Die Zahl der wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit den Fragen von Brechts lesenden Arbeiters beschäftigten, ist Legion. [...]
Geschichte und Politik sind die beiden Aspekte an Brechts Gedicht, die hier im Fokus des wissenschaftlichen Interesses stehen und näher beleuchtet werden sollen. Die vorliegende Arbeit will anhand einer ausführlichen formalen und inhaltlichen Analyse zeigen, dass Brechts Gedicht der Geschichtslyrik im Allgemeinen und der reflektierenden Geschichtslyrik im Speziellen zuzuordnen ist. Darüber hinaus soll auch belegt werden, dass es sich bei dem behandelten Thema um den Ideen- und mentalitätsgeschichtlichen Umbruch von einer bürgerlichen, auf dem Historismus fußenden Ereignis- und Personengeschichte hin zu einem historisch-materialistischen Verständnis von Geschichte als Antagonismus von herrschenden und beherrschten Klassen handelt. Einer Geschichtsauffassung, deren Überlegenheit nicht philosophisch oder geschichtswissenschaftlich begründet wird, sondern dadurch, dass sie aus der Übertragung der Weltsicht der Arbeiter durch sie selbst auf die Vergangenheit notwendigerweise entsteht und daher das einzige Geschichtsbild der Arbeiterklasse sein kann.
Um die Unterschiede beider Geschichtstheorien besser verständlich zu machen, werden diese in einem Exkurs näher erläutert, bevor durch eine Beschäftigung mit dem Kontext der ersten – der Entstehung des Gedichts zeitlich am nächsten stehenden – Publikationen desselben gezeigt werden soll, dass es sich bei der von Brecht propagierten Form des Historischen Materialismus nicht um eine sozialistisch-sozialdemokratische Ausprägung desselben handelt, sondern um eine – im Sinne Lenins und des entstehenden Marxismus-Leninismus – kommunistische ausgelegte Variante, und daher keinesfalls von einer unabhängigen Rezeption Marx`schen Gedankenguts oder gar nur von einer allgemein gehaltenen Forderung nach sozialer Gerechtigkeit o.ä. die Rede sein kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Allgemeine Einführung
- Analyse der Struktur und der verwendeten lyrischen Figuren
- Strophe 1
- Strophe 2
- Strophe 3
- Strophe 4
- Klassifizierung des Gedichts als (reflektierende) Geschichtslyrik
- Exkurs: Der Historismus und der Historische Materialismus als Modelle in der Geschichtswissenschaft
- Der Historismus als personalisierende Geschichtsauffassung
- Der Historische Materialismus als Geschichtsphilosophie des Marxismus
- Das Gedicht im Kontext seiner Publikationen
- Das Wort
- Die Svendborger Gedichte
- Zusammenfassung
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Bertolt Brechts Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ und untersucht dessen Bedeutung im Kontext der Geschichtslyrik. Ziel ist es, das Gedicht als ein Beispiel für reflektierende Geschichtslyrik zu klassifizieren und die darin enthaltene Kritik an der traditionellen, personenzentrierten Geschichtsauffassung aufzuzeigen. Darüber hinaus soll die Arbeit beleuchten, wie Brechts Gedicht die Übertragung der Weltsicht der Arbeiterklasse auf die Vergangenheit widerspiegelt und damit eine historisch-materialistische Sichtweise auf Geschichte propagiert.
- Analyse der formalen und inhaltlichen Struktur des Gedichts
- Klassifizierung des Gedichts als reflektierende Geschichtslyrik
- Kritik an der traditionellen, personenzentrierten Geschichtsauffassung
- Die Übertragung der Weltsicht der Arbeiterklasse auf die Vergangenheit
- Die Propagierung einer historisch-materialistischen Sichtweise auf Geschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des Gedichts „Fragen eines lesenden Arbeiters“ ein und beleuchtet die Rezeption des Gedichts in der Literaturwissenschaft. Sie stellt die zentralen Fragen des Gedichts vor und skizziert die Zielsetzung der Arbeit.
Die Analyse der Struktur und der verwendeten lyrischen Figuren untersucht die einzelnen Strophen des Gedichts und analysiert die darin verwendeten sprachlichen Mittel. Dabei wird auf die rhetorischen Fragen, die Wiederholungen und die Verwendung von Metaphern eingegangen.
Die Klassifizierung des Gedichts als (reflektierende) Geschichtslyrik untersucht die Beziehung des Gedichts zur Geschichte und die darin enthaltene Kritik an der traditionellen Geschichtsauffassung. Es wird gezeigt, dass Brechts Gedicht die Geschichte nicht als eine Abfolge von Ereignissen und Personen betrachtet, sondern als ein Produkt von Klassenkämpfen und gesellschaftlichen Verhältnissen.
Der Exkurs „Der Historismus und der Historische Materialismus als Modelle in der Geschichtswissenschaft“ beleuchtet die beiden zentralen Geschichtsauffassungen, die im Gedicht zum Ausdruck kommen. Der Historismus wird als eine personenzentrierte Geschichtsauffassung dargestellt, während der Historische Materialismus die Geschichte als ein Produkt von Klassenkämpfen und gesellschaftlichen Verhältnissen betrachtet.
Das Kapitel „Das Gedicht im Kontext seiner Publikationen“ untersucht die Entstehung des Gedichts und seine Rezeption in verschiedenen Publikationen. Es wird gezeigt, dass Brechts Gedicht in den Kontext der politischen und gesellschaftlichen Debatten seiner Zeit einzuordnen ist.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Fragen eines lesenden Arbeiters, die Geschichtslyrik, die Kritik an der traditionellen Geschichtsauffassung, der Historismus, der Historische Materialismus, die Arbeiterklasse, die Klassenkämpfe und die gesellschaftlichen Verhältnisse. Das Gedicht beleuchtet die Bedeutung der Arbeiterklasse für die Geschichte und die Notwendigkeit, die Geschichte aus ihrer Perspektive zu betrachten. Es kritisiert die personenzentrierte Geschichtsauffassung und plädiert für eine historisch-materialistische Sichtweise, die die Geschichte als ein Produkt von Klassenkämpfen und gesellschaftlichen Verhältnissen begreift.
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- Johannes Thiedig (Author), 2014, "Wohin gingen die Maurer?" Brechts "Fragen eines lesenden Arbeiters" und das Geschichtsbild der Arbeiterklasse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277648