Einleitung
In der folgenden Arbeit versuche ich, religiöse Motive aus „El burlador de Sevilla“ herauszuarbeiten und auf dem historisch-kanonisch und sozialem Hintergrund zu beleuchten. In letzter Zeit wurde die Frage, wer denn nun den „Burlador“ geschrieben habe, wieder aufgeworfen. Da dies nicht Thema der Arbeit ist, und noch keine eindeutigen Forschungsergebnisse dazu vorliegen, wird der Bezug zum Autor in der Arbeit möglichst gering gehalten. Dennoch können viele Daten, zum Beispiel über den religiösen Hintergrund Tirso de Molinas, auch für den „wirklichen“ Autor angenommen werden. Das Werk folgt einem einfachen Schema: Don Juan versündigt sich an Gott und der Gesellschaft, setzt sich über alle herrschenden Normen hinweg und muss dafür schließlich in der Hölle schmoren. Sämtliche Warnungen seiner Mitmenschen, er werde nach dem Tod dafür büßen, schlägt er stets mit dem Satz „Tan largo me lo fiáis“ in den Wind. Im Leben kann er sich noch aufgrund seiner sozialen Stellung vor der Strafe davon stehlen. Erst im Tod holen ihn seine Sünden ein. Auch die finale Konfession vermag seine Verdammung nicht mehr abzuwenden. Zusammen mit dem göttlichen Rächer, Don Gonzalo, verbrennt er in den Flammen der Hölle.
Inhalt
Einleitung
1. Historischer, soziologischer und religiöser Hintergrund
1.2 Das Drama als symbolisches Opfer
1.3 Das Werk als Teil einer Gegenbewegung zum Protestantismus
1.4 Unterschiede zwischen katholischer und protestantischer Lehre
1.5 Das Problem der heimlichen Hochzeiten
2. Bezug zum Werk
2.1 Die Sünden Don Juans
2.1.1 Verzeihliche Jugendsünden
2.1.2 Die Verführungen Don Juans
2.1.2 Stellung des Autors zu den heimlichen Hochzeiten
2.2 Tan largo me lo fiáis
2.3 Die Korruptheit der irdischen Justiz
2.4 Die Justicia Divina
3. Konklusion
Literatur
Einleitung
In der folgenden Arbeit versuche ich, religiöse Motive aus „El burlador de Sevilla“ herauszuarbeiten und auf dem historisch-kanonisch und sozialem Hintergrund zu beleuchten. In letzter Zeit wurde die Frage, wer denn nun den „Burlador“ geschrieben habe, wieder aufgeworfen. Da dies nicht Thema der Arbeit ist, und noch keine eindeutigen Forschungsergebnisse dazu vorliegen, wird der Bezug zum Autor in der Arbeit möglichst gering gehalten. Dennoch können viele Daten, zum Beispiel über den religiösen Hintergrund Tirso de Molinas, auch für den „wirklichen“ Autor angenommen werden.
Das Werk folgt einem einfachen Schema: Don Juan versündigt sich an Gott und der Gesellschaft, setzt sich über alle herrschenden Normen hinweg und muss dafür schließlich in der Hölle schmoren. Sämtliche Warnungen seiner Mitmenschen, er werde nach dem Tod dafür büßen, schlägt er stets mit dem Satz „Tan largo me lo fiáis“ in den Wind. Im Leben kann er sich noch aufgrund seiner sozialen Stellung vor der Strafe davon stehlen. Erst im Tod holen ihn seine Sünden ein. Auch die finale Konfession vermag seine Verdammung nicht mehr abzuwenden. Zusammen mit dem göttlichen Rächer, Don Gonzalo, verbrennt er in den Flammen der Hölle.
1. Historischer, soziologischer und religiöser Hintergrund
1.2 Das Drama als symbolisches Opfer
Arias[1] vergleicht die Opferrituale der Kirche mit einem „Sündenbockmechanismus“. Sündenböcke sichern das Funktionieren einer Gesellschaft. Den Mitgliedern der Gesellschaft wird ein Subjet von beispielhafter Abweichung von der Norm vor Augen geführt. Die eigenen Werte werden dadurch abgegrenzt und scharf definiert. Das Opfer, das durch seine Taten Unordnung stiftet und mit gesellschaftlichen Normen bricht, stellt erst durch seinen Tod die Ordnung wieder her. So dient der Verursacher der Störung durch dessen Verdammung zur Wiederherstellung der Ordnung. Die Situation wird kontrollierbar und wirkt affirmativ für den Beobachter des Rituals. Bei der Opferung projizieren die Mitglieder der Gesellschaft ihre eigene Schuld auf das Opfer, das ja im Gegensatz zu den eigenen Sünden viel schlimmere Schandtaten begangen hat. Durch die Projektion und anschließende Tötung verfliegt die eigene Schuld. Dabei werden die Werte und Normen, die das Opfer gebrochen hat, bestätigt. Rituelle Opferungen sind von ihrem ursprünglichen Sachverhalt losgelöst, doch der immer wieder kehrende Sündenbockprozess führt zu einer regelmäßigen Bestätigung. In der Bibel wird dieser Opferprozess mehrfach dargestellt. Die Vertreibung des Sündenbockes, dem alle Sünden aufgeladen werden[2] oder die Anweisungen für das Sühneopfer, das erbracht werden soll, wenn jemand gegen die Gebote Gottes verstoßen hat[3], sind nur einige Beispiele dafür. Auch das Abendmahl ist ein Opferritual. Die Einnahme der Oblate und des Weines erinnert an den Tod Jesu, der die Sünden aller Menschen auf sich genommen und sich für sie geopfert hat.[4] In fortgeschrittenen Kulturen manifestiert sich dieser Prozess in verschiedenen Kulturleistungen, wie zum Beispiel auch in der Literatur und in diesem Fall im Drama.
1.3 Das Werk als Teil einer Gegenbewegung zum Protestantismus
Das Werk „El burlador de Sevilla“ ist in Bezug auf seinen historischen Hintergrund zu betrachten. Mit der Ausbreitung der Reformation entstanden in Europa, vor allen Dingen in Spanien, viele Gegenbewegungen. Offiziel wurden die aufgeworfenen Fragen im Konzil von Trient behandelt. Themen wie Gewalt, Sexualität, Mord und Inzest, die die kanonische Zensur aus den Texten des Konzils entfernt hatte, mussten außerhalb der offiziellen Kirchendoktrin behandelt werden. Die Gesellschaft musste sich neu und in Abgrenzung zum Protestantismus definieren. In Spanien geschah dies vor allen Dingen im Drama, das im Siglo de Oro einen unvergleichlichen Aufstieg erfuhr.[5]
Eine enge Verbindung zwischen Religion und Drama ist nicht zu leugnen. Don Juan führt ein lasterhaftes Leben. Mit dem Satz „Tan largo me lo fiáis“ bestätigt er immer wieder seine Unbekümmertheit und sein allzu großes Gottvertrauen. Am Ende muss er dafür bezahlen, und die „Justicia Divina“ fordert ihren Tribut.
1.4 Unterschiede zwischen katholischer und protestantischer Lehre
Ein Widerspruch des Christentums, den Protestantismus und Katholizismus auseinandertrieben, ist die Annahme, dass Gott allwissend und allmächtig sei, der Mensch aber einen freien Willen besitze. Nach Luther ist der Mensch durch und durch böse, sein freier Wille korrupt. Alle Handlungen, die von diesem Willen stammen sind also auch böse. Luther ist der Meinung, dass gute Werke keinen Einfluss auf das Heil haben. Der Glaube sei für die Errettung entscheidend. Allerdings habe Jesus sich auch nicht für alle Menschen geopfert, sondern nur für eine Gruppe von göttlich Auserwählten. Nur mit Gottes Gnade könne der freie Wille Sünden abwenden, ja sogar scheinbare Sünden der Ausgewählten müssen keine Sünden sein. Um in Verbindung mit Gott zu treten, bedarf es keiner Geistlichen, sondern jedem ist die Möglichkeit gegeben, eine individuelle Verbindung herstellen.
Die katholische Kirche versuchte, im Konzil von Trient eine klare Gegenposition zu beziehen. Die Errettung aller Menschen sei durch Gottes Willen möglich. Verdammung sei die Konsequenz eines sündenhaften Lebens. Niemand könne allerdings wissen, ob er verdammt oder errettet wird. So müsse sich jeder Mensch durch gute Taten um das Heil bemühen, immer in der Hoffnung, am Ende ein möglichst sündenfreies Leben geführt zu haben.[6]
1.5 Das Problem der heimlichen Hochzeiten
Heimliche Hochzeiten, die nur auf der Zustimmung der beteiligten Eheleute ohne Zeugen beruhten, waren in Europa bis ins 16. Jahrhundert allgemein anerkannt.[7]
Erst mit dem Konzil von Trient wurde die Ehe offiziel von der Kirche institutionalisiert. Doch die jahrhunderte alte Tradition, die ihren Ursprung im römichen Recht fand, war nicht von einem Tag auf den anderen aus der Gesellschaft zu verbannen. Problematisch dabei war, dass sich so mehrere Ehen gleichzeitig ergeben konnten. Inzest sowie Ehebruch waren leichter zu realisieren und unterlagen keinen direkten Sanktionen. Das Dokument Tametsi,[8] verfasst während des Trienter Konzils, schrieb vor, dass für Hochzeiten ein offizieller Vertrag abgeschlossen werden müsse, der nur mit Pfarrer und Trauzeugen Gültigkeit hätte. Die Umsetzung dieser Regelung erwies sich als schwierig. In manchen Gemeinden wurde sie gar nicht erst ausgerufen, in anderen wurde praktisch weiter die alte Gewohnheit gepflegt. Die Kirche missbilligte jedoch seitdem diese Art von Hochzeiten.
Wer auch immer „el burlador de Sevilla“ geschrieben hat, unzweifelhaft ist doch, dass der Autor sich Gedanken über religiöse Themen machte und klar Position für die katholische Doktrin bezieht.[9] In diesem Sinne ist er auch um das Problem der heimliche Hochzeiten besorgt.
2. Bezug zum Werk
In dem von Sündenfällen und moralischen Übertritten gefülltem Werk hat der Leser genug Raum, seine Empörung gegenüber Don Juan zunächst zu entwickeln, um dann ebenso hämisch wie bestätigt die schließliche Verdammung zu erleben. Nach dem Prinzip von Arias handelt es sich hier um einen typischen Fall symbolischer Opferung. Für den zeitgenössischen Leser muss die Lektüre des Werkes einen stark identitätsstiftenden Charakter gehabt haben und eine klare Positionierung zum Katholizismus zur Folge gehabt haben.
2.1 Die Sünden Don Juans
2.1.1 Verzeihliche Jugendsünden
Gleich zu Beginn des Werkes zeigt Don Juan seine zynische Einstellung gegenüber den Werten und der Nomenklatur der Gesellschaft. Formalismen und somit auch Regeln sind ihm zuwider.
Don Juan ¿Quién soy? Un hombre sin nombre.[10]
Er ist ein wahrhaftes Beispiel der Normabweichung. Der „Burlador“ ist ein Opportunist. Erst als es ihm zum Vorteil gereicht, nämlich nachdem aufgedeckt wurde, dass er sich heimlich mit Isabela getroffen hatte, gibt er sich seinem Onkel zu erkennen.
Rey Di quién eres.
Don Juan [..]Tu sobrino.[11]
Schon seine erste Verführung erreicht er nur durch Lügen und Betrug.
Don Juan Fingí ser el Duque Octavio. [12]
An dieser Stelle bereits könnte das Werk ein rasches Ende nehmen. Don Juan hat gesündigt, und der König fordert „préndedle“[13]. Doch dem Protagonisten wird noch eine Chance eingeräumt, und Gott lässt durch den Onkel Don Pedro Gnade vor Recht walten, was wie eine Warnung erscheint. Noch besteht für Don Juan die Möglichkit, sich von seinem lasterhaften Leben abzukehren.
2.1.2 Die Verführungen Don Juans
Für seine Verführungen bedient sich der „burlador“ zweier Strategien[14]:
Bei den Damen des Hochadels schleicht er sich ein, indem er in die Rolle des jeweiligen Liebhabers schlüpft. Bei den einfachen Frauen profitiert er von seiner Herkunft und seiner Verführerkunst. Auch nutzt er das Prinzip der Heirat allein durch Zustimmung der Eheleute für seine Zecke aus.
Ripio, der Diener Octavios, ist auch der Meinung, dass nur die gegenseitige Liebe für eine Hochzeit reiche. Es ist anzunehmen, dass die Trienter Beschlüsse zuerst in den höheren Schichten akzeptiert wurden.[15] Ripio verhält sich damit seiner Schicht entsprechend. Der Edelmann Don Octavio jedoch spricht sich dagegen aus. Das Konzept der nicht institutionalisierten Hochzeit wird abgewertet. Solche Hochzeiten seien etwas für Laien und Waschfrauen.
Ripio Mas, si los dos os queréis
con una misma igualdad,
dime,¿hay más dificultad
de que luego os deposéis?
Octavio Eso fuera, necio, a ser
de lacayo o lavandera
la boda[16]
Obwohl es Don Juan war, der als Octavio verkleidet in den Palast eingedrungen war und Isabela „heimlich“ geheiratet und verführt hatte, deckt sein Onkel Pedro ihn und beschuldigt den Duque Octavio.
Pedro: Es el Duque Octavio
el que gozó con mano de esposo
la gozó.[17]
Die familiäre Beziehung zu Don Juan und das Bangen um seine Karriere[18] bringen ihn dazu, einen Falschen anzuschuldigen. Octavio selbst weiß, dass Isabela nicht ihn geheiratet haben kann. Dennoch muss er sich der Autorität wider der Wahrheit beugen. Dem beschuldigten Octavio bleibt nur die Flucht. Hier kündigt sich schon die Unfähigkeit der irdischen Justiz an.
Als viel später im Werk der Betrug Don Juans aufgedeckt wird, wird dieser, wie vom König verordnet, offiziel designierter Bräutigam Isabelas. Diese zwischen den Eheleuten durch beidseitiges Einverständnis geschlossene Hochzeit muss also vollzogen werden. Auf die Verlobung muss die Hochzeit folgen.
[...]
[1] Arias (1990), s. 364-366.
[2] 3. Buch Moses, 16,20
[3] „Wenn jemand versehentlich gegen ein Gebot des Herrn verstößt, [...] muss er dem Herrn ein Sühneopfer, einen jungen, fehlerfreien Stier bringen“ 3. Buch Moses, 4, 2-3. Anmerkung: Mit einem fehlerfreien Stier ist Don Juan freilich nicht zu vergleichen. Dennoch ist das Opferritual ähnlich.
[4] „Nehmt und esst, das ist mein Leib, [...] das ist mein Blut, das für alle Menschen vergossen wird zur Vergebung ihrer Schuld“, Matthäus 26, 27-28.
[5] Sullivan (1976), S. 19 ff.
[6] Ebenda, S. 29.
[7] Siehe dazu: Peña García (2001), S. 259-263.
[8] Aznar (1985), S. 394.
[9] im Laufe der Arbeit werden die religiösen Prinzipien dargestellt.
[10] „El burlador de Sevilla“, 1992, I. v. 15.
[11] Ebenda, I., vv. 53-55.
[12] Ebenda, I., v. 71.
[13] Ebenda, I., v. 37.
[14] Peña García, (2001), S. 256.
[15] Ebenda, S. 262.
[16] vgl. „El burlador de Sevilla“, I., vv. 227-233.
[17] Ebenda, I., v,. 309-311.
[18] „Il ne songe qu’à sa carrière compromise“ Maurel, S. 562
Don Pedro Perdido soy si el rey sabe
Este caso.¿Qué he de hacer?
„El burlador de Sevilla“ (1992), I., vv. 73-74.
- Arbeit zitieren
- Jost Fromhage (Autor:in), 2003, Religiöse Motive in 'El burlador de Sevilla' und deren gesellschaftliche Funktion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28277
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