Aimé Césaire, geboren im Jahr 1913 in Basse-Pointe, Martinique, war in seiner Rolle als Politiker, aber auch als Dichter und vor allem als Vordenker einer antikolonialistischen Bewegung (la Négritude) prägend für die kulturelle und politische Entwicklung der Antillen. Édouard Glissant, geboren 1928 in Bezaudin, ebenfalls Martinique, entwickelte eine eigene Philosophie, die sich unter anderem auch an Césaire orientierte. Dabei geht es nicht nur im begrenzten Rahmen um die Frage der kulturellen Identitätssuche in der Karibik, sondern um eine Kulturtheorie, die Glissant auf die ganze Welt anwendet und dabei zum Teil die heutige Auffassung von Identität gänzlich in Frage stellt. In seinen zentralen Werken, wie etwa "Le Discours antillais" (1981) oder "Poétique de la Relation" (1990) prägt Glissant neue Begriffe, wie etwa die der Créolisation, Relation, Identité, Rhizom und Chaos-monde. Auch wenn die Begriffe und Theorien Glissants weitergehend sind und teilweise den Ansätzen Césaires möglicherweise sogar widersprechen, kann von einer gegenseitigen Beeinflussung beider Autoren ausgegangen werden. [...]
Im Folgenden sollen nun zunächst die zentralen Begriffe Édouard Glissants anhand von ausgewählten Abschnitten seiner Werke erläutert werden. Hierzu orientiere ich mich in erster Linie an der 1996 erschienenen Introduction à une poétique du Divers, eine Zusammenfassung einer Vortragsreihe Glissants, bestehend aus vier Vorträgen, die sich insbesondere mit dem Thema Kultur und Identität auseinandersetzen. Hinzu kommen zentrale Werke wie der Discours antillais (1981) und Poétique de la Relation (1990). Anschließend wende ich mich Césaires Négritude zu, die der Antillanité und Créolisation Glissants vorausging. Zur Verdeutlichung wird ein Theaterstück Césaires, eine Bearbeitung von Shakespeares "The Tempest" (1623) mit dem Titel "Une Tempête" (1969), herangezogen und schließlich Ansätze zu Glissants Theorien in Césaires Werk untersucht. Es soll unter anderem beobachtet werden, inwieweit Césaire die theoretische Grundlage für Glissants Überlegungen lieferte, welche Gemeinsamkeiten vorhanden sind, aber auch in welcher Weise sich die philosophischen Überlegungen beider Autoren unterscheiden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Glissants Ausgangspunkt: Die Karibik und der amerikanische Kontinent
I.1. Meso-, Euro- und Neo-Amerika und die Besiedlung
I.2. Die Kreolisierung in der Karibik
I.3. Das Denken der Spur
I.4. Kreolisierung und Vielfalt: Gleichwertige Elemente werden in Beziehung zueinander gesetzt
I.5. Kreol und Kreolsprachen
I.6. Alteingesessene und komplexe Kulturen
I.7. Das Rhizom als Gegenstück zur einzelnen Wurzel
I.8. Konflikte im Zuge der verschiedenen Auffassung von Identität
I.9. Die Chaos-Welt
I.10. Das Systemdenken gegenüber dem poetischen Denken
II. Aimé Césaire und die Négritude
II.1. Une tempête: ein Theaterstück der Négritude
III. Césaire als Vordenker für Glissants Antillanité
Resumée
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