Am 20. November starb in Madrid ein Mann, mit dem Tausende Spanier auch heute noch negative Erinnerungen verbinden. Er regierte dort ab 1939 und hatte schon
lange vor seinem Tod seine Nachfolge geklärt. Die Rede ist von Francisco Franco.
Das durch den Bürgerkrieg gespaltene Spanien – welcher nicht zuletzt durch Franco initiiert wurde – bekam 1939 mit ihm ein neues Staatsoberhaupt. Der Beginn dieser
etwa vierzig Jahre andauernden Diktatur bildet auch heute noch eine dunkle Seite der spanischen Geschichte.
Nach seinem Tod begann – so die heutige Geschichtsschreibung – der Prozess der Transition Spaniens von einer Diktatur hin zu einer Demokratie. Stimmt es tatsächlich, dass die Transition erst mit Francos Tod begann oder gibt es womöglich
noch andere Ereignisse, die plausibel erscheinen, den Übergang zur Demokratie schon vorher anzusetzen?
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung - Betrachtungsobjekt
Juan Carlos’ Erziehung in den Händen Francos
Die „Transición“ Spaniens - der Anfang der Demokratie
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung - Betrachtungsobjekt:
Am 20. November starb in Madrid ein Mann, mit dem Tausende Spanier auch heute noch negative Erinnerungen verbinden. Er regierte dort ab 1939 und hatte schon lange vor seinem Tod seine Nachfolge geklärt. Die Rede ist von Francisco Franco. Das durch den Bürgerkrieg gespaltene Spanien - welcher nicht zuletzt durch Franco initiiert wurde - bekam 1939 mit ihm ein neues Staatsoberhaupt. Der Beginn dieser etwa vierzig Jahre andauernden Diktatur bildet auch heute noch eine dunkle Seite der spanischen Geschichte.
Nach seinem Tod begann - so die heutige Geschichtsschreibung - der Prozess der Transition Spaniens von einer Diktatur hin zu einer Demokratie. Stimmt es tatsächlich, dass die Transition erst mit Francos Tod begann oder gibt es womöglich noch andere Ereignisse, die plausibel erscheinen, den Übergang zur Demokratie schon vorher anzusetzen?
Juan Carlos’ Erziehung in den Händen Francos
Alles begann 1948, als der zehn Jahre junge Juan Carlos von seinem Vater, dem im Exil lebenden König Spaniens, nach Spanien geschickt wurde, um vom Diktator erzogen zu werden. Juan Carlos’ Vater, Don Juan de Borbón, hatte diesen Erziehungsauftrag mit dem damaligen Regenten Franco vereinbart. In dem Abkommen wurde vorgesehen, dass die Monarchie in Spanien wieder einkehre, aber dass General Franco seinen Nachfolger, also besagten Juan Carlos, nach seinen Maßstäben und Vorstellungen formen könne. Ebenso wurde festgelegt, dass Franco bis zu seinem Lebensende Spanien regieren könne. Der Diktator hatte bereits entschieden, dass nach seinem Ableben Spanien wieder eine Monarchie werden solle. Dass sein Zögling daraus eine parlamentarische Erbmonarchie errichten würde, war vermutlich von ihm nicht vorhergesehen.
Seine Erziehung war streng: Er schickte den jungen Prinzen auf drei Militärakademien, bevor er ihn erstmals zu seinen politischen und diplomatischen Treffen mitnahm. Andere Bewerber auf seinen Nachfolgeplatz schloss er kategorisch aus.
Am 22. Juli 1969 verkündete der spanische Diktator Francisco Franco, dass Prinz Juan Carlos, der Enkel des ins Exil geflohenen Königs Alfons XIII., sein königlicher Nachfolger werden sollte. Sechs Jahre später stirbt Franco in Madrid. Trotz des Ablebens Francos wirkte sein Einfluss aber in Spanien noch lange nach. Spanien hatte nach dem Bürgerkrieg keine Möglichkeit gehabt, diesen aufzuarbeiten. Die Franco-Diktatur unternahm alles, um dies zu verhindern. Heute, etwa dreißig Jahre nach Francos Tod, gelingt es Spanien allmählich sowohl den Bürgerkrieg als auch die darauffolgende Diktatur aufzuarbeiten. Erst nach der Jahrtausendwende erließ die Regierung Zapatero ein Gesetz, das es ermöglichte, Relikte aus der Franco-Zeit zu entfernen und damit symbolisch die diktatorische Vergangenheit zu bewältigen.
Die „Transición“ Spaniens - der Anfang der Demokratie
Wann aber hat die ‚Transición’, der Übergang Spaniens von der Diktatur in die Demokratie, begonnen? Erst zu Francos Tod oder tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt?
Dass Juan Carlos eine demokratisch fundierte Herrschaftsform begründen würde, war so nicht zu erwarten. Vor allem die Finesse, mit der Juan Carlos die Demokratie in Spanien etablierte, ist wohl einmalig. Denn allem Anschein nach hätte der junge Prinz es nie gewagt, seinem Mentor zu widersprechen. Auf Fotos und Filmausschnitten sind die beiden immer wieder in harmonischer Eintracht zu sehen. Ein so gravierender, weil fundamentaler Kurswechsel war demnach alles andere als vorher- oder absehbar.
Ebenso war es fraglich, ob Juan Carlos seinen Platz auf dem Thron tatsächlich behielt. Eigentlich hätte seinem Vater Don Juan der Thron rechtmäßig zugestanden. Dieser gab allerdings, wenn auch erzürnt darüber, schließlich seinen Anspruch auf die Herrschaftsgewalt auf. Zudem ließ Juan Carlos sein Volk über seine Position im Staat 1976 abstimmen und es entschied sich mit deutlicher Mehrheit dafür, dass er die Führung übernehmen solle. Diesen Vertrauensbeweis hat er ihnen nie vergessen und bewährte sich sodann als demokratisch gewählter Regent. Denn als 1981 Teile des Militärs und der Guardia Civil einen Putschversuch begannen und das Parlament stürmten, wehrte der König gemäß seines Demokratie-Versprechens die Putschisten ab und konnte sogar die spanischen Streitkräfte hinter sich vereinen.
Der spanische Demokratisierungsprozess wurde von Juan Carlos aus heutiger Sicht in optimaler Weise in Gang gesetzt: Er brach nicht sofort mit dem alten Regime, sondern integrierte dessen Funktionäre auf diversen Positionen. Auch die von Franco erlassenen Gesetze wurden nicht abrupt für ungültig erklärt. Zunächst einmal behielt Carlos Arias Navarro seinen Posten als Ministerpräsidenten. Nach kurzer Zeit wurde dieser aber von Adolfo Suárez abgelöst. Suárez, der auch schon unter Franco Dienst tat, stand ganz im Zeichen seiner Majestät: Er schloss die Cortes, das spanische Ständeparlament, und schuf das auch heute noch existierende Zweikammerparlament. Nur durch dieses Feingefühl des Königs war es möglich, dass Spanien den Weg zur Demokratie nehmen konnte. Eine unveränderte Fortsetzung mit den alten Funktionären unter königlicher Aufsicht hätte womöglich bedeutet, dass das Volk schnell resigniert. Mehr noch, das Volk war schon in den letzten Jahren der Franco-Diktatur und auch zu Beginn der Regierungszeit Juan Carlos’ mehrfach auf die Barrikaden gegangen, um gegen die miserablen Zustände zu demonstrieren.
Genauso war auch ein sofortiger Bruch mit dem alten System unmöglich, da dessen Vertreter einen großen Einfluss in jeglichen Regierungsbereichen besaßen und wohl ohne große Mühe das alte System wieder hätten herstellen können.
Der Beginn der Transition könnte aber auch 1969 gesetzt werden. Durch die offizielle Ernennung Juan Carlos’ zum spanischen König war es augenscheinlich, dass die Diktatur nach Francos Tod nicht weiter existieren würde. Womöglich hatte sich schon 1947 ein Großteil der spanischen Bevölkerung gewünscht, dass der Regent so schnell wie möglich sterben möge, als Franco ein Gesetz verabschieden ließ, nach welchem Spanien nach Francos Tod wieder durch eine Monarchie regiert werden sollte. Das Land war Ende der 60er und zu Beginn der 70er nahezu unregierbar. Die Einschüchterung der spanischen Bevölkerung war zu Ende. Nun erhob das Volk seine Stimme für einen politischen Richtungswechsel. Aber nicht nur unter den Spaniern rumorte es, auch in den politischen Führungsetagen wurde nun heftig um die Macht gestritten. Der Wandel, der von der spanischen Bevölkerung verlangt und herbeigesehnt wurde, kann als Initiative für den politischen Umschwung gesehen werden. Hier hatte allerdings auch das hohe Alter des ‚Caudillo’ positiven Einfluss, denn sein Ende stand bevor.
Der 1973 zum spanischen Regierungschef ernannte Arias Navarro ist allerdings Beweis dafür, dass die Transition noch nicht 1969 begonnen haben kann. Dies hat verschiedene Gründe: Arias Navarro pochte auf eine Bewahrung des Regimes auch nach Francos Tod. Dafür wurde er vom Volk mit Missgunst bestraft. Als er kurz darauf auf Liberalisierung setzte, wurde ihm von Regimefreunden vorgeworfen, „er verrate Prinzipien des Franquismus“1. Franco war 1974 von schwerer Krankheit geplagt und nahm nur noch selten an politischen Sitzungen teil.
Ebenso gibt es auch für das Ende der Transition drei Alternativen: Erstens wurde 1976 die Parteienbildung erlaubt. 95% der Spanier stimmten für die sogenannte ‚Strafrechtsreform’. Jeder Bürger konnte demnach - zumindest theoretisch - am politischen Geschehen seines Landes mitwirken. Dies ist normalerweise das höchste Gut einer Demokratie. Als zweiter Endpunkt käme 1978 in Betracht. Da nämlich verabschiedete Spanien seine Verfassung und hatte fortan nichts mehr mit dem vorangegangenen Regime gemein. Die heutige Geschichtsschreibung sieht allerdings das Jahr 1982 als das Ende der Transition an: ausschlaggebend die Machtübernahme der Sozialisten. Dies bedeutete eine klare Kehrtwende von den ideologischen Ideen und Maßgaben der Franco-Zeit hin zu der Politik einer Partei, die unter Franco verboten war.
Fazit:
Resümierend betrachtet: Wann sollte nun der Start- und der Endpunkt der Transition gesetzt werden? Der Beginn der Transition sollte m. E. auf den 11. Juni 1973 gelegt werden. Luis Carrero Blanco wurde an jenem Tag als stellvertretender Regierungschef vereidigt. Franco war zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr in der Lage, die Regierungsgeschäfte zu erledigen. Zu vergessen sind dabei auch nicht die letzten zwei Wochen im Dezember 1973. In diesen Wochen starb der damalige Regierungschef Luis Carrero Blanco nach einem von der ETA verübten Attentat. Sein Nachfolger wurde Carlos Arias Navarro. Diese drastische Form des Protestes spiegelt aber auch den Frust in der spanischen Bevölkerung wider. Sowohl Carrero Blanco als auch Arias Navarro hatten keine realistische Chance mehr, Spanien noch länger diktatorisch zu führen. Die Transition hatte begonnen, lediglich der Tod des Diktators war noch abzuwarten.
Nach Abwägung der genannten Aspelte ist es vertretbar, wenn der Endpunkt der Transition auf den Tejero-Putschversuch und den Rücktritt von Adolfo Suárez als Ministerpräsidenten Spaniens 1981 festgelegt wird. Im Februar 1981 erkannten die Putschisten und die nur noch wenig hoffnungsvolle Franco-Anhängerschaft, dass Spanien und sein König für eine Demokratie einstehen. Ein herber Verlust muss dabei für die Putschisten gewesen sein, dass auch Militärangehörige die Position des Königs stärkten. Grund dafür wird wohl unter anderem gewesen sein, dass König Juan Carlos in einer Volksansprache verlauten ließ, dass er auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte sei. Seit Francos Tod waren mittlerweile sechs Jahre vergangen und es wurden durchweg viele Reformen begonnen, was eine Zustimmung zur Krone durchaus plausibel erscheinen lässt.
Adolfo Suárez hatte das noch fragile Spanien nach Beerbung des Postens von Carlos Arias Navarro durch wichtige Schritte und Entscheidungen auf die europäische und demokratische Bahn gebracht. Seine aktive Zeit als Ministerpräsident unter Juan Carlos wurde als so bedeutend angesehen, dass 2009 eine Diskussion begann, ob der Flughafen Barajas in Madrid den Namen Suárez’ bekommen sollte.2
Es bleibt festzuhalten: Ein demokratischer Neubeginn war für das post-franquistische Spanien unabdingbar. Der Druck des Volkes und auch von außerhalb Spaniens auf die Regierung war zu groß, um mit einer absoluten Monarchie oder auch mit einer erneuten Diktatur (Tejero-Putsch) fortzufahren. Auch wenn das Image des spanischen Königshauses momentan noch unter den Folgen der Elefantenjagd des Königs leidet, so sind wohl die meisten Spanier mit ihrer jetzigen Regierungsform zufrieden, wenngleich auch die momentane Politik Schwierigkeiten hat, die Ausläufer der Finanzkrise zu überwinden.
Schließlich ein Ausblick auf die Spaniens Zukunft: Klar ist, dass sich die Monarchie in Spanien halten wird. Womöglich wird die Besteigung des Throns durch Prinz Felipe noch mehr Sympathisanten für das Königshaus innerhalb der Landesgrenzen finden. Wirtschaftlich wird Spanien in den nächsten Jahren weiterhin sowohl mit Defiziten als auch mit einer steigenden Abwanderung von jungen Kräften zu kämpfen haben - eine Art, seine Unzufriedenheit über die Lebensumstände in der heutigen Zeit auszurücken. Die Aufarbeitung des Bürgerkrieges und der Franco-Diktatur wird voran schreiten und dazu führen, dass immer mehr Spanier sich vom Franquismus distanzieren. Zwar gibt es auch heute noch viele Anhänger des alten Generals, sie sind allerdings in der klaren Minderheit. Einzig die Frage, wie es mit dem Baskenland und Katalonien weitergehen wird, wage ich nicht zu beantworten. Ob sie eine komplette Abspaltung von Spanien wünschen respektive durchsetzen, ist momentan nicht absehbar.
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1Schmidt (2007), 477.
2http://www.abcdesevilla.es/20090210/-/aeropuerto-suarez-200902092220.html
- Arbeit zitieren
- Moritz M. Schmidt (Autor:in), 2013, Eine genaue Betrachtung des spanischen Transitionsprozesses, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/270670
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