Die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonventionen durch den Deutschen Bundesrat am 26.03.2009 hat die Inklusion Behinderter in alle gesellschaftlichen Bereiche verbindlich gemacht. Artikel 24 der UN-Konventionen hat das Recht auf Chancengleichheit und individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen (Art. 24, 2e) für eine bestmögliche Entwicklung von Menschen mit Behinderung festgeschrieben und die Diskriminierung bzw. Benachteiligung Behinderter durch den Ausschluss vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen. Diese Verbindlichkeit der Einbindung Behinderter hat für die deutsche Bildungslandschaft weitreichende Konsequenzen. Bedeutet es doch, dass sie ihren Hang zu Homogenität zugunsten der Heterogenität aufgeben muss.
Prengel forderte schon zu Beginn der 1990er Jahre in „Pädagogik der Vielfalt“ (Prengel, 2006) eine Anerkennung der Heterogenität und damit die Aufgabe des Homogenitätsansatzes und der damit verbundenen Kategorisierung von Menschen in behindert/nichtbehindert, weiblich/männlich oder nach kultureller Herkunft. Sie setzte Verschiedenheit mit dem Begriff Gleichberechtigung in Verbindung und entwi-ckelte 17 Thesen mit dem Ziel, die je besonderen Lern- und Lebensmöglichkeiten der Menschen durch gleichberechtigten Zugang zu Bildung zu entfalten.
Jedoch nicht nur institutionelle Hindernisse gefährden die Entwicklung eines behinderten Menschen. Das Stigma Behinderung, d.h. die Stigmatisierung, die mit der Zuschreibung negativer persönlicher Merkmale oder Eigenschaften durch andere, nicht behinderte Menschen einhergehen, kann die Entwicklung Behinderter ausbremsen bzw. zur Stagnation führen. Hier müssen Gesellschaft und Schule rechtzeitig eingreifen, um langfristige Schäden wie bspw. das eigene Empfinden als deviant von den Behinderten abzuwenden.
Die Autorin dieser Arbeit geht als betroffene Mutter eines sechzehnjährigen Jungen mit hochgradigem frühkindlichem Autismus (Kanner-Autismus) der Frage nach,
welchen Stigmatisierungen Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen in der
Schule ausgesetzt sind und wie diese verhindert werden können.
Hierzu werden zunächst die Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) und die Stigmatisierungstheorie nach Goffmann beleuchtet. In Kapitel 3 wird auf die Selektions- und Allokationsfunktionen des deutschen Schulwesens hingewiesen, um darzulegen, warum bei Menschen mit ASS die Vorbereitung für eine Berufseinmündung schon sehr frühzeitig in der Schule einsetzen muss. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffserklärung
2.1 Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)
2.2 Stigmatisierungstheorie nach Goffman
3. Menschen mit ASS in der Schule
3.1 Die Selektions- und Allokationsfunktion des deutschen Schulwesens
3.2 ASS und Schule
3.2a Das inklusive Setting in der Regelschule
4 Das Stigma Autismus-Spektrum-Störungen und seine Auswirkungen auf die Identität
5 Ent-Stigmatisierung
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Merkmale der autistischen Störungen
Tab. 2: Streuung der Schüler mit ASS auf verschiedene Schularten in Niedersachsen
Anhang
Die 17 Thesen der Pädagogik der Vielfalt von A. Prengel
Komponenten eines Konzepts zur erfolgreichen beruflichen Teilhabe
Gelingensbedingungen schulischer Förderung
Selbstbild, vermutetes Fremdbild und Fremdbild werden miteinander in Beziehung gesetzt und zur Identität trianguliert
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