Ein wissenschaftlicher Forschungsbetrieb, welcher seine Ausübung an Universitäten und in Institutionen außerhalb der Hochschulen erfährt, bestimmt die wissenschaftliche Agenda. Das Aktionsprogramm der Wissenschaft beinhaltet Theorien, Analysen und Diskurse, welche zum Gegenstand der Forschung gemacht werden. Wissenschaft kann nun nicht als ein Gebilde in einem abgeschlossenen Raum angesehen werden, sondern eine wissenschaftlich betriebene Forschung zieht auch Folgen nach sich, was bedeutet, dass in der Regel mit direkten Auswirkungen auf die Praxis zu rechnen ist. Wenn innerhalb des wissenschaftlichen Forschungsbetriebs Theorien und Tendenzen für die Entwicklungsforschung aufgestellt werden, dann kommt es in der Praxis der Entwicklungsforschung, also der Entwicklungszusammenarbeit, zur Entfaltung dieser wissenschaftlichen Grundlagen. Die Entwicklungsforschung fungiert somit als eine theoretische Denkfabrik, welche die Agenda der Entwicklungszusammenarbeit beeinflusst, wenn
nicht sogar bestimmt. Der Grad der Beeinflussung ist von der jeweiligen spezifischen Situation abhängig. Daher können die direkten Auswirkungen der Entwicklungsforschung in hohem Maße eintreten, genauso ist es aber auch möglich, dass nur geringe Elemente einer Beeinflussungsstruktur durchgesetzt werden können.
Bezüglich der wissenschaftlichen Forschungsbetriebe gibt es zahlreiche Fragen, die in diesem Zusammenhang zu stellen sind. Was bedeutet wissenschaftlicher Fortschritt? Was versteht man unter Objektivität? Was gilt als akzeptiertes Wissens, als ein gewisser Wissens-Kanon? Wie sieht wissenschaftliche Erkenntnis aus? Was ist unter einem "eurozentrischen wissenschaftlichen Analphabetismus" zu verstehen und was bedeutet dieser für eine in Österreich betriebene Entwicklungsforschung?
Inhaltsverzeichnis
- Ein wissenschaftlicher Forschungsbetrieb, welcher seine Ausübung an Universitäten und in Institutionen außerhalb der Hochschulen erfährt, bestimmt die wissenschaftliche Agenda.
- Der Begriff Eurozentrismus beinhaltet, dass Europa als das Zentrum der Welt verstanden wird.
- Unter der Bezeichnung Wissenschaft ist das Erschaffen von Wissen zu verstehen.
- Der Begriff Analphabetismus bezeichnet fehlende Kenntnisse im Lesen und Schreiben.
- Nachdem die drei Begriffe Eurozentrismus, Wissenschaft und Analphabetismus jeweils einer einzelnen Betrachtung unterzogen worden sind, gilt es nun eine Verknüpfung herzustellen, um die dahinter liegende Logik zu ergründen.
- Der universelle Anspruch der Wissenschaft ist somit in Frage zu stellen, weil die westliche Wissensgesellschaft in keinster Weise über das globale Wissen verfügt, sondern nur über einen Teil davon.
- Nachdem der eurozentrische wissenschaftliche Analphabetismus nun benannt ist, gilt es einige Erscheinungsformen dieser Problematik aufzuzeigen.
- Wenn es darum geht, was der eurozentrische wissenschaftliche Analphabetismus für die Entwicklungsforschung in Österreich bedeutet, dann kann der folgende Fall beispielhaft angeführt werden: „
- In der Entwicklungsforschung ist die Bezeichnung des Local Knowledge bekannt, jedoch ist dies eine theoretische Worthülse ohne Einbettung in den Wissenschaftsdiskurs und ohne praktische Umsetzung in der Entwicklungszusammenarbeit.
- Wenn man sich die ganzen Diskussionen und Diskurse um den Entwicklungsbegriff betrachtet, gelangt man zu der „empirisch abgesicherte[n] Erkenntnis, dass Entwicklung, so wie sie seit mindestens 50 Jahren verstanden wird, in der Praxis kein weltweit anwendbares, universelles Prinzip ist.
- Nach Wallerstein ist der „Universalismus der Mächtigen [...] immer ein geteilter und verzerrter Universalismus, ein europäischer Unviersalismus, weil die Interessen der herrschenden Schichten dahinter stecken.
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay analysiert den eurozentrischen wissenschaftlichen Analphabetismus und seine Auswirkungen auf die Entwicklungsforschung in Österreich. Er untersucht, wie die eurozentrische Denkweise zu einer Vernachlässigung und Abwertung von nicht-westlichem Wissen führt.
- Eurozentrismus in der Wissenschaft
- Wissenschaftsverständnis und Objektivität
- Die Bedeutung von Local Knowledge
- Herausforderungen für die Entwicklungsforschung
- Die Notwendigkeit eines universellen Universalismus
Zusammenfassung der Kapitel
Der Essay beginnt mit der Definition des Begriffs Eurozentrismus, der die Vorstellung beinhaltet, dass Europa das Zentrum der Welt ist und alle anderen Kulturen als peripher betrachtet werden. Anschließend wird der Begriff Wissenschaft als ein Prozess des Wissensgewinnung und -vermittlung erläutert. Der Begriff Analphabetismus wird als Mangel an Kenntnissen im Lesen und Schreiben definiert, wobei der Essay betont, dass dieser Begriff auch auf die Unkenntnis von anderen Wissensformen angewendet werden kann.
Der Essay argumentiert, dass der eurozentrische wissenschaftliche Analphabetismus dazu führt, dass nicht-westliches Wissen in der westlichen Wissensgesellschaft nicht als relevant betrachtet wird. Die westliche Wissenschaft beansprucht für sich einen hohen Grad an Rationalität und Objektivität, während gleichzeitig andere Wissensformen abgewertet und als nicht fortschrittlich angesehen werden. Diese eurozentrische Denkweise führt dazu, dass die Entwicklung von bestimmten Ideen und ihre nachträgliche Zuordnung stets im Kontext des hierarchischen kapitalistischen Weltsystems zu sehen ist.
Der Essay zeigt auf, wie der eurozentrische wissenschaftliche Analphabetismus sich in der Praxis der Entwicklungsforschung manifestiert. Westliche Institutionen, Positionen und Diskurse werden in die Entwicklungsländer exportiert, ohne dass die lokalen Gegebenheiten und das vorhandene Wissen berücksichtigt werden. Die Entscheidungshoheit über die Definition von Entwicklung liegt fast ausschließlich in den Händen des Westens, was zu einem fehlenden Mitspracherecht der Empfängerländer führt.
Der Essay beleuchtet die Problematik, dass das lokale Wissen in der Entwicklungsforschung nicht ausreichend gewürdigt wird. Das Konzept des Local Knowledge wird zwar theoretisch erwähnt, jedoch nicht in den Wissenschaftsdiskurs integriert und in der Praxis umgesetzt. Die Abwertung des Local Knowledge ist ein Ergebnis des hierarchischen Wissenschaftsbetriebs, der die Vielfalt von Wissenstraditionen nicht anerkennt.
Der Essay betont die Notwendigkeit, die Vielfalt von Wissenstraditionen anzuerkennen und eine stärkere Förderung von lokalen Fachkräften zu betreiben. Die Verwissenschaftlichung des lokalen Wissens ist ein entscheidender Schritt, um die Ressourcen des lokalen Wissens für die Entwicklung zu nutzen. Der Essay stellt fest, dass Entwicklung nicht als universelles Prinzip auf spezifische Situationen angewendet werden kann, da der vermeintliche universelle Wissenschaftskanon durch Eurozentrismus geprägt ist.
Der Essay schließt mit der Forderung nach einem universellen Universalismus, der über die Ideologie der Starken hinausgeht und eine allgemeine Wertschätzung des Guten erlangt. Die Entwicklungsforschung in Österreich hat die Aufgabe, Wege aufzuzeigen, um die hierarchischen Strukturen des kapitalistischen Weltsystems zu durchbrechen und einen Beitrag zu einer gerechten Globalisierung zu leisten.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Eurozentrismus, Wissenschaft, Analphabetismus, Entwicklungsforschung, Local Knowledge, Wissenschaftskritik, Entwicklungszusammenarbeit, Universales Prinzip, Globalisierung, hierarchisches kapitalistisches Weltsystem.
- Quote paper
- Wolfgang Krumm (Author), 2009, Der eurozentrische wissenschaftliche Analphabetismus und die Bedeutung für eine in Österreich betriebene Entwicklungsforschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275240