Die Soziologie besitzt nicht eine „Zeit- oder Gegenwartsdiagnose“. Das Genre
zeichnet sich vielmehr durch vielfältige Ansätze aus: Gerhard Schulze behauptet
beispielsweise, wir lebten in einer Erlebnisgesellschaft, Richard Münch in der
Kommunikationsgesellschaft und Ulrich Beck in der Risikogesellschaft (Beck
1986). Ist dies ein Makel der Zeitdiagnosen, und zeugt das von einer Unreife des
Fachs Soziologie?
„Vielleicht ist die Perspektivenvielfalt ja auch die einzig adäquate Reaktion auf die immense
Komplexität sozialer Wirklichkeit, die sich analytisch einfach nicht in eine einzige Sicht der Dinge
hineinpressen lässt (Schimank 2000: 14).“
Schimank ist der Meinung, dass das Problem nicht aus dem Fach, sondern aus
dem Gegenstand des Faches entstehe: Die soziale Wirklichkeit sei so komplex!
Ziel könne es nicht sein, die Komplexität wiederzuspiegeln, in diesem Fall hätte
man keinen Erkenntnisgewinn. Vielmehr müsse stark vereinseitigt werden und
„aus Heterogenem ein Muster (Münch 2002:19)“ gemacht werden.
„Die Gegenwartsdiagnosen leisten einen wichtigen Beitrag zur „soziologischen Aufklärung“ der
Gesellschaft über sich selbst (Schimank 2000: 17).“
Die Funktion der Gegenwartsdiagnose sei also nicht das Finden der Wahrheit,
sondern die Selbstbeobachtung, indem sie auf drohende Krisen aufmerksam
mache. Dies leistet auch Becks Risikogesellschaft. Aus heterogenen
Einzelereignissen wie Waldsterben, Schadstoffe in Nahrungsmitteln,
Radioaktivität, Individualisierung und Arbeitslosigkeit hat er seiner Meinung nach
ein Muster herausgefiltert: Risiken. Damit vereinseitigt er, macht aber auch auf
eine drohende Krisen aufmerksam. Dennoch stellt sich die Frage, ob er nicht
durch den Untertitel „Auf dem Weg in eine andere Moderne“ über das Genre der
Zeitdiagnosen hinausgeht.
„Soziologische Gegenwartsdiagnosen sind also analytisch abstrakter als Untersuchungen
einzelner Gesellschaften, aber konkreter als generelle Gesellschaftstheorien (Schimank 2000: 16).“
Als Gegenpol zur Risikogesellschaft dient Beck die klassische
Industriegesellschaft. Zwischen Industriegesellschaft und Risikogesellschaft will er
einen ausreichenden Unterschied festgestellt haben, der einen Bruch zwischen
Beiden rechtfertigen würde. Weil die Moderne nicht einheitlich nach einer
Grundidee verlaufe, zieht dies die Einführung der Begrifflichkeit der zweiten
Moderne nach sich. [...]
Gliederung
1. Unterschiedliche Zeitdiagnosen
2. Modernisierungsvorstellungen Becks
2.1 Restrukturierung ökologischer Risikoproduktion
2.2 Restrukturierung der Lebensführung
2.3 Restrukturierung von Wissenschaft und Politik
3. Die Risikogesellschaft als Zeitdiagnose
3.1 Das Muster in den ökologischen Risiken
3.1.1 Kollektiv verteilte Risiken
3.1.2 Risikowahrnehmung und -wirklichkeit
3.1.3 Entscheidungsabhängigkeit von Risiken
3.2 Das Muster in der Lebensführung
3.3 Die Frage der Mediengesellschaft
4. Rechtfertigung des Epochenwandels
4.1 Risiken der Industrie- und der Risikogesellschaft
4.2 verschiedene Analyseperspektiven
4.3 zur Einheit der Industriegesellschaft
4.4 der Institutionenwandel
5. kein Bruch trotz berechtigter Zeitdiagnose
6. Quellenverzeichnis
7. Internetnachweise
1. Unterschiedliche Zeitdiagnosen
Die Soziologie besitzt nicht eine „Zeit- oder Gegenwartsdiagnose“. Das Genre zeichnet sich vielmehr durch vielfältige Ansätze aus: Gerhard Schulze behauptet beispielsweise, wir lebten in einer Erlebnisgesellschaft, Richard Münch in der Kommunikationsgesellschaft und Ulrich Beck in der Risikogesellschaft (Beck 1986). Ist dies ein Makel der Zeitdiagnosen, und zeugt das von einer Unreife des Fachs Soziologie?
„Vielleicht ist die Perspektivenvielfalt ja auch die einzig adäquate Reaktion auf die immense Komplexität sozialer Wirklichkeit, die sich analytisch einfach nicht in eine einzige Sicht der Dinge hineinpressen lässt (Schimank 2000: 14).“
Schimank ist der Meinung, dass das Problem nicht aus dem Fach, sondern aus dem Gegenstand des Faches entstehe: Die soziale Wirklichkeit sei so komplex! Ziel könne es nicht sein, die Komplexität wiederzuspiegeln, in diesem Fall hätte man keinen Erkenntnisgewinn. Vielmehr müsse stark vereinseitigt werden und „aus Heterogenem ein Muster (Münch 2002:19)“ gemacht werden.
„Die Gegenwartsdiagnosen leisten einen wichtigen Beitrag zur „soziologischen Aufklärung“ der Gesellschaft über sich selbst (Schimank 2000: 17).“
Die Funktion der Gegenwartsdiagnose sei also nicht das Finden der Wahrheit, sondern die Selbstbeobachtung, indem sie auf drohende Krisen aufmerksam mache. Dies leistet auch Becks Risikogesellschaft. Aus heterogenen Einzelereignissen wie Waldsterben, Schadstoffe in Nahrungsmitteln, Radioaktivität, Individualisierung und Arbeitslosigkeit hat er seiner Meinung nach ein Muster herausgefiltert: Risiken. Damit vereinseitigt er, macht aber auch auf eine drohende Krisen aufmerksam. Dennoch stellt sich die Frage, ob er nicht durch den Untertitel „Auf dem Weg in eine andere Moderne“ über das Genre der Zeitdiagnosen hinausgeht.
„Soziologische Gegenwartsdiagnosen sind also analytisch abstrakter als Untersuchungen einzelner Gesellschaften, aber konkreter als generelle Gesellschaftstheorien (Schimank 2000: 16).“
Als Gegenpol zur Risikogesellschaft dient Beck die klassische Industriegesellschaft. Zwischen Industriegesellschaft und Risikogesellschaft will er einen ausreichenden Unterschied festgestellt haben, der einen Bruch zwischen Beiden rechtfertigen würde. Weil die Moderne nicht einheitlich nach einer Grundidee verlaufe, zieht dies die Einführung der Begrifflichkeit der zweiten Moderne nach sich.
Aber ist nicht die Feststellung eines Epochenwandels nicht schon ein theoretischer Gedanke und nicht bloße Zusammenfassung aus Heterogenem? Für Münch lässt sich aus einem singulären Vorgang, der sich zudem nur auf die Bundesrepublik bezieht, keine Gesetzmäßigkeiten der Moderne ableiten (Münch 2002: 19).
Einen Bruch in der Moderne attestiert nicht jeder Zeitdiagnostiker. Der britische Soziologe Anthony Giddens beispielsweise kommt zu dem Schluss, dass kein Bruch in der Moderne vorliegt, weil die leitenden Ideen in Form der vier Institutionen Kapitalismus, Überwachung, militärische Macht und Industrialisierung bis heute erhalten geblieben sind und sich nur radikalisiert haben (vgl. Giddens 1990: 70).
Es stellt sich für diese Hausarbeit somit die Frage, ob sich die Moderne in einem solchen Ausmaß verändert hat, dass die Proklamation einer zweiten Moderne „Risikogesellschaft“ gerechtfertigt erscheint.
Ich halte es für zweckmäßig, durch eine bloße Darstellung der Beckschen Analyse erst einmal einen Überblick zu schaffen (Kapitel 2). Dies geschieht entlang der drei Hauptstränge, die auch Beck (1986) verfolgt hat: die ökologischen Risiken, die Individualisierung und schließlich die Veränderung der Institutionen. Die Hauptfrage lässt sich nun analytisch in die Fragen der Zeitdiagnose und des epochalen Wandels aufteilen. Zuerst beleuchte ich die Frage der Zeitdiagnose, indem ich die Merkmale der Risikogesellschaft überprüfe (Kapitel 3) und damit, ob die Zusammenfassung von Heterogenem gelungen ist. Danach ist zu klären, ob dieser Unterschied in Gegenüberstellung zur Industriegesellschaft wirklich ausreicht, um einen epochalen Wandel zu begründen (Kapitel 4). Abschließend werde ich die Ergebnisse zusammenfassen und die Frage nach dem begründeten Epochenwandel beantworten (Kapitel 5).
2. ModernisierungsvorstellungenBecks
2.1 Restrukturierungökologischer Risikoproduktion
„Ähnlich wie im 19. Jahrhundert[1] Modernisierung[2] die ständisch verknöcherte Agrargesellschaft aufgelöst und das Strukturbild der Industriegesellschaft herausgeschält hat, löst Modernisierung heute die Konturen der Industriegesellschaft auf, und in der Kontinuität der Moderne entsteht eine andere gesellschaftliche Gestalt (Beck 1986: 14).“
Die heutige Gesellschaft unterscheidet sich also in gleichem Maße, wie sich Agrar- und Industriegesellschaft unterschieden haben. Es ändern sich die leitenden Ideen oder Paradigmen. In der Industriegesellschaft gilt es, die materielle Not in einer Mangelgesellschaft zu beseitigen. Die Lösungsstrategie zur Mangelbeseitigung findet man in der technisch-ökonomischen Entwicklung und wird von Beck mit „einfacher Modernisierung“ bezeichnet. Dies geschieht durch den Einsatz von Massenproduktion, Ausdifferenzierung von Strukturen und der Nutzbarmachung der Natur. Aufgrund von Risiken oder auch nicht-intendierten Nebenfolgen wird dieses Paradigma des Fortschritts jedoch ersetzt.
„Es geht also nicht mehr oder nicht mehr ausschließlich um die Nutzbarmachung der Natur, um die Herauslösung aus traditionellen Zwängen, sondern es geht auch und wesentlich um Folgeprobleme der technisch-ökonomischen Entwicklung selbst. Der Modernisierungsprozess wird »reflexiv«, sich selbst zum Thema und Problem (ebd.: 26).“
Beck spricht in dem Zusammenhang im Gegensatz zur einfachen Modernisierung der Industriegesellschaft jetzt von reflexiver Modernisierung: die Moderne trifft auf sich selbst. Diese Risiken haben Eigenschaften, die zu dieser epochalen Veränderung führen.
Risiken, wie sie in der fortgeschrittenen Stufe der Produktivkraftentwicklung erzeugt werden – damit meine ich in erster Linie die sich dem unmittelbaren menschlichen Wahrnehmungsvermögen vollständig entziehende Radioaktivität, aber auch Schad- und Giftstoffe in Luft, Wasser, Nahrungsmitteln Sie setzten oft irreversible Schädigungen frei, bleiben im Kern meist unsichtbar, basieren auf kausalen Interpretationen... (ebd.:29)“
Demnach besitzen Risiken zwei soziologisch relevante Aspekte: Da sie einerseits unsichtbar und damit nicht erfahrbar sind, aber andererseits, hohe, irreversible Schäden hervorrufen, macht dies eine kausale Interpretation notwendig. Dies führt zwar zu einer höheren Bedeutung des Wissens und damit der Wissenschaft, aber auch der Vermutung. Der positiven Aneignungslogik der Industriegesellschaft weicht eine „...negative Logik des Wegverteilens, Vermeidens, Leugnens, Uminterpretierens... (Beck 1986: 35)“. Wird für das Waldsterben ein Schuldiger gesucht, trifft es nacheinander Bauern, Düngemittelindustrie, Autolobby und Politik, die alle jeweils die Schuld weit von sich weisen und andere Risiken benennen. Dabei passiert es, dass immer neue Risiken geschaffen werden: Schwefeldioxyde, Stickstoffe oder etwas uns noch Unbekanntes (vgl. ebd.: 42). Risiken sind ein Bedürfnisfass ohne Boden.
Zweitens haben Risiken egalisierende Wirkung, sie treffen im Gegensatz zu Reichtum der Industriegesellschaft alle. Beck benutzt dafür auch das Schlagwort Bumerang-Effekt: „Modernisierungsrisiken erwischen früher oder später auch die, die sie produzieren oder von ihnen profitieren (ebd.: 30)“. Konnten sich in der Industriegesellschaft die oberen Schichten Sicherheit noch erkaufen, ist man den heutigen Risiken schutzlos ausgeliefert: am Wasser- und Nahrungsmittelkreislauf seien neben der schlechten Luft alle gleichermaßen beteiligt: „Not ist hierarchisch, Smog ist demokratisch. (ebd.: 48)“ Dabei egalisieren Risiken nicht nur die Schichten innerhalb eines Landes, sondern auch arme und reiche Länder selbst, da sie übernational und global wirken.
2.2 Restrukturierung der Lebensführung
Neben den ökologischen Risiken stellt das soziale Binnengefüge[3] einen zweiten Handlungsstrang dar. Dieses erfährt eine Veränderung in Richtung der Individualisierung[4]. Wurden die Menschen von der Feudalgesellschaft zur Industriegesellschaft von der Kirche und feudalen Bindungen in sogenannte Großgruppen wie sozialen Klassen, Familie, Konfessionen entlassen, werden sie nun auf sich alleine gestellt und es entsteht eine neue Unmittelbarkeit von Individuum und Gesellschaft (vgl. Beck 1986: 118). Die Industriegesellschaft versteht Beck als halbierte Moderne, weil die Bindung zu Großgruppen hier qua Geburt erteilt wird. Dies entspricht geradezu einer ständischen Zuweisung, da es den leitenden Ideen der Moderne „Freiheit und Gleichheit“ widerspricht. Eine Moderne mit ständischen Überbleibseln sei halbiert.
Beck sieht die Gegenwart „jenseits von Klasse und Schicht (ebd.: 121ff.)“. Ursache dafür ist der sogenannte Fahrstuhl-Effekt.
„Die Besonderheit der sozialstrukturellen Entwicklung in der Bundesrepublik ist der »Fahrstuhleffekt«: die »Klassengesellschaft« wird insgesamt eine Etage höher gefahren. Es gibt – bei allen sich neu einpendelnden oder durchgehaltenen Ungleichheiten – ein kollektives Mehr an Einkommen, Bildung, Mobilität (ebd.: 122)“
Obwohl die Ungleichheitsrelationen zwischen den Individuen gleichgeblieben sind, verlieren die Grenzen von Klassen und Schichten durch die allgemeine Einkommenssteigerung an Bedeutung. Die Konzepte sind zwar noch in den Köpfen der Wissenschaftler, finden aber im Bewusstsein der Menschen keine Entsprechung mehr. Beck zeigt, dass die Massenarbeitslosigkeit über alle Berufsgruppen so angestiegen ist, dass jede dritte Erwerbsperson davon zwischenzeitlich betroffen wird (vgl. ebd.: 143f.). Wurden die Individuen in der Industriegesellschaft bei eintretender Armut von ihrer Klasse abgesichert, sind sie jetzt nur noch ein Markt‑Individuum. Es kommt zu einer Vereinzelung des Schicksals statt einer kollektiven Klassenerfahrung. Dies kann zu einer Selbstverunsicherung durch eine ewige Glückssuche (vgl. ebd.: 156) oder zur Pluralisierung führen, bei der das Individuum auch widersprüchliche Koalitionen eingeht. Beispielsweise kann das Individuum bei der IG Metall und gleichzeitig in einer Bürgerinitiative gegen Fluglärm aktiv sein (vgl. ebd.: 159). Die Individualisierung im Bereich der Klassenzugehörigkeit zieht also eine Verschlechterung der Lebensbedingungen durch Vereinzelung sowie eine Pluralisierung nach sich.
Ganz ähnlich Becks Argumentation bezüglich der Familienstrukturen. In der Industriegesellschaft galt nur die Kleinfamilie mit einer klaren Arbeitsteilung zwischen der Frau zu Hause und des Mannes im Erwerbsleben als akzeptiert. In der Spätphase der Industriegesellschaft brechen diese traditionellen Zwängen auf und die Menschen emanzipieren sich. Sie werden vermehrt vor eine Entscheidungsflut geworfen, Beck nennt sie Gretchenfragen: Damit meint er z.B. „Zeitpunkt, Zahl und Versorgung der Kinder; der Dauerbrenner der nie gleichzuverteilenden Alltagsarbeiten; die »Einseitigkeit« der Verhütungsmethoden; die Alptraumfragen des Schwangerschaftsabbruchs; Unterschiede in Art und Häufigkeit der Sexualität...(Beck 1986: 192).“ Das Individuum ist auf sich allein gestellt und alle Verheißungen, die die Traditionen versprechen, werden nun in der Partnerschaft gesucht (vgl. ebd.: 187). Der Partnerschaft liegen idealisierte Vorstellungen zugrunden, die den Erfolgsdruck auf beiden Seiten erhöhen. Dies führt erstens zu steigenden Scheidungsraten (vgl. ebd.: 163). Zweitens ist eine Pluralisierung der Lebensformen neben den beiden Alternativen Ehe, Nicht-Ehe zu verzeichnen: Über ein und denselben Lebenslauf können so Phasen des Zusammenlebens wie „Single-Dasein, voreheliches und eheliches Zusammenleben, Wohngemeinschaft, variierende Elternschaften über ein oder zwei Scheidungen hinweg u.s.w. (ebd.: 195)“ auftauchen. Es entsteht die „Verhandlungsfamilie auf Zeit“.
Die Betrachtungen der Klasse und der Familie enden also beide in der Feststellung, dass die Individuen einem Entscheidungszwang statt traditionellen Normen ausgesetzt sind und dass sich daraus vorerst eine Pluralisierung ergibt. Die Individuen werden durch die Individualisierung also nicht frei, sondern nur von neuen Institutionen abhängig.
„Die freigesetzten Individuen werden arbeitsmarktabhängig und deshalb bildungsabhängig, konsumabhängig abhängig von sozialrechtlichen Regelungen... (ebd.: 210).“
2.3 Restrukturierung von Wissenschaft und Politik
Beck analysiert die beiden Institutionen[5] Wissenschaft und Politik und gibt anschließend Änderungsvorschläge. So kann nur die Wissenschaft die bedrohlichen Risiken definieren, die an sich eigentlich nicht erfahrbar sind. Jedoch verhält sie sich im Moment „risikoblind“, vor allem weil sie in der Industriegesellschaft mit der Wirtschaft kooperiert hat und Risiken damit eingestandene Fehler wären. Um diese Fehler nicht zugeben zu müssen, schaut die Wissenschaft nur auf die Produktivität und nicht auf die Risiken. Als Beispiel führt Beck Grenzwerte[6] an, die chemische Stoffe trotz ihrer Giftigkeit zuließen.
Die Wissenschaft wird durch ihre einzigartige Fähigkeit, Risiken sichtbar zu machen, unverzichtbar. Sie muss Änderungen vornehmen, um den neuen Risiken gewachsen zu sein: Zum einen muss der Wahrheitsanspruch nach Außen aufgegeben werden. Bisher sei Kritik in Form des Expertenstreits nur aus der Wissenschaft selbst zugelassen, nach Außen werden die Ergebnisse jedoch so verkauft, als ob sie Wahrheit wären. Beck sieht darin eine gottähnliche Überhöhung und, da dieses Denkmodell aus der Feudalzeit stammt, eine halbierte Moderne (vgl. ebd.: 271). In der Risikogesellschaft sollte sich die Wissenschaft öffentlich zum „Es-könnte-auch-anders-sein (ebd.: 291)“ bekennen und damit keine Sachzwänge mehr verkünden.
Eine zweite Änderung, die die Wissenschaft vornehmen sollte, ist die Entdifferenzierung bezüglich den Unterscheidungen Theorie – Praxis und den Disziplinen. Durch die Differenzierung sei eine „organisierte Unverantwortlichkeit (Beck 1988: Untertitel)“ entstanden. Weil Risiken das sind, „was zwischen der Spezialisierung liegt (ebd.: 93)“ und jedes Teilsystem dadurch Risiken weit von sich weisen und einem anderen die Schuld geben kann. Um dieser organisierten Unverantwortlichkeit zu begegnen, braucht es eine „ Spezialisierung auf den Zusammenhang (Beck 1986: 258).“ Die wissenschaftlichen Analysen in der Risikogesellschaft werden zu „Selbstbedienungsläden (ebd.: 287)“, die jeder sozialen Gruppe Argumente für ihre Position liefert.
[...]
[1] Unter Modernisierung versteht Beck „die technologischen Rationalisierungsschübe und die Veränderung von Arbeit und Organisation,... den Wandel der Sozialcharaktere und Normalbiographien, der Lebensstile und Liebesformen, der Einfluß- und Machtstrukturen, der politischen Unterdrückungs- und Beteiligungsformen, der Wirklichkeitsauffassungen und Erkenntnisnormen (Beck 1986: 25).“ Er vermischt damit die Bedeutungen von Modernisierung und Industrialisierung (vgl. Ebers 1995: 269).
[2] Der Begriff ist aus Beck/Bonß/Lau (2001) entnommen. Mit Restrukturierung meine ich damit nicht zwangsläufig intendiertes Handeln, wie ein Manager z.B. Restrukturierungsmaßnahmen oder neue Techniken implementiert, sondern nach dieser Auffassung kann sich etwas auch selbst restrukturieren. Die Struktur, von der ausgegangen wird, ist dabei die Industriegesellschaft.
[3] Darunter fasst Beck soziale Klassen, Familienformen, Geschlechtslagen, Ehe, Elternschaft und Beruf
[4] Individualisierung meint die Herauslösung aus den Großgruppen Klasse, Familie und Geschlecht
[5] Auch wenn unter diesem Kapitel Wissenschaft und Politik behandelt werden, wird mit dem Begriff der Institutionen nicht, wie im alltäglichen Sprachgebrauch, bloße Organisationen bezeichnet, sondern jegliche Form stabiler, dauerhafter menschlicher Beziehung. So versteht Beck auch die Familie oder die Geschlechterbilder als Institution.
[6] im Sinne einer Maximalbelastung von chemischen Giftstoffen
- Arbeit zitieren
- Daniel Hess (Autor:in), 2002, Der Bruch in der Moderne - eine Auseinandersetzung mit der These Ulrich Becks, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27082
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