Neurowissenschaftliche Untersuchungen scheinen die Vorstellung von Willensfreiheit als Selbsttäuschung zu entlarven: Erkenntnisse über die zeitliche Abfolge neuronaler Vorgänge haben eine kontroverse Debatte über die kausale Rolle unserer Gedanken neu aufgeworfen. Sehen wir uns zu Recht als Subjekte mit freiem Willen an oder lenkt uns de facto unser Gehirn?
Diese Arbeit kritisiert zunächst die Methodik der Experimente nach dem Libet’schen Schema und diskutiert die Bedeutung der Prädetermination motorischer Willkürhandlungen für komplexe Entscheidungsprozesse. Anschließend wird von den Positionen der Neurobiologen Gerhard Roth und Wolf Singer ausgehend diskutiert, ob unbewusste Bewertungsmechanismen rationales Abwägen vollständig determinieren, hierbei wird zwischen Willensfreiheit, Handlungsfreiheit, Autonomie, Rationalität und rational fundierten Haltungen differenziert.
Die Frage nach der kausalen Relevanz bewusster mentaler Prozesse führt zudem auf das Grundproblem der Philosophie des Geistes zurück: Wenn keine naturalistische Erklärung menschlichen Bewusstseins akzeptiert werden kann, stellt sich für die ontologische Tradition das dualistische Problem materieller und immaterieller Entitäten. Demgegenüber eröffnet eine monistische Ontologie die Möglichkeit der kausalen Wirksamkeit bewusster Prozesse ohne metaphysische Annahmen zu machen.
Daher werden im zweiten Teil maßgebliche bewusstseinsphilosophische Positionen diskutiert um zu klären, ob bewusste mentale Prozesse naturalistisch beschreibbar sind: die von Joseph Levine formulierte Erklärungslücke, das von Frank Jackson vorgebrachte Wissensargument, die von Thomas Nagel reklamierte Irreduzibilität subjektiver Perspektive sowie der von David Papineau pointierte Verweis auf die Identität mentaler Qualitäten und physikalischer Vorgänge. Hierbei steht die Frage nach der Reduzierbarkeit phänomenalen Erlebens und subjektiver Perspektivität im Vordergrund.
Bettina Walde etikettiert unbewusste und bewusste neuronale Prozesse als physikalische Entitäten desselben ontologischen Status und argumentiert, eine epistemisch offene Zukunft ermögliche, dass Gedanken Ursachen setzen. Deshalb wird schließlich diskutiert, ob die von Walde formulierten Bedingungen für Freiheit gegenüber der Auffassung neuronaler Determiniertheit von Entscheidungen und der Akzeptanz eines physikalischen Determinismus auf eine kausale Wirksamkeit bewusster Prozesse schließen lassen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Kausale Wirksamkeit bewusster Prozesse aus neurowissenschaftlicher Perspektive
- 2.1 Prädetermination bei Willkürhandlungen
- 2.2 Determiniertheit willentlicher Entschlüsse
- 2.3 Willensfreiheit, Handlungsfreiheit und Rationalität
- 3. Kausale Wirksamkeit bewusster Prozesse aus philosophischer Perspektive
- 3.1 Reduktionismus und die Erklärungslücke
- 3.2 Reduzierbarkeit subjektiver Perspektivität
- 3.3 Epistemischer Libertarismus nach Bettina Walde
- 5. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Frage, ob bewusste mentale Prozesse kausal wirksam sein können. Sie analysiert die Ergebnisse neurowissenschaftlicher Forschungsergebnisse, die auf eine Prädetermination bewusster Entscheidungen durch unbewusste neuronale Prozesse hindeuten, und setzt diese Erkenntnisse in Bezug zu philosophischen Debatten über die Natur des Bewusstseins und die Möglichkeit von Willensfreiheit.
- Kausale Wirksamkeit bewusster Prozesse im Lichte neurowissenschaftlicher Erkenntnisse
- Die Rolle unbewusster neuronaler Prozesse bei der Entscheidungsfindung
- Die philosophischen Implikationen des Konzepts der Willensfreiheit
- Der Zusammenhang zwischen Bewusstsein, Handlungsfreiheit und Rationalität
- Naturalistische Erklärungen des Bewusstseins und die Reduzierbarkeit subjektiver Perspektivität
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor und erläutert die aktuelle Debatte über die Willensfreiheit im Kontext neurowissenschaftlicher Erkenntnisse. Sie betont die Relevanz der Unterscheidung zwischen Willensfreiheit und Handlungsfreiheit sowie die Notwendigkeit, das Kriterium der Entscheidungsoffenheit in der interpersonalen Kommunikation zu erfassen.
Kapitel 2: Dieses Kapitel präsentiert die Forschungsergebnisse von Benjamin Libet und die Modifikationen seiner Experimente durch Patrick Haggard und Martin Eimer. Es diskutiert die Frage, ob die Folgerungen aus den Experimenten auf komplexe Entscheidungsprozesse übertragbar sind und erörtert die Positionen von Gerhard Roth und Wolf Singer hinsichtlich der Determiniertheit rationalen Abwägens durch unbewusste neuronale Vorgänge.
Kapitel 3: In diesem Kapitel werden maßgebliche Positionen der Philosophie des Geistes vorgestellt, um zu diskutieren, ob bewusste mentale Prozesse naturalistisch beschreibbar sind. Die Diskussion behandelt die Erklärungslücke, das Wissensargument, die Irreduzibilität subjektiver Perspektive sowie die These, dass mentale Qualitäten nicht von physikalischen Vorgängen unterschieden werden müssen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Bewusstsein, Willensfreiheit, Handlungsfreiheit, Determinismus, Naturalismus, Reduktionismus, Subjektivität, Epistemischer Libertarismus, Neurowissenschaften, Neurophilosophie.
- Citation du texte
- Marius Donadello (Auteur), 2014, Über die Möglichkeit, gegen das Gehirn ein Veto einzulegen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274035