Verständigungsprozesse in Dolmetschdiskursen haben besonderen Charakter. Bevor der Zustand des gegenseitigen Verstehens zwischen den eigentlichen Interaktionspartnern hergestellt werden kann, muß nämlich das was sie sagen, übersetzt werden. Die Beteiligung des Dolmetschers an der Kommunikation ermöglicht Sprechern unterschiedlicher Sprachen, einen relativ guten Maß an Verständigung zu erreichen. Sie bleibt aber nicht ohne Bedeutung für das Entstehen, Aufdecken und die Bearbeitung von Verständigungsmisserfolgen. Es ist also nicht verwunderlich, dass man Probleme mit der Verständigung in Dolmetschinteraktionen zu untersuchen und zu beschreiben versucht. In diesem Artikel werden wir uns mit der Natur von Verständigungsproblemen in Dolmetschdiskursen und dem Prozeß ihres Erkennens beschäftigen. Das Interesse für die Problematik des Aufdeckens von Verständigungsmisserfolgen ist damit begründet, dass Verständigungsprobleme nur dann eine Bedrohung für den Kommunikationserfolg darstellen, wenn sie für die Interaktionspartner latent bleiben. Zuerst werden wir anhand eines Modells den Ablauf der Verständigungsprozesse in diesem Interaktionsmodus besprechen. Vor diesem Hintergrund werden wir dann die möglichen Verständigungsergebnisse und Formen von Verständigungsproblemen vorstellen. Anschließend werden an konkreten Problemsituationen die besonderen Bedingungen für das Aufdecken von Verständigungsmisserfolgen zwischen primären Interaktionspartnern, im folgenden PIn, in Dolmetschinteraktionen erarbeitet. Es wird dabei am authentischen Datenmaterial mit diskursanalytischen Methoden gearbeitet. Bei den hier analysierten Daten handelt sich um Situationen des nicht professionellen Gesprächsdolmetschens.
1 Einleitung
Verständigungsprozesse in Dolmetschdiskursen haben besonderen Charakter. Bevor der Zustand des gegenseitigen Verstehens zwischen den eigentlichen Interaktionspartnern hergestellt werden kann, muß nämlich das was sie sagen, übersetzt werden. Die Beteiligung des Dolmetschers an der Kommunikation ermöglicht Sprechern unterschiedlicher Sprachen, einen relativ guten Maß an Verständigung zu erreichen. Sie bleibt aber nicht ohne Bedeutung für das Entstehen, Aufdecken und die Bearbeitung von Verständigungsmisserfolgen. Es ist also nicht verwunderlich, dass man Probleme mit der Verständigung in Dolmetschinteraktionen zu untersuchen und zu beschreiben versucht (Knapp- Potthoff 1985, Wadensjö 1992, Linell 1995, Apfelbaum 1995). In diesem Artikel werden wir uns mit der Natur von Verständigungsproblemen in Dolmetschdiskursen und dem Prozeß ihres Erkennens beschäftigen. Das Interesse für die Problematik des Aufdeckens von Verständigungsmisserfolgen ist damit begründet, dass Verständigungsprobleme nur dann eine Bedrohung für den Kommunikationserfolg darstellen, wenn sie für die Interaktionspartner latent bleiben. Zuerst werden wir anhand eines Modells den Ablauf der Verständigungsprozesse in diesem Interaktionsmodus besprechen. Vor diesem Hintergrund werden wir dann die möglichen Verständigungsergebnisse und Formen von Verständigungsproblemen vorstellen. Anschließend werden an konkreten Problemsituationen die besonderen Bedingungen für das Aufdecken von Verständigungsmisserfolgen zwischen primären Interaktionspartnern, im folgenden PIn, in Dolmetschinteraktionen erarbeitet. Es wird dabei am authentischen Datenmaterial mit diskursanalytischen Methoden gearbeitet. Bei den hier analysierten Daten handelt sich um Situationen des nicht professionellen Gesprächsdolmetschens.
2 Gesprächsdolmetschen
Der Ablauf der Verständigung im Dolmetschdiskurs und die Möglichkeiten des Aufdeckens und Bearbeitens von Verständigungsmißerfolgen hängt wesentlich vom Dolmetschmodus und dem Interaktivitätsgrad der Kommunikation ab. Während in einer dialogischen Kommunikationssituation Verstehensfehler des Gegenübers manifest werden können, bleiben sie im Monolog meistens latent. In Situationen, in denen konsekutiv oder simultan gedolmetscht wird, liegen andere Bedingungen für die Bearbeitung von Verständigungsproblemen als in Dolmetschinteraktionen, in denen turn-für- turn übertragen wird. In dieser Arbeit interessieren uns Verständigungsprozesse in Situationen des Gesprächsdolmetschens. Unter solchen Situationen verstehen wir face-to-face Interaktionen, in denen einer der Interaktionspartner durch mündliche translatorische Tätigkeit den anderen beteiligten Sprechern unterschiedlicher Sprachen Verständigung ermöglichen soll. Typisch für Situationen des Gesprächsdolmetschens ist, dass es bei der Kommunikation immer wieder zum Rollenwechsel als Sprecher und Hörer zwischen den primären Interaktionspartnern, im Folgenden PIn, kommt. Bei diesem Interaktionsmodus kann die Länge der zu übersetzenden turns vom Fall zu Fall und während des Gesprächs variieren. Der Dolmetschmodus wird meistens irgendwo auf dem Kontinuum zwischen simultan und konsekutiv liegen. Wegen des Rollenwechsels sind aber die zu verdolmetschenden turns in ihrer Länge eher eingeschränkt. Gesprächsdolmetschen findet in unterschiedlichen situativen Kontexten statt. Gespräche werden nämlich sowohl im Alltag als auch in bestimmten Institutionen durchgeführt. Auch kann sich die Vorbereitung des Dolmetschers auf die Durchführung seiner Aufgabe und sein Status von Situation zu Situation unterscheiden. Für das Gesprächsdolmetschen also charakteristisch, dass sich hier um translatorische Tätigkeit in dialogischer face-to-face Kommunikation handelt. Diese Aspekte sind auch von besonderer Bedeutung für die Verständigungsarbeit.
In dieser Arbeit werden wir gedolmetschte Gespräche im wirtschaftlichen Kontext analysieren. Bei den hier vorgeführten Daten, handelt es sich um Ausschnitte aus Konversationen bei der ersten Begegnung von Vertretern deutschen und polnischen Unternehmen, die miteinander kooperieren wollen. Die Dolmetschaufgabe bei diesen Interaktionen wird von unterschiedlichen, den primären Interaktionspartnern fremden Personen übernommen. Gemeinsam diesen Personen ist, dass sie dank eines Fremdsprachenstudiums über relativ gutes Sprachniveau verfügten, aber keine Ausbildung als Dolmetscher haben. Es handelt sich hier also um Situationen des nicht- professioneles Dolmetschens (Harris 1977, Knapp/ Knapp Pothoff 1985). Für die Analyse dieser Art von Dolmetschinteraktionen haben wir uns entschlossen, da sie besonders anfällig gegen unbearbeitete Verständigungsmisserfolge zu sein scheinen. Wie wir zeigen werden, ist diese Anfälligkeit nicht nur durch das Verhalten der dolmetschenden Person bedingt.
3 Verständigungsprozesse in Dolmetschinteraktionen
Verständigungsprozesse in Dolmetschinteraktionen laufen anders ab, als im monolingualen Gespräch. Dies wirkt sich unter anderem auf die Natur der in diesem Interaktionsmodus auftretenden Verständigungsprobleme aus. Bevor wir uns mit der Problematik der Probleme bei der Verständigung beschäftigen, wollen wir den Ablauf der Verständigung in Situationen des Gesprächsdolmetschens diskutieren. Dazu werden wir ein Modell eines Kommunikationszuges und eines Kommunikationszyklus vorstellen.
Das Ziel der Verständigung in zwischenmenschlicher Kommunikation besteht darin, den Zustand des gegenseitigen Verstehens zu erreichen. Aus diesem Grunde sind wir wie auch andere Autoren der Auffassung, dass der Verständigungsprozeß als eine Reihe von Kommunikationszyklen betrachtet werden soll (Mead 1973, Clark/Schaefer 1987, Markovà 1990, Linell 1998). Im Rahmen eines Kommunikationszyklus läßt sich dabei zwischen drei Kommunikationszügen mit unterschiedlichen Funktionen unterscheiden. Im Ausgangszug verbalisiert der Sprecher (A) eine Äußerung, mit der er eine bestimmte Reaktion bzw. emotionalen oder kognitiven Zustand bei seinem Kommunikationspartner (B) erreichen will. In den zwei darauffolgenden Zügen wird einander Verständigungserfolg signalisiert. Zuerst teilt der Adressierte dem Sprecher mit, ob und wie er ihn verstanden hat. Anschließend signalisiert dieser, ob er mit dem Verständigungsergebnis zufrieden ist. Erst mit diesem Zug wird der Zustand des gegenseitigen Verstehens erreicht und es kann zu einem neuen Verständigungszyklus übergangen werden.
Die einzigen Beteiligten an der Realisierung eines Kommunikationszuges im monolingualen Gespräch sind die Gesprächspartner. In einer Dolmetschinteraktion, in welcher die PIn einander nicht verstehen, muß jeder verbale Beitrag zuerst übersetzt werden, bevor er den Adressaten erreicht. Die Realisierung eines Kommunikationszugs ist also in diesem Interaktionsmodus etwas komplexer. Wenn man von zwei primären Interaktionspartnern dem PIA und PIB und einem Sprachmittler M ausgeht, dann ließe sich der idealtypische Ablauf eines Kommunikationszuges im Dolmetschdiskurs wie folgt darstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ablaufschema 1: Modell eines Kommunikationszuges im Dolmetschdiskurs
Im Rahmen dieses Schemas versuchen wir, sowohl die wahrnehmbaren Ergebnisse der Sprachproduktion als auch die Sprachverarbeitungsprozesse zu berücksichtigen. Mit den Zeichen X und YM ist der (zu) versprachlichte Sachverhalt im Sinne des propositionalen, illokutiven und perlokutiven Gehalts gekennzeichnet. Y und Z stehen für das Verstehensergebnis des jeweiligen Gesprächsteilnehmers. Mit dem Großbuchstaben AA ist die zu versprachlichte Originalaussage symbolisiert, also das was der Interaktionspartner sagen möchte. AB steht für die noch nicht verbalisierte Verdolmetschung dieses Beitrags in PIB-Sprache. Mit dem hochgestellten Index p z.B. AAp sind die vom Sprecher artikulierten Äußerungen gekennzeichnet. Nur sie sind für die Interaktionspartner und den Beobachter direkt zugänglich. Bei Äußerungen, die mit dem Index r versehen sind, handelt sich um die Wahrnehmungsresultate der entsprechenden Aussagen durch die einzelnen Interaktionspartner. Die Formulierungsergebnisse lassen sich als Funktionen darstellen. Mit der Schreibweise AA(X) soll ausgedrückt werden, dass mit der Äußerung AA der Sachverhalt X versprachlicht wurde.
Ein Kommunikationszug in Dolmetschdiskursen beginnt mit der Formulierung einer Originalaussage durch PIA. Bevor PIA dies tut, entscheidet er über den Gehalt der Äußerung und aktiviert die zu versprachlichenden Sachverhalte aus seinen Wissensstrukturen. Im nächsten Schritt ordnet er dem Sachverhalt X eine Äußerung in der in dieser Situation von ihm verwendeten Kommunikationssprache (AA) zu und artikuliert sie (AAp). Die versprachlichte Äußerung AAp wird sowohl vom Dolmetscher (M) als auch vom PIB als AAr wahrgenommen. An dieser Stelle gehen wir aber davon aus, dass sie nur vom Dolmetscher weiter verarbeitet wird. In der nächsten Phase des Verständigungsprozesses ordnet der Dolmetscher der wahrgenommen akustischen Form der Originalaussage AAr eine bestimmte Bedeutung Y zu. Dieses Verstehensergebnis des Dolmetschers stellt die Basis für die Produktion der Verdolmetschung dar. Die von M zu versprachlichten Sachverhalte (YM) sind das Ergebnis kognitiver Verarbeitung und müssen nicht mit dem Verstehensresultat übereinstimmen. Das Verhältnis zwischen YM und X ist von besonderer Bedeutung für Verständigungsergebnis zwischen den PIn. YM ist nämlich der Inhalt welchen PIB zu hören bekommen und interpretieren soll. Die artikulierte Verdolmetschung ABp kann sowohl von PIA als auch PIB gehört werden. Idealtypisch wird sie aber nur vom PIB weiter verarbeitet. Die im Verlauf der Interpretation der Verdolmetschung ihr zugeordnete Bedeutung Z stellt das Verstehensresultat des PIB dar. Dieses wird in seine Wissensstrukturen integriert. Damit ist der Kommunikationszug abgeschlossen. Jetzt wird vom PIB erwartet, dass er sein Verstehensergebnis bzw. Verstehenserfolg in einem neuen Kommunikationszug signalisiert. Der weitere Verlauf der Kommunikation läßt sich wie folgt vorstellen:[1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ablaufschema 2: Modell eines Kommunikationszyklus im Dolmetschdiskurs
Für die Analyse der Verständigungsergebnisses in zwischenmenschlicher Kommunikation ist insbesondere die auf den Ausgangszug folgende Reaktion des B interessant. Über sie manifestiert sich nämlich sein Verstehensergebnis. Die Manifestation des Verstehensergebnisses kann unterschiedliche Form haben. Die Reaktion des B kann sich auf einen feedback -Signal beschränken. Der Adressat kann aber auch sein Verstehensergebnis implizit oder explizit in einem inhaltlichen Beitrag manifestieren. Unter impliziten Form der Manifestation des Verstehensresultates verstehen wir hier eine folgerichtige sprachliche Handlung des Angesprochenen. Da sie durch das Verstehensresultat des B geprägt ist, läßt sich aus ihr auf seinen kognitiven Zustand schließen. Das Verstehensergebnis kann aber auch als solches verbalisiert werden. In einem solchem Fall sprechen wir von einer explizite Manifestation. Bei der expliziten Manifestation kann es sich um einen Beitrag des B handeln, in dem er auf das gehörte Bezug nimmt. Dieser Beitrag kann auch die Form einer Inferenz- oder Klärungsfrage haben. Außerdem wird das Verstehensresultat des Hörers über seine unterstützende oder korrigierende Handlungen manifest.
Das Besondere an Dolmetschdiskursen ist, dass auch der Zug, über welchen das Verstehensresultat des adressierten PI, also des B, manifest wird, übersetzt werden muß, bevor er für den primären Sprecher, den A, transparent wird. Entsprechend verhält sich mit dem den Kommunikationszyklus abschließenden Beitrag des A. Aus dieser Besonderheit resultieren Schwierigkeiten mit dem Aufdecken und Bearbeitung von Verständigungsproblemen in Dolmetschdiskursen. Situationen in welchen solche Schwierigkeiten auftreten werden wir im empirischen Teil dieser Arbeit vorstellen.
4 Verständigungsmisserfolge und Verständigungsprobleme in Dolmetschdiskursen
Im Rahmen der Kommunikation wird Verständigungserfolg angestrebt. Das setzt voraus, daß die Aussagen der Sprecher von den Adressaten richtig wahrgenommen und auf eine bestimmte Art und Weise interpretiert werden. Die Verarbeitung des wahrgenommenen Beitrags durch den Hörer kann, aber muß nicht zu einem den Erwartungen des Sprechers entsprechenden Ergebnis führen. Im Großen und Ganzen sind in zwischenmenschlichen Kommunikation folgende Verstehensresultate des Hörers möglich[2]:
[...]
[1] Da es bei der Realisierung eines Kommunikationszyklus zum ständigen Wechsel zwischen den PIn als Sprecher (PIA) und Adressat (PIB) kommt, kennzeichnen wir die PIn in diesem Modell als A und B.
[2] Hierfür vgl. auch Humphreys-Jones (1986: 45) und Grimshaw (1982: 29)
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- Agnieszka Cieplinska (Author), 2003, Verständigungsprobleme in Situationen des Gesprächsdolmetschens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27240
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