Die folgende Arbeit beinhaltet eine Übersicht zu den wichtigsten Inhalten der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA). Besprochen werden dabei die Eigenschaften eines Geschäftes (Besorgung, Fremdheit, Fremdgeschäftsführungswille, Geschäft ohne Auftrag sowie Berechtigung zur Geschäftsführung) sowie die Rechtsfolgen der GoA.
Allgemeines zur Geschäftsführung ohne Auftrag
- geregelt in §§ 677ff. BGB
- GoA = gesetzliches Schuldverhältnis
- GoA regelt zwei gegenläufige Interessenlagen
-> Bedürfnis der selbstständigen Regelung seiner eigenen Angelegenheiten ohne Einmischung von außen
-> Bedürfnis an Erleichterung und Hilfe bei eigenen Angelegenheiten durch andere
Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (ergeben sich aus § 677 BGB)
a) Besorgung eines Geschäfts
Beispiel für eine Formulierung:
„ Ein Geschäft ist jede rechtliche oder rein tatsächliche Tätigkeit, ungeachtet der wirtschaftlichen Bedeutung. “
erfasst jede Tätigkeit, die potentiell auch in fremdem Interesse liegen kann
- sowohl rechtsgeschäftliches als auch tatsächliches Handeln
- weite Auslegung geboten (umfasst wird bspw. auch das Ausweichen im Straßenverkehr)
- nicht umfasst: höchstpersönliche Handlungen (z.B. Testament, s. § 2064 BGB)
b) Fremdheit des Geschäfts
Beispiel für eine Formulierung:
„ Das Geschäft müsste vorliegend auch fremd sein. Hier handelte … zwar auch in eigenem
Interesse, jedoch fällt seine Handlung zumindest teilweise auch in den Interessenkreis des Somit liegt ein sog. Auch-fremdes Geschäft vor. Wie bei derartigen Geschäften der Fremdgeschäftsführungswille zu behandeln ist, ist umstritten (siehe dazu c)). “
Fremdheit liegt grds. vor, wenn es dem Interessenkreis eines anderen angehört. Dies kann sowohl objektiv als auch subjektiv erfolgen.
1) Objektiv-fremdes Geschäft
liegt vor, wenn das Geschäft bereits seinem Inhalt & seinem äußeren Erscheinungsbild nach in einen fremden Rechts- und Interessenkreis fällt
-> Das Geschäft ist offensichtlich fremd
Rechtsfolge: Der Fremdgeschäftsführungswille (c) wird vermutet
2) Auch-fremdes Geschäft
liegt vor, wenn das Geschäft (nach seiner äußeren Erscheinung) nicht nur dem Handelnden, sondern auch dem anderen zugute kommt (sog. "Handeln im Doppelinteresse") Rechtsfolge: Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens (str.)
3) Neutrales/ subjektiv fremdes Geschäft
liegt vor, wenn das Geschäft seiner Natur nach keinem Rechtskreis zuzuordnen ist, sondern seinen fremden Charakter durch den äußerlich erkennbaren Fremdgeschäftsführungswillen enthält
Rechtsfolge: Geschäftsführer muss den Fremdgeschäftsführungswillen beweisen
c) Fremdgeschäftsführungswille
„ ... müsste ferner mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben.
Fremdgeschäftsführungswille ist der Wille, ein fremdes Geschäft für einen anderen wahrzunehmen. “
Erfasst das Bewusstsein (kognitives Element) und den Willen (voluntatives Element), das Geschäft für einen anderen zu führen -> abgeleitet von § 687 BGB
1) Objektiv und subjektiv fremde Geschäfte (unstreitig)
Objektiv fremdes Geschäft = Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens
Widerlegbarkeit bei entsprechenden Anhaltspunkten, dass der Geschäftsführer in eigenem Interesse tätig geworden ist
Subjektiv fremdes Geschäft = Beweislast des Fremdgeschäftsführungswillens liegt beim Geschäftsführer
-> Wille, für einen anderen zu handeln, muss erkennbar nach außen in Erscheinung getreten sein
2) Auch-fremdes Geschäft (str.)
Rspr. und h.L.: Fremdgeschäftsführungswille ergibt sich in aller Regel aus den Umständen
-> Fremdgeschäftsführungswille wird auch hier vermutet
A.A.: Der Fremdgeschäftsführungswille muss erkennbar nach außen hervortreten, da der Geschäftsführer hier vermutlich alleine im eigenen Interesse handelt
-> Beweislast des Fremdgeschäftsführungswillens beim Geschäftsführer
Würdigung des Meinungsstreites:
Die h.M. hat dahingehend recht, dass sich der Fremdgeschäftsführungswille beim Auch-fremden Geschäft zumeist aus den Umständen ergibt.
Allerdings sind davon einige Fallgruppen ausgenommen, wo der Fremdgeschäftsführungswille problematisch ist.
Diese sind entsprechend gesondert zu behandeln.
Problemfälle:
Handeln des Geschäftsführers in Erfüllung eineröffentlich-rechtlichen Dienstpflicht
Rspr.: Fremdgeschäftsführungswille u.U. (+)
h.L.: Fremdgeschäftsführungswille (-), da sich der Geschäftsführer in derartigen Fällen nicht dem Willen des potentiellen Geschäftsherrn unterordnen will, sondern lediglich zur Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Dienstpflichten handelt. Zudem dürfen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Kostenerstattung nicht durch §§ 677ff. unterlaufen werden
Aufwendungen in Hinblick auf einen künftigen Vertragsschluss
§§ 677ff. (-)
Grund: Privatautonomie, kein Kontrahierungszwang
Leistung wird aufgrund eines nichtigen Vertrages erbracht
Rspr.: Fremdgeschäftsführungswille i.d.R. (+)
aber: (Im Falle der Nichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB) § 670 BGB (-), da der Geschäftsführer die Tätigkeiten, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, nicht für erforderlich halten darf
h.L.: Fremdgeschäftsführungswille (-)
der Leistende will lediglich seiner eigenen Verpflichtung nachkommen und die
Interessen des Vertragspartners dabei nicht fördern außerdem dürfen die §§ 812ff. nicht durch die §§ 677ff. unterlaufen werden
Selbstaufopferung im Stra ß enverkehr
-> A fährt mit seinem Auto gegen einen Baum, als er bemerkt, dass ein auf einem Fahrrad fahrendes Kind von dem Fahrzeug eines Dritten erfasst und auf seine Fahrspur gelenkt wird. h.M.: Fremdgeschäftsführungswille wird hier immer dann (und nur dann) vermutet, wenn der Kraftfahrer bei dem Unfall nicht haftbar gewesen wäre, da das Ausweichen sonst alleine im Interesse des Kraftfahrers läge (anders also z.B. wenn der Kraftfahrer durch Benutzen seines Handys abgelenkt gewesen wäre und nur dadurch das Kind auf seiner Spur nicht bemerkt hätte)
Allerdings: Nach geltendem Recht kann sich ein Kraftfahrzeughalter gem. § 7 II
StVG nur noch mit "höherer Gewalt" entlasten, was in den wenigsten Fällen gegeben
sein wird (eine andere Konstellation ist gegeben, wenn nicht der Halter selbst, - § 7 StVG -
sondern eine andere Person als der Halter = Führer i.S.v. § 18 StVG, das Fahrzeug lenkt. Dann ist die Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn der Unfall nicht durch ein (vermutetes) Verschulden des Führers verursacht wurde)
Merke: dieses Problem sollte wohl schon im Rahmen der Fremdheit des Geschäfts
angesprochen werden, da sich dort schon die Frage auftut, ob es sich um ein Eigengeschäft handelt oder nicht. Handelt es sich um ein Eigengeschäft, muss schon die Fremdheit verneint werden.
Exkurs: in derartigen Fällen, wo oft eine Beteiligung Minderjähriger vorliegt, ist umstritten, ob § 828 II entsprechend auf §§ 677ff. angewandt wird.
Pro § 828 II: - bei Nichtanwendung: Umgehung des Minderjährigenschutzes des Deliktsrechts
- Einheit der Rechtsordnung
- Soweit die unterschiedliche Beurteilung aus dem Unterschied zwischen Aufwendungen und Schäden hergeleitet wird, lässt sich sagen, dass ausschlaggebend für Aufwendungsersatz weiterhin der Schaden ist („risikoadäquater Schaden“)
Contra § 828 II: - GoA und §§ 823ff. haben unterschiedliche Rechtsfolge (Unterscheidung Aufwendungen -
Schaden)
- bei Selbstaufopferung außerhalb des Straßenverkehrs wird über Ausschluss der Regeln der GoA nicht diskutiert, warum sollte etwas anderes im Straßenverkehr gelten
d) Ohne Auftrag/ sonstige Berechtigung
„ Ein Auftrag oder eine sonstige Berechtigung a. sind vorliegend nicht ersichtlich.
b.könnten vorliegend in … bestehen. “
Es darf keine rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn in Bezug auf die Ausführung des Geschäfts bestehen. Erfasst wird nicht nur der Auftrag i.S.d. § 662, sondern jedes Rechtsgeschäft.
[...]
- Quote paper
- Simon Fischer (Author), 2014, Überblick über Geschäftseigenschaften und Rechtsfolgen der Geschäftsführung ohne Auftrag, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/284843