Im Mittelpunkt Platons früher Dialoge steht Sokrates, der das Wissen seiner Gesprächspartner einer beständigen Prüfung unterzieht, um ihnen bewusst zu machen, dass ein Wissen nur als wahrhaftig gilt, wenn es der Betreffende auch begründen kann. Dies ist die leitende Idee des Sokratischen Dialogs, das heißt, das wahrhafte Wissen zu begründen und das Scheinwissen zu entlarven. Nur wenn sich derjenige, der etwas zu wissen glaubt, über sein Scheinwissen und damit Nichtwissen im Klaren ist, öffnet er sein Bewusstsein, um nach wahrer Erkenntnis und Wissen zu streben. Dies ist die Aufgabe des Philosophen, für dessen Lebensweise sich Sokrates entscheidet.
Seine Weisheit besteht darin, zu wissen, was er nicht weiß, was ihn dazu veranlasst, sich als Freund der Weisheit auf die Suche nach wahrer Erkenntnis zu begeben. Darin besteht auch seine Überlegenheit den scheinbar Weisen gegenüber, deren Gespräch er unermüdlich sucht, um ihnen ihr Scheinwissen bewusst zu machen und den Grundstein für wahre Erkenntnis zu legen, wodurch er sich erbitterte Feinde schafft, die ihn der Gotteslästerung, der Verkehrung des Rechts zu Unrecht, sophistischer Täuschungsstrategien sowie der Verführung der Jugend anklagen und schließlich zum Tode verurteilen.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, warum Sokrates auf die Vollstreckung des ungerechten Urteils in Athen wartet, anstatt die Hilfe seines Freundes Kriton in Anspruch zu nehmen und zu fliehen. Hierbei wird folgende These vertreten: Sokrates bleibt in Athen, weil er sich für das Leben als Philosoph entschieden hat und damit nicht nur der Liebe zur Weisheit dient, sondern auch der Gerechtigkeit. Insofern fühlt er sich zum unbedingten Gehorsam dem Vaterland gegenüber und der strikten Einhaltung der Gesetze verpflichtet.
Im Verlauf der Analyse wird das Gespräch zwischen Sokrates und Kriton näher untersucht und deren Argumente aufgegriffen und reflektiert. „Apologie“ und „Kriton“ sind eng miteinander verwoben und beschäftigen sich chronologisch betrachtet mit den Fragen, welche Geschehnisse dazu führten, Sokrates derartiger Vergehen anzuklagen und warum er sich gegen eine Flucht entscheidet. Die Untersuchungen werden zeigen, dass Sokrates stets ein oberstes Ziel verfolgt, das heißt, ein Leben gemäß der Tugend zu führen, demzufolge gerecht zu sein und somit auf die Reinheit der Seele von jeglicher Schuld zu achten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Gottesauftrag an Sokrates
- Kriton — Der Fluchtplan
- Möglichkeiten der Flucht
- Ethische Gründe zur Flucht
- Nicht jede Meinung zählt
- Nur die Meinung des Sachverständigen zählt
- Gerechtigkeit der Flucht als einziger Entscheidungsgrund
- Unrecht ist weder zu tun noch zu vergelten
- Flucht bedeutet Verletzung der Gesetze
- Das Vaterland hat ein Recht auf Gehorsam
- Dieses Recht wird von jedem Bürger zugestanden
- Konsequenzen der Flucht
- Konsequenzen der Flucht auf dieser Welt
- Konsequenzen der Flucht für den Hades
- Fazit: Sokrates entscheidet sich für das Leben des Philosophen in Athen
- Literatur- und Quellenverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Dialog zwischen Sokrates und Kriton im gleichnamigen Werk Platons, in dem sich die Frage stellt, warum Sokrates die Vollstreckung des ungerechten Todesurteils in Athen nicht durch Flucht abwendet. Die Arbeit verfolgt das Ziel, die Argumente von Sokrates und Kriton zu analysieren, um zu verstehen, warum Sokrates sich für ein Leben als Philosoph in Athen entscheidet und dabei der Gerechtigkeit und dem Gehorsam gegenüber dem Vaterland höchste Priorität einräumt.
- Die Bedeutung der Tugend und Gerechtigkeit für das Leben des Philosophen
- Die Rolle der Gesetze und des Staates in der sokratischen Philosophie
- Die Bedeutung der Selbsterforschung und der Suche nach wahrer Erkenntnis
- Die Konsequenzen der Flucht für das Diesseits und das Jenseits
- Die Frage nach dem Verhältnis von Individualität und Staat
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Sokrates als den zentralen Protagonisten Platons früher Dialoge vor, der durch seine methodische Hinterfragung des Wissens seiner Gesprächspartner die Suche nach wahrer Erkenntnis fördert. Die Arbeit konzentriert sich auf die Frage, warum Sokrates trotz der Möglichkeit zur Flucht das ungerechte Todesurteil in Athen annimmt.
Im zweiten Kapitel wird der Gottesauftrag an Sokrates beleuchtet, der durch den Orakelspruch von Delphi begründet wird. Sokrates' Zweifel an seiner eigenen Weisheit führen ihn auf eine Reise der Selbsterforschung, die ihn zu der Erkenntnis führt, dass er im Vergleich zu den vermeintlich Weisen durch seine Offenheit für das Nichtwissen überlegen ist.
Das dritte Kapitel widmet sich Kritons Plan, Sokrates aus dem Gefängnis zu befreien. Kriton argumentiert aus ethischen und pragmatischen Gründen für die Flucht, während Sokrates die Notwendigkeit des Gehorsams gegenüber den Gesetzen und das Streben nach einem gerecht und tugendhaften Leben betont.
Das vierte Kapitel beleuchtet die Argumente von Sokrates, die gegen eine Flucht sprechen. Er stellt die Bedeutung der Meinung des Sachverständigen gegenüber der unkundigen Menge heraus und argumentiert, dass Unrecht niemals gerechtfertigt ist, selbst wenn es durch einen anderen begangen wird. Sokrates betont die Schutzfunktion der Gesetze und die moralische Verpflichtung gegenüber dem Vaterland.
Das fünfte Kapitel analysiert die Konsequenzen der Flucht für Sokrates, sowohl für das Diesseits als auch für das Jenseits. Sokrates argumentiert, dass eine Flucht nicht nur die Freunde und das Vaterland schädigen würde, sondern auch die eigene Seele und das Streben nach einem tugendhaften Leben gefährden würde.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den sokratischen Dialog, die Tugend, die Gerechtigkeit, das Recht, das Vaterland, die Gesetze, die Selbsterforschung, das Leben des Philosophen und die Konsequenzen der Flucht. Der Text analysiert Platons "Kriton" und beleuchtet die Argumente von Sokrates und Kriton, um zu verstehen, warum Sokrates sich für ein Leben als Philosoph in Athen entscheidet und dabei der Gerechtigkeit und dem Gehorsam gegenüber dem Vaterland höchste Priorität einräumt.
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- Angelika Nauschütz (Author), 2013, Platon: Kriton und Sokrates, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273482