In den Massenmedien wird heutzutage allzu oft von „Öffentlichkeit“ und „öffentlicher Meinung“ gesprochen, ohne tatsächlich zu definieren, was eigentlich damit gemeint ist. Nicht selten werden Öffentlichkeit mit der Bevölkerung und öffentliche Meinung mit der Bevölkerungsmeinung gleichgesetzt. Wenn davon die Rede ist, dass die Öffentlichkeit für eine politische Strategie begeistert werden müsse oder sich gegen eine wiederum andere sträube, dann ist damit häufig die Bevölkerung gemeint. Ebenso verhält es sich mit der öffentlichen Meinung, denn oftmals ist eigentlich die demoskopisch ermittelte Bevölkerungsmeinung gemeint, wenn beispielsweise ausgedrückt wird, dass eine Person oder sogar eine andere öffentlich geäußerte Meinung Zustimmung durch die öffentliche Meinung erfährt. Dieser umgangssprachliche Gebrauch dieser beiden Begriffe verleiht ihnen eine Unbestimmtheit, durch die mit ihnen alles Mögliche aber eben nichts Konkretes ausgedrückt werden kann.
Ein Grund dafür, dass sich Öffentlichkeit und öffentliche Meinung in der Alltagsspra-che oft nicht unterscheiden lassen, könnte Verschiedenheit der Definition in der Forschung und Wissenschaft sein. Obgleich der Vielfalt der Ansätze und Theorien aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven, was eigentlich Öffentlichkeit ist und wie sie funktioniert, konnte keine einheitliche Definition hervorgebracht, geschweige denn Öffentlichkeit als messbare Größe bestimmt werden (Gerhards/Neidhardt 1990: 4). Beschäftigt man sich jedoch mit Öffentlichkeitstheorien, stößt man immer wieder auf die gleichen Ansätze. Zu den bekanntesten zählen Jürgen Habermas’ sozialphilosophisches Idealmodell der bürgerlichen Öffentlichkeit, Niklas Luhmanns systemtheoretisches Spiegelmodell und Elisabeth Noelle-Neumanns sozialpsychologische Theorie der Schweigespirale. Den Soziologen Jürgen Gerhards und Friedhelm Neidhardt waren diese Modelle durchaus bekannt, als sie ihr Konzept von Öffentlichkeit 1990 vorstellten, und daher nahmen sie auch einige Elemente der genannten auf. Jedoch vermissten sie in den bisherigen Betrachtungen ein Modell, indem Öffentlichkeit als empirisch messbare Größe behandelt wurde, deren Leistungsfähigkeit ermittelt werden könnte (Gerhards/Neidhardt 1990: 4 ff.).
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Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Entwicklung eines Öffentlichkeitsbegriffs: Definition und Grundlagen
- 2.1 Öffentlichkeit als Teilsystem der Gesellschaft
- 2.2 Öffentlichkeit als intermediäres Kommunikationssystem
- 3 Funktionen und Strukturen der öffentlichen Meinungsbildung
- 3.1 Das Funktionsmodell öffentlicher Meinungsbildung
- 3.2 Öffentlichkeitsebenen
- 4 Orte öffentlicher Meinungsbildung: das Arenamodell
- 4.1 Akteure in der Arena
- 4.2 Prozesse im Forum und auf der Galerie
- 5 Bezüge und Abgrenzungen zu Habermas' normativer Öffentlichkeitsvorstellung
- 6 Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit gibt einen Überblick über das Konzept der Öffentlichkeit nach Gerhards und Neidhardt. Sie skizziert die wichtigsten Funktionen und Strukturen dieses Konzepts und vergleicht es mit Habermas' Idealmodell. Das Ziel ist es, Gerhards und Neidhardts Verständnis von Öffentlichkeit als intermediäres Kommunikationssystem zu erläutern und dessen Leistungsfähigkeit zu beleuchten.
- Öffentlichkeit als intermediäres Kommunikationssystem
- Funktionen und Strukturen der öffentlichen Meinungsbildung
- Das Arenamodell der öffentlichen Meinungsbildung
- Vergleich mit Habermas' normativer Öffentlichkeitsvorstellung
- Öffentliche Meinung als empirisch messbare Größe
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Einleitung problematisiert den unscharfen Gebrauch der Begriffe „Öffentlichkeit“ und „öffentliche Meinung“ im Alltag und in den Medien. Sie hebt die Diskrepanz zwischen umgangssprachlicher Verwendung und wissenschaftlicher Definition hervor und benennt zentrale Öffentlichkeitstheorien (Habermas, Luhmann, Noelle-Neumann), auf die Gerhards und Neidhardt Bezug nehmen, um die Notwendigkeit einer empirisch messbaren Größe für Öffentlichkeit zu begründen.
2 Entwicklung eines Öffentlichkeitsbegriffs: Definition und Grundlagen: Dieses Kapitel legt die Grundlagen für Gerhards und Neidhardts Verständnis von Öffentlichkeit. Es beginnt mit der Betrachtung der modernen Gesellschaft als ausdifferenziertes System verschiedener Teilsysteme (Politik, Wirtschaft etc.), die jeweils spezifische Funktionen und Strukturen aufweisen. Öffentlichkeit wird als eigenständiges, intermediäres Kommunikationssystem positioniert, das den Austausch zwischen diesen Teilsystemen, insbesondere zwischen Bürgern und politischen Akteuren, vermittelt und die Entstehung öffentlicher Meinung ermöglicht. Der Fokus liegt auf der politischen Öffentlichkeit aufgrund der entscheidenden Rolle des politischen Systems.
3 Funktionen und Strukturen der öffentlichen Meinungsbildung: Hier wird das Funktionsmodell der öffentlichen Meinungsbildung vorgestellt, das die Aufgaben der Öffentlichkeit beschreibt. Es wird erläutert, wie diese Funktionen auf verschiedenen Ebenen der Öffentlichkeit unterschiedlich erfolgreich erfüllt werden können. Dieses Kapitel legt den Grundstein für das Verständnis des Arenamodells, welches im folgenden Kapitel ausführlicher behandelt wird.
4 Orte öffentlicher Meinungsbildung: das Arenamodell: Dieses Kapitel beschreibt das Arenamodell der öffentlichen Meinungsbildung im Detail. Es beleuchtet die verschiedenen Akteure innerhalb der Arena, die Prozesse des Austausches und die Einflüsse, die auf die öffentliche Meinungsbildung wirken. Der Fokus liegt hier auf dem interaktiven Charakter des Prozesses und der Dynamik zwischen verschiedenen Akteuren und Einflüssen auf den Meinungsbildungsprozess.
Schlüsselwörter
Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, intermediäres Kommunikationssystem, Meinungsbildung, Arenamodell, Gerhards, Neidhardt, Habermas, Teilsystem, Funktionen, Strukturen, empirische Messbarkeit.
Häufig gestellte Fragen zu: Konzept der Öffentlichkeit nach Gerhards und Neidhardt
Was ist der Inhalt dieses Textes?
Dieser Text bietet eine umfassende Übersicht über das Konzept der Öffentlichkeit nach Gerhards und Neidhardt. Er beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und Schlüsselwörter. Der Text beschreibt die Öffentlichkeit als intermediäres Kommunikationssystem, analysiert deren Funktionen und Strukturen, legt das Arenamodell der öffentlichen Meinungsbildung dar und vergleicht das Konzept mit Habermas' normativem Öffentlichkeitsverständnis.
Was sind die Hauptthemen des Textes?
Die zentralen Themen sind: Öffentlichkeit als intermediäres Kommunikationssystem, Funktionen und Strukturen der öffentlichen Meinungsbildung, das Arenamodell der öffentlichen Meinungsbildung, ein Vergleich mit Habermas' normativer Öffentlichkeitsvorstellung und die öffentliche Meinung als empirisch messbare Größe. Der Text untersucht die Rolle der Öffentlichkeit in der modernen Gesellschaft und ihren Einfluss auf die Meinungsbildung.
Wie wird Öffentlichkeit in diesem Text definiert?
Öffentlichkeit wird als eigenständiges, intermediäres Kommunikationssystem verstanden, das den Austausch zwischen verschiedenen Teilsystemen der Gesellschaft (z.B. Politik, Wirtschaft) vermittelt und die Entstehung öffentlicher Meinung ermöglicht. Der Fokus liegt dabei auf der politischen Öffentlichkeit.
Was ist das Arenamodell der öffentlichen Meinungsbildung?
Das Arenamodell beschreibt die Orte und Prozesse der öffentlichen Meinungsbildung. Es betrachtet verschiedene Akteure (z.B. Medien, Bürger, politische Entscheidungsträger) und ihre Interaktionen innerhalb einer „Arena“. Der Text analysiert die Prozesse des Austausches und die Einflüsse, die auf die öffentliche Meinungsbildung wirken, und betont den interaktiven Charakter des Prozesses.
Wie wird das Konzept von Gerhards und Neidhardt mit Habermas verglichen?
Der Text vergleicht das Konzept der Öffentlichkeit nach Gerhards und Neidhardt mit Habermas' normativem Öffentlichkeitsverständnis. Dieser Vergleich beleuchtet die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Ansätze und trägt zum Verständnis des empirischen Ansatzes von Gerhards und Neidhardt bei.
Welche Kapitel umfasst der Text?
Der Text gliedert sich in die Kapitel: Einleitung, Entwicklung eines Öffentlichkeitsbegriffs, Funktionen und Strukturen der öffentlichen Meinungsbildung, Orte öffentlicher Meinungsbildung (Arenamodell), Bezüge und Abgrenzungen zu Habermas' normativer Öffentlichkeitsvorstellung und Schlussbetrachtung.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Text am besten?
Schlüsselwörter sind: Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, intermediäres Kommunikationssystem, Meinungsbildung, Arenamodell, Gerhards, Neidhardt, Habermas, Teilsystem, Funktionen, Strukturen, empirische Messbarkeit.
Worum geht es in der Einleitung?
Die Einleitung thematisiert den unscharfen Gebrauch der Begriffe „Öffentlichkeit“ und „öffentliche Meinung“ und hebt die Diskrepanz zwischen umgangssprachlicher Verwendung und wissenschaftlicher Definition hervor. Sie benennt zentrale Öffentlichkeitstheorien und begründet die Notwendigkeit einer empirisch messbaren Größe für Öffentlichkeit.
Was ist das Ziel des Textes?
Das Ziel des Textes ist es, Gerhards und Neidhardts Verständnis von Öffentlichkeit als intermediäres Kommunikationssystem zu erläutern und dessen Leistungsfähigkeit zu beleuchten.
- Citation du texte
- Bachelor of Arts Sophia Schulze (Auteur), 2011, Öffentlichkeit als intermediäres Kommunikationssystem, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275481