In der folgenden Arbeit soll nun speziell auf die Figur Kriemhilds im Nibelungenlied eingegangen werden. So wird zu Beginn auf ihre Rolle als höfische Dame hingewiesen. Hier soll unter anderem noch die gesellschaftliche Stellung Kriemhilds im Nibelungenlied beschrieben werden. Danach wird kurz auf die Träume Kriemhilds eingegangen, die sich als schicksalhafte Vorausdeutung erweisen, was ihre Beziehung zu Siegfried betrifft. Nicht zuletzt erhält der Königinnenstreit, der als Auslöser des Todes Siegfrieds gilt, eine Erwähnung. Der Schwerpunkt der Arbeit soll allerdings auf der Beschreibung von Kriemhilds `leit` und ihrem Racheplan liegen.
Inhalt
Einführung
1. Castaneda - Ein Schüler der Kraft
1.1. Einleitung
1.2. Das kognitive System der toltekischen Seher
1.2.1. Tonal und Nagual
1.2.2. Das Sehen, eine Verschiebung des Montagepunktes
2. Castanedas Gottes-Vision. Wahrheit oder Phantasie?
2.1. Betrachtungsmöglichkeiten
2.2. Die Kritikpunkte
2.2. Lösungsansätze
3. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Einführung
In der vorliegenden Arbeit soll ein kurzer Abriss über die Darstellung und Authentizität von Visionen[1] im Lebenswerk von Carlos César Arana Castaneda gegeben werden, wie sie von ihm während seiner über 20-jährigen Lehrzeit bei einem mexikanischen Schamanen[2] in mehreren Büchern beschrieben wurden.
Unter Punkt eins wird eine Einführung in die semantische Taxonomie und die Klassifikationsschemata der Wahrnehmung und des Bewusstseins der in toltekischer Tradition stehenden Seher bzw. Schamanen gegeben, da deren Terminologie ein völlig anderes kognitives System beschreibt als der nach westlichen Maßstäben denkende Durchschnittsmensch zu verstehen weiß.
Anschließend soll mit diesem Vorverständnis auf die Darstellung einer für den religionswissenschaftlichen Kontext relevanten, wiederholten Gottes-Vision Castanedas eingegangen werden, die in seinem Buch Das Feuer von innen (1985: 252-61) beschrieben wird.
Es wurde bewusst auf die Darstellung drogeninduzierter Visionen verzichtet, wie sie von Castaneda hauptsächlich in seinen Frühwerken[3] beschrieben wurden, da er es zu jener Zeit weder verstand, diese in den entsprechenden Kontext einzuordnen noch entsprechend zu deuten, wie man im folgenden sehen wird.
Das Thema der Authentizität der Schriften Castanedas wird in den wissenschaftlichen Kontext gestellt, von verschiedenen Seiten beleuchtet und die diversen Kritikpunkte, die im Laufe der letzten 30 Jahre angesprochen wurden, kurz kontrovers diskutiert werden, da die Frage nach dem Wahrheitsgehalt seiner Visionsdarstellungen gleichzeitig auch unweigerlich auf den Aspekt der allgemeinen Glaubwürdigkeit seiner bzw. Juan Matus´ Lehren hinausläuft.
Abschließend möchte ich als Ausblick auf kommende Arbeiten versuchen, die dargestellte Vision sowie die allgemeine Lehre und Tradition jener mexikanischen Schamanen in Beziehung zu mystischen Traditionen und religiösen Lehren anderer Kulturkreise zu stellen, um so eventuell einen bescheidenen Beitrag zur Einordnung von Castanedas Werken in den globalen Aspekt des menschlichen Strebens nach Bewusstseinserweiterung und Vervollkommnung zu leisten, angesichts einer -wie auch immer gearteten und titulierten- numinosen Wirklichkeit, deren Erkundung, Hingabe und Analyse sich der Homo sapiens seit jeher verpflichtet zu scheinen fühlt.
Es sei noch darauf hingewiesen, dass zunächst der Wahrheitsgehalt von Castanedas Darstellungen nicht in Frage gestellt wird, da ansonsten eine schlüssige, stringente Darstellung der von ihm beschriebenen „Welt“ wesentlich erschwert würde. Das kognitive System wird so erklärt, wie er es darstellt. Es obliegt dieser Arbeit nicht, den schlechten Ruf des Scharlatans und Betrügers Castaneda, welcher heutzutage in der Wissenschaft allgemein anerkannt zu sein scheint,[4] neu zu definieren, allerdings werde ich an gegebener Stelle auf die meiner Ansicht nach nicht immer gerechtfertigten, teils willkürlichen und subjektiven Sichtweisen der Kritiker näher eingehen, um so das einseitige Bild Castanedas ein wenig zurechtzurücken[5].
1. Castaneda - Ein Schüler der Kraft
1.1. Einleitung
Carlos Castaneda lernte Anfang der 1960er Jahre einen indianischen Schamanen und Zauberer namens Juan Matus kennen, der in der Folgezeit sein Mentor und Lehrer wurde, obwohl Castaneda dies anfänglich nicht bewusst beabsichtigt hatte:
Castaneda, der im Rahmen der universitären Ethnobotanik-Feldstudien für seine Magisterarbeit in Anthropologie in Mexiko forschte, war ursprünglich nur am traditionellen, medizinischen Gebrauch des halluzinogenen Kaktus Peyote (Lophophora Williamsii) unter der indigenen Bevölkerung Nord-Mexikos interessiert.
Sein indianischer Informant jedoch sah in ihm einen für den Fortbestand seiner Jahrhunderte alten toltekischen Schamanen-Tradition geeigneten Adepten, da Castanedas Körper eine bestimmte energetische Struktur aufwies, die ihn für Juan Matus als einen von der Kraft[6] bestimmten Nachfolger definierte. So setze dieser alles daran, Castaneda als seinen Schüler zu gewinnen, was ihm unter dem Vorwand einer lukrativen Informationsquelle bezüglich der von Castaneda gewünschten Daten auch gelang. Mit der Zeit wurde Castaneda nach und nach von dem ihm durch diesen Indianer vermittelten kognitiven System förmlich assimiliert, d.h. er konnte seine wissenschaftliche, auf rein logisch-deduktiven Bedingungen und Wertesystemen aufgebaute Weltsicht im Laufe der Lehrjahre bei dem Schamanen nicht länger aufrechterhalten.
Er durchlief eine Entwicklung vom teilnehmenden, wissenschaftlichen Beobachter, den ausschließlich ethnographische Fakten und nachvollziehbare, wissenschaftliche „Realitäten“ interessierten, hin zum Schamanen selbst. „Mit anderen Worten, das System, das ich studieren wollte, schluckte mich auf. [...] Ich bin sehr weit entfernt von meinem Ausgangspunkt als durchschnittlicher Mensch des Westens oder als Anthropologe, und vor allem muss ich noch einmal beteuern, dass dies kein Werk der Fiktion ist“, teilt er in der Einleitung zu Die Kunst des Pirschens (1981: 8) nach etwa 20-jähriger Lehrzeit seinen Lesern mit.
Ein Schlüsselerlebnis stellt in diesem Zusammenhang Castanedas Zusammentreffen mit einem Kojoten in der Wildnis dar, mit dem er auf eine Weise kommuniziert, welche im Rahmen der Prämissen der westlichen, aufgeklärten Weltsicht nicht nachvollziehbar, geschweige denn logisch erklärbar ist.[7] Die Beschreibung der Welt, wie sie uns allen von Geburt an vermittelt wird, wurde für Castaneda in jenem Moment unterbrochen bzw. „angehalten“, wie Juan Matus es ausdrückt, und an deren Stelle trat die Beschreibung der Weltsicht der Schamanen, in der ein leuchtendes Wesen -Castaneda-, das sich voll und ganz der Gleichheit aller irdischen Lebewesen angesichts ihrer unausweichlichen Sterblichkeit bewusst ist, mit einem anderen leuchtenden Wesen - dem Kojoten - kommunizieren kann.[8]
Dieses Ereignis besiegelte das irreversible Überschreiten der Schwelle zur Welt jener Linie von Schamanen, und Castanedas ursprüngliche anthropologische Forschungs-Arbeit wandelte sich zu einer ungewöhnlichen Autobiografie, in der er von seinen Erlebnissen in dieser neuen Wirklichkeit berichtet.[9]
1.2. Das kognitive System der toltekischen Seher
Um Castanedas Beschreibungen von Visionen bzw. seine seherischen Erfahrungen verstehen zu können, folgt zunächst eine kurze Einführung in die Terminologie und Struktur der Weltsicht, sowie der damit verbundenen Ideale und Ziele der alten toltekischen Seher, deren Tradition er sich verpflichtet fühlte.
Es wird eine möglichst knappe, prägnante Darstellung der komplexen, aber durchaus pragmatisch und auf optimale Effektivität hin ausgelegten Vorgehensweisen der Schamanen dieser Tradition gegeben, wobei nur auf die für die zum Verständnis der Visionen relevanten Begrifflichkeiten und Techniken näher eingegangen wird; eine Aufgabe, die aufgrund der Fremdheit des Themas mehr Informationen fordert, als ursprünglich gedacht war[10].
1.2.1. Tonal und Nagual
Die Seher in Don Juan Matus´ Linie gehen von der Prämisse aus, dass alle lebenden Wesen nur einen begrenzten Vorrat an Energie haben, der ihnen bei der Geburt mitgegeben wird. Diese Energie befindet sich in uns: in unserem physischen Körper, sowie in unserer nur für den sensitiven Seher erkennbaren leuchtenden Sphäre, die uns etwa in Armeslänge vom Körper entfernt wie ein Kokon umgibt und die wir für einen Sehenden darstellen. Jene Energie
benutzen wir Menschen vom Augenblick unserer Geburt an zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Wahrnehmung der uns umgebenden Welt. Juan Matus unterscheidet dabei die uns fassbare, d. h. wahrnehmbare Welt in Tonal (die erste Aufmerksamkeit) und Nagual (die zweite Aufmerksamkeit):
„Das Tonal ist alles, was wir kennen. Alles, wofür wir Wörter haben, ist das Tonal . […] Das Tonal beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod“ (Castaneda 1976: 137/9).
„Das Nagual ist der Teil von uns, für den es keine Beschreibung gibt – keine Wörter, keine Namen, keine Gefühle, kein Wissen“ (Castaneda 1978: 141).[11]
[...]
[1] Anm.: Bei Castaneda finden sich öfter die Bezeichnungen des Sehens und Träumens als Beschreibung kontrollierter Methoden, gezielt Visionen verschiedenster Ausformungen herbeizuführen (im Gegensatz zu den spontanen Visionen mancher Mystiker, s. Punkt 2). Das so genannte Gaffen beschreibt er als eine Art Trainingsphase auf dem Weg zum wahren Sehen (Vergl. Castaneda 1978: 261-303) und lässt sich am ehesten mit dem bekannten Aura-Sehen und den damit verbundenen Farbqualitäten vergleichen.
[2] Anm.: Der in der deutschen Übersetzung von Castanedas Frühwerken angeführte Begriff des „Zauberers“ wird meines Erachtens den dargestellten Personen heutzutage nicht gerecht bzw. ist nicht mehr zeitgemäss; er hat in seiner Konnotation im Deutschen nicht mehr viel gemein mit dem span. Originalbegriff des brujo. Daher verwende ich den Ausdruck „Schamane“, wie er auch in den neueren Übersetzungen seiner Spätwerke vermehrt gebraucht wird. Juan Matus gibt eine kurze Definition dieses Begriffs im Verständnis der toltekischen Seher; eine Defintion, die scheinbar nicht viel gemein hat mit der Historischen, in der Anthropologie und Ethnologie allgemein Gültigen : „[…]das direkte Wahrnehmen von Energie, wie sie im Universum fließt […]ist ein Element der Erkenntnis, nach dem sich das Leben der Schamanen ausrichtet. Sie sehen , wie Energie fließt, und sie folgen dem Fluss. Wenn das Fließen ins Stocken gerät, dann entfernen Sie sich, um etwas völlig anderes zu tun. Schamanen sehen Bahnen im Universum. Ihre Kunst oder ihre Aufgabe besteht darin, die Bahnen zu wählen, die sie auf der Ebene der Erkenntnis zu Bereichen bringt, die keinen Namen haben. Man kann sagen, Schamanen reagieren unmittelbar auf die Bahnen des Universums“ ( Castaneda 1998a: 162/3).
[3] Die Lehren des Don Juan, 1972 und Eine andere Wirklichkeit, 1973.
[4] Vergl. Hirschberg, Walter (Hg.) 1999, Wörterbuch der Völkerkunde, Berlin: Reimer, S. 65.
[5] S. Punkt 2.
[6] Der Begriff der Kraft bezeichnet eine Art Energie oder Wirkkraft, die alles organische und nicht-organische Sein durchdringen, führen und leiten kann, und teilweise auch mit den Begriffen Schicksal, Vorherbestimmung, oder einfach Energie gleichgesetzt werden kann (im spanischen Original: poder = Macht, Kraft, Vermögen).
Der Mensch kann sich dieser Energie öffnen, sie akkumulieren, von ihr sein Leben in gewisser Weise lenken lassen und sie auch gezielt für seine (unpersönlichen) Zwecke einsetzen, indem er sich vervollkommnet. Ein geeigneter Vergleich wäre evtl. der Begriff des Mana aus Polynesien, der meines Erachtens die gleiche Energie beschreibt. Anhand mancher Textpassagen bei Castaneda böte sich auch der Vergleich der Kraft mit dem Begriff des Numinosen im Sinne Ottos, Menschings oder Jungs an, abhängig davon, wie differenziert man es betrachten möchte.
[7] Vergl. Castaneda 1975: 239 und 1976: 30/31.
[8] „Gestern hast Du die Welt angehalten, und vielleicht hast Du sogar gesehen [...]. Was gestern in dir aufhörte, das war das, was die Leute dir über die Welt gesagt haben. Sieh mal, die Leute sagen uns von Geburt an, die Welt sei so und so beschaffen, und natürlich bleibt uns nichts anderes möglich, als die Welt so zu sehen, wie die Leute uns sagen, daß sie sei“ (Castaneda 1975: 240).
[9] „Es ist eine seltsame Autobiografie, denn ich berichte nicht, was mir im Alltagsleben als einem alltäglichen Menschen widerfährt, und ich berichte auch nicht über meine subjektiven, durch das tägliche Leben bedingten Erfahrungen. Vielmehr berichte ich über jene Ereignisse, die in meinem Leben infolge der Tatsache eintreten, dass ich ein fremdes System von miteinander verknüpften Ideen und Verfahrensweisen übernommen habe“ (Castaneda 1981: 8).
[10] Anm.: Ich versuche im Folgenden die zentralen Elemente der toltekischen Lehre herauszuarbeiten. Auf Grund der großen Vielfalt der angewandten Techniken und Lehren des Juan Matus, musste ich in dieser Arbeit jedoch gewisse Prioritäten bezüglich der Bedeutung der einzelnen Faktoren seiner Ausbildung setzen. Die isolierte Betrachtung dieser komplexen, teils einander bedingenden Elemente schränkt daher unweigerlich das Gesamtbild ein, wenn es dieses nicht sogar latent verfälscht, so dass eine differenziertere, detaillierte Betrachtungsweise des Themas eventuell andere Schwerpunkte setzen würde.
[11] Die Dualität von Tonal und Nagual beruht nicht auf den uns bekannten Dualitäten, wie z.B. die von Geist und Materie, Gut und Böse, Yin und Yang o.ä.. Diese vorgenannten Gegensatz-Paare gehören laut Don Juan Matus alle ausschließlich zum Tonal. Das Nagual lässt sich mit nichts umschreiben oder vergleichen, was wir in Worte fassen können, es lässt sich lediglich von jedem Menschen persönlich erfahren, wenn er denn genug Energie besitzt (Castaneda 1976: 143). Diese Erfahrung ist das so genannte Sehen.
- Arbeit zitieren
- Claudia Faschingbauer (Autor:in), 2002, Die Figur der Kriemhild im Nibelungenlied, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27450
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