Es war Frederick Jackson Turner, der die Frontier in seiner These The Significance of the Frontier in American History zum ersten Mal als den Prozess definierte, der für die Amerikanisierung der Einwanderer aus diversen Ländern Europas verantwortlich gemacht werden kann. Diese These über die Signifikanz der Frontier und Grenze ist in der Amerikanistik allgemein weit verbreitet, doch bedarf sicherlich einer genaueren Betrachtung und Relativierung, wobei die Rolle der historischen Erfahrung und der literarischen Rezeption näher untersucht werden muss. Die Einbettung in einen historischen, literarhistorischen und kulturtheoretischen Kontext ist vonnöten, um die Relation von Literatur und der Frontier darzustellen sowie Kerouacs Werk hierauf zu applizieren.
Denn basierend auf der amerikanischen Frontier kommt es auch in On the Road ständig zu physischen und imaginären Grenzerfahrungen. Die Protagonisten Sal Paradise und Dean Moriarty sehen im Westen den Ort, wo sie auf den Spuren der Pioniere zum ursprünglichen Amerika zurückkehren können. Sie machen sich gen Westen auf, transformieren die Werte allerdings ins Nachkriegsamerika. So ist es noch immer die Mobilität, die essentiell für die Frontier-Erfahrung angesehen wird, aber durch die technische Neuerung des Automobils erreicht wird. Nicht mehr zur Verfügung stehender Raum wird durch Geschwindigkeit ersetzt, wobei die Straße neben dem Automobil die Plattform hierfür bietet. Bezüglich des Raums orientieren sich die Figuren zumindest anfänglich am geografischen Westen. Doch Sal realisiert, dass die physische Frontier abgeschlossen ist und Authentizität und die amerikanischen Werte auf einer anderen Ebene, die als imaginär bezeichnet werden kann, gefunden werden müssen. Um zu dieser gewünschten Authentizität zu gelangen, muss Sal zuerst den starren Rahmen des durch Konformität geprägten Nachkriegsamerikas durchbrechen. Sal gelingt dies und er gesellt sich zu marginalisierten Gruppen anderer Ethnizitäten wie Afro- oder Hispanoamerikanern oder der indigenen Bevölkerung Mexikos. Dabei wird im Detail auf die Rolle der Jazz-Musik, einer idealisierenden Wahrnehmung der Migration, Mexikos als kulturelle Projektion Amerikas und schließlich auf die Rolle der mexikanisch indigenen Bevölkerung eingegangen. Doch am Ende stellt Sal auch diese Lebensform nicht zufrieden und er verlässt die Straße, was in der Kerouac-Forschung kontrovers diskutiert wird.
INHALTSVERZEICHNIS
I EINLEITUNG
II DIE AMERIKANISCHE FRONTIER: HISTORISCHE ERFAHRUNG UND
LITERARISCHE REZEPTION
III DIE BEDEUTUNG DER GRENZE IN ON THE ROAD
3.1 Physische Grenzerfahrung und Nostalgie
3.2 Die imaginäre Grenze in On the Road
3.2.1 "Beyond Mainstream": Ausbruch aus der Konformität
3.2.2 Die Suche nach Alternativen
3.2.2.1 Afroamerikanische Subkultur und Jazz-Musik
3.2.2.2 Migranten, Mexiko und seine indigenen Völker
3.2.2.2.1 Die mexikanische Migrationsdarstellung im Roman
3.2.2.2.2 "The Magic South": Mexiko als kulturelle Projektion
Amerikas
3.2.2.2.3 Mexikos indigene Völker als Inbegriff von Authentizität
IV "UTOPIA AND PARADISE": DIE INNERE FRONTIER
V SCHLUSSFOLGERUNG
VI QUELLENVERZEICHNIS
I EINLEITUNG
"Isn't the destiny of American literature that of crossing limits and frontiers[?]" (Deleuze/Guattari, 278) Diese Frage ist offensichtlich von rhetorischer Natur und in diesem Sinne sprechen sich Deleuze und Guattari für einen Zusammenhang zwischen Literatur und Grenzüberschreitung aus. Tatsächlich nimmt die Vorstellung einer Frontier in Amerika[1], im Gegensatz zu etwa Europa, einen besonderen Stellenwert ein. Das Oxford Dictionary definiert die Frontier in seinen ersten beiden Bedeutungen zum einen als "a border separating two countries" und zum anderen als "the extreme limit of settled land beyond which lies wilderness" (Oxford Dictionary, 404). Erstere Bedeutung trifft besonders auf Europa zu, da bei einer hohen Bevölkerungsdichte in der Alten Welt eine politische Grenze zur territorialen Gebietszuweisung zu ziehen war beziehungsweise ist, die in anglophonen Ländern als Frontier bezeichnet wird (vgl. Davidson, 61 ff.). Im Kontext der Besiedlung Amerikas spielte aber vor allem die zweite Definition eine große Rolle.[2] Millionen von Menschen immigrierten seit seiner Entdeckung in die USA. Anfangs siedelten sie sich entlang der Ostküste an, doch im Laufe der Zeit hat sich die Grenze zwischen Zivilisation und noch unbesiedelter Wildnis immer weiter von Ost nach West ausgeweitet. Es war ein Historiker aus Wisconsin, der die Frontier in diesem Sinne zum ersten Mal als den Prozess definierte, der für die Amerikanisierung der Einwanderer aus diversen Ländern Europas verantwortlich gemacht werden kann. In Frederick Jackson Turners These The Significance of the Frontier in American History ist es im Unterschied zu Europa das frei zur Verfügung stehende Land und die Rückbesinnung auf das Primitive, was diese Amerikanisierung begünstigte oder gar erst ermöglichte:
With regard to America, Turner sets forth various explications [of the frontier]: it is the outer edge of the wave of colonization, the meeting point between savagery and civilization, a line beyond which lies free, unutilized land. With this socioeconomic definition he combines a geographic one in pointing out the historical relativity of the term and its correlation with the physiographic conformation of the American continent. (Davidson, 61 ff.)
So stellt auch Sherrill fest "[that] the needs to push into a wilderness, to exceed even the frontier settlement, to refuse the boundaries, are well-known elements of American life, legend, and lore [...]." (Sherrill, 44). Diese These über die Signifikanz der Frontier und Grenze ist in der Amerikanistik allgemein weit verbreitet, doch bedarf sicherlich einer genaueren Betrachtung und Relativierung, wobei die Rolle der historischen Erfahrung und der literarischen Rezeption näher untersucht werden muss (Kapitel 2). In dieser Arbeit "'Crossing Frontiers': Grenzerfahrung in Jack Kerouacs On the Road" wird der Roman von 1957 im Hinblick auf die Grenzen, die darin überschritten werden, analysiert. Die Einbettung in einen historischen, literarhistorischen und kulturtheoretischen Kontext ist vonnöten, um die anfangs zitierte These der Relation von Literatur und der Frontier zu stützen sowie Kerouacs Werk hierauf zu applizieren. Im Zuge der Kontexteinbettung soll an dieser Stelle kurz auch die Beat Generation, eine literarische Gruppe, der Jack Kerouac angehörte, vorgestellt werden. Diese Gruppierung entstand als künstlerische Reaktion und Reflektion ihrer Zeit.
Die 50er und 60er Jahre sind politisch vom Kalten Krieg sowie den verlorenen Kriegen in Korea und Vietnam, kulturell von individuellem Protest, alternativen Lebensformen und der Revolte der Jugend und Minoritäten geprägt. In teilweiser Fortführung der formalen Entwürfe der Moderne und im Kontrast zum gesellschaftlichen Konformismus der Zeit dient die Literatur der 50er Jahre primär der Identitätsfindung und der Reflexion über das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft. [...] [Bei der Beat Generation] handelt es sich um eine Gruppe von Schriftstellern, die sich als Außenseiter der Gesellschaft und Vertreter einer neuen Literatur verstanden. (Hornung, 308)
Es muss hier unbedingt angemerkt werden, dass eine ausführliche Analyse zur historischen Frontier und einer Literaturgeschichte der USA von ihren Anfängen bis zur Strömung der Beat Generation einer umfangreichen und interdisziplinären Forschung bedarf, die in dieser Arbeit in detaillierter Form nicht möglich ist.[3] Stattdessen sollen die für diese Arbeit relevantesten Forschungsergebnisse bezüglich der amerikanischen Frontier und die daraus folgende Vorstellung einer "Grenzerfahrung" lediglich präsentiert und in Bezug zu Kerouacs Roman gesetzt werden.
Nachdem der Kontext erläutert wurde, wird die Bedeutung der Grenze spezifisch in On the Road analysiert, wobei zwischen einer physischen und einer imaginären[4] Grenze unterschieden wird:
On the one hand, Americans as well as people around the world have looked to the West of reality – whether frontier, region, or urban civilization. On the other hand, they have contemplated another West – the West of the imagination, the West of myth. (Nash, Vol. 41, 69)
Bezüglich der physischen Grenzerfahrung der Hauptfiguren Sal Paradise[5] und Dean Moriarty ist es die Mobilität, die einen ersten Bezug zum Amerika der Pioniere herstellt. "[M]igration is one of the most important factors in American civilization. There are few characteristics which are shared by so many Americans as migrant status and spatial movement [...]." (Everett, 95) Dahingehend soll aufgezeigt werden, wie die beiden Männer an die amerikanische Tradition anknüpfen, indem sie gen Westen reisen. Der Rolle des Automobils, der Geschwindigkeit und der Straße, der "neuen Wildnis" (vgl. Albright, 136), kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Doch wie gezeigt werden wird, bringt der amerikanische Westen auch nicht die gewünschte Zufriedenheit mit sich und so löst sich zumindest Sal von seiner geografischen Vorstellung, dort sein Glück und seine amerikanische Identität (wieder) zu finden. "This West was one that was figment of artful speculation, a fabled land, a utopia that served as a soothing contrast to the harsh realities of the contemporary world." (Nash, Vol. 41, 69) Anschließend wird die amerikanische Gesellschaft der 1940er und 1950er Jahre portraitiert, die durch eine zunehmende Urbanisierung und die Erwartungshaltung einer Familiengründung, Domestizität und geregelter Arbeit durch die Gesellschaft gekennzeichnet ist, was Sal als "Krankheit" (On the Road[6], 7) beschreibt. Die Gesellschaft gibt einen starren Rahmen vor und schafft institutionelle Grenzen, die von den Figuren durchbrochen werden:
The book begins with the narrator's construction of distinctions and boundaries; it ends with his discarding them – a discarding which indicates his desire to suspend opposites in a perhaps continuous state of flux. The book moves from hierarchy to openness, from the limitation of possibilities to their expansion. (Dardess, 20)
Dean, welcher die ursprünglichen amerikanischen Werte fernab dieser konformen Erwartungshaltung repräsentiert, soll dabei mit der Straße als metaphorisches Konstrukt als befreiende Instanz herausgestellt werden. Wie verdeutlicht werden wird, gelingt Sal schließlich der Ausbruch aus der Konformität, welche ihm zwangsläufig vor die Wahl eines alternativen Lebensmodells stellt, wobei wiederum Mobilität eine Rolle spielt. "Auf der einen Seite erscheint Mobilität als physikalische Beweglichkeit, als eine Bewegung im Raum, auf der anderen Seite wird sie als soziale Veränderung und Verschiebung sozialer Koordinatensysteme beschrieben." (Bonß/Kesselring, 39) Es folgt eine Analyse, wie Sal die imaginäre Grenze des Weißen Amerikas durchbricht und sich zu marginalisierten Gruppen anderer Ethnizitäten[7] wie Afro- oder Hispanoamerikaner oder der indigenen Bevölkerung Mexikos gesellt. Dabei wird im Detail auf die Rolle der Jazz-Musik, einer idealisierenden Wahrnehmung der Migration, Mexikos als kulturelle Projektion Amerikas und schließlich auf die Rolle der mexikanisch indigenen Bevölkerung eingegangen (Kapitel 3). Doch am Ende stellt Sal auch diese Lebensform nicht zufrieden und er verlässt die Straße, was in der Kerouac-Forschung kontrovers diskutiert wird und deshalb einer Erklärung bedarf (Kapitel 4). Schließlich soll ein Fazit der Ergebnisse (Kapitel 5) gezogen werden.
II DIE AMERIKANISCHE FRONTIER: HISTORISCHE ERFAHRUNG UND LITERARISCHE REZEPTION
Wie bereits erwähnt, spielte beziehungsweise spielt die Frontier in den USA eine entscheidende Rolle. Sie ist heute in der amerikanischen Gesellschaft zur Metapher geworden, welche Assoziationen zum Nationalcharakter und der nationalen Vergangenheit weckt. Durch die Frontier kann das amerikanische Volk dahingehend charakterisiert werden, dass es in einer Umwelt ökonomischer Möglichkeiten geschaffen wurde, die freies Land, Individualismus, Pragmatismus, Gleichheit, Mut, geografische und soziale Mobilität und vor allem persönliche Freiheit vorausgesetzt hat (vgl. Ridge, 30). Hierbei ist es der Westen des Landes, der diese Auffassung entscheidend mitprägte. Folglich stellt sich die Frage, wie oder wo diese Region überhaupt zu definieren beziehungsweise anzusiedeln ist, oder ob es überhaupt eine Region oder doch ein Prozess ist, der als "Westen" charakterisiert werden kann. Dabei muss – wie auch in dieser Arbeit – zwischen dem geografischen und mythischen Westen unterschieden werden:
The answer to the question 'Where is the American West?' seems obvious–but in very different ways to different people. Some answer immediately, 'It's out here,' or 'It's out there,' pointing to the western third, half, or two-thirds of the United States as it appears on a map. Others answer just as quickly, 'It's part of our minds and culture.' One definition is steadfastly geographical; the other is defiantly mental and mythical. (Nugent, 11)
Hinsichtlich dessen wird sowohl ein kurzer Überblick über den geografischen als auch mythischen Aspekt des Westens und der Frontier gegeben. Bei dieser Darstellung ist insbesondere die historische Westbewegung der Pioniere und der Aspekt der Primitivisierung und der damit einhergehenden Amerikanisierung zentral, die Frederick Jackson Turner 1893 erstmals öffentlich fasste. Darüber hinaus soll das Verhältnis von Geschichte und Literatur zur Schaffung des amerikanischen Mythos untersucht werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die Frontier in den USA
Wie in Abbildung 1 erkennbar, wurde der amerikanische Kontinent seit der Landung der Pilgerväter 1620 mit der Mayflower in Plymouth[8] von Osten nach Westen besiedelt und dauerte fast drei Jahrhunderte an (vgl. Parkes, 172 ff.[9] ), was als die amerikanische Frontier-Bewegung bezeichnet wird. Zur Zeit der amerikanischen Revolution und des Unabhängigkeitskrieges lief die Frontierlinie noch östlich entlang der Appalachen. Nur wenige Jäger und Fellhändler wagten sich in die reiche Bewaldung westlich der Appalachen vor. Doch große Flüsse wie der Ohio River boten auch ihnen eine natürliche Grenze, die noch nicht bezwungen wurde. Die Amerikaner blieben anderthalb Jahrhunderte an der Ostküste und besiedelten diese vertikal entlang des Atlantiks, bis sich mit dem Sieg der Unabhängigkeit über Großbritannien die weitere Erschließung des Landes fortsetzte. Während der 1780er Jahre luden Männer und Frauen Pferdewagen, um sich gen Westen durch die Gebirge zu schlagen. Ihre Reise führte sie entlang der Gebirgszüge von Pennsylvania und die des Cumberland Gap in Virginia, bis auch sie am Ufer der großen Flüsse standen. Doch mit neuer Stärke und Selbstbewusstsein nach dem gewonnen Unabhängigkeitskrieg gegen Großbritannien bannten sie sich während der nächsten zwei Generationen bis in die 1830er und 1840er Jahre ihren Weg. Sie überwanden auch natürliche Grenzen wie den großen Mississippi River oder die Great Lakes und erschlossen zudem teilweise die Küste am Golf von Mexiko. Bereits 1840 war eine Fläche von fast 700.000 Quadratmeilen erschlossen und die Bevölkerung stieg auf fast sechseinhalb Millionen Einwohner an. Bis 1860 sorgten die guten Bodenbedingungen für die landwirtschaftliche Nutzung und damit die territoriale Erschließung der Great Plains im Zentralwesten, wobei die heißen Wüsten und Halbwüsten von Texas, Arizona und New Mexiko im Süden (dies hatte durch die Besetzung der Spanier in einigen dieser Areale neben geografischen auch politische Gründe) erst später erschlossen wurden. Vor der landwirtschaftlichen Nutzung der Great Plains bestand dieses Gebiet vornehmlich aus Wäldern und Grasland. Die Franzosen waren die ersten weißen Siedler, die das Potenzial des fruchtbaren Bodens und die Standortvorteile durch die nautischen Transportwege mittels der großen Flüsse erkannten. Doch trotz dieses Potenzials blieb bis 1860 noch immer ein Großteil dieser Fläche Wildnis. Von 1860 bis 1880 wurde die Westeroberung weiter nach vorne gedrängt und die Siedler fanden, teils auch durch den Goldrausch in Kalifornien motiviert, ihren Weg durch die hohen Rocky Mountains, um die amerikanische Westküste zu besiedeln, was ihnen bis 1880 vollständig gelang. Mit dem Bau der transkontinentalen Eisenbahn von 1869 bis 1893 gelang es ihnen schließlich, auch den restlichen Teil des Kontinents zu erobern, so dass der U.S. Census (Statistisches Bundesamt der USA) die Frontier im Jahre 1890[10] offiziell als geschlossen deklarierte. "By 1890 the call of free land was over; the rush into Oklahoma was a memory; the story of the frontier was awaiting its chroniclers, and the significance of the frontier its interpreters." (Boynton, 12) Als einen der wichtigsten Historiker, der sich mit der Frontier beschäftigt hat, ist Frederick Jackson Turner zu nennen. Dieser "nahm [in seiner These The Significance of the Frontier in American History ] 1893 die Schließung der Frontier zum Ausgangspunkt einer grundlegenden Neudeutung der amerikanischen Geschichte." (Waechter, 13) Er schien 1893 eine Antwort auf die Frage gefunden zu haben, die im 19. Jahrhundert in Amerika aufkam. Dies war die Frage, was genau Amerikas nationales Erbe ausmachte (vgl. Gray, 110).
Entgegen der so genannten germ theory, welche Europa und seine Institutionen als Basis für die amerikanische Kultur ansah, steuerte Turner dagegen und behauptete "[that t]he frontier is the line of most rapid and effective Americanization." (Turner, 2) Laut Turner war der Westen ein Ort, wo die Menschen aus dem Osten des Landes und die Europäer einer Umwelt ausgesetzt waren, die einer Zeit vor der Zivilisation zugeordnet werden kann, was überhaupt nur durch das freie Land möglich war (vgl. Cronon, 157). Stark simplifiziert dargestellt gliedert sich dieser Prozess in drei Stufen: "Sie bewirkte zunächst eine weitgehende Zerstörung des europäischen Erbes, ermöglichte dann den Neubeginn sozialer Evolution sowie schließlich eine kontinuierliche Wiederholung des erneuernden Prozesses." (Waechter, 105) Turner selbst formuliert in seiner These die Rückbesinnung zum Primitiven oder einem "Nullpunkt" folgendermaßen:
But we have in addition to this a recurrence of the process of evolution in each western area reached in the process of expansion. Thus American development has exhibited not merely advance along a single line, but a return to primitive conditions on a continually advancing frontier line, and a new development for that area. American social development has been continually beginning over again on the frontier. This perennial rebirth, this fluidity of American life, this expansion westward with its new opportunities, its continuous touch with the simplicity of primitive society, furnish the forces dominating American character. The true point of view in the history of this nation is not the Atlantic coast, it is the Great West. (ebd. 1 ff.)
Diversität und kulturelles Erbe der (ehemaligen) Europäer gingen nach Turners These also durch die Frontier verloren.
Nachdem zunächst also durch den Einfluß[[11]] der amerikanischen Wildnis das geistig-kulturelle 'Gepäck' der Siedler weitgehend zerstört worden war, konnte ein zweiter, nun kreativer evolutionärer Prozeß beginnen, in dem sich die Siedler den spezifischen Umweltbedingungen anpaßten. Nur unter den 'primitive conditions' des freien Lands war ein unbelasteter Neubeginn, soziale Evolution von den einfachsten Anfängen an aufwärts, möglich. (Waechter, 103)
Durch diese, sicherlich darwinistisch geprägte soziale Evolution, bei der nicht mehr der Ort, sondern vielmehr ein Prozess im Vordergrund steht, wurde in verschieden Stufen der amerikanische Charakter von Individualismus, Pragmatismus und Egalitarismus geformt (vgl. Cronon, 157) und es fand laut Turner eine "Amerikanisierung" statt: "[T]he immigrants were Americanized, liberated, and fused into a mixed race, English in neither nationality nor characteristics." (ebd. 11) Turner selbst formuliert diese "evolutionären Stufen" wie folgt:
Line by line as we read this continental page from West to East we find the record of social evolution. It begins with the Indian and the hunter; it goes on to tell of the disintegration of savagery by the entrance of the trader, the pathfinder of civilization; we read the annals of the pastoral stage in ranch life; the exploitation of the soil by the raising of unrotated crops of corn and wheat in sparsely settled farming communities; the intensive culture of the denser farm settlement; and finally the manufacturing organization with city and factory systems. (ebd. 5)
"Turner sah in der Frontier [...] den 'Schmelztiegel', der aus den Einwanderern verschiedenster Herkunft Amerikaner machte." (Waechter, 106) Doch war auch die Wiederholung von Bedeutung, da "[j]edesmal wenn die Siedler an eine neue Frontier vorstießen, [...] mitgebrachte Institutionen und Gebräuche an Wirkungskraft [verloren]; soziale Evolution begann von neuem. Die Gesellschaft war also einem konstanten Erneuerungsprozeß unterworfen." (ebd. 104 ff.)[12]
In ihrem nunmehr über einhundert Jahre alten Bestehen löste die Turner-These eine unermessliche Zahl an Kritiken – sowohl von Befürwortern als auch Gegnern – aus. Grund hierfür war neben dem Inhalt auch Turners verwendetes Vokabular, welches sich mehr dem eines Poeten als eines Historikers bediente, wobei die Frontier nicht eindeutig definierbar ist und "a line, a moving zone, a static region, a kind of society, a process of character formation, [or] an abundance of land" sein kann (vgl. Cronon, 158). Im Folgenden soll daher nur eine Übersicht über die Rezeption der These gegeben werden, um ihre tatsächliche Signifikanz in der amerikanischen Geschichte zu relativieren.[13] Bezüglich Turners Versuch, die germ theory zu widerlegen, führt Pierson an, dass sich die amerikanische Gesellschaft sehr wohl ihren europäischen Wurzeln bewusst sein muss. So stellt er in Frage, wie gewisse Eigenschaften, die Turner als ausschließlich "amerikanisch" aufführt, anfangs und vor ihrer "Amerikanisierung" von europäischen Siedlern angenommen werden konnten. Eine vollkommen separierte Entwicklung Amerikas von seinen europäischen Siedlern scheint also nicht möglich (vgl. ebd. 1956, 50). Ridge hat sich mit den regionalen Eigenschaften in den USA befasst. Seiner Auffassung nach sind die USA ein Land, in dem regional große Unterschiede herrschen. Diese mit Hilfe der Frontier-These zu einem einzigen Katalog amerikanischer Werte und Ansichten vereinheitlichen zu wollen, ist seiner Ansicht nach nicht möglich (vgl. ebd. 33). Der größte Kritikpunkt war jedoch, und dies verstärkt nach dem Civil Rights Movement nach dem Zweiten Weltkrieg, die ethnozentrische Sichtweise Turners. Laut etwa Boynton sieht Turner die Frontier lediglich aus einer englischen beziehungsweise anglo-kolonialen Perspektive. Die Landnahme gen Westen sei nicht mehr als eine Eroberung des Landes von der primitiven indigenen Bevölkerung und den spanischen sowie französischen Kolonialisten gewesen (vgl. ebd. 5). Anders als die von ihm gepriesene "Amerikanisierung" aller Siedler machte Turner, wie er in seiner These selbst benennt, lediglich die englischen, schottischen, irischen, deutschen und niederländischen Siedler (vgl. ebd. 10) für das Entstehen einer neuen Nation verantwortlich. Ethnische Minoritäten (wie Bogue anmerkt auch Frauen (vgl. ebd. 214)) bleiben bei der Darstellung weitestgehend von den oben erwähnten Siedlern isoliert: "Blacks, Chicanos, Chinese, and Indians all had historical experiences that meshed neither with Turner's thesis nor with the dominant culture of Turner's day, and so he failed to study them." (vgl. Cronon, 159) Spezifisch ist zum Beispiel die Außerachtlassung der Afroamerikaner zu bemängeln, die sich auf den Plantagen der Südstaaten weder frei entwickeln noch individuell ihre Persönlichkeit entfalten konnten, sondern als unterwürfige Arbeiter autoritär und paternalistisch unterdrückt wurden (vgl. Waechter, 200). Außerdem hat Turner nur die Ost-West-Besiedlung, nicht aber die Süd-Nord-Besiedlung des Landes berücksichtigt, die von den Spaniern ausgegangen war und besonders an den an Mexiko grenzenden Bundesstaaten ihre Spuren hinterließ (vgl. ebd. 201). Nichtsdestotrotz war es auch Turners These, die kulturtheoretische Diskussionen bezüglich der Bedeutung der Frontier in der amerikanischen Kultur, spezifisch in der Literatur, ausgelöst hat. Sie war "the first one to leave an enduring imprint on the national psyche in presenting the nation with the myth it had been waiting for." (Davidson, 253) Hurm stellt fest:
Turners Chicagoer Darstellung der Erfahrung an der Grenze sollte die einflussreichste Deutung der amerikanischen Geschichtsschreibung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden und den populären Mythos des Westens als Ursprungsort Amerikas wissenschaftlich sanktionieren." (ebd. 2005, 202 ff.)
Turners These hat die Populärkultur erheblich mit beeinflusst und ist daher auch entscheidend bezüglich des Romans On the Road (vgl. Cresswell, 259). Sie hat explizit das formuliert, was vor allem die Literatur bereits vorher implizit vermittelt hatte. Oft wird davon ausgegangen, dass zwischen Geschichte und Fiktion eine klare Trennlinie zu ziehen ist (vgl. Walker, 11). Doch tatsächlich ist besonders die amerikanische Literatur unabdingbar mit der amerikanischen Geschichte verbunden oder wie Billington es fasst: "American history and American literature cannot be understood apart from each other [...]." (ebd. 1973, 491) "Die enge Beziehung zwischen Literatur und Geschichte beginnt [dabei] mit dem historischen Begriff der 'frontier'." (Fanger, 12) Grundsätzlich treffen bei "Frontiers" zwei Welten aufeinander. So ist auch bei der Beziehung von Geschichte und Literatur eine "Frontier" vorhanden, doch können die Grenzen nicht immer eindeutig gezogen werden. Bei der Betrachtung der "frontier between history and fiction" gibt es trotz der vielen Überschneidungen und der gegenseitigen Beeinflussung der beiden Komponenten die Annahme, dass sehr wohl Unterschiede in der Auslegung der Grenze existieren (vgl. Walker, 11). Der Unterschied von Geschichte und Literatur ergibt sich hauptsächlich aus der Betrachtungsweise, die in der Geschichte eher kollektiv und in der Literatur eher individuell erfolgt. Der Historiker hat weder die Zeit noch die methodischen Mittel, sich mit den Individuen zu beschäftigen. Jedoch nur einen Bruchteil der individuellen Erfahrung in einem historischen Kontext zu kennen, stellt eine wichtige Dimension zum historischen Verständnis dar. So wird zum Beispiel der individuelle und einzigartige Cowboy der Literatur zur Quelle historischer Relevanz, da er ein Individuum ist, das der Umwelt des amerikanischen Westens subjektiv ausgesetzt war (vgl. ebd. 16 ff.). Mit Walkers These als Grundlage haben somit die amerikanischen Siedler durchaus nachfolgende Schriftsteller beeinflusst, wiederum haben aber auch die Schriftsteller (zukünftigen) Pionieren ein Bild des Westens vermittelt, das in ihnen eine gewisse Erwartungshaltung erzeugt hat und auf welches sie sich gestützt haben. Auch war es in der Literatur das freie Land, welches als Eigenheit genommen werden muss, das Amerika von Europa unterscheidet und die Mythologie des Westens mitprägte:
Fragt man [...] nach dem Ursprung aller amerikanischer Mythen, so entstehen diese zwingend mit dem Erlebnis des amerikanischen Kontinentes. Alle Erfahrungen, Ereignisse und Gestalten, die sich durch überlieferten Bericht, Erwähnung und Ausformung in der Literatur wie durch Geschichtsschreibung zu Mythen oder 'mythological patterns' gebildet haben, gehen auf diese Konfrontation mit einer neuen, fremden und unüberschaubaren Geographie zurück. (Fanger, 3)
Der enorme Einfluss der Literatur auf die Mythologie des Westens wird deutlich, wenn das Verhältnis von tatsächlichen Erfahrungsberichten der Pioniere und der fiktiven Lektüre von Frontier-Geschichten und Abenteuern betrachtet wird, wobei letztere definitiv überwogen.[14] Unter diesem Gesichtspunkt müssen vor allem die Schriftsteller beachtet werden, die die Frontier persönlich nicht erlebten, sondern eben nur fiktiv und passiv mitverfolgten. Während der drei Jahrhunderte, in denen der Kontinent besiedelt wurde und Generation für Generation nach Westen schaute, um für sich die Möglichkeiten des freien Landes optimal zu nutzen, war es nur ein Bruchteil der Ostküstenbewohner, die tatsächlich gen Westen zogen. Den meisten fehlte es an Fähigkeiten, Wohlstand oder ausreichend Abenteuerlust, um sich mit der primitiven Wildnis auseinanderzusetzen (vgl. Billington 1974, 655 ff.). "For every one reader who was tempted to convert fiction into fact, a hundred or a thousand settled more snugly by the fireside, enjoying the freedom to stay at home [...]." (Boynton, 177) Doch trösteten sich die im Osten Zurückgebliebenen mit dem Glauben, dass sie in Zeiten der Not den sicheren Hafen des Westens ansteuern könnten, der die Literatur ihnen präsentierte. Es herrschte die Meinung, dass die Rohstoffe genügend Potenzial böten, um jedem ein Leben voller Wohlstand und Reichtum zu sichern. Dabei wurde häufig die Realität übersehen und die Meinung bloß aufgrund der öffentlichen Rezeption vertreten. Ein Mythos, der so oft von Rednern, Schriftstellern und Politikern als gegeben angepriesen wurde, konnte in der Meinung der Mehrheit nicht falsch sein und wurde vom amerikanischen Volk akzeptiert. Der Glaube an die Frontier als Quelle der Möglichkeiten, Stärke und Wohlstand liegt damit in der amerikanischen Tradition verwurzelt (vgl. Billington 1974, 655 ff.), die maßgeblich durch Literatur geprägt wurde. "So the [...] early writer, on the frontier was bound by this preconception. He composed for the man at home, and set his imagination free in a fertile land, full of game, with just enough risk and hardship to offer thrilling adventures and heroic successes." (Boynton, 177) Auch Nash merkt an
[that] American writers played a crucial role in developing the gradually secularized perceptions of the West that emerged during the course of the nineteenth century. The idea of the West as myth – as distinct from region – was clarified by novelists like James Fenimore Cooper, who enshrined it in the nation's emerging literary traditions. They perceived a dualism in American life, a conflict between wilderness and civilization established by Americans. Although the cultural milieu in succeeding years changed, many writers and artists who dealt with the West continued to perceive this dualism and the conflict it created. The mythical West represented an escape from the real West; it became imaginary, an antidote to the present, a vision of perfection [...]. (ebd. Vol. 41, 71)
Die Mythifikation des Westens ist auch laut Richard Gray im Spezifischen auf James Fenimore Cooper zurückzuführen[15] (vgl. ebd. 107). Er behauptet "[that i]f any single person was the creator of the myth of the American West, and all its spellbinding contradictions, then Cooper was." (ebd.) Seine Leatherstocking Tales reichen zurück in die Anfänge der Erschließung des Kontinents und zurück in die Vergangenheit des amerikanischen Helden. Bei dieser zeitlichen Rückkehr distanzieren sich diese Helden mehr und mehr von Zivilisation und den Sozialstrukturen (vgl. ebd. 109).
At work here, in short, is an Edenic impulse common in American writing that drives the imagination out of the literal and into romance and myth – and out of a world where the individual is defined in relation to society and into one where he or she is more likely to be situated outside it. (ebd.)
Dean ist sicherlich außerhalb dieser gesellschaftlichen Restriktionen anzusiedeln und tritt damit in die Fußstapfen von Coopers Natty Bumppo, der wie Dean durch "his reliance on action and instinct rather than thought and reasoning" und "not to education or convention but to natural wisdom and natural morality" (vgl. ebd.) charakterisiert werden kann.
The purpose of this paper, then, is to show Jack Kerouac [...] as the logical conclusion of a line of authorship that extends in time back to Cooper; to show that being on the road in used cars [...] is part of the earlier fabric of being on the road, on foot, in a covered wagon [...]; and to show that the focal character in the novel; Sal, was born in American literature that moment that Natty Bumppo first broke a twig in the virgin forests [...]. (Askew, 239)
Der Roman hält die westliche literarische Reise und Frontiertradition im Sinne von Conrads Heart of Darkness oder Twains Adventures of Huckleberry Finn aufrecht, was hinsichtlich der Tatsache, dass On the Road erst 67 Jahre nach der offiziellen Schließung der Frontier veröffentlicht wurde, fragwürdig erscheint. Doch auch nach dieser offiziellen Deklaration 1890 hatte die literarische Rezeption der Frontier noch kein Ende gefunden (vgl. Nash, Vol. 41, 73). Owen Wister und Tausende, die seinem Beispiel folgten, führten den Mythos aus einer imaginären Ebene fort. Millionen andere, die nie einen Western lasen, absorbierten den Mythos durch Gemälde und Illustrationen, wobei Frederic Remington und Charles Russell die bekanntesten Maler waren. Hinzu kamen die Wild West Shows mit Buffalo Bill Cody, die mit klischeehaften Elementen des Westens beziehungsweise seines Mythos, die Zuschauer unterhielten. Nach 1905 konnten die Amerikaner durch das Medium des Westernfilms den Glanz der vergangenen Ära noch einmal erleben. Diese kinematische Innovation und die künstlerische Applikation der Filmemacher etablierte den Mythos endgültig nicht nur bei den Amerikanern, sondern weltweit (vgl. ebd.). Es ist also die Kombination der geschichtlichen Ereignisse und die literarische Rezeption, die die Westbewegung seit ihrem Beginn erfahren hat, woraus sich ein amerikanischer Nationalcharakter bildete. Sie ließen den amerikanischen Mythos des Westens[16] aufkommen und etablierten ihn. Er besitzt noch heute Gültigkeit und besteht durch immer neue Rezeptionen in der Literatur und Popkultur weiter.
Paniccia Carden stellt das grundlegende Element der Reise fest, das die einzelnen amerikanischen Werke der Literatur verbindet:
From Pilgrims to frontier explorer, from John Smith and Lewis and Clark to Daniel Boone and Davey Crockett, American heroes have been travelers. In American origin stories, freedom of movement models a corresponding freedom of identity. [...] Cassady and Kerouac tap into the mythology that conflates the male-identified dynamics of travel – the 'imperial eye' of the self-contained adventurer, the bracing challenge of the unknown, the empowering erotics of discovery and conquest – with the male-identified dynamics of American origin stories – exploration, self-determination, and, of course, conquest. (ebd. 78 ff.)
In diesen Erzählungen fungiert die Reise ambivalent, zum einen als kritische soziale Begutachtung der Tatsachen, zum anderen als Eroberung (vgl. Laderman, 42). "Each trip and section of On the Road is characterized by a distinct attitude on Sal's part toward his cultural heritage. In part one [still], Sal's sense of America, Dean, and the West is a nostalgic fantasy of adolescent adventure". (Hunt 2004, 57) Diese Vorstellung der Reise in das ursprüngliche Amerika im Westen, basierend auf der vorhin beschriebenen Tatsache der Frontier als amerikanisches kulturelles Konstrukt, kann daher als Nostalgie bezeichnet werden. Eine Illusion des Westens als "frontier territory, beyond societal controls, where an American identity can be forged [...]" (Ellis 1996, 38), entsteht. Als Vorbild für seinen Roman diente Kerouac also andere amerikanische Prosaliteratur, im Speziellen Reiseliteratur, die das Reisen als symbolischen Akt mit dem Versprechen eines neuen Lebens, Progression und dem "thrill of escape" glorifiziert (vgl. Blanton, 18). Bezüglich dieser literarischen Beeinflussungen aus dem Kanon amerikanischer Literatur äußert sich Sal vor seiner ersten Reise gen Westen wie folgt: "I'd been poring over maps of the United States in Paterson for months, even reading books about the pioneers and savouring names like Platte and Cimarron and so on" (OR 15). Richardson kommentiert diesen Auszug wie folgt: "America, Kerouac seems to say, has always been a beautiful fiction believing itself into existence as it unfolds west. Sal gets ready for his first trip west by reading books about 'the pioneers.'" (ebd. 211)
Die Beats greifen literarische Traditionen der amerikanischen Literaturgeschichte also auf und sind nicht getrennt von dieser Mythologie einzuordnen, die mit den ersten europäischen Siedlern entstand. Jedoch verwenden sie nicht die veralteten Ideen und Werte ihrer Vorgänger und kreieren lediglich ein neues Epos, das sich mit der amerikanischen Wildnis auseinandersetzt, sondern transformieren diese Werte in das Amerika der 1940er und 1950er Jahre (vgl. Lardas, 30). Geschickt kombiniert On the Road ein neues Ideal – oder eines, welches von seinen Protagonisten erst noch gefunden werden muss – mit amerikanischen Mythen und kritisiert gleichzeitig die vorherrschende Gesellschaftsordnung. Somit ist der Roman sowohl eine Rebellion gegen diese Gesellschaft als auch eine Anerkennung der etablierten Mythen und bestehenden Literaturgeschichte der USA, misstrauisch gegenüber seinen zeitgenössischen Mitspielern und zur gleichen Zeit seiner traditionellen Form verpflichtet. Mit der Umgestaltung des amerikanischen "mythischen Erbes" nutzt Kerouac sein Werk dazu, die dominante Kultur in Frage zu stellen, die für die Ziele und Werte der bestehenden sozialen Ordnung maßgeblich ist (vgl. Lardas, 177). Auch Cresswell unterstützt die These "[that a]s an important product of a popular counter-culture, Kerouac's novel simultaneously reflects and challenges central myths and assumptions in US culture." (ebd. 252) Damit "verwebt Kerouac die Erlebnisse, Erfahrungen und die Identitätssuche seiner Figuren durch den Spiegel des Mythos 'American frontier' [...]." (Fanger, 178)
III DIE BEDEUTUNG DER GRENZE INON THE ROAD
3.1 Physische Grenzerfahrung und Nostalgie
Wie beschrieben, setzen viele Autoren den amerikanischen Westen mit der Grenzerfahrung an der Frontier gleich. On the Road greift dieses Bild auf und Sal begibt sich zumindest am Anfang des Romans nach Westen. Mobilität ist hier die Eigenschaft, die für die physische Grenzerfahrung in On the Road essentiell ist, wie folgende Aussage Sals belegt: "We were all delighted, we all realized we were leaving confusion and nonsense behind and performing our one and noble function of the time, move. And we moved !" (OR 127) Um Mobilität und den Roman zueinander in Bezug setzen zu können, soll Mobilität erst einmal definiert werden:
Mobilität [...] bedeutet die Fähigkeit des Menschen, Distanzen zu überwinden, Strecken zurückzulegen. Es ist unmittelbar einleuchtend, daß die menschliche Mobilität durch die technische Entwicklung in revolutionärer Weise gesteigert, ja potenziert wurde. Wir überwinden heute immer größere Entfernungen in immer kürzerer Zeit mit immer geringerem psychischem Aufwand. (Nowak, 10)
Besonders in Amerika ist Mobilität sowohl geschichtlich als auch literaturgeschichtlich ein wichtiger Bestandteil zur Schaffung einer amerikanischen Identität, wie im vorigen Kapitel sichtbar wurde und in der Vorstellung der Pioniere begründet liegt (vgl. Cresswell, 249). Was George W. Pierson 1962 als den "M-Factor"[17] bezeichnete, "the factor of movement, migration and mobility" (ebd. 1962, 278), spielte seit der Gründung Amerikas eine zentrale Rolle und war stets ein erfolgreiches Unterfangen. Die Immigranten fanden bessere wirtschaftliche Bedingungen als in ihren Herkunftsländern und anstatt Unterdrückung Freiheit vor. In den USA ereigneten sich die Hauptströme der Migration stets von den schwachen zu den starken Wirtschaftsgebieten beziehungsweise von Gebieten mit geringen Annehmlichkeiten zu attraktiveren (vgl. Everett, 95). Mobilität und Migration hatten somit also immer positive Auswirkungen auf die Situation des Individuums. Auch in Kerouacs Roman haben Mobilität und Bewegung einen so hohen Stellenwert, als ob "stasis itself is a sign of mortality. Kerouac himself embraces the physical and spiritual notions of travel [...]." (Swartz 1999, 94) Auch Mortenson verweist darauf, dass alleine der Titel bereits suggeriert, dass Bewegung und Mobilität – im Gegensatz zu einer Handlung an einem einzelnen Ort – im Roman zentral sind. "Many of the most important events in the novel [...] take place in the spaces between, while moving from one location to another. [...] Kerouac's insistence on the motion of travel sunders this bond by replacing stasis with flux." (ebd. 59) Fanger ergänzt, dass "obwohl die Fahrt ein Ziel hat, [...] sich die Erfahrung der Bewegung, des 'move' zum Hauptinhalt und Zweck der Fahrt [entwickelt]. Die Erfahrung der Bewegung tritt an die Stelle des Zieles als Motiv der Reise." (ebd., 170)[18]
Bezüglich der Mobilität spielen die Mythen um die Westeroberung eine ebenso entscheidende Rolle wie die "technische Entwicklung" zur Distanzüberwindung, die Nowak in seiner Definition herausstellt. Als Kombination dessen ist das Jahr 1893 als wesentlich anzusehen:
In Chicago im Jahre 1893 gab es zwei Ereignisse, die scheinbar keinen Zusammenhang zueinander hatten, rückblickend jedoch Anfang und Ende einer Ära bedeuten.
Die Daimler Motor Company zeigte auf der Columbian Exposition in Chicago einen 2,5 PS Daimler Motorwagen mit Riemenantrieb, der eine starke Wirkung auf die amerikanische Öffentlichkeit ausübte. [...] Sowohl die Brüder Duryea als auch Henry Ford machten sich bald ans Werk, um einen 'Gasoline Car' zu konstruieren. [...]
Im gleichen Jahr, am gleichen Ort, hielt Frederick Jackson Turner einen Vortrag zum Thema: 'The Significance of the American Frontier in American History'. (Munzinger, 59)
Dieser auf den ersten Blick zusammenhangslose Zufall entwickelt bei näherem Hinsehen für die amerikanische Gesellschaft und spezifisch für Kerouacs Roman signifikante Relevanz. Denn bezüglich der Mobilität ist es zweifellos das Automobil, welches repräsentativ für diese "technische Entwicklung" steht und wodurch die enorme Mobilität in Kerouacs Werk erst ermöglicht wird. "Immer wieder ist von Historikern und Soziologen betont worden, daß das Automobil die sinnfältigste Verkörperung von amerikanischen Grundwerten und nationalen Eigenheiten wie Individualismus und 'mobility' darstellt." (Becker, 11) Zudem kann es "auch sehr leicht zum Bedeutungsträger werden, zum Symbol nationaler Charakteristika wie 'freedom' und 'movement' [...]." (ebd.) In der amerikanischen Kultur und seiner bildlichen Darstellung ist das Auto so allgegenwärtig wie auch im Alltag. Damit einhergehend wurde das Auto in der amerikanischen Literatur wie auch im Film zur Metapher für Freiheit, Fortschritt und einen Neuanfang des Individuums und die Kontrolle über das eigene Schicksal eingesetzt (vgl. Holden, 29). "Das Automobil ermöglicht es dem Fahrer und seinen Mitreisenden, ein Gefühl von Macht und vollständiger Kontrolle der Umwelt zu erleben"[19] (Munzinger, 187) und "es steht [...] für eine dem Menschen hilfreiche [...] Technik, die spezifisch amerikanische Werte verkörpert. Die wichtigsten unter ihnen sind Pioniergeist, 'progress', Individualität, Demokratie und, abgeleitet von der Freizügigkeit, Freiheit." (ebd. 195) Besonders in der Nachkriegszeit der 1950er Jahre ist in dieser Auflistung die Individualität hervorzuheben, die mit einer Rastlosigkeit der Jugend auf der Straße einhergeht (vgl. Laderman, 41) und sich besonders in der Figur des Dean Moriarty widerspiegelt, "a wild roaming being in perpetual motion. [...] The character of Dean [...] is the very personification of restlessness". (Giamo, 185) Hinsichtlich der Individualität steht das Auto für die Selbstbestimmung und unter Deans Kontrolle wird es ein Instrument extremer Verteidigung des Individualismus gegen die Anonymität und Machtlosigkeit der urbanen Massen- und Konsumgesellschaft (vgl. Hrebeniak, 43).[20]
Nach dem 2. Weltkrieg erreicht die amerikanische Autokultur eine neue Blütezeit. Im Roman ist das Automobil Fluchtfahrzeug geblieben. Als Vehikel des Eskapismus symbolisiert es die Flucht in einer Zeit, in der die gesellschaftlichen Zwänge unentrinnbar geworden sind. Die Tätigkeit des Autofahrens ist zum Synonym geworden für den Versuch, aus der Kontrolle durch andere auszubrechen und eigene Kontrolle zu gewinnen. (Munzinger, 198)[21]
Das Verhältnis von Geschichte und Literatur muss noch einmal bezüglich seiner Fortbewegungsmittel untersucht werden, um das Automobil als "heimliche Romanfigur", wie Munzinger es nannte (vgl. ebd.), in On the Road und seinen Stellenwert in der amerikanischen Literatur einordnen zu können.
Fahrzeuge im weiten Sinne, von Einbaum-Kanus über seetüchtige Schiffe bis zu Connestoga-Wagen und zur Eisenbahn, waren immer dann von besonderer Wichtigkeit, wenn es um die Dominierung von Territorien ging. Das Fahrzeug ist stets das Werkzeug gewesen, welches zur Erschließung und Sicherung eines Territoriums von besonderer Bedeutung war. [...]
In den Vereinigten Staaten war es seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts vorrangig die Eisenbahn, mit deren Hilfe die Siedler aus Europa ihre Herrschaft gegenüber den Ureinwohnern[[22] ] ausdehnten und sicherten. Die Eisenbahn war das wichtigste Werkzeug der Expansion nach Westen. Genau zu dem Zeitpunkt, als die 'Frontier' als geschlossen galt, wurde das erste Automobil in den Vereinigten Staaten fahrfähig. [...] Nach der Jahrhundertwende stand den Amerikanern somit ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem sie das von der Eisenbahn bisher geleistete Werk der Dominierung eines gewaltigen Territoriums in verfeinerter Form fortsetzen konnten. [...] Die mit dem Automobil verbundenen Vorstellungen [...] orientieren sich jedoch in den USA immer noch an der zum Mythos gewordenen 'Frontier'. (ebd. 3)
Diese Entwicklung und die Bedeutung des Automobils in den USA sind somit als Folge der Frontier-Bewegung historisch zu betrachten. Pettifer und Turner haben sich ausführlich mit der Geschichte des Automobils in den USA befasst und heben hervor, dass in der Weite des amerikanischen Westens schon immer der Traum von einer Beförderung ohne das Pferd existierte.[23] In den 1890er Jahren gab das Fahrrad den Amerikanern bereits einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Dies war die Möglichkeit, mit Hilfe neuer Technik lange Distanzen zu überwinden und sich ohne die Abhängigkeit des Schienensystem ganz individuell fortbewegen zu können. Dieser kleine technische Fortschritt ließ den Wunsch nach einer motorisierten Variante der Fortbewegung aufkommen, in der Geschwindigkeit, Bewegung und die individuelle Macht über das Fahrzeug zentral waren (vgl. ebd. 9). Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde nach der offiziellen Schließung der Frontier eine Art "Road-Frontier" angestrebt, bei dem alle Städte der USA durch Straßen miteinander verbunden werden sollten. Der Bostoner Charles Glidden wurde Amerikas erster Automobilist und 1905 fand die erste "Glidden Tour" von New York nach Bretton Woods, New Hampshire, und zurück statt und gilt als Meilenstein in der öffentlichen Akzeptanz des motorisierten Transports (vgl. ebd. 67). Der amerikanische Mythos der Frontier machte sich allerdings schon mit dem bloßen Aufkommen des Automobils in den USA bemerkbar. Bereits 1899 machte sich das Ehepaar Davis auf, mit dem Auto den Kontinent von New York nach San Francisco zu "erobern". Weder das Ehepaar noch ihr Auto wurden jemals wieder gesehen. Insgesamt gab es eine Anzahl von 37 Versuchen, den Kontinent per Auto zu durchqueren. Erst 1903 gelang Horatio Nelson Jackson in 64 Tagen, ausgestattet mit Campingausrüstung, einem Gewehr, Pistolen, einer Hacke und Schaufeln (die Vorstellung, den Kontinent in der Tradition der alten Pioniere zu durchqueren, ist unübersehbar[24] ) dieses Unterfangen. Die größten Probleme stellten die Sierra Nevada, Autopannen, fehlender Kraftstoff und unebenes Gelände dar. Als der Kontinent 1905 in nur 44 Tagen durchquert worden war und zugleich Glidden seine Tour startete, entstand in Amerika eine regerechte "Automania" (vgl. ebd. 71 ff.), die schon kurz darauf von Ford aufgegriffen wurde, um den amerikanischen Markt endgültig auch kommerziell zu nutzen. 1910 war auf jeden 44. Haushalt ein Auto angemeldet, 1930 hatte fast jeder Haushalt eines (jeder 1,3.) (vgl. ebd. 83). Dies hatte auch politische Folgen: "Politicians quickly appreciated that there were votes to be won by improving roads and throughout the 1920s, one by one, the state governments began to collect fuel tax to help pay for the roads. Still, these moneys were largely used to surface the main highways." (ebd. 91) Dieser historische Exkurs verdeutlicht die Wichtigkeit des Automobils in der amerikanischen Geschichte und zeigt auf, inwiefern On the Road, ein Roman, der als Konsequenz dieser Entwicklung entstand, die Frontier im physischen Sinne neu transformiert. On the Road glorifiziert das Automobil somit nicht nur wegen seiner praktischen Funktion und als Reisemittel, sondern auch als Fahrzeug der Transformation von Werten.
Das Medium, welches den Eskapismus aus der Konformität ermöglicht, ist neben dem Auto die Straße.[25] Besonders Dean fühlt sich weder in New York City noch in San Francisco lange wohl. "Tormented by almost complete inability to live within even the relaxed bohemian life-forms, Moriarty turns again and again to the one form in which his energies find something like release and fulfilment – the road." (Tallman, 553) Im Roman heißt es: "The purity of the road. The white line in the middle of the highway unrolled and hugged our left front tyre as if glued to our groove." (OR 128) Wie dieses Zitat belegt, ist die Straße selbst ein wichtiges Symbol im Roman, romantisiert als Wildnis und Reinheit fernab städtischer und vorstädtischer Zwänge und dient als Chronotopos (vgl. Albright, 137). "The road [...] looms up for the American Adamic cast of mind as an opportunity to start over, to begin again, innocently to refuse the captivity of the deeper or more recent past, and to explore the world anew." (Sherrill, 68) Das Bedürfnis, die Welt neu zu entdecken und die Beschreibungen der Reisen gegensätzlich des konformen Lebensstils vieler Amerikaner ist also auf das Frontiersimage des amerikanischen Wilden Westens gestützt (vgl. Laderman, 42). Das Ziel der Reise ist unbedeutend, vielmehr es ist die Straße selbst, der Bedeutung im Sinne des Frontiergedankens zukommt. "In other words, the 'road' is a wilderness; it is not the most direct path between two cities." (Swartz 2004, 174) Auch Cresswell erkennt die besondere Bedeutung, die die Straße für seine Protagonisten hat:
[...]
[1] Amerika steht in dieser Arbeit synonym für die USA. Besonders Mexiko ist hier – und damit bleibt die eigentliche geografische und geologische Zuordnung Mexikos zu Amerika ungeachtet – separiert zu betrachten und wird stets als "Mexiko" bezeichnet.
[2] Territoriale Konflikte mit den sich in Amerika ansiedelnden Kolonialmächten bestanden durchaus. Diese sind in dieser Arbeit jedoch von geringer Relevanz und bleiben weitgehend unberücksichtigt.
[3] Einen guten Überblick über die Literaturgeschichte der USA bietet das Werk Amerikanische Literaturgeschichte von Hubert Zapf.
[4] Es ist anzumerken, dass auch zum Beispiel eine geografische Grenzlinie, wie die der Frontier, in gewisser Weise imaginär ist. Doch wird in dieser Arbeit versucht, eine Differenzierung bezüglich der "Messbarkeit" einer Grenze zu ziehen. In dieser Arbeit als physisch gilt hinsichtlich dessen die Grenzen von Raum und Distanzen (ausgenommen Mexiko), Mobilität, Geschwindigkeit etc. Als imaginär werden Grenzen interpretiert, die einen gesellschaftlichen Rahmen überschreiten oder auch inter-ethnische Beziehungen. Hierbei muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Vorstellung physischer und imaginärer Grenzen nicht immer strikt voneinander trennen lässt und sich teilweise überschneidet.
[5] Sal Paradise ist gleichzeitig der Ich-Erzähler des Romans.
[6] Das Primärwerk On the Road wird bei späteren Bezügen mit der Abkürzung "OR" aufgeführt.
[7] Der Begriff Ethnizität in dieser Arbeit bedarf genauerer Betrachtung. In der englischsprachigen Sekundärliteratur findet sich oft der Begriff race, also Rasse, wieder. Der Rasse -Begriff hat einen biologischen Ursprung, wie Klein/Schubert es formulieren: "[franz.] Rasse ist ein biologischer Begriff, der darauf verweist, dass es von einer Spezies oder Gattung (z. B. dem Menschen) mehrere verschiedene Arten oder Rassen gibt, die sich durch vererbliche äußerliche Merkmale unterscheiden lassen." (Klein/Schubert) Aufgrund des nationalsozialistischen Missbrauchs dieses Begriffs während des Zweiten Weltkriegs und der damit einhergehenden negativen Konnotationen im deutschsprachigen Raum, soll in dieser Arbeit – abgesehen von englischen Zitaten – auf diesen Begriff verzichtet werden. Alternativ wird der Begriff der Ethnizität verwendet, der seinen Fokus nicht auf biologische, sondern soziokulturelle Eigenschaften legt: "[ethnos = griech.: Volk] E. bezeichnet die individuell empfundene Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe, deren gemeinsame Merkmale z. B. Sprache, Religion bzw. gemeinsame Traditionen sein können." (Klein/Schubert) Obwohl es hier offensichtliche semantische Unterschiede gibt, wird der englische Begriff race synonym mit dem deutschen Begriff der Ethnizität übersetzt.
[8] Nicht in der Grafik ersichtlich und doch relevant ist der Fakt, dass nicht Plymouth der Ausgangspunkt der Westbewegung war, sondern die Kolonie Jamestown, die bereits 1607 in Virginia gegründet worden war (vgl. Carstensen, 4).
[9] In diesem historischen Teil der Arbeit, der sich mit der geografischen Erschließung des Kontinents befasst, wird sich hauptsächlich auf Henry Bamford Parkes bezogen.
[10] Robert P. Porter veröffentlichte seinen Zensusbericht erst 1891, als er die vollständigen Zahlen des Vorjahres ausgewertet hatte (vgl. Waechter, 13).
[11] Bei Zitaten aus Werken der Sekundärliteratur, die vor der deutschen Rechtschreibreform publiziert wurden, werden orthografische Unterschiede zu der heutigen Norm übernommen und nicht mit [sic] gekennzeichnet.
[12] Wie bereits erwähnt, ist dies eine stark simplifizierte Darstellung von Turners These. Doch wie diese Arbeit bezüglich des Romans später zeigen wird, ist diese Rückbesinnung zum Ursprung und zum Primitiven durch das Überschreiten von Grenzen essentiell bei Kerouac, wodurch er den Grundgedanken Turners in seinem Roman adaptiert hat.
[13] Eine sehr übersichtliche Chronologie der kritischen Auseinandersetzungen mit der Turner-These bietet Allan G. Bogue in seinem Artikel Frederick Jackson Turner Reconsidered.
[14] Mythologie kann nur durch ein Kollektiv entstehen und wird, je mehr Individuen dieses Kollektiv bilden, sehr schnell verbreitet und ist zudem sehr beständig (vgl. Davidson, 252).
[15] Hinsichtlich dessen merkt Nunis richtig an, dass bereits 1510 die literarische Mythifikation des Westens bzw. Kaliforniens begann: "California myth-making was launched by Garci Ordoñez de Montalvo in his Adventures of Esplandían, published in Seville in the first decade of the sixteenth century. It contains a romantic and fictional account of the 'island' of California – a paradise which was 'very near the location of the Garden of Eden.'" (ebd. 123)
[16] In dieser Arbeit wird das beschriebene Produkt des freien Landes in Kombination mit literarischen (wahren und falschen) Überlieferungen als "Amerikanischer Mythos des Westens" tituliert und aufgrund des Umfangs wird von einer weiteren Unterscheidung abgesehen. Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass in der amerikanischen Literatur- und Kulturwissenschaft dieser Begriff vor allem in die drei Mythen "the frontier", "American Adam" und "American Dream" unterteilt wird, wie Fanger herausstellt:
"Zusammenfassend können wir 'the frontier', 'The American Adam' und den 'American Dream' als drei wichtige amerikanische Mythen benennen, wobei der 'American Dream' sich als deren Grundlage und Oberbegriff darstellt. Dieser wohnt dem 'neuen' amerikanischen Mensch inne, dem 'American Adam', der als Held der 'frontier' [...] den gesamten Kontinent erschließt. Aus diesen Mythen lassen sich viele Symbole und Bilder der amerikanischen Zivilisation des 20. Jahrhunderts ableiten. Sie erscheinen oft als scheinbar geschichtslose Zeichen einer technisierten Welt der Nachkriegszeit, gehen jedoch oft, reflektiert durch die Literatur, auf eben jene drei Mythen zurück." (ebd. 16)
[17] "Auch für den so benannten 'M-Factor' gilt, daß er einen Mythos darstellt, nämlich den der 'unlimited mobility'. Die ersten Siedler könnten hierfür als Urheber angeführt werden, denn sie zeigen ja, wie 'movement, migration, mobility' in der Eroberung und Besiedlung eines ganzen Kontinents resultieren." (Munzinger, 60)
[18] Fanger beschreibt die Situation des Stillstandes folgendermaßen: "Das Verbleiben an einem Ort bietet die Möglichkeit für eine andere Form von Handlung. Situationen werden dann nicht durch das sich wiederholende 'Weiter' bedingt. Sie werden nicht jäh unterbrochen sondern können sich entwickeln. Die Aufenthalte bestehen weitgehend aus einer Reihe sich auseinander entwickelnder Feste, auf denen neu eingegangene Beziehungen oder alte Freundschaften in einer fast immer punktuellen Ekstase vertieft und als ewig zelebriert werden. Alkohol und andere Drogen (Marihuana) fungieren dabei als Katalysatoren zu einer Euphorie hin, die sich über Perspektiven und Verantwortung hinwegsetzt, Besinnung als Stillstand negiert und Begeisterung an ihre Stelle setzt." (ebd., 170)
[19] Kohls sieht die persönliche Kontrolle über die Umwelt als wichtigsten amerikanischen Grundwert an (vgl. ebd. 4 ff.), wobei Technik eine wesentliche Rolle spielt. Auch jene, die die wichtigen Erfahrungen der Amerikaner mit ihrer Umwelt als essentiell hervorhoben, sahen in der Signifikanz der Technologie das entscheidende Kriterium, um diese Umwelt zu modifizieren (vgl. Nash, Vol. 22, 14).
[20] An dieser Stelle könnte im physischen Sinne auch die Bedeutung Deans bezüglich der Mobilität, des Automobils und der Straße analysiert werden. Wie später ersichtlich sein wird, wird in dieser Arbeit der Fokus bezüglich Deans auf die amerikanischen Werte gelegt, die er repräsentiert und wodurch Sal imaginäre Grenzen überwinden kann. Eine ausführliche Analyse findet sich in Kapitel 3.2.1.
[21] Dies soll hier nur in Zusammenhang mit dem Automobil angedeutet werden. Eine ausführliche Analyse der gesellschaftlichen Situation in Bezug zu den Figuren des Romans geschieht in Kapitel 3.2.1.
[22] In dieser Arbeit wird sonst synonym der politisch korrekte Terminus der "indigenen Völker" verwendet.
[23] Es ist anzumerken, dass das Pferd bzw. der Pferdewagen ein extrem wichtiges Fortbewegungsmittel bei der Erschließung des Kontinents darstellte. Neben dem Kollektivtransportmittel der Eisenbahn erlaubte es das Pferd, ganz individuell die großen Distanzen zurück zu legen, ein aus amerikanischer Sicht entscheidendes Merkmal. Das Pferd ist daher als Vorläufer des Autos und des Fahrrades zu sehen (vgl. Pettifer/Turner, 9).
[24] Vergleiche hierzu Munzingers Kapitel "Der Autofahrer als Pionier", in dem er feststellt: "Die Wirksamkeit der simplen Technologie, nämlich Axt und Gewehr, und die Fähigkeit im Umgang damit sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Kontrolle und Vergrößerung des Territoriums." (ebd. 9)
[25] Zur Bedeutung der Straße vgl. außerdem Kapitel 3.2.1.
- Quote paper
- Martin Monzel (Author), 2012, "Crossing Frontiers". Grenzerfahrung in Jack Kerouacs "On the Road", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272484
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