Als Louis Lumière 1896 einen Film nach Motiven aus Goethes Faust produzierte, war der Film als solcher gerade ein Jahr alt. Gegen die Widerstände der traditionellen Künste, wie der Literatur oder der Malerei, die der neuen Kunstform der Kinematographie ihre Kunstfähigkeit absprachen, entwickelte sich der Film rasant weiter. Als sich die Auflösungsängste der alten Künste allmählich gelegt hatten, entwickelte sich eine fruchtbare Beziehung zwischen dem Kino und der übrigen Kunst. Im ersten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts entstand sodann eine tiefe Verbindung zwischen Literatur und Film. Das Genre der Literaturverfilmung etablierte sich und somit bewegte sich die Kinematographie auf die Literatur zu. Andersherum fingen berühmte Theaterschauspieler an, in Filmen aufzutreten und der Herausgeber Kurt Pinthus sammelte mit seinem „Kinobuch“ Beiträge namhafter Autoren, wie Else Lasker-Schüler oder Max Brod, für das Kino.
Das Kino konnte sich etablieren und hat die übrigen Kunstformen in der Breite seiner Wahrnehmung, vor allem durch seinen Nachfolger das Fernsehen, weit überflügelt. Heute finden sich kaum noch generelle Vorbehalte gegen die Literaturverfilmung. Dass der Film weniger hochwertige Kunst als die Literatur sei und sich dem Maßstab der „Werktreue“ stellen müsse, ist eine Aussage die zunehmend der Vergangenheit angehört. Die Adaption von Literatur im Film wird heute als eigenständige medienspezifische Ausformung der Literatur gesehen.
Einen großen Beitrag zu dieser Entwicklung leistete das Neue Deutsche Kino. Eine Reihe von jungen Autoren, Regisseuren und Produzenten schloss sich Anfang der sechziger Jahre zusammen, um eine Kampfansage gegen die herrschende Filmpraxis zu machen und den „neuen deutschen Spielfilm“ zu schaffen. Hierbei sollten die „Freiheit von der Beeinflussung durch kommerzielle Partner“, von „branchenüblichen Konventionen“, von der „Bevormundung durch Interessensgruppen“ im Mittelpunkt stehen. Daraus resultierte auch eine neue Sichtweise der Literaturverfilmung. Die Privilegierung einer möglichst „werkgetreuen“ Verfilmung, die meist in einer relativ naiven Nacherzählung des Inhalts der literarischen Vorlage bestand, wich einem individuellen Ansatz, bei dem der Regisseur als aktualisierender Interpretant auftrat.
Aus dem Inhalt:
- Erzählstrukturen
- Erzählperspektiven
- Erzählstile
- Umsetzung von Motivkreisen
- Roman- und Filmfiguren
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Entstehungsgeschichte / Hintergründe
- Homo faber, der Roman
- HOMO FABER I VOYAGER, der Film
- Formale Aspekte
- Erzählstruktur des Romans
- Rückblenden, Vorausdeutungen
- Tagebuchform des Romans
- Erzählstruktur des Films
- Rückblenden im Film
- Erhalt der Berichtform
- Erzählperspektive des Romans
- Erzählperspektive des Films
- Erzählstil Frischs
- Alltagssprache
- Mechanismen der Gefühlsabwehr
- Sprachbilder
- Erzählstil Schlöndorffs
- Techniker-Sprache im Film
- Ausdruck der Abwehrhaltung
- Sprach-Bilder
- Inhaltliche Aspekte
- Motivkreise im Roman
- ,,Technik – Natur“
- ,,Mann Frau“
- „Zufall - Schicksal“
- Umsetzung der Motive im Film
- ,,Technik – Natur“
- ,,Mann Frau“
- ,,Zufall Schicksal“
- Figuren im Roman
- Faber, die Romanfigur
- Hanna im Roman
- Sabeth im Roman
- Mythologischer Hintergrund im Roman
- Demeter-Kore-Motiv
- Archetyp „Mutter“
- Übertragung in den Film
- Ödipus
- Demeter-Kore
- Archetyp Mutter
- Intention des Romans
- Intentionsverlagerung durch inhaltliche Veränderungen
- Auslassungen
- Inhaltliche Varianzen
- Intentionsverlagerung bei der Verfilmung
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Verfilmung von Max Frischs Roman „Homo faber“ durch Volker Schlöndorff. Sie untersucht, wie die Literatur in ein anderes Medium übersetzt werden kann, und beleuchtet die Veränderungen, die dabei auftreten.
- Die Entstehung des Romans und des Films
- Die formalen Merkmale der Vorlage und deren Umsetzung in den Film
- Die inhaltliche Analyse der Motive, Figuren und Intentionen in Roman und Film
- Die Auswirkungen von Veränderungen und Auslassungen auf die Intention der Verfilmung
- Die Rezeption und Bewertung von Schlöndorffs „Homo faber“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet den historischen Hintergrund der Literaturverfilmung und zeigt die Entwicklung von der anfänglichen Ablehnung hin zur Anerkennung als eigenständige Kunstform. Die Arbeit fokussiert auf das Neue Deutsche Kino und seine Rolle in diesem Prozess.
Das Kapitel „Entstehungsgeschichte / Hintergründe“ beleuchtet die Entstehungsgeschichte des Romans „Homo faber“ von Max Frisch und die Entstehung des Films „HOMO FABER I VOYAGER“ von Volker Schlöndorff.
Das Kapitel „Formale Aspekte“ untersucht die Erzählstruktur, die Erzählperspektive und den Erzählstil sowohl im Roman als auch im Film. Dabei werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Medien beleuchtet.
Das Kapitel „Inhaltliche Aspekte“ analysiert die Motive, Figuren und Intentionen in Roman und Film. Die Arbeit untersucht, wie diese Elemente in der Verfilmung umgesetzt werden und wie sie sich durch Veränderungen beeinflussen lassen.
Schlüsselwörter
Literaturverfilmung, Neues Deutsches Kino, Max Frisch, Volker Schlöndorff, „Homo faber“, Erzählstruktur, Erzählperspektive, Erzählstil, Motive, Figuren, Intention, Intentionsverlagerung, Filmsprache, Romanadaption.
- Quote paper
- M.A. Helmut Wagenpfeil (Author), 2003, Literaturverfilmung im neuen deutschen Film. Schlöndorffs „HOMO FABER“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275385