1. Problemaufriss - Abfallverbringung und Mülltransporte
Im Wintersemester 2003 / 2004 startet an der Universität Oldenburg das politikwissenschaftliche Seminar „Weltumweltpolitik“, welches die Behandlung globaler Umweltproblematiken sowie deren Regulierung im internationalen Kontext zum Inhalt hat.
Im Seminar werden insbesondere solche Umweltprobleme thematisiert, deren Lösung nur durch Beteiligung möglichst vieler Verursacher und Betroffener möglich sind. Oftmals ist dabei ein komplexes Zusammenspiel nationaler und transnationaler, staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen sowie den Industrien erforderlich. Die Endlagerung und Verbringung gefährlicher Abfälle außerhalb des eigenen staatlichen Territoriums durch Industrienationen gehört in diesem Zusammenhang immer noch zu den wichtigsten globalen Umweltproblemen im beginnenden 21. Jahrhundert. Zu deren Kontrolle und Begrenzung verabschieden erstmals 1989 mehr als 35 Staaten ein Übereinkommen, die Baseler Konvention. Obwohl sich inzwischen andeutet, dass die Forderungen dieser Konvention in ihrer Gesamtheit wahrscheinlich niemals vollständig umgesetzt werden können, stellt sie einen wichtigen Schritt weltumweltpolitischen Handelns dar.
Die Problematik und das Ausmaß grenzüberschreitender Abfalltransporte sind in ihrer ökologischen sowie moralischen Bedeutung Ende der achtziger Jahre erstmals weltweit erkannt und Gegenstand der internationalen Politik und Diplomatie geworden. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen im ausgehenden 20. Jahrhundert kann und konnte das Problem offensichtlich (noch) nicht marktwirtschaftlich gelöst werden.
Auslöser der öffentlichen Aufmerksamkeit wird Anfang der 80er Jahre Afrika. Als erstes weltweit bekanntes Opfer internationaler Müllhändler werden auf diesem Kontinent in den kommenden Jahren bis 1988 dutzende Projekte von widerrechtlicher Abfallverbringung aufgedeckt.
Nach 1989 treten auch zahlreiche Projekte aus Lateinamerika und Mittel- und Osteuropa ans Tageslicht. Das Fehlen internationaler Regelungen und Kontrollen begünstigt diesen Zustand des explodierenden Giftmülltourismus 1 , so dass schließlich die Staatengemeinschaft reagiert.
Inhaltsübersicht
1. Problemaufriss - Abfallverbringung und Mülltransporte
2. Logistik eines ertragreichen Geschäftes
3. Die Baseler Konvention im Überblick
4. Basisliste der zu kontrollierenden Abfälle
5. Timeline - Vertragsstaatenkonferenzen - Conference of parties
6. Aktueller Stand und Ausblick
7. Literatur- und Quellenangaben
8. Zusätzliche Dokumente und Informationen
1. Problemaufriss - Abfallverbringung und Mülltransporte
Im Wintersemester 2003 / 2004 startet an der Universität Oldenburg das politikwissenschaftliche Seminar „Weltumweltpolitik“, welches die Behandlung globaler Umweltproblematiken sowie deren Regulierung im internationalen Kontext zum Inhalt hat.
Im Seminar werden insbesondere solche Umweltprobleme thematisiert, deren Lösung nur durch Beteiligung möglichst vieler Verursacher und Betroffener möglich sind. Oftmals ist dabei ein komplexes Zusammenspiel nationaler und transnationaler, staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen sowie den Industrien erforderlich. Die Endlagerung und Verbringung gefährlicher Abfälle außerhalb des eigenen staatlichen Territoriums durch Industrienationen gehört in diesem Zusammenhang immer noch zu den wichtigsten globalen Umweltproblemen im beginnenden 21. Jahrhundert. Zu deren Kontrolle und Begrenzung verabschieden erstmals 1989 mehr als 35 Staaten ein Übereinkommen, die Baseler Konvention. Obwohl sich inzwischen andeutet, dass die Forderungen dieser Konvention in ihrer Gesamtheit wahrscheinlich niemals vollständig umgesetzt werden können, stellt sie einen wichtigen Schritt weltumweltpolitischen Handelns dar.
Die Problematik und das Ausmaß grenzüberschreitender Abfalltransporte sind in ihrer ökologischen sowie moralischen Bedeutung Ende der achtziger Jahre erstmals weltweit erkannt und Gegenstand der internationalen Politik und Diplomatie geworden. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen im ausgehenden 20. Jahrhundert kann und konnte das Problem offensichtlich (noch) nicht marktwirtschaftlich gelöst werden.
Auslöser der öffentlichen Aufmerksamkeit wird Anfang der 80er Jahre Afrika. Als erstes weltweit bekanntes Opfer internationaler Müllhändler werden auf diesem Kontinent in den kommenden Jahren bis 1988 dutzende Projekte von widerrechtlicher Abfallverbringung aufgedeckt.
Nach 1989 treten auch zahlreiche Projekte aus Lateinamerika und Mittel- und Osteuropa ans Tageslicht. Das Fehlen internationaler Regelungen und Kontrollen begünstigt diesen Zustand des explodierenden Giftmülltourismus1, so dass schließlich die Staatengemeinschaft reagiert.
Hauptgrund für solche Projekte internationalen Abfallhandels waren und sind bis heute die ungleichmäßige Entwicklung von Umweltstandards. Eine umfangreiche Abfallgesetzgebung, insbesondere in den westlich geprägten Industriestaaten, verbunden mit hohen Entsorgungskosten im Inland sowie kaum Richtlinien für den Export gefährlicher Abfälle sorgen für den erforderlichen Anreiz, umfangreiche Verbringungsprojekte zu initiieren. Dadurch sind die westlichen Industrien bis heute stetig versucht, riskante Technologien, Produkte und Giftmüll ins Ausland zu verlagern. Diese Rahmenbedingungen halten das eigene Staatsgebiet auf Kosten von Drittstaaten sauber und stellen ebenso Grundlage und Voraussetzung für kriminelle Geschäfte dar.
Verschiedene Umweltbewegungen sorgen bereits in den 70er Jahren für eine öffentlichkeitswirksame Skandalisierung von Müll und erwirken so die Schaffung von entsprechenden Ministerien sowie neuen, strengeren Vorschriften zur Abfallbehandlung. Diese inzwischen äußerst umfangreiche Abfallgesetzgebung in den Ländern der westlichen Welt erstreckt sich zumeist lediglich auf das eigene Territorium. Für die Reparatur von Umweltschäden sowie die Begrenzung weiterer werden hohe Summen bereitgestellt. Insgesamt jedoch hat sich die Abfallmenge aller Industriestaaten nur marginal reduziert.2
In diesem Umfeld avancieren die Abfallwirtschaft sowie der Abfallhandel zu einem gewinnträchtigen Wirtschaftszweig. Zur Vergegenwärtigung des finanziellen Umfangs sollen an dieser Stelle die deutschen Entsorgungskosten einiger Abfallarten exemplarisch aufgeführt werden:3
- 1 Tonne Lackschlamm, Lösemittel = ca. 1000 €
- 1 Tonne PCB-haltige Abfälle = ab ca. 1.500 €
- 1 Tonne Pestizide = bis ca. 6.000 €
Zusätzlich sind im Inland immense finanzielle Aufwendungen für die Errichtung von Entsorgungsanlagen sowie der Erfüllung von Auflagen erforderlich. Auswege aus der grundsätzlichen und finanziellen Misere des Sondermülls finden die Industriestaaten im grenzüberschreitenden Mülltransport. In zahlreichen Drittstaaten mit niedrigen oder gar keinen Umweltstandards lassen sich die genannten Abfälle für einen Bruchteil des Preises entsorgen oder gar gewinnbringend verkaufen.
Mit dem Zusammenbruch des Ostblockes ergeben sich zusätzliche Problematiken. Polen und andere Länder öffnen ihre Grenzen für selbständige Aktivitäten westlicher Firmen und werden so zu Müllkippen Osteuropas. Hauptsächlich Altöle und Klärschlamm aus der zusammengebrochenen DDR - Wirtschaft gelangen teilweise sogar mit Billigung der Bundesregierung nach Polen.
Insgesamt sind mehr als 70 westeuropäische Unternehmen bekannt, welche Elektronikschrott, infektiösen Klinikmüll, dioxinhaltige Lösungsmittel und anderen Sondermüll in polnische Deponien und Recyclinganlagen verbringen, die lediglich auf dem Papier existieren. Das Gesamtvolumen von 77.000 Tonnen dieser Abfälle gelangt bis 1994 nach Polen, teilweise verknüpft mit so genanntem Technologietransfer.4
Erst im Jahre 1994 verhängt die polnische Regierung ein Importverbot. Ab 1991 können die Behörden unter dem Einfluss von Greenpeace das Problem soweit in den Griff bekommen, dass sich das Groß der Müllschieber anderen Gegenden zuwendet. Rumänien, Albanien und Bophal in Indien überhäufen die Müllschieber mit tonnenschweren Exporten, deren Ausmaß erst in zahlreichen Rückholaktionen Anfang der 90er Jahre bekannt wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. I Rückholaktionen zu Beginn der 90er, initiiert durch Greenpeace
Deutschland spielt dabei in der Riege der ´Global Player´ als einer der größten Müllexporteure weltweit. Anfang der 90er Jahre tauchen ganze Schiffsladungen mit deutschen Giften in Polen, Estland, Ägypten und dem Schwarzen Meer auf, daneben hunderte von Lastwagenladungen in Ost- und Südosteuropa.
Dies begründet sich größtenteils darauf, dass Deutschland im internationalen Vergleich über die fortschrittlichsten Regeln und Technologien zur Abfallbehandlung sowie hohe Umweltstandards verfügt. Damit liegen die innerdeutschen Entsorgungskosten auf höchstem Niveau. Demgegenüber stehen mangelnde, zum Teil rückschrittliche und unzureichende Vorschriften bezüglich des Müllexports. Dieser Zustand hält das eigene Territorium auf Kosten von Drittstaaten sauber.
Hinzu kommen zahlreiche gesetzliche Besonderheiten. Nach deutschem Abfallrecht dürfen Abfälle als Handelsware deklariert werden. Diese so genannte Umwidmung zum Wirtschaftsgut ist dann möglich, wenn am Ende ihrer Reise ein angeblicher Wiedergebrauchs- oder Recyclingzweck steht. Entsprechend dieses Vorganges entfallen die Genehmigungspflichten für Sondermüllexporte. Es erfolgt keine zentrale Registrierung. Hinzu kommt die Entscheidungsgewalt zahlloser Stellen in sechzehn Länderverwaltungen, die in dubio pro Export entscheiden.
Letztlich beschreibt die Problematik einen florierenden Handel der Müllschieber mit unterschiedlichen Umweltstandards. Grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen ist de facto immer ein gezielter Export von Umweltbelastungen.
2. Logistik eines ertragreichen Geschäftes
Im Folgenden soll der Müllhandel anhand dreier ´Geschäftsmodelle´ veranschaulicht werden. Ausgangsbasis ist dabei eine in Deutschland ansässige Firma mit einer bestimmten Menge Sondermüll, welche die hohen Entsorgungskosten im Inland umgehen möchte.
Im ersten Modell bietet Makler B der Firma A einen günstigeren als den marktüblichen Entsorgungspreis. Der Makler übernimmt die ´Ware´, beispielsweise in ein gemietetes Zwischenlager. Anschließend sucht er, oftmals über einen weiteren Makler C, einen Ort im Ausland, an dem er den Müll günstig oder gar kostenfrei ablagern kann. Alternativ wird ein Betrieb D ermittelt, welcher bereit ist, die Abfälle zur Weiterverarbeitung oder zum Recycling zu übernehmen. Zumeist erhält der Betrieb eine geringe Gebühr für Weiterverarbeitung oder Übernahme.
Im zweiten Modell wird aus dem Sondermüll ein Wirtschaftsgut. Diese Umwidmung übernehmen wiederum Müllmakler. Oftmals innerhalb der gleichen Netzwerke verkaufen die Makler C und D ihre Ware an den Betrieb D. In offizieller Lesart kaufen Makler und Betrieb D dabei einen Rohstoff zur Energiegewinnung. Auf diese Weise werden Genehmigungspflichten für Transporte umgangen.
Inzwischen ist das Geschäft der Müllschieber jedoch weitaus komplexer geworden. Ging es bisher primär um die Ablagerung gefährlicher Stoffe, versuchen internationale Müllmakler ihre Gewinnpartizipation durch Zusatzgeschäfte zu erhöhen. Ein Beispiel zeigt Modell drei. Die Makler treten dabei zum Teil selbst als Unternehmen auf, die angeblich Zugang zu großen Mengen Müll in den Herkunftsländern besitzen. Den Empfängerländern dienen sie Entsorgungs- einrichtungen wie Deponien, Verbrennungs- und Recyclinganlagen nach westlichen Standards günstig oder gratis an und umgehen damit eventuell bestehende Importverbote bzw. ´erfüllen´ örtliche Auflagen. Unter der Flagge des Technologietransfers, für den weder ernste Absichten noch Möglichkeiten zur Verwirklichung bestehen, werden die Mülleinfuhren dann bereits begonnen. Als vorgezogene Importe sollen sie die geplanten Anlagen refinanzieren. Anschließend ziehen sich die Makler unbemerkt aus dem Importland zurück, es verbleiben tonnenschwere Giftberge.
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1 Begrifflichkeit nach Rohleder, B.
2 Bernstorff, A. (u.a.) (Hrsg.). Rumänien. Die Giftattacke (…). Greenpeace Dossier, 2. Aufl. 1992.
3 Quelle: Umweltbundesamt.
4 Zum Technologietransfer siehe auch Abschnitt 2.
- Quote paper
- Frank Kretschmann (Author), 2004, Internationaler Giftmülltourismus und die Baseler Konvention zum Abfalltransport, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27540
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