In der folgenden Arbeit möchte ich mich in erster Linie mit Musik in den Bereichen der Hoch- und der Populärkultur auseinandersetzen. Dabei werden wiederholt Begriffspaare gegenübergestellt, die eine gewisse Tradition im wissenschaftlichen Diskurs der Kultur- und Sozialwissenschaften aufweisen und die innerhalb der musikalischen Darbietungs- und Rezeptionspraxis von Relevanz sind. Der Kern der Arbeit ergibt sich aus der Konfrontation der U-Musik mit der E-Musik, wobei ich mich auf Beispiele aus der elektronischen und der Neuen Musik beziehen werde. Ein Teil der Ausarbeitung wird daher die Annäherung an den Begriff der Populärkultur sein, ein Phänomen, das im Laufe der Zeit keinen konsequenten Auslegungsinhalt angenommen hat. Weiterhin soll der Wert von Musik im Allgemeinen sowie vom musikalischen Material und dessen Reproduktion im Speziellen thematisiert werden. Es ist mir bei dieser Arbeit ein Anliegen zu verdeutlichen, dass Urteile über den Gehalt und Stellenwert von Musik und über die entsprechenden Rezipientengruppen immer nur im zeitgeschichtlichen und kulturellen Kontext zu betrachten sind. Darüber hinaus gilt es bei dieser Ausarbeitung, den Sachverhalt aufzuzeigen, dass Kommerzialisierungs- und Industrialisierungsmaßnahmen seit jeher Einfluss auf ästhetische Dogmen hatten. In diesem Zusammenhang können auch Tendenzen und Entwicklungslinien herangetragen werden, die allgemeine Prophezeiungen überwunden haben oder sich kategorischen Einschätzungen entziehen. Da ich persönlich sehr viel Interesse für den Bereich der Neuen Musik aufbringen kann und im vergangenen Jahr die Möglichkeit hatte, ein Interview mit dem Komponisten Roman Pfeifer zu führen, möchte ich die Arbeit mit diesem Künstlerkommentar abschließen und vervollständigen.
II. Musik als Bedeutungsträger
Die meisten musikalischen Werke verfügen über einen sinntragenden Hintergrund oder über eine einverleibte künstlerische Absicht. Sie erzeugen je nach persönlicher Sozialisation, subjektiver Auslegung und Veranlagung, zeit- und ortsabhängigen Gegebenheiten sowie assoziativen Verknüpfungen ein ästhetisches Urteil und kognitives Erleben beim Rezipienten.
I. Zielsetzung der Arbeit und Erläuterung des inhaltlichen Aufbaus
In der folgenden Arbeit möchte ich mich in erster Linie mit Musik in den Bereichen der Hoch- und der Populärkultur auseinandersetzen. Dabei werden wiederholt Begriffspaare gegenübergestellt, die eine gewisse Tradition im wissenschaftlichen Diskurs der Kultur- und Sozialwissenschaften aufweisen und die innerhalb der musikalischen Darbietungs- und Rezeptionspraxis von Relevanz sind. Der Kern der Arbeit ergibt sich aus der Konfrontation der U-Musik mit der E-Musik, wobei ich mich auf Beispiele aus der elektronischen und der Neuen Musik beziehen werde. Ein Teil der Ausarbeitung wird daher die Annäherung an den Begriff der Populärkultur sein, ein Phänomen, das im Laufe der Zeit keinen konsequenten Auslegungsinhalt angenommen hat. Weiterhin soll der Wert von Musik im Allgemeinen sowie vom musikalischen Material und dessen Reproduktion im Speziellen thematisiert werden. Es ist mir bei dieser Arbeit ein Anliegen zu verdeutlichen, dass Urteile über den Gehalt und Stellenwert von Musik und über die entsprechenden Rezipientengruppen immer nur im zeitgeschichtlichen und kulturellen Kontext zu betrachten sind. Darüber hinaus gilt es bei dieser Ausarbeitung, den Sachverhalt aufzuzeigen, dass Kommerzialisierungs- und Industrialisierungsmaßnahmen seit jeher Einfluss auf ästhetische Dogmen hatten. In diesem Zusammenhang können auch Tendenzen und Entwicklungslinien herangetragen werden, die allgemeine Prophezeiungen überwunden haben oder sich kategorischen Einschätzungen entziehen. Da ich persönlich sehr viel Interesse für den Bereich der Neuen Musik aufbringen kann und im vergangenen Jahr die Möglichkeit hatte, ein Interview mit dem Komponisten Roman Pfeifer zu führen, möchte ich die Arbeit mit diesem Künstlerkommentar abschließen und vervollständigen.
II. Musik als Bedeutungsträger
Die meisten musikalischen Werke verfügen über einen sinntragenden Hintergrund oder über eine einverleibte künstlerische Absicht. Sie erzeugen je nach persönlicher Sozialisation, subjektiver Auslegung und Veranlagung, zeit- und ortsabhängigen Gegebenheiten sowie assoziativen Verknüpfungen ein ästhetisches Urteil und kognitives Erleben beim Rezipienten.[1]
Unsere Musik artikuliert lebensnahe Inhalte, die ihr figurativ oder unverkennbar einverleibt wurden und die sie in sprach- oder klanggebundener Form hervorbringt.[2] Eine ausschlaggebende Eigenschaft von Musik ist sicher der Faktor ihrer scheinbaren Immaterialität. Zwar lässt sich der Klang als physikalische Größe bemessen und auf einem Trägermedium festhalten, dennoch wird Musik immer „in einer darstellenden Form“[3] als Ausdruck eines Subjektes betrachtet.[4]
Die Fähigkeit der Musik zur Nachahmung menschlicher Befindlichkeiten und Emotionen führt auch dazu, dass wir das Hören allzu häufig als Anlass nehmen, gewisse mentale Zustände zu verstärken oder zu umgehen. Ausgehend von meiner eigenen Auffassung möchte ich behaupten, dass Musik wahrnehmungsübergreifend ist. Nicht nur der akustische Reiz entfaltet im Sinnesapparat seine Wirkung, vielmehr sind es kognitive Prozesse, welche die schwingenden Wellen in ein mehrdimensionales Erleben transformieren, welches Bewusstsein, Affekte und Handeln verändert. Das ‚Musik hören‘ und vor allem das ‚sich zu einer Musik bekennen‘ kann ebenso dazu beitragen, die individuelle Wesensart zu verdeutlichen.[5] Musik bildet Kategorien, welche - in Genre- oder Gattungsbegriffen subsumiert - reale Lebenswelten konstruieren und innerhalb von Gruppengefügen das kollektive Bewusstsein zum Ausdruck bringen können. Musik kann weiterhin zeitliche Gegenwart und psychische Realzustände manipulieren. Dadurch ergibt sich für die Hörer auch die Möglichkeit des sporadischen Wirklichkeitsentzuges, vor allem in solchen Fällen, in denen Realität und Alltag als negativ, einförmig und unausgewogen bewertet werden. Der Zustand des Hörens lässt dann „Scheinkulissen“ entstehen, welche eine Alternative zum Gleichmaß des Lebens bieten können.[6]
Fundamental lässt sich behaupten, dass Musik das gesamte Spektrum menschlichen Erlebens und Fühlens abdeckt, daher nur potenziell eine von vielen emotionalen Möglichkeiten parat hält,
welche erst in der psychischen Auseinandersetzung eine affektive Kategorie erhalten.[7] Erika Fischer- Lichte gibt zu verstehen, dass sich die Wirkung einer Aufführung als empathische Widerfahrnis für den Rezipienten vollzieht, der die Empfindungen und körperlichen Reaktionen des Darbietenden als einen Prozess der Ansteckung auf das eigene Erleben transferiert.[8] Wenn auch diese Anmerkung aus dem Bereich der Theaterwissenschaft gegriffen ist, so kann sie hier dennoch auf die Musik, vielleicht sogar als eine Art Voraussetzung zum musikalischem Verständnis, in noch intensiverer Form übertragen werden.
III. Die Spaltung der Kultur- und Musiklandschaft
Zu Beginn des 20. Jahrhundert erfahren die Musikinstitutionen eine bis in die heutige Gegenwart bestehende Separation in die Kategorien E- und U-Musik. Die Ernste Musik besetzt nach dieser Terminologie die Sparte der klassischen Kunstgattung, während die Unterhaltungsmusik Aspekte von Vergnügen und Unbefangenheit als stilistische Kriterien einbezieht. Eine Veranlassung zu der strikten Trennung beider musikalischen Rubriken ist auf die Initiative der GEMA zurückzuführen, welche 1903 im Zuge der Forderung nach einer Differenzierung von Musik als Kunstform und Musik als kommerzielles Gut gegründet wurde.[9] Ein Anhaltspunkt zur Klassifikation von E- und U-Musik stellt oftmals das Kriterium der Häufigkeit dar, mit der Musik im öffentlichen Raum vorgetragen, präsentiert und rezipiert wird. Diese Sicht erweist sich stets als wertender Habitus, in dem Eigenschaften wie ‚rar‘ und ‚selten‘ auf einer Ebene mit Erhabenheit, Kultivierung und Authentizität stehen, während das ‚Populäre‘ und zahlenmäßig Vorherrschende als beliebig, banal oder minderwertig degradiert wird.
Der vermeintlichen Sicherstellung und Honorierung kreativer und kunstreicher Leistungen durch die Verwertungsgesellschaft hafteten schon immer profitgeleitete Bestrebungen an. In diesem Zusammenhang gilt es nämlich zu berücksichtigen, dass mit Aufkommen der ersten Schallplatte im Jahr 1900 auch „die Möglichkeit [bestand], Musik unabhängig vom Ort und Zeitpunkt des Entstehens zu hören“[10]
und dass die medialen Vervielfältigungen unter dem Deckmantel von Urheberrechts-debatten wertschöpfend dem Konsumenten zugänglich gemacht wurden.[11] Die oppositionelle Gegenüberstellung von E- und U-Kultur kann jedoch bereits vor dem 20. Jahrhundert erkannt werden. So urteilte beispielsweise bereits Plato über die Musik als eine primitive Form von Kultur, die den Vernunftsgedanken und die Auffassung von Wirklichkeit beeinträchtigt.[12] Im 16. und 17. Jahrhundert erweist sich die E-Kultur als vornehmes und rechtmäßiges Attribut des aufstrebenden Bürgertums und gilt somit als Indikator für den sozialen Status. Die U-Kultur als Prädikat der niederen Gesellschaftsschicht polarisiere dagegen mit der Verklärung des Lustprinzips und beschränke in der sinnlichen Betäubung des Bewusstseins den aufklärerischen Erkenntisdrang und Fortschrittsglauben des zivilisierten Menschen.[13]
Unweigerlich lässt sich dennoch behaupten, dass die Bekenner zur U-Kultur „eine kritische Aussage zur bestehenden sozialen Ordnung machen“[14] und in der Rezeption von minderwertig erachteten Ausdrucksformen die geltenden hierarchischen Strukturen unterwandern, demnach ebenso reflektiert und bewusst Kultur in Anspruch nehmen. Im Übergang zum 20. Jahrhundert wurde die U-Kultur weiterhin in die Kategorien von Massen- und Volkskultur aufgefächert. Die Volkskultur implizierte das Verständnis der zunehmend dahinschwindenden Gesellschaftsgruppen, denen ebenfalls nur eine mindere Erkenntnisfähigkeit zugesprochen wurde, die aber dennoch einen höheren Stellenwert hatten als die anfängliche Massenkultur. Massenkultur sei durch die von außen wirkende Kommerzialisierungs- und Industrialisierungsmaschinerie bestimmt, wodurch man den Angehörigen dieser Gemeinschaft eine gewisse selbstverschuldete Hörigkeit unterstellte, die aufgrund von mangelnden bürgerlichen Tugenden existierte.[15]
Im 20. Jahrhundert wurde die Debatte um E- und U-Kultur durch den Begriff der Populärkultur ergänzt, möglicherweise auch um die Leerstelle der schwindenden Volkskultur zu besetzen.[16] Was unter diesem Terminus explizit verstanden werden soll, kann jedoch in zeitgeschichtlicher und auffassungsmäßiger Hinsicht nur tendenziell umrissen und ausgelegt werden:
[...]
[1] Vgl. Stegbauer, Hanna: Die Akustik der Seele. Zum Einfluss der Literatur auf die Entstehung der romantischen Instrumentalmusik, Göttingen 2006, S. 21.
[2] Vgl. Riggenbach, Paul: Funktionen von Musik in der modernen Industriegesellschaft. Eine Untersuchung zwischen Empirie und Theorie, Marburg 2000, S. 21.
[3] Jähnichen, Gisa: Hören was kommt… sehen, was geht. Populäre Musik im Methodendiskurs, in: Kleiner, Marcus S.; Rappe, Michael (Hg.): Methoden der Populärkulturforschung. Interdisziplinäre Perspektiven auf Film, Fernsehen, Musik, Internet und Computerspiele, Berlin 2012, S. 170.
[4] Vgl. Bunz, Mercedes: Instabil. Musik und Digitalität als Momente der Verschiebung, in: Jacke, Christoph; Kimminich, Eva; Schmidt, Siegried J. (Hg.): Kulturschutt. Über das Recycling von Theorien und Kulturen, Bielefeld 2006 , S. 274.
[5] Vgl. Riggenbach, S. 34.
[6] Vgl. Riggenbach, S. 39.
[7] Vgl. Becker, Alexander: Wie erfahren wir Musik?, in: Becker, Alexander; Vogel, Matthias (Hg.): Musikalischer Sinn. Beiträge zu einer Philosophie der Musik, Frankfurt am Main 2007, S. 276.
[8] Vgl. Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik des Performativen, Frankfurt am Main. 2004, S. 335.
[9] Vgl. Heinrichs, Werner: Der Kulturbetrieb. Bildende Kunst – Musik – Theater – Film, Bielefeld 2006, S. 108.
[10] Ebd., S. 108.
[11] Anm.: Der negative Tenor dieser Darstellungsweise rührt daher, dass das GEMA-Universum mittlerweile eine Gebührenstandard eingeführt hat, welcher die Existenz vielzähliger Kulturvereine und Veranstaltungszentren bedroht und eine pluralistische Kultur und Kunstszene, in denen Zitate und Referenzen als ästhetisches Ausdrucksmittel fungieren unterdrückt.
[12] Vgl. Grossberg, Lawrence: E- und U-Kultur, in: Hügel, Hans-Otto (Hg.): Handbuch Populäre Kultur, Stuttgart, Weimar 2003, S. 164.
[13] Vgl. ebd., S. 165.
[14] Ebd.
[15] Vgl. ebd., S. 166.
[16] Vgl. ebd., S. 167.
- Arbeit zitieren
- Sabine Wollmann (Autor:in), 2013, Kulturelle Aspekte der Produktion und Rezeption von E- und U-Musik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271341
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