Die Kurdische Bevölkerung wird heutzutage meistens als die größte ethnische Gruppe ohne eigenes Land bezeichnet. Erst nach der Auflösung des Osmanischen Reiches 1923 und der darauffolgenden Entstehung der Nationalstaaten wurden die Kurden tatsächlich in verschiedene Nationalstaaten unterteilt. Der Frieden von Sèvres löste 1920 die Entstehung der Nationalismen aus. Der Türkische Befreiungskrieg und die nachfolgende Gründung der Türkischen Republik 1923 hatten zum Ergebnis, dass ein stark nationalistischer und säkularer Staat errichtet wurde, in dem einerseits die nicht-islamischen Minderheiten geschützt wurden (Juden, Griechen, Armeniern) und andererseits die Assimilation der im Landgebiet lebenden Völker unter einer Sprache und Kultur durchgeführt wurde. Daher wurden die Kurden als Bedrohung einer türkischen Nationaleinheit gesehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was ist eine Diaspora
3. Die Grundlage der kurdischen Diaspora
3.1. Anzahl der kurdischen Diaspora
3.2. Die zwei Wellen der kurdischen Verbreitung
3.3. Die PKK und die kurdische Diaspora
3.4. Europa. Schutzgebiet der kurdischen Flüchtlinge
4. Schluss
1. Einleitung
Die Kurdische Bevölkerung wird heutzutage meistens als die größte ethnische Gruppe ohne eigenes Land bezeichnet. Allerdings wurde das kurdische Volk jahrhundertelang, zusammen mit anderen Völkern, im Osmanischen Reich eingeschlossen. Nur nach der Auflösung des Reiches 1923 und der darauffolgenden Entstehung der Nationalstaaten wurden die Kurden tatsächlich in verschiedene Nationalstaaten unterteilt. Das Gebiet Kurdistans, das als das historische Siedlungsgebiet der kurdischen Bevölkerung betrachtet wird, verteilt sich noch heute auf die Staaten Türkei, Syrien, Irak und Iran (und kleine Teilen der westlichen Territorien Armeniens und Aserbaidschans).
Der Frieden von Sèvres löste 1920 die Entstehung der Nationalismen aus. Der Türkische Befreiungskrieg und die nachfolgende Gründung der Türkischen Republik 1923 hatten zum Ergebnis, dass ein stark nationalistischer und säkularer Staat errichtet wurde, worin einerseits die nicht-islamischen Minderheiten geschützt wurden (Juden, Griechen, Armeniern) und andererseits die Assimilation der im Landgebiet lebenden Völker unter einer Sprache und Kultur durchgeführt wurde. Daher wurden die Kurden als Bedrohung einer türkischen Nationaleinheit gesehen. Im Laufe der Jahrzehnte wurden immer mehr Maßnahmen getroffen, um das kurdische Volk zu assimilieren. Das Verbot der Sprache, in der Schule genauso wie im Alltagsleben, ist ein Beispiel dafür. Darüber hinaus verschärfte sich die Situation für die Kurden immer mehr, besonders nach dem Militärputsch im Jahre 1980, wonach die Unterdrückung der kurdischen Identität immer stärker wurde.
Zu diesem Zeitpunkt begann die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans), die vielen Menschen beider Seiten das Leben kostete. Es ist jedoch wichtig zu unterstreichen dass die Konflikte nicht nur in der Türkei ausgetragen wurden, sondern auch im Norden Iraks und west Irans. Viele Dörfer wurden dort mit Giftgas angegriffen.
Aufgrund der zunehmenden Angriffen begannen, demzufolge, die benachteiligten Kurden in andere Länder zu flüchten. Die kurdische Diaspora, die schon ungefähr in den 1960er Jahren anfing, erreichte während der 80er und 90er Jahre ein unerhörtes Niveau.
Das Phänomen der Zerstreuung der kurdischen Bevölkerung ist noch heute sichtbar und fast ein Drittel der Kurden lebt heute außerhalb Kurdistans (Allein im Westeuropa lebten 2006 mehr als 1 Mio. Kurden, laut der parlamentarischen Versammlung des Europäischen Rates)[1].
In den nächsten Kapiteln versuche ich den Begriff Diaspora auszuwerten, seinen Ursprung in der kurdischen Geschichte aufzudecken und dessen Auswirkungen zu erläutern.
2. Was ist eine Diaspora.
Der Begriff Diaspora stammt aus dem Griechischen und trägt die Bedeutung von „Zerstreuung“ oder „Verbreitung“. Birgit Ammann erklärt in ihrem Buch:
Ursprünglich bezeichnete er jüdische Gemeinden außerhalb des alten Israel, später auch christliche Streuminderheiten bzw. die Gebiete, welche sie bewohnen. Seit Ende der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts bezieht sich der Begriff auch auf säkulare Gruppen im begrifflichen Umfeld von Migration, Vertreibung, Ethnizität und Nationalismus[2].
Der deutsche Soziologe Robert Hettlage weiterhin erklärt Diaspora als:
Die geographische Zerstreuung von ethnischen Gruppen, die von ihrer Zugehörigkeitsgruppe getrennt leben (müssen), als Minderheit in einer andersartigen Gesellschaft eine wie immer geartete Aufnahme gefunden haben und unter den Bedingungen zweier Zugehörigkeiten gravierenden Problemen der Interessenklärung und Identitätsfindung ausgesetzt sind.
Das Phänomen enthält entweder eine freiwillige oder unfreiwillige Migration ins Aufnahmeland. Wichtig ist Diaspora vom Exil zu unterscheiden, weil die erstere sich auf eine Gruppe von Aussiedlern bezieht, die ihre Heimat als einziges Heimatland betrachten, in welches sie, schließlich, zurückkehren werden. Darüber hinaus, ist ihre Identität stark vom Heimatland geprägt. Man könnte drei Unterschiedliche Gründe für eine Volkszerstreuung aufführen: Imperialismus, Arbeitskräfte- und Gewerbewanderung, oder sogar die starke Verbindung mit dem Ursprünglichen Land oder Urgemeinschaft (Im Falle von der Jüdischen Rückkehr nach Israel) . Das Phänomen stellt jedenfalls Gemeinsamkeiten dar, ein Beispiel dafür ist den übliche Mangel an Assimilation im Gastgeberland.
Die kurdische Diaspora zählt neben der armenischen, palästinensischen und jüdischen als eine der vier großen Diasporen der Welt.
Die Jüdische Diaspora ist die historische Verbreitung des jüdischen Volkes vom Judas Königreich und römischen Judäa schon im 6. Jahrhundert v.Chr. und der späteren Auswanderung aus und Einwanderung der Juden in Israel.
Die palästinensische Diaspora, die das Ergebnis der Arabisch-Israelischen Kriege ist, zwang ab 1948 viele Wellen von Palästinensern dazu ihr eigenes Land zu verlassen.
Eng mit der Kurdischen Diaspora verwandt, ist die Armenische Zerstreuung. Beide Völker stammen aus einem Gebiet im Südosten Anatoliens, genauso wie das Zagros Gebirge, und den südlichen Teil der Kaukasus Bergkette, die den Ostteil der heutigen Republik Türkei darstellen. Außerdem wurden beide Völker von dem damaligen Osmanischen Reich als Minderheiten betrachtet, und später, mit dem Kemalismus, als Bedrohung der Nationaleinheit verstanden. 1915 wurde der Völkermord an den Armeniern durchgeführt und auf diesen Zeitpunkt kann der Anfang der armenischen Diaspora[3] datiert werden.
3. Die Grundlage der Kurdischen Diaspora.
3.1 Anzahl der Kurdischen Diaspora
In keinem Staat – mit Ausnahme derjenigen vier, die angestammte kurdische Siedlungsgebiete unter sich aufteilen- leben so viele Kurden wie in Europa, ja allein in Deutschland. Es sind mehr als beispielsweise im Libanon oder in den einzelnen Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Andererseits stellen Kurden in Europa eine der größten Zuwanderungsgruppen und ethnischen Minderheiten, ohne dass dies in Politik oder Wissenschaft bisher angemessen berücksichtigt worden wäre.[4]
Diese Worte der Professorin Ammann erklären deutlich, wie groß der Umfang der Kurdischen Diaspora ist. In der Tat, geht es nicht nur um Europa als Zielland sondern stellen auch die U.S.A. und die Nachbarländer der vier schon erwähnten Staaten ein Ziel dar, wie zum Beispiel Israel, Palästina, Jordanien oder die Kaukasischen Republiken Armenien, Georgien und Aserbaidschan.
Es ist schwer eine bestimmte Anzahl der Kurden, die außerhalb dieser vier Herkunftsländer wohnen, zu bestimmen, weil sie eigentlich keine kurdische Staatsbürgerschaft haben, sondern entweder die Türkische, Syrische, Irakische oder Iranische Staatsangehörigkeit (Abbildung 1). Laut dem kurdischen Institut von Paris, leben heute rund 650.000 Kurden allein in Deutschland, und von diesen stammen gut 500.000 aus der Türkei , 60.000 bis 70.000 aus dem Irak und 4.000 jeweils aus dem Iran und Syrien. Nach Deutschland sind Frankreich (70.000), die Niederlande (60.000), die Schweiz (30.000), Großbritannien (40.000), Österreich (40.000), Dänemark (15.000) und Schweden (30.000) Länder mit einer bedeutenden kurdischen Einwohnerzahl.
[...]
[1] Parliamentary Assembly of the Council of Europe. Resolution 1519 (2006). http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=17477&lang=en
[2] Kurden in Europa, Ethnizität und Diaspora. Amman Brigit. Münster, Lit 2001. (Seite 42)
[3] Anerkennung des Armenischen Genozid bei der PKK. 1998 http://www.armeniapedia.org/index.php?title=Recognition_of_Armenian_Genocide_by_Kurdistan
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Hauptthema des Textes?
Der Text behandelt die kurdische Diaspora, ihre Ursprünge, Ursachen und Auswirkungen.
Was bedeutet der Begriff Diaspora?
Diaspora stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Zerstreuung" oder "Verbreitung". Ursprünglich bezog es sich auf jüdische Gemeinden außerhalb Israels, später auch auf christliche Minderheiten. Heute wird der Begriff im Zusammenhang mit Migration, Vertreibung, Ethnizität und Nationalismus verwendet.
Was sind die Hauptursachen für die kurdische Diaspora?
Die Hauptursachen sind politische Unterdrückung, bewaffnete Konflikte (insbesondere zwischen türkischen Streitkräften und der PKK) und Angriffe auf kurdische Dörfer.
Wann begann die kurdische Diaspora?
Die kurdische Diaspora begann in den 1960er Jahren, erreichte aber in den 1980er und 1990er Jahren ein erhebliches Ausmaß.
Wie viele Kurden leben außerhalb Kurdistans?
Schätzungsweise lebt fast ein Drittel der Kurden außerhalb Kurdistans. Allein in Westeuropa lebten 2006 über 1 Million Kurden.
Welche Länder haben eine bedeutende kurdische Bevölkerung?
Deutschland, Frankreich, die Niederlande, die Schweiz, Großbritannien, Österreich, Dänemark und Schweden haben eine bedeutende kurdische Bevölkerung. Auch die U.S.A. und Nachbarländer der kurdischen Gebiete sind Zielländer.
Warum ist es schwierig, die genaue Anzahl der Kurden in der Diaspora zu bestimmen?
Weil Kurden in der Regel keine kurdische Staatsbürgerschaft besitzen, sondern die Staatsangehörigkeit der Länder, in denen Kurdistans liegt (Türkei, Syrien, Irak und Iran).
Welche anderen Diasporen sind mit der kurdischen Diaspora vergleichbar?
Die armenische, palästinensische und jüdische Diaspora.
In welcher Beziehung steht die kurdische Diaspora zum Armenischen Genozid?
Beide Völker wurden im Osmanischen Reich als Minderheiten betrachtet und später im Kemalismus als Bedrohung der Nationaleinheit angesehen. Der Armenische Genozid von 1915 markiert den Beginn der armenischen Diaspora.
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- Pablo Bernardino Sanchez Arias (Author), 2014, Die Kurdische Diaspora. Die Zerstreuung des größten Volkes ohne eigenen Staat, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275717