Der vorliegende Essay versucht aufzuzeigen, inwiefern die Konfessionalisierung in all ihren Ausprägungen die in der Entstehung begriffene, frühneuzeitliche Staatlichkeit beeinflusst haben kann. Die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen den Entwicklungen, die mit der Konfessionalisierung einher gingen, und den frühen Formen neuzeitlicher Staatlichkeit in Politik und Gesellschaft stehen somit im Fokus der nachfolgenden Betrachtung. Bevor jedoch auf diese Thematik genauer eingegangen werden kann, bedarf es einer einführenden Klärung des Begriffes der „Konfessionalisierung“ und einer groben Skizzierung der unter dieser Begrifflichkeit verstandenen Phänomene und Entwicklungen.
Inhalt
1. Der Begriff der Konfessionalisierung
2. Das Konzept der Konfessionalisierung
3. Vom Nutzen der Konfessionalisierung für die Staatsbildung
4. Kritische Ansätze
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
Der vorliegende Essay versucht aufzuzeigen, inwiefern die Konfessionalisierung in all ihren Ausprägungen die in der Entstehung begriffene, frühneuzeitliche Staatlichkeit beeinflusst haben kann. Die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen den Entwicklungen, die mit der Konfessionalisierung einher gingen, und den frühen Formen neuzeitlicher Staatlichkeit in Politik und Gesellschaft stehen somit im Fokus der nachfolgenden Betrachtung. Bevor jedoch auf diese Thematik genauer eingegangen werden kann, bedarf es einer einführenden Klärung des Begriffes der „Konfessionalisierung“ und einer groben Skizzierung der unter dieser Begrifflichkeit verstandenen Phänomene und Entwicklungen.
1. Der Begriff der Konfessionalisierung
Der Begriff der Konfessionalisierung bezieht sich auf das Europa, insbesondere auf den deutschen Raum des 16. und 17. Jahrhunderts und bezeichnet die Durchdringung von Gesellschaft, Politik und Kultur mit konfessionell geprägten Inhalten. Konfessionalisierung bezieht sich darüber hinaus auch auf die „Entwicklung aller frühneuzeitlichen Konfessionen zu klar definierten und voneinander abgegrenzten Konfessionskirchen“.[1] Die genaue Datierung des Zeitalters oder der Epoche, in welcher die Konfessionalisierung ihre grösste Wirkung entfalten konnte, ist relativ umstritten. Grundsätzlich kann man jedoch festhalten, dass das konfessionelle Zeitalter nach der Reformation, also in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts einsetzte. Nach Beendigung der europäischen Religionskriege Mitte des 17. Jahrhunderts liess die Durchdringung der menschlichen Lebens- und Wirkungssphären mit konfessionellen Inhalten nach, auch wenn einige Phänomene und Entwicklungen nicht nur als Ausläufer noch weiterhin wirksam blieben.[2]
Die Gleichzeitigkeit der überkonfessionellen Entwicklungsschritte hin zu Konfessionskirchen wurde bereits 1958 von Ernst Walter Zeeden festgehalten. Dieses Konzept der „Konfessionsbildung“ haben die beiden deutschen Historiker Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling seit den späten 1970er Jahren noch erweitert: Sie weisen in ihren Arbeiten auf den Aspekt der Verknüpfung der Konfessionalisierung mit der Ausbildung von Staatlichkeit hin und betonen in diesem Kontext auch die Bedeutung der Sozialdisziplinierung für die Konfessionalisierung. Reinhard und Schilling sind aus unterschiedlichen, also einer katholischen und einer evangelischen Perspektive bei ihren voneinander unabhängigen Forschungsarbeiten zu jener Zeit gleichzeitig auf dieselben Phänomene gestossen und haben in der Folge den Begriff der Konfessionalisierung geprägt, der seither Bestandteil des historischen Diskurses über die Geschichte der frühen Neuzeit ist.
2. Das Konzept der Konfessionalisierung
Das Konzept der Konfessionalisierung geht von quasi deckungsgleichen Aktionssphären der religiösen und politischen Akteure bis ins 17. Jahrhundert hinein aus. Die enge Verflechtung machte Kirchenpolitik zu Staatspolitik. Die grosse Überschneidung dieser, die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit betreffenden Bereiche, erfährt jedoch mit der Spaltung der christlichen Gemeinschaft eine tiefgreifende und nachhaltige Veränderung: Die Konkurrenzsituation, welche durch die erfolgte Pluralisierung der Konfessionen – Katholiken, Lutheraner und Reformierte – entstanden ist, wird durch den weiterhin konsequent aufrecht erhaltenen universalistischen Geltungsanspruch jeder Konfession noch verstärkt, die Folge ist eine vermehrte gegenseitige Abgrenzung in eigentlich jeder Hinsicht. Die Ausbildung von akzentuiert unterschiedlichen Konfessionskirchen geht also mit der Gründung von Territorialstaaten einher: „Die Einheit von politischem und religiösem Raum war ein wesentliches Merkmal der „Konfessionalisierung“.“[3]
Reinhard und Schilling beobachten in ihren Arbeiten zum Konzept der Konfessionalisierung grundsätzlich dieselben Phänomene, gehen allerdings unterschiedlich stark auf bestimmte Aspekte und Schwerpunkte dieses grossen Themenkomplexes ein.
Reinhard beschreibt in seinen Arbeiten insbesondere die Vorgänge, die seiner Ansicht nach innerhalb eines bestimmten Territoriums zu der Bildung einer möglichst einheitlichen Konfessionskirche und zu einer Homogenisierung der betreffenden Gesellschaft führen.
Grundlage einer jeden Konfessionskirche war das normierte Glaubensbekenntnis, die „confessio“: Genau festgelegt umreisst das Bekenntnis die theologischen und dogmatischen Grundlagen des Glaubens, definiert also die Orthodoxie und führt so gleichsam zu einer „Sicherung der reinen Lehre innerhalb der eigenen Gemeinschaft“ wie auch zu einer „Abgrenzung gegen die unreine Lehre der Anderen nach aussen“.[4] Die Definition der Grundlagen und darauf aufbauender Inhalte wie etwa eines Normensystems, ist in diesem Sinne der elementare Vorgang der Konfessionalisierung. Durch ein Netzwerk so genannter „Multiplikatoren“ und „Kontrolleure“[5] wie etwa Geistliche, Ordensleute, Lehrer, Ärzte, aber auch Hebammen u.a., war man versucht, die Verbreitung und Umsetzung der konfessionellen Inhalte gewährleisten und kontrollieren zu können. So konnte sowohl die Seelsorge als auch das Bildungssystem der orthodoxen Lehre und ihrer Inhalte angepasst, ja unterworfen werden. Die Einrichtung konfessionell bestimmter Bildungsstätten diente der Indoktrination der Orthodoxie, die Einrichtung von kirchlichen Kontrollinstanzen – von Visitationen über Presbyterien bis hin zur Inquisition – deren Umsetzung. Durch Zensur und Verbreitung einschlägiger Schriften war auch eine gewisse Kontrolle über die Kommunikation zu erlangen, kirchliche Riten – insbesondere jene, die sich von anderen Konfessionen unterschieden – wurden ebenfalls vereinheitlicht und forciert betrieben. Die umfassenden Normensysteme gingen mit Sanktionen gegen abweichendes Verhalten einher, fremde Einflüsse wurden weitestgehend eliminiert: „Ziel dieser Konfessionalisierungspolitik war in allen Fällen die Erziehung des Menschen zu einem im Sinne der jeweiligen Kirche korrekten und einheitlichen Verhalten (…).“[6] Konfessionalisierung impliziert also auch eine Disziplinierung des Menschen mit dem Ziel der Homogenisierung einer Gesellschaft. Die Eingriffe in das Sozialgefüge waren konfessionsübergreifend tief und nachhaltig prägend, Reinhard definiert daher diese Vorgänge der Konfessionalisierung als „sozialhistorisch konstitutiven Fundamentalvorgang der frühneuzeitlichen Geschichte mit modernisierender Tendenz“.[7]
[...]
[1] Vgl. Ehrenpreis / Lotz-Heumann: Reformation und konfessionelles Zeitalter, S. 63.
[2] Vgl. Reinhard: Glaube und Macht, S. 16.
[3] Vgl. Ehrenpreis / Lotz-Heumann: Reformation und konfessionelles Zeitalter, S. 64.
[4] Vgl. Reinhard: Glaube und Macht, S. 14.
[5] Vgl. Reinhard: Glaube und Macht, S. 18.
[6] Reinhard: Glaube und Macht, S. 18.
[7] Reinhard: Glaube und Macht, S. 17.
- Arbeit zitieren
- Master of Arts David Venetz (Autor:in), 2008, Konfessionalisierung und Staatlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271460
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