Phänomenalerweise, ob bei der Bundestagswahl 1983, 1987 oder auch 1990 vollzog sich wenige Monate vor diesen Wahlen ein eigenartiger Stimmungsumschwung. Defizite beim politischen Herausforderer, ein unbeirrbarer Optimismus beim Kanzler, ein für politische Parteien, gleich welcher Couleur, fast schon obligates Versprechen von Heilserwartungen, die nach der Wahl relativiert bzw. zurückgenommen werden, gepaart mit einer nicht unbedeutenden Portion Fortune bewirkten schließlich den phänomenalen Aufstieg des Kanzlers und seiner Partei aus den Niederungen der demoskopischen Talsohle. Wenige Wochen vor der Wahl mutierte der prognostizierte Machtwechsel zur geplatzten Seifenblase, der Sieg der regierenden christlich-liberalen Koalition geriet zum Selbstläufer.
Gleiches scheint sich mit nahezu gesetzmäßiger Regelmäßigkeit auch 1994 zu wiederholen.
Volker Brand
Bundestagswahl 1994
Eine kritische Bestandsaufnahme der politischen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Situation in der Bundesrepublik nach 12 Jahren christlich-liberaler Koalition
Essay
GRIN Verlag
1. Auflage 1994
2. Auflage GRIN Verlag 2014
Alea iacta est - oder besser: die Würfel scheinen gefallen. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl 1994 alles wie gehabt, das gleiche, typische Szenario wie in der gesamten Kohl-Ära: Das Volk amüsiert sich jahrelang über seinen Kanzler, nimmt ihn nicht ernst, hadert mit seiner Politik und wettert über die politischen Fettnäpfchen, in denen er in tumber Manier in schöner Regelmäßigkeit zu versumpfen scheint. Folgerichtig wird seine Regierung von den Demoskopen – nicht selten auch bei Landtagswahlen – mit dramatischen Popularitätsverlusten belegt.
Notabene handelt es sich hierbei jedoch nur um Zwischenresultate. Phänomenalerweise, ob bei der Bundestagswahl 1983, 1987 oder auch 1990 vollzog sich wenige Monate vor diesen Wahlen ein eigenartiger Stimmungsumschwung. Defizite beim politischen Herausforderer, ein unbeirrbarer Optimismus beim Kanzler, ein für politische Parteien, gleich welcher Couleur, fast schon obligates Versprechen von Heilserwartungen, die nach der Wahl eh relativiert bzw. zurückgenommen werden, gepaart mit einer nicht unbedeutenden Portion Fortune bewirkten schließlich den phänomenalen Aufstieg des Kanzlers und seiner Partei aus den Niederungen der demoskopischen Talsohle. Wenige Wochen vor der Wahl mutierte der prognostizierte Machtwechsel zur geplatzten Seifenblase, der Sieg der regierenden christlich-liberalen Koalition geriet zum Selbstläufer.
Gleiches scheint sich mit nahezu gesetzmäßiger Regelmäßigkeit auch jetzt zu wiederholen. Obschon die Chancen auf einen Regierungswechsel aufgrund von Problemen, Defiziten und Pannen, insbesondere bei der Gestaltung der deutschen Einheit, bis vor wenigen Monaten kaum günstiger beurteilt worden sind, breitet sich bei denjenigen, die auf einen personifizierten Wandel der politischen Kultur hoffen, lähmendes Entsetzen aus. Aus der Karikatur Kohl entpuppt sich sukzessive, zumindest für die Medien, die Wahlkampflokomotive Kohl, deren Erfolgsrezept dem interessierten Zuschauer trotz diverser dargebotener Erklärungsansätze allerdings weitgehend verborgen bleibt.
Aber korrespondiert die Zustimmung für den Kanzler tatsächlich mit der Bilanz seiner Arbeit? So erhellt bereits ein flüchtiger Blick auf die Aktiva der Kohlschen Administration, dass an Argumenten gegen diese Regierung, gemessen am sozio - kulturellen Zustand der bundesdeutschen Gesellschaft, wahrlich kein Mangel besteht.
Die wirtschaftliche und soziale Lage in der Bundesrepublik
Betrachtet man beispielsweise die ökonomische Ebene, so sind Krisenerscheinungen unverkennbar. Ein Millionenheer an Arbeitslosen, darunter in steigendem Maße Langzeitarbeitslose, eine inzwischen in die Billionen gehende Staatsverschuldung, eine sich nur langsam aus dem roten Bereich berappelnde Konjunktur, all diese Indikatoren bewegen sich dabei ebenso auf Rekordniveau wie die Summe der Steuern und Abgaben, die der einzelne Bürger zu tragen hat.
Dabei haben sich gewichtige Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Treibens in nahezu der gesamten Kohl-Ära als sehr günstig erwiesen. So hat die vom Anspruch her unabhängige deutsche Bundesbank ihre Währungshüterfunktionen viel stärker als beispielsweise in den 70er Jahren mit der Bundesregierung abgestimmt. Als ausgesprochen günstig muß in diesem Kontext ebenso die Entwicklung der Rohstoff- und hier insbesondere der Öl- und Gaspreise Erwähnung finden. Hier hat die deutsche Volkswirtschaft in Bezug zu einer durchaus denkbaren ungünstigeren Preisentwicklung Unsummen gespart.
Die Bedeutung wichtiger Märkte wie beispielsweise (Südost)asien ist von dieser Regierung zu spät erkannt oder zumindest nicht in gebührendem Maße berücksichtigt worden. Demzufolge hinkt die Exportnation Deutschland hier ein gutes Stück hinterher. Den Rang eines "Exportweltmeisters" hat die Bundesrepublik sowieso schon verloren.
An der höchst umstrittenen Subventionierung von Wirtschaftsbereichen wird trotz vollmundiger Versprechungen aus den verschiedensten Gründen in altbewährter milliardenschwerer Manier festgehalten. Subventionspolitik erscheint ohnehin mehr als Produkt des lobbyistischen Treibens der immer beherrschender werdenden Interessenverbände als das Ergebnis wirtschaftspolitischer Notwendigkeit.
Verpasst worden ist letztendlich auch die Chance der Arbeitnehmerbeteiligung am Produktivvermögen der Unternehmen. Ein sicher nicht unwichtiger Schritt zur Harmonisierung der Gesellschaft.
An die ökonomischen Daten geknüpft, gestaltet sich die soziale Lage in der Bundesrepublik dementsprechend finster.
Armut ist in dieser Gesellschaft zweifelsfrei auf dem Vormarsch. Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Alte mit schmalem Rentenbudget, das rapide Anwachsen dieser Gruppen korrespondiert mit qualitativen Einbußen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten. Zwar ist die sozial unterstützende Komponente des Wohlfahrtsstaates noch vorhanden. Bei der Gesundheits- und Rentenpolitik, bei Fragen des quantitativen Ausbaubedarfs von Altenheimen oder bei der Handhabe des nach wie vor brennenden Drogenproblems gewinnen in den letzten Jahren, gerade im Vergleich zu der sozial-liberalen Ära, zunehmend ökonomische, finanzielle bzw. effiziente Kriterien an Priorität.
Die oft beschworene Vision der "Zwei/Drittelgesellschaft" ist im Begriff sich zu verifizieren. Aber nicht als Nachtmahr kommt sie daher, seit langem drängt sich für viele der Gedanke auf, die "vital-dynamische" Leistungsgesellschaft der 80er und 90er Jahre bedürfe aus berechnendem politischen Kalkül heraus dieser gesellschaftlich - depravierten Ränder als motivierender Stimulus.
Wird hier eingelöst, was dieser Kanzler im Herbst 1982 mit der geistig-moralischen Erneuerung gemeint hat?
Wie sonst ist es zu erklären - und hiermit haben wir allemal auch den ethisch-ideologischen Sektor betreten - dass grobe soziale Ungereimtheiten, ja selbst himmelschreiende Ungerechtigkeiten nicht nur einfach hingenommen werden; der Betrachter der politischen Kultur dieser Gesellschaft kann sich nur schwerlich dem Eindruck entziehen, dies alles sei so und nicht anders intendiert.
Beispiele: Während die Steueraufkommen kleiner und mittlerer Arbeitnehmer seit Jahren gnadenlos ausgereizt werden, erfreuen sich insbesondere Großbetriebe einer, im Zuge internationaler Finanztransaktionen vom Staat tatenlos hingenommenen Steuerminderung. Zweistellige Zuwachsraten bei den Gewinnen bei rasant fallenden Besteuerungsquoten sind hic et nunc keine Seltenheit. Säumniszahlungen, Steuerdelinquenz oder gar kriminelle Machenschaften werden darüber hinaus bei Millionen- oder gar Milliardengrößenordnungen von Seiten der staatlichen Aufsicht - egal ob bei Zwick oder Flick - oftmals bagatellisiert. Kaum nachvollziehbar, dass die Finanzämter säumigen Steuerzahlern bei ähnlichen "Peanutsbeträgen" mit voller Entschlossenheit begegnen.
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