Unter dem Begriff Naturalismus lassen sich allgemein formuliert alle diejenigen künstlerischen Strömungen zusammenfassen, deren Anliegen es ist, die Wirklichkeit naturgetreu wiederzugeben. Im engeren Sinne bezeichnet dieser Begriff eine literarische Strömung, die sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in Europa
verbreitete. Ihre Anhänger verstanden sich als Repräsentanten der künstlerischen Moderne. Sie wollten die Kunst – und insbesondere die Literatur - revolutionieren.
Etwa ab 1880, d. h. rund acht Jahre vor dem Regierungsantritt Kaiser Wilhelms II. (1888), meldete sich in Deutschland eine neue Generation rebellischer Schriftsteller zu Wort. Sie riefen dazu auf, mit einer ihrer Meinung nach überholten traditionellen Kunstauffassung gründlich aufräumen, die das Gute, Wahre und Schöne in der Literatur verherrlicht hatte, anstatt die Wirklichkeit so darzustellen wie sie ist. Nach ihrer Auffassung war die Wirklichkeit ästhetisiert und verklärt worden, beispielsweise bei den von ihnen verachteten „bürgerlichen Realisten“ Gottfried Keller, Theodor Storm, Wilhelm Raabe und Theodor Fontane. Nach ihrem eigenen Verständnis waren sie die „konsequenten Realisten“, die sich von der älteren Generation, die auf halbem Wege stehen geblieben war, um jeden Preis absetzen und einer beschönigenden Wirklichkeitsdarstellung ein für allemal den Riegel vorschieben wollten. Wie die Stürmer und Dränger im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, die gegen die Generation ihrer Väter rebelliert hatten, um sich von einem überkommenen Regelkanon zu befreien, forderten und verkündeten sie eine ästhetische Revolution. Mit Blick auf die Jungdeutschen von 1830, die für den Liberalismus und für demokratische Freiheiten eingetreten waren, bezeichneten sie sich auch als „Jüngstdeutsche“.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitender Überblick
- Der zeitgeschichtliche Hintergrund
- Die Programmatik des Naturalismus
- Die literarischen Gattungen im Naturalismus
- Lyrik
- Prosa
- Dramatik
- Abkehr vom Naturalismus
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit verfolgt das Ziel, die literarische Bewegung des Naturalismus im späten 19. Jahrhundert in Deutschland zu untersuchen. Sie beleuchtet die historischen und philosophischen Wurzeln des Naturalismus, seine Programmatik und seinen Einfluss auf verschiedene literarische Gattungen. Die Abkehr vom Naturalismus und seine Bedeutung für die Entwicklung der Moderne werden ebenfalls thematisiert.
- Der Einfluss der Naturwissenschaften auf die Literatur
- Die ungeschminkte Darstellung der sozialen Realität
- Der gesellschaftliche Kontext des Naturalismus
- Die verschiedenen literarischen Gattungen im Naturalismus
- Die Rezeption und Kritik des Naturalismus
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitender Überblick: Dieses Kapitel bietet eine allgemeine Einführung in den Naturalismus als künstlerische Strömung, die sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in Europa verbreitete. Es beschreibt die Ziele der Naturalisten, ihre Ablehnung traditioneller Kunstauffassungen und ihren Anspruch auf eine ungeschminkte und kompromisslose Darstellung der Wirklichkeit, im Gegensatz zu den „bürgerlichen Realisten“. Der Begriff „Jüngstdeutsche“ wird eingeführt und der Kontext des raschen Wandels und der vielfältigen Stilrichtungen der Epoche wird beleuchtet. Der Fokus liegt auf der schonungslosen Wiedergabe der Realität basierend auf genauer Beobachtung, angelehnt an naturwissenschaftliche Methoden und dem Verständnis des Menschen als Naturwesen, dessen Leben durch Erbanlagen und gesellschaftliche Umgebung bestimmt wird. Die zunehmende Industrialisierung, das Städtewachstum und die damit verbundene Verelendung der Bevölkerung werden als wichtige Hintergrundfaktoren hervorgehoben.
Der zeitgeschichtliche Hintergrund: Dieses Kapitel beleuchtet den sozio-politischen Kontext des Naturalismus. Es beschreibt die bestehenden Sozialstrukturen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und den Wandel nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1871. Das enorme Städtewachstum, die Proletarisierung und die damit einhergehenden sozialen Probleme wie Armut, Alkoholismus, Krankheit, Gewalt und Kriminalität werden als zentrale Themen der naturalistischen Literatur hervorgehoben. Der Einfluss der Reichsgründung und die Reaktionen der gesellschaftlichen Eliten auf die naturalistische Literatur werden diskutiert, inklusive der Kritik an der "Rinnsteinkunst" und dem Verdacht der Naturalisten, Verbündete des Proletariats zu sein.
Schlüsselwörter
Naturalismus, Literatur, 19. Jahrhundert, Deutschland, Naturwissenschaften, Sozialkritik, Realismus, Moderne, Gerhart Hauptmann, Emile Zola, Gesellschaft, Proletariat, Industrialisierung, „Jüngstdeutsche“, Wirklichkeitsdarstellung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Naturalismus im späten 19. Jahrhundert
Was ist der Inhalt dieses Textes?
Dieser Text bietet einen umfassenden Überblick über den Naturalismus als literarische Bewegung im späten 19. Jahrhundert in Deutschland. Er beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, eine Zielsetzung mit Themenschwerpunkten, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter. Der Text analysiert die historischen, philosophischen und gesellschaftlichen Hintergründe des Naturalismus, seine Programmatik und seinen Einfluss auf verschiedene literarische Gattungen (Lyrik, Prosa, Dramatik). Besondere Aufmerksamkeit wird der Abkehr vom Naturalismus und seiner Bedeutung für die Entwicklung der Moderne gewidmet.
Welche Themen werden im Text behandelt?
Der Text behandelt folgende zentrale Themen: den zeitgeschichtlichen Hintergrund des Naturalismus (inkl. Sozialstrukturen, Industrialisierung, Städtewachstum und der Deutsch-Französische Krieg von 1871), die Programmatik des Naturalismus (seine Ziele, Methoden und die Ablehnung traditioneller Kunstauffassungen), den Einfluss der Naturwissenschaften auf die Literatur, die ungeschminkte Darstellung der sozialen Realität (Armut, Alkoholismus, Krankheit etc.), den gesellschaftlichen Kontext des Naturalismus, die verschiedenen literarischen Gattungen im Naturalismus und die Rezeption und Kritik des Naturalismus (inkl. der Bezeichnung "Rinnsteinkunst").
Welche Kapitel sind enthalten und worum geht es in ihnen?
Der Text umfasst Kapitel zu einem einleitenden Überblick über den Naturalismus, dem zeitgeschichtlichen Hintergrund, der Programmatik des Naturalismus, den literarischen Gattungen im Naturalismus (Lyrik, Prosa, Dramatik) und der Abkehr vom Naturalismus. Der einleitende Überblick beschreibt den Naturalismus als Strömung, seine Ziele und die kompromisslose Darstellung der Wirklichkeit. Das Kapitel zum zeitgeschichtlichen Hintergrund beleuchtet den sozio-politischen Kontext, das Städtewachstum, die sozialen Probleme und die Reaktionen der Gesellschaft auf die naturalistische Literatur. Die Kapitel zu Programmatik und literarischen Gattungen vertiefen die jeweiligen Aspekte des Naturalismus.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren den Text?
Schlüsselwörter sind: Naturalismus, Literatur, 19. Jahrhundert, Deutschland, Naturwissenschaften, Sozialkritik, Realismus, Moderne, Gerhart Hauptmann, Emile Zola, Gesellschaft, Proletariat, Industrialisierung, „Jüngstdeutsche“, Wirklichkeitsdarstellung.
Welche Zielsetzung verfolgt der Text?
Der Text hat zum Ziel, den Naturalismus im späten 19. Jahrhundert in Deutschland zu untersuchen. Er beleuchtet die historischen und philosophischen Wurzeln, die Programmatik und den Einfluss auf verschiedene literarische Gattungen. Die Abkehr vom Naturalismus und seine Bedeutung für die Entwicklung der Moderne werden ebenfalls thematisiert.
Für wen ist dieser Text relevant?
Dieser Text ist relevant für Studierende der Literaturwissenschaft, Germanistik und Geschichte, die sich mit dem Naturalismus auseinandersetzen. Er eignet sich auch für alle, die sich für die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts und die gesellschaftlichen Bedingungen dieser Epoche interessieren.
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- Hans-Georg Wendland (Author), 2014, Die Literatur des Naturalismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280185