Die nach der offiziellen tschechischen Auffassung rechtlich unwirksame Bene(?)- Dekrete (i.F. Dekrete) haben in den letzten zehn Jahren an großer Bedeutung gewonnen. Der Eiserne Vorhang schützt die Tschechische Republik nicht mehr vor dem Problem der Verantwortung für ihre Nachkriegsgeschichte. Die Dekrete sind wieder zum Thema der europäischen Beziehungen geworden und je näher die Ost- Erweiterung der Europäischen Union rückt, desto lauter sind die Stimmen der ehemaligen Vertriebenen und ihrer Familien, welche nach einer Wiedergutmachung an erster und der Rückgabe des konfiszierten Eigentums an zweiter Stelle streben. Die EU Ost-Erweiterung gibt diesen Menschen nach über fünf Jahrzehnten ein sehr starkes politisches Druckmittel in die Hand, mit welchem sie für ihre Rechte und Eigentum kämpfen können. Die EU ist zwar keine richterliche Instanz, bei der die Betroffenen klagen könnten, aber sie und ihre Mitgliedstaaten haben seit Jahrzehnten eine bestimmte Wertevorstellung, welche sich mit dem Inhalt der Dekrete nicht vereinbaren lässt.
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In dieser Arbeit werde ich versuchen die Problematik der Dekrete zu erläutern. Im ersten Teil wird dem Leser kurz die Geschichte der Nachkriegs-CSR dargestellt und die Dekrete inclusive des sog. Straffreiheitsgesetzes, die den EU und EWR-Beitritt Tschechiens gefährden, werden erwähnt. Als Beispiel für die tschechische Auffassung über die Dekrete wird das kontroverse „Dreithaler-Urteil” des tschechischen Verfassungsgerichthofs über die Aufhebung des Dekrets Nr. 108/19455 behandelt und mit Fakten und Argumenten aus der Fachliteratur konfrontiert. Im Hauptteil werden die wichtigsten Problemdimensionen, welche durch die Dekrete entstanden sind, erwähnt. Dadurch wird unter anderem dem Dreithaler-Urteil ein Spiegel vorgehalten. Schließlich wird dem Leser ein Ausblick in die Zukunft dieses Streits innerhalb der EU gegeben, da die umstrittene Beibehaltung der Dekrete innerhalb der tschechischen Rechtsordnung die Erfüllung der Kopenhagener Beitrittskriterien in Frage stellen. Die Kriterien sind die Basiswerte der EU und falls diese nicht geachtet werden, möge es passieren, daß sie ihre selbstverständliche Verbindlichkeit verlieren könnte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorgeschichte und Fakten über die Dekrete
- Die Beneš-Dekrete
- Die Auffassung des Tschechischen Verfassungsgerichtshofes im Bezug auf das Dreithaler-Urteil
- Die Argumente der Beschwerdeführer im Dreithaler-Fall
- Die Argumente des Tschechischen Verfassungsgerichtshofes
- Verschiedene Dimensionen der Beneš-Dekrete
- Die völkerrechtliche Dimension
- Die europäische und außenpolitische Dimension
- Die Restitution und die damit verbundenen Probleme
- Die Ansprüche Liechtensteins und die Haltung Tschechiens
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Problematik der Beneš-Dekrete und ihrer Auswirkungen auf die Nachkriegsgeschichte der Tschechoslowakei. Sie untersucht die historische und rechtliche Situation der Dekrete, analysiert die Argumente des tschechischen Verfassungsgerichtshofes im Fall Dreithaler und beleuchtet die verschiedenen Dimensionen der Dekrete, insbesondere in Bezug auf das Völkerrecht, die europäische und außenpolitische Situation sowie die Restitution von enteignetem Eigentum.
- Die rechtliche Gültigkeit der Beneš-Dekrete
- Die Auswirkungen der Dekrete auf die Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland
- Die völkerrechtliche und europäische Dimension der Dekrete
- Die Problematik der Restitution und die Ansprüche der ehemaligen Vertriebenen
- Die Rolle der Beneš-Dekrete im Kontext des EU- und EWR-Beitritts Tschechiens
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung erläutert die Relevanz der Beneš-Dekrete im Kontext der tschechischen Nachkriegsgeschichte und der EU-Erweiterung. Sie führt den Leser in die Thematik ein und stellt die wichtigsten Forschungsfragen der Arbeit vor. Das erste Kapitel widmet sich der Vorgeschichte und den Fakten der Dekrete, beleuchtet die Situation der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg und erläutert die Entstehung der Dekrete. Das zweite Kapitel analysiert die Auffassung des tschechischen Verfassungsgerichtshofes im Bezug auf das Dreithaler-Urteil, welches die Gültigkeit eines Dekrets in Frage stellte. Es werden die Argumente der Beschwerdeführer und des Gerichtshofes gegenübergestellt. Das dritte Kapitel untersucht die verschiedenen Dimensionen der Dekrete, beginnend mit der völkerrechtlichen Dimension und der Frage der Rechtsgültigkeit. Es beleuchtet die europäische und außenpolitische Bedeutung der Dekrete und widmet sich den Problemen der Restitution von enteignetem Eigentum und den Ansprüchen Liechtensteins.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Beneš-Dekreten, einem zentralen Thema in der tschechischen Nachkriegsgeschichte. Sie behandelt die rechtliche Gültigkeit der Dekrete, die völkerrechtliche Dimension, die Restitutionsproblematik, die Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland und die Auswirkungen der Dekrete auf den EU- und EWR-Beitritt Tschechiens. Weitere wichtige Themen sind das Dreithaler-Urteil, die Ansprüche der ehemaligen Vertriebenen und die Europäische Union.
- Quote paper
- Michal Broska (Author), 2003, Diskussion über die Benes-Dekrete aus Anlass des EU Beitritt Tschechiens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27402