[...] Die Leichenfeier im Winter 4312 wird bei Thukydides recht ausführlich
beschrieben (II,34,1-7). Es war eine öffentliche Feierlichkeit, bei der ein berühmter
Politiker, in diesem Fall Perikles3, eine Rede hielt. Plutarch beschreibt Perikles als einen
sehr begabten und für seine Redekunst berühmten4, aber auch als „in den Feldzügen [...]
tüchtige[n] die Gefahr liebende[n] Mann“5. Bei Thukydides sind vier Reden des Perikles
überliefert6. In dieser Hausarbeit soll die berühmteste davon, der Epitaphios, behandelt
werden, dessen Ziel offensichtlich war, „den Athenern die Grundlagen und das Wesen
ihrer gesellschaftlichen und individuellen Existenz bewusst zu machen“7, das Volk in
seiner Motivation zum Kampf für diese großartige Stadt zu stärken, und „nach außen hin
[...] eine propagandistische Wirkung zu erzielen.“8 Eine ideologische Untermauerung der
Kriegspolitik also, deren Nationalismus beachtenswert ist.
Nach einer Vorbemerkung (II,35), in der Perikles das Ziel seiner Rede nennt und die
Glaubwürdigkeit des von ihm Gesagten bezeugt, hält er eine kurze Rückschau in die
Vergangenheit (II,36) und geht dann zur Gegenwart über. Der erste Hauptteil (II,37-41)
enthält das Lob der attischen Demokratie, im zweiten (II,42-46) greift Perikles die
Gefallenen wieder auf und wendet sich mit Ermahnungen an die Lebenden. Diese
Hausarbeit soll die Darstellung der demokratischen Verfassung Athens in dieser Rede
interpretieren, weshalb dafür im Wesentlichen die Kapitel 37-41 von Bedeutung sind.
2 Alle Zeitangaben gehören selbstverständlich in die Zeit vor Christus, was ich deswegen nicht zu den einzelnen
Jahresangaben dazugeschrieben habe.
3 Perikles hatte seine politische Laufbahn 462 nach dem Tode des Ephialtes begonnen, war ein hoch angesehener
Staatsmann, Sohn berühmter Eltern. Sein Vater Xanthippos besiegte 479 das persische Heer in der Landschlacht bei
Mykale, seine Mutter Achariste war die Enkelin des Kleisthenes. Zu Herkunft und Familie des Perikles siehe Plutarch,
Perikles III, 1., Leipzig, S. 5.
4 Siehe Plut. Per. VII, 1 und VIII.
5 Plut. Per. VII, 1, S. 12.
6 Die Kriegsrede vor den Athenern (I,140-144), die Rede im Sommer des ersten Kriegsjahres (II,13) in indirekter Form,
der berühmte Epitaphios (II,35-46) und die Verteidigungsrede vor den Athenern (II, 59-64).
7 Nickel, Leitbild, S. 169.
8 Nickel, Leitbild, S. 169.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Zum historischen Wahrheitsgehalt der Leichenrede
- 1. Die Glaubwürdigkeit der Überlieferung des Thukydides
- 2. Zur Authentizität der dargestellten Sachverhalte
- II. Zur Darstellung der attischen Demokratie in der Leichenrede des Perikles
- 1. Perikles' Einleitung (II,36)
- 2. Vorbemerkungen
- 3. Gesellschaftsordnung (II,37)
- a) Rechtsgleichheit
- b) Freiheit
- 4. Lebensqualität und Wirtschaft (II,38)
- 5. Militärische Leistung Athens im Vergleich mit Sparta (II,39)
- 6. Persönliche Qualitäten der Bürger (II,40)
- a) Schönheitsliebe und Philosophie (40,1)
- b) Verhältnis zum Geld (40,1)
- c) Politische Aktivität und Verantwortlichkeit (40,2)
- d) Urteilsvermögen und Entscheidungsfindung (40,2)
- e) Opferbereitschaft in Kenntnis der Sachlage (40,3)
- f) Hilfsbereitschaft und Freundschaft (40,4)
- 7. Zusammenfassung (II,40)
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der berühmten Leichenrede des Perikles, die in Thukydides’ „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“ (II,35-46) überliefert ist. Die Arbeit analysiert die Darstellung der attischen Demokratie in dieser Rede und untersucht, inwiefern sie den historischen Tatsachen entspricht und welche Bedeutung sie für das Verständnis der politischen Kultur Athens im 5. Jahrhundert v. Chr. hat.
- Die Glaubwürdigkeit der Überlieferung des Thukydides und die Authentizität der dargestellten Sachverhalte
- Die Merkmale und Vorteile der attischen Demokratie in der Perspektive des Perikles
- Die politische und soziale Lebenswelt Athens im 5. Jahrhundert v. Chr.
- Die Rolle der Rede als politisches Instrument und propagandistisches Mittel
- Die Beziehung zwischen Demokratie und Krieg in der Antike
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Hausarbeit ein und stellt die Leichenrede des Perikles als wichtiges Zeugnis der attischen Demokratie vor. Sie beleuchtet die historische Situation und die Bedeutung der Rede im Kontext des Peloponnesischen Krieges.
Im ersten Kapitel werden die Glaubwürdigkeit der Überlieferung des Thukydides und die Authentizität der in der Rede dargestellten Sachverhalte diskutiert. Es wird darauf hingewiesen, dass die Rede nicht unbedingt eine wörtliche Wiedergabe der tatsächlichen Ansprache des Perikles ist, sondern eher eine literarische Konstruktion des Thukydides.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Darstellung der attischen Demokratie in der Leichenrede. Perikles beschreibt die Merkmale der athenischen Gesellschaftsordnung, die Lebensqualität und die wirtschaftliche Situation Athens, sowie die militärische Leistung der Stadt im Vergleich mit Sparta. Er unterstreicht die Bedeutung der persönlichen Qualitäten der Bürger, wie etwa ihre Liebe zur Schönheit, ihre politische Aktivität und ihre Opferbereitschaft.
Schlüsselwörter
Attische Demokratie, Perikles, Thukydides, Peloponnesischer Krieg, Leichenrede, politische Kultur, Ideologie, Propaganda, Gesellschaftsordnung, Freiheit, Rechtsgleichheit, Lebensqualität, militärische Leistung, persönliche Qualitäten, Rhetorik.
- Quote paper
- Naemi Fast (Author), 2003, Die attische Demokratie in der Leichenrede des Perikles auf die Gefallenen im ersten Jahr des Peloponnesischen Krieges (Thuk II,35-41), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27261