloße Existenz und den Raum, den er durch sein Fahrzeug einnimmt, bringt er andere hinterherfahrende Verkehrseilnehmer dazu, aus Sicherheitsgründen einen bestimmten Abstand einzunehmen, wodurch sie langsamer werden. Diese Nutzer verlieren Zeit und tragen Kosten, über welche sie keine Kontrolle haben. Hinzu kommen ihre eigenen, weiter oben bereits erwähnten, internen Kosten.
Als Ergebnis lässt sich zusammenfassen: Die sozialen Kosten, die im Stau entstehen, sind höher, als die Summe der von den individuellen Teilnehmern eingeplanten finanziellen Belastungen. Zeit-, Energie-, Umwelt- und das Risiko der Unfallkosten – diese 4 zusammenhängenden Gruppen der Staubelastungen beinhalten nicht nur einen internen, sondern auch einen externen Kostenanteil. Externe Staukosten existieren, weil die Autofahrer an diese nicht denken. Die Vermutung lässt sich jedoch nicht ignorieren, dass die Grenzziehung zwischen den externen Kosten des generellen Verkehrs und denen des Staus nicht immer eindeutig ist.[51]
Speziell bei dieser Kapazitätsproblematik gibt es die Besonderheit, dass jeder Autofahrer im Stau sowohl die Rolle des Verursachers als auch die des Opfers einnimmt. Man bremst andere aus und wird selbst ausgebremst. Dieser Umstand hat in der deutschsprachigen Literatur unter Verkehrswissenschaftlern für kontroverse Debatten gesorgt, die in ihren Kernpunkten im folgenden Unterkapitel vorgestellt werden. Wie schon zu Beginn des Kapitels angesprochen, wird als nächstes die Gefahr der falschen Interpretation von externen Zeitkosten[52] im Stau behandelt. Die Begriffe „Gruppeninternalisierung“ und „Staatsversagen“ stehen dabei im Mittelpunkt.
[...]
[1] Vgl. Radke (2013), S. 218-219.
[2] Vgl. ebenda, S.101.
[3] Vgl. Aberle (2009): S. 273.
[4] Vgl. Umweltbundesamt (2014): S. 71.
[5] Vgl. Le Ker (2013).
[6] Für das Thema Verkehrsstau weniger bedeutend ist die Lärmemission ab 120 km/h, sei hier aber der Vollständigkeit halber angesprochen: Ab 120 km/h entsteht der stärkste Lärm in Form von Umströmungen der Luft – also Windgeräusche bedingt durch die Aerodynamik des Fahrzeugs, vgl. Saemann (2006), S. 1.
[7] Vgl. Umweltbundesamt (2014a).
[8] Vgl. Cubasch, Wuebbles (2013), S. 121.
[9] Vgl. Umweltbundesamt (2013).
[10] Vgl. Stern (2006), S. ix.
[11] Vgl. Aberle (2009), S. 584.
[12] Vgl. Treiber, Kesting (2010), S. 257ff.
[13] Vgl. Hartwig (2007), S. 203.
[14] Zu den Betriebskosten der Straßen vgl. Schrage (2005), S. 12.
[15] Vgl. Sumpf (1997), S. 44.
[16] Freizeit: umgerechnet ca. 10 EUR, Berufsverkehr: bis zu 56 EUR, vgl. ebenda, S. 66.
[17] Vgl. ebenda, S. 51.
[18] Vgl. Sumpf (1997), S. 48.
[19] Bspw. koordinierte Ampelschaltungen, Engstellenabbau, zeitliche Verkehrsverlagerung, vgl. ebenda.
[20] Vgl. ebenda, S. 49.
[21] Dies deutete der Autor auch an, vgl. ebenda, S. 58.
[22] Vgl. Baum et al. (2002).
[23] Vgl. ebenda, S. 2.
[24] Vgl. Baum et al. (2002), S. 2.
[25] Vgl. Hennings et al. (2001), S. 246.
[26] Vgl. BASt (2013), S. 2, ebenso die Statistik in der Einleitung dieser Arbeit, Kap. 1, S.1.
[27] Vgl. Nash et al. (2003), S. 7.
[28] Vgl. Link et al. (2001), S. 25.
[29] Vgl. ebenda, S. 125.
[30] Vgl. Nash et al. (2003), S. 35. Zu beachten ist, dass u.a. die Werte für Italien und Belgien nicht vorlagen.
[31] Im folgenden Kapitel 3 wird im Detail auf die externen Kosten eingegangen.
[32] Vgl. van Essen et al. (2011), S. 58.
[33] Vgl. ebenda, S. 82.
[34] Vgl. ebenda, S. 92.
[35] Vgl. ebenda, S. 94.
[36] Auf die Schwierigkeiten der Messung von Staukosten wird detaillierter in Kap. 5.1, eingegangen, S. 49.
[37] So trivial die Definition auch klingen mag, der Kontrast zu den externen Effekten ist wichtig für das Verständnis.
[38] Fritsch (2014), S. 80.
[39] Gleiches gilt für die Unternehmen und deren Gewinne.
[40] Berg et al. (2007), S. 265.
[41] Vgl. Krugman, Wells (2010): S. 600.
[42] Vgl. Baumol, Oates (1994): S. 18.
[43] Buchanan, Stubblebine (1962): S. 374.
[44] Zu technologischen und psychologischen Effekten vgl. Fritsch (2014): S. 81.
[45] Vgl. Becker (1993), S. 320f.
[46] Vgl. Berg et al. (2007): S. 265.
[47] Vgl. Schrage (2005): S. 17f.
[48] Gleiches gilt natürlich auch für die Aufladung elektrisch betriebener Fahrzeuge. Allerdings ist das Problemausmaß hier geringer, da durch den Stop-and-Go-Verkehr im Stau die Batterie bei jedem Bremsvorgang durch die Technologie der Rekuperation wieder aufgeladen wird. Der nächste Ladevorgang wird hinausgezögert.
[49] Dass Zeitverluste durch Stau intern sind, ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Siehe Abschnitt zu externen Staukosten, nächste Seite.
[50] Ein weiteres Beispiel für psychologische externe Effekte, vgl. Kap. 3.2, S. 13.
[51] Eine Antwort aus der Praxis findet sich in Kapitel 5.3., S. 53.
[52] Vereinfachend wird auch in der internationalen Literatur angenommen, dass die Staukosten hauptsächlich aus Zeitkosten bestehen, da die Zeit einen wesentlichen Kostenanteil daran einnimmt.
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- Anatolij Kasnatscheew (Author), 2014, Möglichkeiten der Internalisierung externer Staukosten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285676
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