Die Aufklärung als erster Schritt in eine moderne Existenz, so haben wir gelernt, war
der wichtigste Baustein zur Befreiung des Menschen aus seinem Gefängnis der
Traditionen und der Unkenntnis von der Welt, hin zu einer menschenwürdigen
Existenz, geprägt von den humanistischen Idealvorstellungen. Der Schleier der
Unwissenheit wurde uns genommen, nunmehr sollte die Wahrheit in all ihrem Glanz
erstrahlen. Der Mensch sollte sich der Gabe zur Vernunft bewußt werden. Zygmunt
Bauman läßt in seinem Buch "Moderne und Ambivalenz" jedoch die andere, realere
Seite der Moderne zum Vorschein kommen, indem er aufdeckt und erklärt, welche
Folgen diese Ideen für die menschliche Existenz hatten.
Bauman erklärt die fatalen Konsequenzen des Verfolgens moderner Ideen am
Beispiel Holocaust, den er als Archetyp des modernen Vorgehens gegen Unklarheit
und Unordnung sieht. In dieser Seminararbeit wird diesem Sachverhalt auch ein
Großteil der Aufmerksamkeit geschenkt. An Stellen, die ich dafür geeignet hielt, lasse
ich Viktor Klemperer zu Wort kommen, dessen Überlegungen in "LTI" oftmals
Baumans Aussagen bestätigen, manchmal auch ergänzen können. Seine
Ausführungen zum Alltagsleben und der Sprache in der Zeit des Dritten Reiches
halte ich gerade in Verbindung mit Baumans soziologischen Überlegungen für
besonders lehrreich bei der Betrachtung auch unserer "postmodernen" Epoche,
decken beide zusammen doch viele Denkfallen, die schon im alltäglichen
Sprachgebrauch, vor allem aber von Medien übertragen werden, auf und zeigen, wie
über nicht allzu große Zeiträume hinweg Denkweisen beeinflußt, ja verändert werden
können.
Zuvor jedoch erfolgt erst einmal eine Klärung der grundlegenden Begriffe, wie auch
Bauman sie vorgenommen hat. Begriffe wie Ordnung und Ambivalenz gehen uns
leicht über die Lippen, um sich der Tragweite dieser Worte für unser Handeln, ja für
unser Denken aber bewußt zu werden, müssen sie zuerst aufgeschlüsselt werden.
Daran anschließend die Betrachtung des Holocaust, wie oben schon erwähnt wurde.
Im Anschluß an die Ausführungen zum Holocausts mit besonderem Bezug auf
Klemperer werde ich wieder zu ausschließlichen Betrachtung von Baumans Überlegungen wechseln, der mit der Erkenntnis der Unmöglichkeit des modernen
Projektes die Möglichkeit zur Entwicklung einer postmodernen Existenz sieht, einer
Existenz, die Verschiedenheit als ihren Grundbaustein ansieht und gelernt hat, mit
Ambivalenz zu leben. [...]
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- KLÄRUNG DER BEGRIFFE, BEDEUTUNG DIESER FÜR DAS MODERNE
- DIE UMSETZUNG IN DIE PRAXIS.
- Der Gärtnerstaat.
- Der Fremde
- Assimilation vs. Ausgrenzung.
- Der Vorgeschmack der Postmoderne
- Die Selbsttäuschung.....
- DER HOLOCAUST...
- Moderne Verwandtschaften.
- Unterschiede zwischen moderner und mittelalterlicher Judenverfolgung..
- Der wissenschaftliche Anspruch
- "Umnebelung"?.
- AMBIVALENZ WIRD PRIVATISIERT..
- Die schwierige Selbstfindung
- Soziale Systeme als Lösung?
- Die Entstehung des Expertentums......
- Technologie...........
- DIE POSTMODERNE....
- Solidarität als Notwendigkeit............
- Die neuen Stämme........
- Postmoderne als Chance
- LITERATURVERZEICHNIS ..
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit Zygmunt Baumans Werk "Moderne und Ambivalenz", in dem er die Ambivalenz der Moderne beleuchtet und die Folgen dieser Ambivalenz für die menschliche Existenz untersucht. Der Fokus liegt dabei auf der Analyse des Holocaust als Archetyp des modernen Vorgehens gegen Unklarheit und Unordnung. Darüber hinaus beleuchtet die Arbeit die Auswirkungen moderner Denkweisen auf das Alltagsleben und die Sprache, wobei Viktor Klemperers "LTI" als Vergleichs- und Ergänzungspunkt dient.
- Die Ambivalenz der Moderne und ihre Auswirkungen auf die menschliche Existenz
- Die Rolle des Holocaust als Beispiel für die fatalen Folgen des Verfolgens moderner Ideen
- Der Zusammenhang zwischen Sprache und Denken im Kontext der Moderne und Postmoderne
- Die Notwendigkeit, mit Ambivalenz umzugehen und Verschiedenheit als Grundbaustein einer postmodernen Existenz zu akzeptieren
- Die Herausforderungen und Chancen einer postmodernen Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Klärung der Begriffe Ordnung und Ambivalenz, die für Baumans Ausführungen von zentraler Bedeutung sind. Dabei wird die Ambivalenz als ein Versagen der "Nenn- (Trenn-) Funktion" der Sprache beschrieben, die den modernen Menschen als störend und unangenehm empfindet, da sie die Ordnung der Dinge bedroht. Die Moderne strebt hingegen nach Ordnung und Sicherheit, doch paradoxerweise führen diese Bestrebungen zu immer mehr Widersprüchlichkeiten und Chaos. In diesem Kontext werden die Gefahren des Ordnungs- und Klassifizierungsstrebens in der Politik und im gesellschaftlichen Leben beleuchtet, insbesondere im Hinblick auf die Definition von Freund und Feind.
Der Holocaust wird als ein Beispiel für die fatalen Folgen des modernen Denkens betrachtet, wobei Parallelen zwischen moderner und mittelalterlicher Judenverfolgung aufgezeigt werden. Zudem werden die Auswirkungen der wissenschaftlichen Ideologie auf die Entstehung des Holocaust untersucht. Klemperers "LTI" dient als Quelle für die Analyse der Sprache im Kontext der NS-Herrschaft und als Ergänzung zu Baumans soziologischen Ausführungen.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Erkenntnis der Unmöglichkeit des modernen Projekts als Grundlage für die Entwicklung einer postmodernen Existenz dargestellt. Die Postmoderne zeichnet sich durch die Akzeptanz von Verschiedenheit und die Fähigkeit, mit Ambivalenz zu leben, aus. Die Herausforderungen einer postmodernen Gesellschaft werden beleuchtet, insbesondere die Fragilität dieser neuen Gesellschaftsform, die ständig der Gefahr der Selbstzerstörung ausgesetzt ist. Die Arbeit schließt mit der Hoffnung auf eine Gestaltung der Postmoderne, die die Chance zur Überwindung der Fallstricke der Moderne bietet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Begriffen wie Moderne, Postmoderne, Ambivalenz, Ordnung, Chaos, Sicherheit, Freund-Feind-Schema, Holocaust, Sprache, Denkfallen, alltägliche Sprache, Medien, Gesellschaft, und Soziologie. Sie untersucht die Ambivalenz der Moderne im Kontext des Holocaust, die Bedeutung von Sprache und Denken, die Herausforderungen der Postmoderne und die Notwendigkeit, mit Verschiedenheit und Ambivalenz umzugehen.
- Quote paper
- Anka Gehre (Author), 1999, Zygmunt Bauman und die Ambivalenz der Moderne, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27386