Zum Jahresende 2000 erhielten in Deutschland 2,68 Millionen Personen Sozialhilfeleistungen in Höhe von knapp 24 Milliarden Euro, wie das Statistische Landesamt mitteilte. Zwar ging die absolute Empfängerzahl im dritten Jahr in Folge zurück, insgesamt verzeichnete das Statistische Bundesamt einen Rückgang um 4,5 Prozentpunkte, doch angesichts der weltweit schlechten Konjunktur bleibt die Lage vermutlich angespannt.1 Auch das Bundesland Baden-Württemberg, das bei einer Sozialhilfequote von 2,0 Prozent eine Vorbildfunktion einnimmt, wird im Sozialhilfebereich weiterhin enorme Anstrengungen unternehmen müssen. 2 An diesem Punkt knüpft die vorliegende Arbeit an. Vorgestellt werden die Handlungsmöglichkeiten des Sozialamts, Sozialhilfeempfänger, insbesondere langzeitarbeitslose Hilfesuchende, unmittelbar (wieder) in reguläre Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Zu Beginn dieser Arbeit erwartet den Leser ein knapper Überblick über den Bereich „Hilfe zur Arbeit“, bevor weiter in die Tiefe vorgedrungen wird und Einzelmaßnahmen ausführlich Beachtung finden. Die Lesbarkeit und die Orientierung über die gesamte Thematik wird durch Schaubilder unterstützt. Einen Ausblick gibt vorliegende Arbeit auch über die Kürzung der Sozialhilfe bei Arbeitsverweigerung, da dieses Sanktionsinstrument zweifelsfrei zu den Maßnahmen zählt, die das Sozialamt in Anspruch nehmen kann, um den Hilfesuchenden in die richtigen „Bahnen“ zu lenken.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der Anlagen
I Grundsätzliches über den Bereich „Hilfe zur Arbeit“
II Die Handlungsmöglichkeiten des Sozialamts im Überblick und ihre Rangfolge
III Die Handlungsmöglichkeiten des Sozialamts im Einzelnen
1. Die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten nach § 19 BSHG
1.1. Grundsätzliches
1.2. Nichtgemeinnützige und nichtzusätzliche Arbeitsverträge nach § 19 Abs. 1 BSHG
1.3. Gemeinsame und zusätzliche Arbeiten nach § 19 abs. 2 BSHG
1.3.1. Grundsätzliches
1.3.2. Alternative 1
1.3.3. Alternative 2
1.3.4. Voraussetzungen
1.3.5. Umfang der gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeiten
1.3.6. Beispiele für gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten
1.3.7. Mangel der Voraussetzung der Zusätzlichkeit
1.3.8. Gegenwärtige Praxis der Arbeitshilfe
1.3.9. Kooperationspflicht und Gesamtplan nach § 19 Abs. 4 BSHG
1.3.9.1. Grundsätzliches
1.3.9.2. Kooperationspflicht nach § 19 Abs. 4 Satz. 1
1.3.9.3. Gesamtplan
1.3.9.3.1. Grundsätzliches
1.3.9.3.2. Definition und Ziele
1.3.9.3.3. Mindestinhalt eines Gesamtplans
1.3.10. Form der Anordnung zu gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeiten und verwaltungsrechtliche Anforderungen
1.3.11. Durchsetzung/Rechtsschutz
2. Besondere Arbeitsgelegenheiten nach § 20 BSHG
2.1. Grundsätzliches
2.2. Arbeitsgewöhnung nach § 20 Abs. 1 Alt. 1 BSHG
2.3. Prüfung der Arbeitsbereitschaft nach § 20 Abs. 1 Alt. 2 BSHG
2.4. Kooperationspflicht und Gesamtplan
2.5. Status der Hilfesuchenden
IV Verweigerung zumutbarer Arbeit oder zumutbarer Arbeitsgelegenheit
Abbildungen
Abb. 1: Überblick über die Handlungsmöglichkeiten des Sozialamts
Abb. 2: Abgestufte Vorgehensweise des Sozialamts bei Kürzung der Sozialhilfe
Quellen / Literatur
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Verzeichnis der Anlagen
Stat. Bundesamt, Soziale Sicherung – Bruttoausgaben für Leistungen nach dem BSHG im Jahr 2000, 27.09.2002;
www.destatis.de/basis/d/solei/soleitab/10.htm.
Stat. Bundesamt, 4.5 Prozent weniger Sozialhilfeempfänger im Jahr 2000,
21.08.2001;
www.verbaende.com/news/ges_text.php4?m=8600
I Grundsätzliches über den Bereich „Hilfe zur Arbeit“
Der Hilfesuchende hat gem. § 18 Abs. 1 BSHG „seine Arbeitskraft [grundsätzlich] zur Beschaffung seines Lebensunterhalts für sich und seine Angehörigen ein[zu]setzen“, wobei er nur zu zumutbarer Arbeit verpflichtet ist.
Diese Norm konkretisiert den allgemeinen Nachranggrundsatz gem. § 2 BSHG, der besagt, dass der Betroffene „Sozialhilfe nicht erhält, [wenn er] (...) sich selbst helfen kann oder (...) die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält“.
Weitere Ausnahmen von der Verpflichtung zur Arbeit bestehen gem. § 18 Abs. 3 BSHG.
Die Vermittlung von arbeitslosen Sozialhilfeempfängern in den regulären Arbeitsmarkt ist der Regelfall, wobei der Arbeitslose seinen Arbeitsplatz frei wählen und sich eigenverantwortlich bewerben kann.
Eine Zusammenarbeitspflicht zwischen Sozialamt und Arbeitsamt besteht gem. § 18 Abs. 2 Satz 4 BSHG.
Ist eine Vermittlung von Arbeit durch das Arbeitsamt nicht möglich, was bei Problemfällen, insbesondere bei Langzeitarbeitslosen häufig der Fall ist, stehen dem Arbeitsamt nach § 19 und § 20 BSHG zahlreiche Möglichkeiten offen, den Hilfesuchenden gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 BSHG „soweit wie möglich [zu] befähigen, unabhängig von (...) [der Sozialhilfe] zu leben.
Diese Vorschrift bildet die Grundlage aller pädagogischen Hilfemaßnahmen.
II Die Handlungsmöglichkeiten des Sozialamts im Überblick und ihre Rangfolge
Die Rangfolge der §§ 18 bis 20 zueinander ergibt sich aus gesetzlich festgeschriebener Reihenfolge und zugleich aus der Fähigkeit der einzelnen Arbeiten die Betroffenen gemäß Subsidiaritätsprinzip ( § 1 Abs. 2 BSHG) zur Selbsthilfe zu führen.[1]
Demnach hat die normale auf dem freien Arbeitsmarkt vermittelte Arbeit (§ 18 BSHG) Vorrang vor der vom SHT geschaffenen regulären Arbeit gem. § 19 Abs. 1 BSHG.
Besteht keine Möglichkeit reguläre Arbeit zu schaffen, greifen die beiden Varianten des § 19 Abs. 2 BSHG für den Hilfesuchenden gemeinnützige und zusätzliche Arbeit zu schaffen.
Dem SHT steht im Ermessen, ob er für diese Arbeiten „ortsüblich entlohnte, arbeitsrechtliche Arbeitsverhältnisse“ gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 (1. Alternative) oder „öffentlich-rechtliche Beschäftigungen“ gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 (2. Alternative) schafft.
Subsidiär kommt § 20 in Betracht, dessen Anwendungsbereich sich auf besondere Problemfälle erstreckt, bei denen die Arbeitsbereitschaft zweifelhaft erscheint.
III Die Handlungsmöglichkeiten des Sozialamtes im Einzelnen
1. Die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten nach § 19 BSHG
1.1 Grundsätzliches
Die Vorschrift richtet sich an den Personenkreis, der trotz persönlicher Arbeitsbereitschaft objektiv schwer auf dem Arbeitsmarkt in reguläre Arbeitsverhältnisse zu bringen ist, weil die Betroffenen nicht den Anforderungen der Arbeitgeber entsprechen.
Deshalb hat das Sozialamt streng zu prüfen, ob die dem Hilfesuchenden angebotenen Arbeiten diesen pädagogisch und fachlich befähigen, um letztendlich auf dem regulären Arbeitsmarkt bestehen zu können.
Die Feststellung, ob jemand nicht vermittelt werden kann, ergibt sich insbesondere bei Berufsanfängern meist erst nach einiger Zeit der Arbeitslosigkeit.
Aufgrund des Aufgabenkatalogs der SHT folgt, dass sich die Norm zuerst an die Hilfesuchenden wendet, die auch bei hohem Beschäftigungsgrad schwierig zu vermitteln wären.[2]
1.2 Nichtgemeinnützige und nichtzusätzliche Arbeitsverträge
Nach § 19 Abs. 1 BSHG
Die Rechtsprechung ist sich darüber einig, dass § 19 Abs. 1 BSHG nicht lediglich eine einweisende Funktion für die folgenden Absätze besitzt, sondern zugleich eine eigenständige Variante darstellt.[3]
Der SHT hat bei der Schaffung von nichtgemeinnützigen und zusätzlichen Arbeiten insbesondere die Aufgabe der Sozialhilfe nach § 1 Abs. 2 BSHG zu berücksichtigen.
Deshalb sollte ein zivilrechtliches Arbeitsverhältnis direkt beim SHT oder bei einem Dritten, z.B. kreisangehörigen Gemeinden, angestrebt werden.
Der Hilfesuchende erhält somit den ortsüblichen Tariflohn, hat jedoch Sozialversicherungsbeiträge zu leisten, durch die er sich einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, Krankenversicherungsschutz und gesetzliche Rente erwirbt.[4]
Der Hilfesuchende hat zwar keinen Anspruch auf Schaffung solcher Arbeitsgelegenheiten, doch die SHT sind aufgrund gesetzlicher Änderungen weit mehr als zuvor verpflichtet solche Arbeitsmöglichkeiten einzurichten.
Die finanzwirtschaftliche Situation des SHT darf als Ablehnungsgrund keine Rolle spielen.[5]
Gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 BSHG „können auch die Kosten zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsgelegenheiten übernommen werden“, z.B. die notwendigen Mittel für Verwaltungspersonal, Kosten für Sachmittel der Einrichtung, Aufwendungen für das Fachpersonal zur Betreuung der Beschäftigten, usw. .
Gem. § 19 Abs. 1 Satz 3 BSHG sollen die Maßnahmen von „vorübergehender Dauer“ sein.
Grundsätzlich wird auf die Standards der Praxis verwiesen.[6]
Demnach gilt ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten als angemessen, sofern der Hilfesuchende über § 25 Abs. 1 zur Aufnahme einer Arbeit gedrängt werden muss.
Bei freiwilliger Arbeitsaufnahme sind Zeiträume bis zu zwei Jahre angemessen.
Eine Befristung der Arbeitsverträge auf bis zu 18 Monate, ausnahmsweise bis zu 24 Monate ist erlaubt, damit der Hilfesuchende sich aktiv dafür einsetzt die Anforderungen des regulären Arbeitslebens zu erreichen und bewältigen zu können.
Bei dieser Variante erschließen sich dem Hilfesuchenden folgende Einsatzgebiete:
Abfallbeseitigung, Feuersicherheit, Friedhofspflege, Fremdenverkehrseinrichtungen, kulturelle Einrichtungen, Umweltschutz, Straßenreinigung, Reinigungsarbeiten in Einrichtungen, Arbeiten im städtischen Fuhrpark/Bauhof, Arbeiten in der Registratur, usw.[7]
1.3 Gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten nach § 19 Abs. 2 BSHG
1.3.1. Grundsätzliches
In § 19 Abs. 2 BSHG sind spezielle Regelungen für gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten getroffen.
Welche der beiden Varianten den Vorrang gegenüber der anderen genießt, ist umstritten.
Aus arbeitsrechtlicher, sozialpolitischer und rechtlicher Sicht, genießt die erste Alternative sicherlich Vorrang und auch das BMFuS entschied sich hinsichtlich des Eingliederungseffekts in das Arbeitsleben für den Vorrang der Vertragsalternative.[8]
Besteht nach Satz 1 die Gelegenheit zu gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeiten, steht die Auswahl gem. Opportunitätsprinzip im pflichtgemäßen Ermessen des SHT, welche der beiden Möglichkeiten des Abs. 2 für den Einzelfall (vgl. § 3 BSHG) geeignet und erforderlich ist, den Hilfesuchenden (wieder) ins Erwerbsleben zu führen.
Entscheidende Kriterien für die Ermessensausübung bilden die Grundsätze der Sozialhilfe ( §§ 1 bis 7, § 9 SGB I) und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Art. 20, 28 GG.[9]
Zu betonen ist, dass für die Hilfeleistung durch die SHT keine Gegenleistungspflicht nach dem BSHG besteht, welche die Hilfesuchenden zwingt gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten zu verrichten[10].
Die Verpflichtung diese Arbeiten aufzunehmen und eine mögliche Kürzung der HLU zu verhindern wird jedoch dadurch bedingt, seine Arbeitskraft
gem. § 18 Abs. 1 BSHG zum Lebensunterhalt einzusetzen.
1.3.2. Alternative 1
Der SHT zahlt dem Hilfesuchenden bei dieser Variante das ortsübliche Arbeitsentgelt.
Dabei entsteht nach fast einhelliger Meinung ein zivilrechtliches Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten des Arbeitsrechts und der gesetzlichen Sozialversicherung.[11]
Aufgrund der Beitragszahlung erwirbt der Hilfesuchende Ansprüche gegenüber der Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung.
Als nachteilig erweist sich diese Variante insofern, da bei überschuldeten Hilfesuchenden der Lohn gepfändet werden kann.
1.3.3. Alternative 2
Die Hilfesuchenden befinden sich in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis und erhalten für ihren Arbeitseinsatz vom SHT die HLU zuzüglich einer geringen Mehraufwandsentschädigung von zur Zeit etwa 0,77 € bis 1,53 € pro Stunde[12].
Die Höhe der Entschädigung muss sich an den durch Arbeitsaufnahme tatsächlich entstandenen Mehrbedarf richten, der sich aus Ernährung, Kleidung, Wäsche, Körperreinigung und Fahrtkosten zur Arbeitsstätte ergibt.
Der ausgezahlte Gesamtbetrag sollte insgesamt in einem angemessenen Verhältnis zu einem normalen Lohn städtischer Arbeiter stehen, da bereits die Fahrtkosten zumindest den Minimalsatz von 0,77 € übersteigen.[13]
Die Besonderheit dieser Variante liegt darin, dass die HLU zuzüglich der Mehraufwandsentschädigung Sozialhilfe ist und deshalb nicht gepfändet werden kann.
Allerdings erwirbt der Hilfesuchende gem. § 19 Abs. 3 Satz 1 BSHG keinerlei Ansprüche von der Kranken- und Rentenversicherung.
Obwohl die Arbeitslosenversicherung nicht explizit im Gesetzestext ausgeschlossen ist, hat der Betroffene keine Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe, da er nicht beitragspflichtig i.S.d. § 24 SGB III ist, d.h. nicht gegen Entgelt beschäftigt ist.
Dagegen sind Unfallversicherungsansprüche gem. § 8 SGB VII i.V.m. § 2 Abs. 2 SGB VII nicht ausgeschlossen.[14]
[...]
[1] Vgl. LPK zum BSHG, 5. Aufl., 1997, S.275, Rdnr. 2.
[2] Vgl. LPK zum BSHG, 5. Aufl., 1997, S. 292, Rdnr. 1.
[3] Vgl. ebenda S. 291, Rdnr. 3.
[4] Vgl. Klinger/Kunkel, Sozialhilferecht, 6. Aufl., 1998, S 58.
[5] Vgl. LPK zum BSHG, 5.Aufl., 1997, S. 294, Rdnr. 5.
[6] Vgl. ebenso S. 295, Rdnr. 6.
[7] Vgl. Klinger/Kunkel, Sozialhilferecht, 6. Aufl., 1998, S. 57.
[8] Vgl. LPK zum BSHG, 5. Aufl., 1997, S. 295 f., Rdnr. 7.
[9] Vgl. ebenso S. 296, Rdnr. 7.
[10] Vgl. genauso S. 300, Rdnr. 14.
[11] Vgl. ebenda S. 295, Rdnr. 7.
[12] Vgl. LPK zum BSHG, 5. Aufl. 1997, S. 299 f, Rdnr. 13-15;
Originalangabe: „1,50 DM bis 3,00 DM“; Umrechnungskurs: 1,00 € = 1,95583 DM.
[13] Vgl auch Klinger/Kunkel, Sozialhilferecht, 6. Aufl., 1998, S. 58;
Originalangabe: „1,50 DM“; Umrechnungskurs: 1,00 € = 1,95583 DM.
[14] Vgl. LPK zum BSHG, 5. Aufl., 1997, S. 301, Rdnr. 16.
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