Im Jahre 447 vor Christus legten die Athener den Grundstein für ein außergewöhnliches Gebäude. Schon 15 Jahre später waren die Bauarbeiten in der Innenstadt abgeschlossen - Der Parthenon, der größte Tempel auf der Akropolis, war entstanden. Zu Agora und Pnyx, den Mittelpunkten des Lebens in der Polis, strahlten die frischen bunten Farben seiner Skulpturen und Metopen herüber.
Die Bürger, die rund um den prachtvollen Bau ihre Wohnungen hatten, waren Zeugen einer glorreichen Zeit. Ihre Stadt war das Zentrum einer Großmacht, und sie alle (d.h. die Männer) hatten an dieser Macht teil. Rund 80 Jahre zuvor hatte Kleisthenes die Demokratie neu geordnet und den Einfluss der Volksversammlung gestärkt. Nun befand sich die demokratische Gesellschaft auf einem Höhepunkt.
Mit der innenpolitischen Stabilität gingen außenpolitische Erfolge einher. Aus den „Mitkämpfern” Athens im Seebund waren Untergebene geworden, die mit ihren Tributen zum Reichtum der Metropole am Saronischen Golf beitrugen.
Auf dem Höhepunkt ihrer Macht bauen die Athener auf dem damals höchsten Punkt ihrer Stadt den Parthenon. Bestehen über die bloße Gleichzeitigkeit hinaus Zusammenhänge zwischen dem öffentlichen Bau und der Politik? Welche Botschaft ging von den Skulpturen des Parthenon aus? Wie wirkte er auf Athener, wie auf Fremde? Es sind diese Fragen, die sich stellen, will man urteilen, ob der Parthenon ein „Wahrzeichen der Demokratie” war. Der Schwerpunkt soll hierbei auf der Betrachtung der Giebel, der Metopen und des Frieses liegen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Von Grund auf demokratisch?
Die Baudebatte (Plutarch, Perikles 12-14)
2.1 Die mangelnde Historizität der Schilderung
2.2 Die Grundaussage stimmt
3 Die Funktion des Parthenon
3.1 Kein Tempel
3.2 „The central bank of Athens”
3.3 Ein Denkmal des Volkes
3.4 Erst die Athener, dann Athena
4 Die Bauskulpturen und ihre Aussagen
4.1 Die Giebel
4.1.1 Der Ostgiebel
4.1.2 Der Westgiebel
4.2 Die Metopen
4.2.1 Die Nordmetopen
4.2.2 Die Südmetopen
4.2.3 Die Ostmetopen
4.2.4 Die Westmetopen
4.3 Der Fries
4.3.1 Der Festzug - mythisch, symbolisch oder historisch zu verstehen?
4.3.2 Eine Menschenmasse - das Volk in Marmor
4.3.3 Selbstbewußtsein oder Hybris?
4.3.4 Der Staat im Bild: die Phylenheroen
4.3.5 Der Imperialist bittet zum Altar - die Panathenäen und der Seebund
5 Schluß
1 Einleitung
Im Jahre 447 vor Christus legten die Athener den Grundstein für ein außergewöhnli- ches Gebäude. Schon 15 Jahre später waren die Bauarbeiten in der Innenstadt abgeschlossen - Der Parthenon, der größte Tempel auf der Akropolis, war entstan- den. Zu Agora und Pnyx, den Mittelpunkten des Lebens in der Polis, strahlten die frischen bunten Farben seiner Skulpturen und Metopen herüber. Die Bürger, die rund um den prachtvollen Bau ihre Wohnungen hatten, waren Zeugen einer glorreichen Zeit. Ihre Stadt war das Zentrum einer Großmacht, und sie alle (d.h. die Männer) hatten an dieser Macht teil. Rund 80 Jahre zuvor hatte Kleisthenes die Demokratie neu geordnet und den Einfluß der Volksversammlung gestärkt. Nun befand sich die demokratische Gesellschaft auf einem Höhepunkt. Mit der innenpolitischen Stabilität gingen außenpolitische Erfolge einher. Aus den „Mitkämpfern” Athens im Seebund waren Untergebene geworden, die mit ihren Tributen zum Reichtum der Metropole am Saronischen Golf beitrugen. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht bauen die Athener auf dem damals höchsten Punkt ihrer Stadt den Parthenon. Bestehen über die bloße Gleichzeitigkeit hinaus Zusam- menhänge zwischen dem öffentlichen Bau und der Politik? Welche Botschaft ging von den Skulpturen des Parthenon aus? Wie wirkte er auf Athener, wie auf Fremde? Es sind diese Fragen, die sich stellen, will man urteilen, ob der Parthenon ein „Wahrzeichen der Demokratie” war. Der Schwerpunkt soll hierbei auf der Betrach- tung der Giebel, der Metopen und des Frieses liegen.
2 Von Grund auf demokratisch? Die Baudebatte (Plutarch, Perikles 12-14)
In seiner Biographie des Perikles schildert Plutarch sehr anschaulich eine Debatte um das so genannte Bauprogramm des Perikles. Die Volksversammlung entscheidet schließlich - im Sinne Perikles´ und aufgrund dessen rhetorischen Geschickes - zugunsten der Bauten, zu denen der Parthenon gehörte. Doch so schön sich die Debatte mit ihrer lebhaften wörtlichen Rede liest - historisch ist sie wohl nur teilweise.1
2.1 Die mangelnde Historizität der Schilderung
Die Gründe hierfür, zwei im wesentlichen, liegen beim Autor. Erstens schreibt Plutarch mit einem Abstand von über 500 Jahren. Unstrittig ist einzig, dass Thukydides, Sohn des Oloros, zu seinen Quellen zählte.2 Doch dieser schreibt in seiner Schilderung des Peloponnesischen Krieges nichts über eine Baudebatte, kaum etwas über die Bauten selbst. Über weitere Quellen herrscht Unklarheit.3 Woran aber zweitens die Historizität der Schilderung noch deutlicher krankt, ist die nicht verheimlichte Intention des Autors Plutarch. Seine griechisch-römischen Parallelbiographien, Perikles vergleicht er mit Fabius Maximus, sollen Leitbilder darstellen, nicht historische Wahrheiten. Plutarch schreibt: „Die Tugend hingegen vermag uns durch das Vorbild (...) zu bewegen, dass wir ihre Taten bewundern und (...) den Männern nacheifern, die diese vollbracht haben.”4 Der naheliegende Verdacht, Plutarch instrumentalisiere Perikles als pädagogisch wertvolle Lichtgestalt, bestätigt sich insbesondere in seiner Schilderung der Auseinandersetzung mit Thukydides, Sohn des Melesios. Nur ein Argument der um diesen gescharten Baugegner führt Plutarch aus, von dem er obendrein schreibt, Perikles habe es „über sich ergehen lassen” müssen5. Und Perikles erwidert nicht schlicht darauf, nein, er „macht dem Volke klar”6, dass seine Position richtig ist. Die Sympathie des Plutarch für seinen Protagonisten ist unverkennbar.
2.2 Die Grundaussage stimmt
Doch trotz vieler weiterer Beispiele, wie der Thematisierung der Arbeitslosigkeit7 (die kein Problem Athens im 5.Jh. v.Chr., wohl aber Roms im 2.Jh. n.Chr. war8 ) oder der Bezeichnung des Phidias als Oberaufseher über die Bauten9, ist doch die Grundaussage der Passage richtig: Die Volksversammlung hat in mehreren Schrit- ten über die Akropolisbauten abgestimmt10, insbesondere wählten die Bürger jährlich die Mitglieder der Baukommissionen, die Epistaten und deren Schreiber. Bei allen Fehlern oder Mutmaßungen, die die Baudebatte insbesondere um die Figuren des Perikles und des Phidias enthält, bleibt außer Zweifel: Der Bau (auch) des Parthenon fußte auf demokratischen Entscheidungen11 und wurde von den Bürgern überwacht12. Der Parthenon wurde auf demokratischem Fundament errichtet.
3 Die Funktion des Parthenon
Direkte demokratische Handlungen, wie etwa Abstimmungen, wären auf dem sakralen Boden der Akropolis nicht denkbar gewesen. Die zentrale Frage lautet vielmehr, ob der Parthenon Tempel (im Sinne einer Kultstätte) oder Schatzhaus war.
3.1 Kein Tempel
Viele Argumente sprechen für ein Schatzhaus, leider allesamt ex silencio. Dass es keine andere Gottheit als die Athena Polias - wenn überhaupt eine - gewesen sein kann, die im Parthenon verehrt wurde (wie im damals noch stehenden Alten Athena-Tempel), hat Herington bereits 1955 gezeigt.13 Gegen eine Athena Parthe- nos als zweite auf der Akropolis verehrte Athena spricht - am Rande - schon, dass „Parthenos” ursprünglich nur als Attributierung gemeint war. So hieß auch der Parthenon schlicht ho neohs (der Tempel), die Göttin schlicht he teos (die Göttin), Athena oder Athena Polias.14 Auch über eine zweite Priesterin, die für einen Kult im Parthenon nötig gewesen wäre, schweigen alle bekannten Quellen.15 Wichtig- stes Argument gegen einen Kult im Parthenon ist jedoch das Fehlen eines Altars, der sich an der Ostseite des Parthenon hätte befinden müssen16 - ohne Altar kein Opfer, kein Kult, ja, kein Tempel17. Verehrt wurde also nur die Athena Polias im Alten Athena-Tempel.
3.2 „The central bank of Athens”
Die Bezeichnung als Schatzhaus nun geht auf Demosthenes zurück.18 Dass der Begriff paßt, bestätigt Thukydides, er läßt (glaubwürdiger als Plutarch) Perikles zu den Athenern sagen, auch das Gold, mit dem die Athena-Statue im Parthenon behangen sei, könnten sie in der Not des Krieges ausgeben19. Außerdem hatten an der Stelle des Parthenon kleinere Schatzhäuser gestanden20, was nichts beweist, die gewählte Deutung aber plausibler macht. Angesichts des Umfanges des Schat- zes wählt Hurwit den hübschen Begriff „central bank of Athens”21.
3.3 Ein Denkmal des Volkes
Doch den Parthenon nüchtern ein Schatzhaus zu nennen, heißt, seine wahre, über diese bloß materielle Funktion hinausreichende Bedeutung zu verdecken. Dass sich die athenische Demokratie in der Mitte des 5. Jahrhunderts für den Bau des neuen, großen und prachtvollen Pseudo-Tempels und nicht zunächst für die Restaurierung des von den Persern 481/80 schwer beschädigten Alten Athena- Tempels, des wirklichen (religiösen) Tempels also, entschied, verdeutlicht die eigentliche Motivation, aus der heraus gebaut wurde: Neben den rein religiösen alten Tempel setzte das Volk sich selbst ein Denkmal, das geeignet war - anders als die schon dem Namen nach auf die Stadt beschränkte Polias mit ihrem alten Tempel - den Herrschaftsanspruch Athens in der Ägäis und darüber hinaus zu verdeutlichen.
[...]
1 Für viele: Jeffrey M. Hurwit, Acropolis, S.310.
2 Weiter zur Quellenproblematik Walter Ameling, Historia 34, 1985, S.50.
3 Eine Aufzählung der erwogenen Quellen findet sich ebd., S.48.
4 Plut.Per. 2,2, übers. v. Walter Wuhrmann.
5 Plut.Per. 12,1, übers. v. Walter Wuhrmann.
6 Plut.Per. 12,3, übers. v. Walter Wuhrmann.
7 Plut.Per. 12,4.
8 Vgl. Jeffrey M. Hurwit, Acropolis, S.310; Gerhard Zinserling, in: Basel, S.26 sieht in der zusätzlichen Arbeit eher eine milde Form der Bestechung, um Beschlüsse der Volksversammlung zu beeinflussen, denn eine Bekämpfung angeblicher Arbeitslosigkeit. Freilich bezieht er sich nicht auf Plutarchs Text.
9 Plut.Per. 13,6; Walter Ameling, Historia 34, 1985, S.56 f. mit verschiedenen Argumenten gegen diese
Darstellung; Gerhard Zinserling, in: Kultur und Fortschritt, S.221, Fn.20 verteidigt Plutarch mit Thuk. 2,65: „...dem Namen nach eine Demokratie, in Wirklichkeit die Herrschaft des ersten Mannes.”
10 Eine Wiedergabe des Ausschreibungsverfahrens liefern Ulrike Muss/Charlotte Schubert, Akropolis, S.151.
11 Beim Bau galt es, „die Beschlüsse der Volksversammlung zu konkretisieren”, so Lambert Schneider/Christoph Höcker, Akropolis, S.155.
12 Gerhard Zinserling, in: Basel, S.28 weist auf die laufende Einflußmöglichkeit der Volksversammlung auch nach dem Baubeschluß hin.
13 C.J.Herington, Athena, S.33 f.
14 Ebd., S.8.
15 Vgl. Felix Preißhofen, in: Basel, S.16; Jeffrey M. Hurwit, Acropolis, S.163.
16 Gerhard Zinserling, in: Kultur und Fortschritt, S.229.
17 „It looked like a temple without actually being one”, spitzt Jeffrey M. Hurwit, Acropolis, S.164 zu.
18 Demosth. or. 22,76 to an á thema; Der überwiegende Teil des Schatzes wurde im eigentlichen Parthenon, der verschließbaren Westcella, aufbewahrt. Siehe die Auflistung bei Diane Harris, Treasures, S.25 ff.
19 Thuk. 2,13.
20 Vgl. Felix Preißhofen, in: Basel, S.17.
21 Jeffrey M. Hurwit, Acropolis, S.164.
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