Der vorliegende abschließende 8. Band der Buchreihe "Grundfragen, Theoretische Überlegungen, Praktische Antworten" fasst die bereits erschienenen Bände knapp zusammen und ergänzt sie durch zusätzliche Überlegungen. Mit wird der Arbeit wird eine zusammenfassende Betrachtung angestellt. Sie steht unter dem Titel "Führung als komplexes Phänomen". Im Anhang werden Fragen zur Selbstreflexion gestellt, aber auch Erziehungswissenschaft als Wissenschaft von der Führung und Entwicklung des Menschen thematisiert.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Führung als Last und Lust
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Führung als Last
Führung als Lust
Last und Lust als Triebfeder
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Führung im Spannungsfeld
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Spannungsfelder
Erfordernis der individuellen Positionierung
Antwort als bedenkenswertes Angebot
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Glaube, Sinn, Gerechtigkeit
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Glaube als tragendes Fundament
Sinn als Erfüllung gebendes Element
Gerechtigkeit als friedensbewahrende Notwendigkeit
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Wandel, sozialer Bezug, Umwelt
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Wandel, Entwicklung, Entfaltung
Mensch, Mitmensch, sozialer Bezug
Individuum, Umwelt, Verantwortung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Qualifikation, Krise, Neupositionierung
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Qualifikation
Krise
Neupositionierung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Organisation als Hilfe und Fluch
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Organisation aus grundsätzlicher Sicht.
Organisation aus individueller und gesell-
schaftlicher Sicht
Praktische Beispiele zur Orientierung und
Abschreckung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Führung, Teilhabe, Verantwortung
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Führung
Teilhabe und Inklusion
Verantwortung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Information und Kommunikation als Schlüssel
zum Mitmenschen
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Neue Möglichkeiten – neue Probleme
Chancen und Gefahren
Angemessener Umgang als Herausforderung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Führung als Dienst am Nächsten - zwischen Ignoranz,
Hingabe und Burnout
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Führung als Dienst am Nächsten
Führung, Ignoranz und Hingabe
Führung und Burnout
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Führung in Sozialwirtschaft und Non-Profit-Manage-
ment
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Besonderheiten im Wirtschaftszweig
Konsequenzen aus den Besonderheiten
Ansätze zur Umsetzung
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Gesamtzusammenfassung
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Fragen zur Selbstreflexion
Erziehungswissenschaft, die Wissenschaft von der Führung
und Entwicklung des Menschen
Anmerkungen zum pragmatischen Ansatz im Rahmen
des erziehungswissenschaftlichen Basiskonzeptes
Angaben über den Autor
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vorwort
Personalführung vollzieht sich in vielfältigen Spannungsfeldern. Sie basiert auf Grundüberzeugungen unter kontextgebundenen Herausforderungen und Rahmenbedingungen und für sie bedarf es einer umfassenden Handlungskompetenz, um innerhalb von Strukturen, Verfahrensabläufen und sonstigen Vorgaben Erfolg zu begünstigen. Ohne Teilhabe und Verantwortungswahrnehmung kann dies in heutiger Zeit nicht gelingen.
Damit wird ein weiter Bogen geschlagen, der Führungskräfte zwangsläufig beschäftigt und ihnen angesichts der atemberaubenden Dynamik und der wechselseitigen Überlagerung von Wandlungsprozessen, aber auch angesichts von Wissensexplosion und Globalisierung unweigerlich individuelle Antworten abnötigt.
Die vorliegende Publikation unternimmt den Versuch, Anregungen zu geben und zu einer Klärung beizutragen. Sie fasst die Buchreihe „Grundfragen, Theoretische Überlegungen, Praktische Antworten“ zusammen und will damit der Orientierung dienen und Hilfestellung geben.
- Führung als Last und Lust konfrontiert uns mit einer grundlegenden Problematik, die ihrerseits aber ein zwingendes Erfordernis von Entwicklung darstellt und insoweit geeignet erscheint, positive Auswirkungen zu zeitigen. Sich in diesem Rahmen zu behaupten schafft insoweit Befriedigung und Zuversicht.
- Führung im Spannungsfeld zeigt die Vielschichtigkeit der gegensätzlichen Orientierungen und Erwartungen auf, in denen sich die jeweilige Führungskraft glaubwürdig positionieren muss um eine konstruktive und möglichst positive Wirkung zu entfalten.
- Bei Glaube, Sinn, Gerechtigkeit geht es um die individuelle Grundorientierung der Führungskraft. Durch Bewusstwerdung der eigenen Überzeugungen lässt sich ein reflektiertes, überzeugtes und überzeugendes Handeln gewährleisten, das den Stürmen der Zeit trotzen kann.
- Mit Wandel, sozialer Bezug, Umwelt wird die Führungskraft in die heutige Wirklichkeit gestellt. Sie hat gemeinsam mit anderen Antworten auf aktuelle Herausforderungen zu geben, die von der Dynamik der Veränderungen über die sozialen Erfordernisse bis zur Absicherung der Überlebensvoraussetzungen reichen.
- Qualifikation, Krise, Neupositionierung konfrontiert uns mit dem Lösungskonzept, das uns eine personale Entwicklung abfordert. Mit erhöhtem Wissen und Können suchen wir Defizite auszugleichen und zu einem neuen Gleichgewicht der Kräfte zu finden.
- Die Auseinandersetzung mit Organisation als Hilfe und Fluch befasst sich schließlich mit dem betrieblichen Gefüge, innerhalb dessen wir Aktivität entfalten und Einfluss ausüben können, um jenen notwendigen Ausgleich herbei zu führen.
- Schließlich verweist Führung, Teilhabe, Verantwortung darauf, dass nur im Zusammenwirken und nur bei Wahrnehmung von Verantwortung jenes Vertrauen erwächst, das uns langfristig Perspektiven eröffnet. Führung, Teilhabe und Verantwortung sind insoweit aufeinander bezogene unverzichtbare Erfolgsfaktoren.
- Information und Kommunikation als Schlüssel zum Mitmenschen rundet die vorgelagerten Ausführungen ab. In diesem Zusammenhang soll deutlich werden, dass der Brückenschlag angesichts der wechselseitigen Abhängigkeit der Akteure gelingen muss.
- Mit Führung als Dienst am Nächsten – zwischen Ignoranz, Hingabe und Burnout wird bei Ausgrenzung der Ignoranz die Gratwanderung zwischen der Zuwendung zu den Bezugspersonen und der Wahrung der legitimen Eigeninteressen, sowie des eigenen physischen und psychischen Wohlbefindens beleuchtet.
- Führung in Sozialwirtschaft und Non-Profit-Management soll schließlich am Beispiel Besonderheiten und den angemessenen Umgang mit diesen aufgreifen – nicht als abschließende Betrachtung, sondern als hilfreiche Anregung.
All Jenen, die durch Rat und Tat dieses Projekt unterstützt haben, danke ich an dieser Stelle sehr herzlich. Gerade der Dialog hat die Sinne geschärft und die Ausgewogenheit der Ausführungen befördert. Möge die Leserin und der Leser Gewinn aus den gemachten Ausführungen ziehen.
Fürth, im Frühjahr 2014
Prof. Dr. Alfons Maria Schmidt
Führung als Last und Lust
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Führung ist Last und Lust zugleich. Sie fordert uns bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit, verschafft uns dafür aber auch Befriedigung und Wohlbefinden. Dieser Spagat bewahrt uns davor, dass wir uns in Selbstgenügsamkeit bescheiden und Entwicklung verweigern. Er treibt uns voran und lässt uns neues entdecken und bestehende Chancen erkennen.
Sich mit Führung als Last und Lust auseinander zu setzen, erscheint daher naheliegend, wollen wir doch die in uns liegenden Kräfte in Verantwortung und zum Wohle der Schöpfung zur Entfaltung bringen, wollen wir doch uns beweisen, Sinn erfahren, Fortschritt bewirken und schließlich Spuren hinterlassen.
In der Wahrnehmung von Führung zeigen wir uns als Original, als einmaliges Wesen mit Stärken und Schwächen. Wir sind bemüht, in unserem Wirken andere zu bereichern und selbst bereichert zu werden. Angesichts der sich fortlaufend ändernden Rahmenbedingungen und Einflüsse erfahren wir das Gegenteil von Langeweile – eine spannende Herausforderung.
Diese Herausforderung gestaltet sich höchst individuell. Insoweit können wir im Rahmen einer übergreifenden Betrachtung nur Eckpfeiler des Geschehens skizzieren und auf die jeweils konkrete Ausprägung beim Einzelnen verweisen. Und doch erscheint dies als ein Zugang zu dem im Zeitablauf handelnden Menschen – hier vor allem, zur wirksam werdenden Führungskraft.
Deren Agieren ist eingebunden in Zeit und Raum. Unsere Betrachtung ist dies ebenso. So gehen wir von theoretischen Überlegungen und gemachten Erfahrungen aus und suchen zu ergründen, welche Wirkzusammenhänge bestehen und was das bestehende Gefüge des Geschehens im Einzelnen beeinflussen kann.
Der Mensch als Handelnder und Getriebener in den Zwängen der ihm geschenkten Zeit, der Einzelne als Nutzer ihm anvertrauter Talente und gleichzeitig zukunftsbezogener Erwartungs- und Hoffnungsträger erscheint allemal – ungeachtet der Beschränktheit des zukunftsbezogenen Erkenntnisvermögens – einer näheren Betrachtung wert.
So wollen wir nachfolgend uns damit auseinandersetzen, inwieweit Führung eine Last darstellt und inwieweit diese Lust macht. Wir wollen herausstellen, dass das Spannungsverhältnis von Last und Lust eine notwendige Triebfeder darstellt, die Aktivität auslöst und Entwicklung befördert, sodass Stillstand vermieden wird.
Auswirkungen dieses Spannungsverhältnisses zeigen sich sowohl beim Einzelnen, als auch bei sozialen Gebilden und der Gesamtheit der Lebensumwelt. Insoweit erschiene eine Begrenzung der Betrachtung auf den einzelnen Menschen verfehlt. Wir weiten insoweit den Blick, auch wenn wir die Fülle der Wirkzusammenhänge nicht hinreichend erfassen und darstellen können.
Ziel unseres Bemühens ist Erkenntnis. Sie soll uns helfen, mehr Klarheit zu erlangen und in unserem Handeln auf der Grundlage hinreichender Reflexion einen für uns und andere überzeugenden Weg zu beschreiten, der uns im positiven Sinne voran bringt, Nutzen schafft und letztlich Befriedigung erfahren lässt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1:
Führung im Bewährungsfeld
Quelle: selbst erstellt
Führung als Last
Last und Belastung sind Begriffe aus der Physik, die als äußere Kräfte auf einen Gegenstand einwirken und zu einer Beanspruchung führen, die als Spannung ausgedrückt wird. Sie kann sich punktförmig, flächenförmig oder streckenlastig auswirken, sich statisch, schwellend oder aber schwingend zeigt. Mit dem Phänomen befasst sich die Festigkeitslehre. (vgl. http://de. wikipedia.org/wiki/Belastung_(Physik))
Im übertragenen Sinne kann Last aber auch eine subjektiv empfundene und personell zu tragende Zumutung sein, die zu einer individuellen Belastung wird, gewisse Einschränkungen mit sich bringt und einen Teil der verfügbaren Kraft zu deren Kompensation benötigt. Bewältigung wird damit zu einer echten Herausforderung und Zuversicht zu einer unverzichtbaren Notwendigkeit.
So vielfältig die Menschen sind, so vielfältig gestalten sich die Formen des Umgangs mit Last und Belastung. Die Bandbreite reicht vom Leugnen über erhöhte Anstrengung bis zur Flucht, vom Abschieben der Zuständigkeit bis zur aktiven Auseinandersetzung oder einem passiven Dulden.
Führung muss ein Verhältnis zu Last und Belastung einnehmen – für sich selbst und bezogen auf andere. Dabei ist zu gewährleisten, dass Last und Belastung im Sinne von Herausforderung wirksam wird und negative Auswirkungen aus den Zumutungen wie Stressreaktionen (Disstress) vermieden werden.
Dies setzt voraus, ein Gespür für die Grenzen der individuellen Belastungsfähigkeit zu entwickeln und im Rahmen der Wahrnehmung sozialer Führungsverantwortung diese Grenzen nicht zu überschreiten, sodass eine gesundheitliche Beeinträchtigung vermieden wird und eine langfristige Verfügbarkeit der Produktivkräfte von Kooperationspartnern gegeben ist.
Führung und Last ist selbst eine Last für Führungskräfte. Denn sie haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit verantwortungsbewusst Prioritätsentscheidungen zwischen unterschiedlichen, an sie gerichteten Ansprüchen zu treffen, denen häufig nicht gleichzeitig in vollem Umfange entsprochen werden kann.
Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann Führung selbst zu einer realen Belastung werden. Dies kann sowohl an der Führungskraft, an den gesetzten Rahmenbedingungen, der übertragenen Aufgabenstellung, aber auch an den kooperierenden Beteiligten liegen.
Auch hier ist die Führungskraft gefordert, die Belastungsfähigkeit des einzelnen zugeordneten Mitarbeiters nicht zu überschreiten – ungeachtet der zu berücksichtigenden ökonomischer Interessen des Unternehmens. Hier einen geraden Weg zu gehen und Kurs zu halten, zeichnet eine überzeugende Führungskraft auf.
Bei dem sich in diesem Zusammenhang ergebenden Bemühen geht es uns keineswegs um die Realisierung des Schlaraffenlandes. Dies wäre eine unrealistische Erwartung. Die Belastung kann aber alleine schon aufgrund gesetzlicher Vorgaben auch nicht bis ins Unermessliche gesteigert werden.
Führung als Lust
„Lust ist eine intensiv angenehme Weise des Erlebens, die sich auf unterschiedlichen Ebenen der Wahrnehmung zeigen kann. … Philosophisch gesehen ist Lust bei den meisten Denkern „in sich selbst wertvoll“. Daher spielt sie in den verschiedenen Trieb- und Bedürfnislehren (s. a. Motivation) eine bedeutende Rolle, einschließlich deren Theorien über den Vorgang der Bewertung von Erfahrungen und/oder nur Gedanken.“ (de.wikipedia.org/ Wiki/Lust).
Lust ist gewollt und wird angestrebt, ist sie doch mit einem Glücksgefühl verbunden. Doch ohne die Erfahrung von Last lässt sich das Erleben von Lust kaum hinreichend schätzen. Letztere ist zumeist nicht der Normalfall, sondern das Besondere, welches Kraft gibt, auch die jeweilig zu bewältigende Last zu tragen.
So sind wir gehalten, beides zu erleben und beides in ihrer Bezogenheit zueinander wahrzunehmen. Lust ist dabei die Rückhalt gebende Erfahrung und die motivierende Triebkraft, Last und Belastung eine Phase des Bemühens, des Ringens um Erfolg, des Überwindens der Schwierigkeiten und der Bewährung.
Führung und Lust stehen in einer differenzierten Art und Weise zueinander. Einerseits ist die Führungskraft durchaus wie andere am Erleben von Lust interessiert. Dies kann allerdings nicht den letztendlicher und alleine maßgeblichen Sinn des Bemühens darstellen – weder für die Führungskraft, noch für die ihr zugeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Denn reine Lustorientierung kollidiert mit den zu erfüllenden Aufgaben und zu bewältigenden Herausforderungen, d.h. mit der betrieblicherseits gesetzten Zielausrichtung. So wird man dafür sorgen müssen, dass Führung sowohl den legitimen Interessen und Bedürfnissen der jeweils betroffenen Menschen, als auch den gegebenen wirtschaftlichen Erfordernissen hinreichend Rechnung trägt.
In diesem Spagat erwächst für die Führungskraft aus der Bewährung Lust. Sie findet Bestätigung und Erfolg und dies ermutigt dazu, den auftretenden und sich fortlaufend verändernden Herausforderungen mit Zuversicht zu stellen.
Im Zuge der Bewältigung der Führungsaufgabe lässt sich individuell mittels Lusterleben Glück erfahren, wobei die jeweiligen Glücksmomente auf höchst unterschiedliche Art und Weise ausgeprägt sein und abweichend erlebt werden können. Dies gilt sowohl für den Inhalt des subjektiv wahrgenommenen Glücks, als auch für dessen Ausmaß.
In diesem Zusammenhang ist auf die individuellen Präferenzen und die differierenden Persönlichkeiten hinzuweisen, die zwangsläufig zu unterschiedlichen Ergebnissen bei gleichen Ereignissen führen. Festgestellte Ergebnisse sind insoweit nicht einfach übertragbar und dürfen daher nicht einfach verallgemeinert werden.
Führung, Lust und dadurch erfahrenes Glück bietet vielfältige Ansätze zur Ergründung menschlichen Verhaltens. Im Zusammenhang mit der in diesem Beitrag aufgeworfenen Fragestellung können wir uns dem nicht erschöpfend zuwenden und sind gezwungen, auf künftig anzustellende Betrachtungen zu vertrösten.
Last und Lust als Triebfeder
Last und Lust stellen aufeinander bezogene Antagonisten dar, die in Wechselbeziehung zueinander stehen. Konkrete Tatbestände werden dabei individuell zugeordnet und differieren im Hinblick auf deren subjektive Einschätzung. Es ist dies eine Konsequenz aus den abweichenden Persönlichkeiten und deren jeweiligen Präferenzen.
Der Tatbestand des Spannungsverhältnisses zeigt sich jedoch bei allen Führungskräften und nicht nur bei diesen. So erscheint die Frage nach dem Umgang mit jenen positiv bzw. negativ bewerteten Gegebenheiten als entscheidende Herausforderung und zu bewältigende Aufgabe, sowie die Frage nach der Entwicklung von Perspektiven als naheliegende Notwendigkeit.
Ungeachtet der jeweils individuellen Ausprägung des Last- und Lustempfindens können Tatbestände tendenziell zu Gruppen zugeordnet werden, die einer näheren Analyse zugänglich sind. Im Rahmen unserer übergreifenden Betrachtung würde eine solche Auseinandersetzung allerdings den vorgesehenen Rahmen sprengen. Daher verzichten wir an dieser Stelle darauf.
Das sich ergebende Spannungsfeld zwischen Last und Lust drängt uns zur Auflösung der Spannung und wird damit zu einer Triebfeder, die uns drängt, das Bestehende zu überwinden, die uns bemüht sein lässt, ein hohes Maß hinsichtlich des subjektiven Empfindens von Lust zu erzielen und abzusichern.
Unter Triebfeder verstehen wir hier die Motivation oder anders ausgedrückt das, was jemandem die Energie für dessen Handeln liefert. Sie ist damit jener Motor, der lähmenden Stillstand verhindert und gebotene Entwicklung befördert, sodass sich immer wieder neu ein Gleichklang zwischen Mensch, sozialen Gebilden und Lebensumwelt einstellt.
In unserer Unvollkommenheit kommt uns diese Triebfeder entgegen, führt sie uns doch zu einer höheren Stufe der Entfaltung und Wirksamkeit – hoffendlich nicht nur zum eigenen Wohle, sondern auch dem der Bezugspersonen und der sonstigen Umwelt.
Aus der resultierenden Entwicklung zeigen sich Folgewirkungen, die ihrerseits einer genaueren Betrachtung wert sind. Diese Folgewirkungen können sowohl positiver, wie auch negativer Natur sein. Deren Einschätzung liegt neben den real gegebenen Fakten vor allem an der der subjektiven Wahrnehmung und individuellen Verarbeitung von bestehenden Gegebenheiten.
Prägend sind hierbei gefestigte Vorerfahrungen, welchen der Charakter eines Filters zuzuschreiben ist. Insoweit gewinnen gesellschaftliche Milieus, aber auch subjektiv geprägte Schicksale an Bedeutung, die häufig nur in langfristigen Lernprozessen kompensiert werden können und einer Korrektur zugänglich sind.
Die Korrektur ihrerseits kann wiederum sowohl in die eine, wie auch in die andere Richtung erfolgen. So treffen wir auf Menschen,
- die ungeachtet schlechter Voraussetzungen und Erfahrungen über positive Einflüsse zu einer Kurskorrektur kommen, die sie zu Leistungsträgern macht,
- andererseits finden wir Menschen, denen trotz bester Startbedingungen angesichts von Unlust und Lethargie jener Drive fehlt, einen eigenen Beitrag zur positiven Entwicklung zu leisten.
- Auch finden sich bisherige Leistungsträger, denen durch eine Häufung negativer Erlebnisse und erlebtem Unrecht die Bereitschaft zum Engagement verständlicherweise abhandengekommen ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2:
Führung, Last und Lust
Quelle: selbst erstellt
In diesem Zusammenhang sind Führungskräfte gefragt, die motivieren, einbinden, fördern und koordinieren, denen es ein Anliegen ist andere zu befähigen, gemeinsamen Erfolg anzustreben und auch zu erreichen.
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
In Zusammenfassung vorstehend gemachter Ausführungen können wir festhalten, dass Führung
- einerseits eine Last darstellt, der man sich zu stellen hat um jene fortlaufend neuen und sich im Zeitablauf verändernden Herausforderungen zu überwinden,
- andererseits aus der Bewältigung aufgebürdeter Lasten individuelle Bestätigung und Lustempfinden resultiert, die ihrerseits Zuversicht begründen.
- Last und Lust stellen dabei aufeinander bezogene Einflüsse dar, die ein bequemes sich einrichten in etablierten Gegebenheiten erschweren, sofern die individuelle Frustrationstoleranz nicht überstrapaziert wird.
Wenn wir also Last und Lust in ihrem Verhältnis zueinander betrachtet und deren Folgewirkungen bedacht haben, so zeigt sich uns sowohl individuell, als auch – bezogen auf unterstellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – ein die legitimen Interessen und Bedürfnisse berücksichtigender Handlungsbedarf, dem sich die Führungskraft nicht entziehen kann.
Widrigenfalls würde das Geschehen hinter den bestehenden Möglichkeiten zurückbleiben, Chancen ungenutzt verstreichen und Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt. Wir würden letztlich den Ast absägen, auf dem wir sitzen.
Dies reflektierend kommen wir zu dem Schluss, dass Führung sich nicht auf das Einfordern einer Vorrangstellung, von Respekt und Gefolgschaft kaprizieren darf. Vertrauen muss man sich erst verdienen. Es wird begünstigt, wenn sowohl die übertragene Funktion, die erforderliche Kompetenz und Erfahrung, als auch die jeweiligen möglichst förderlichen Persönlichkeitseigenschaften sich wechselseitig ergänzen, wenn die Führungskraft mit gutem Beispiel vorangeht.
Bewusst wahrgenommene Führung im Beziehungsgeflecht von Last und Lust erfüllt keine Wunschträume. Sie bewegt sich durchaus im Realen mit seinen jeweiligen Grenzen. Aber im Rahmen eines seriösen Vorgehens wird für die Beteiligten eine Brücke geschlagen, über die diese bei gutem Willen zum gemeinsamen Vorteil gehen können.
Damit wird eine Option geboten, die aus rationalen Überlegungen heraus und unter Berücksichtigung der potentiell vorhandenen, aber wenig überzeugenden Alternative nicht zu verachten ist – jedenfalls dann, wenn wir auch die legitimen Interessen und Bedürfnisse von uns als Führungskraft in die Überlegungen mit einbeziehen.
So bleibt als Ausblick, dass uns nichts anderes übrig bleibt, als die mit Führung verbundene Last anzunehmen, um die aus der Führung resultierende Lust empfinden zu können. Sie ist der Ausgleich für die aufgewandte Mühe, die Belohnung für den jeweiligen Einsatz zur Überwindung der gegebenen Probleme und Widrigkeiten.
Bereits mit der bewussten Wahrnehmung von Herausforderungen als normale Erscheinungsformen im menschlichen Leben und der Akzeptanz von damit verbundenen Belastungen bei der Bewältigung der zu erfüllenden Aufgaben wird der Weg hin zu Lösungen geebnet. Die Einstellung ist mithin letztlich entscheidend.
So ist bei jedem Einzelnen anzusetzen und Führungskräfte haben dabei ein positives Beispiel zu geben, das der Orientierung anderer und deren bewusstem Nachvollziehen dienen kann. Wie man in den Wald hineinruft, so hallt es schließlich wieder.
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Literatur
Böckelmann F. (2011): Risiko also bin ich : Von der Lust und Last des selbstbestimmten Lebens, Galiani Verlag
Eagleton T. (2008): Der Sinn des Lebens, Ullstein Verlag
Schmid W. (2013): Dem Leben Sinn geben : Von der Lebenskunst im Umgang mit Anderen und der Welt, Suhrkamp Verlag
Sorge A.-K. (2001): Belastung durch berufliche Arbeit : Theoretische Analysen und empirische Befunde, Diplomica Verlag
Steger J. (2013): Psychische Belastung am Arbeitsplatz, GRIN Verlag
http://de.wikipedia.org/wiki/Belastung_(Physik)
Anfragen
Frage 1:
Jegliches menschliches Leben ist mit Belastungen verbunden. Die Aufgabe der Führung anderer Menschen allemal. Diese Belastung ist auf vielfältige Faktoren zurückzuführen. Lassen sich diese auf Dauer verdrängen?
Frage 2:
Im Zuge der Bewältigung empfundene Lust kann als Triebfeder und stärkende Ermunterung eingeschätzt werden. Sie zeigt sich als Bestätigung für aufgewandte Mühe. Kann auf Dauer Last ohne Lust getragen werden?
Frage 3:
Wenn wir Führung Last und Lust betrachten, so zeigt sich uns im jeweiligen Spannungsverhältnis eine zu bewältigende Aufgabe. Sie ist kennzeichnend für Führung und insoweit mit zu bedenken. Kann Führung ohne hinreichende Reflexion zu Lust und Last angemessen funktionieren?
Frage 4:
In Anerkennung von der im fortlaufenden Führungshandeln innewohnenden Last und Lust und im Angebot zu aktiver Mitwirkung öffnet sich eine Türe für den gemeinsamen Erfolg. Warum erscheint heute eine Ausweitung der Betrachtung auf Beteiligte und Betroffene geboten?
Frage 5:
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht muss bei einer Betrachtung von Last und Lust Aufwand und Ertrag in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Führt hier Erfolgsverweigerung durch Vorenthaltung angemessener Rahmenbedingungen nicht zwangsläufig zu einem Verzicht auf Chancen?
Antwortversuche
Antwortversuch zu Frage 1:
Das Verdrängen von real bestehenden, Belastung verursachenden Faktoren führt zu einem schwinden der Realitätsangemessenheit der Einschätzung von Gegebenheiten und zu zunehmender Unangemessenheit des gezeigten Verhaltens. Denn in der Annahme und Überwindung der Herausforderungen liegt die zu leistende Aufgabenstellung, in ihrer erfolgreichen Meisterung der einzufordernde Beitrag zum erstrebten Erfolg. Last ist insoweit Normalfall. Sie ist nicht als Katastrophe, sondern als Bewährungsfeld zu betrachten. Wenn die Last aus unterschiedlichen Faktoren individuell unterschiedlich stark drückt, so ist dies auf die abweichenden personalen Identitäten mit ihren jeweiligen Präferenzen, Stärken und Schwächen zurück zu führen. So muss für uns gelten, dass nur durch individuelle Bewältigungsstrategien der im Zeitablauf auftretenden Last jene kompensierende Kraft entgegen gesetzt werden kann, die mittels aktivem Handeln zu einer verbesserten neuen Ausgangslage führt.
Antwortversuch zu Frage 2:
Last zu bewältigen bedarf langfristig betrachtet der subjektiv empfundenen Lust, die aus der Überwindung gegebener Herausforderungen resultiert. Ohne Erfolgserlebnis würde sich genährt von Selbstzweifeln Entmutigung einstellen, die ihrerseits eine Negativspirale auszulösen in der Lage ist. Damit wären die Herausforderungen nur noch schwerer zu meistern, positive Ergebnisse würden dadurch mit großer Wahrscheinlichkeit noch stärker in die Ferne rücken. Schließlich benötigt jeder Mensch bestätigende Erfolgserlebnisse, die Hoffnungen begründet erscheinen lassen und auf denen auch nach allgemeiner Einschätzung realistischer Weise aufgebaut werden kann. Die nur vage vorhandene Möglichkeit der Bewältigung ohne eine Bestätigung durch Erfolg empfundener begründeter Lust kann auf Dauer kaum jene hinreichende Triebfeder darstellen, die wir benötigen.
Antwortversuch zu Frage 3:
Führungsverhalten entfaltet sich individuell und ist insoweit von der Persönlichkeit der Führungskraft getragen. Wenn diese Führungskraft auch eine Einheit aus Ratio und Emotio darstellt, so erscheint dennoch ein hinreichend reflektiertes Führungshandeln auf der Grundlage der Vernunft angezeigt und rein emotionales Handeln kontraproduktiv. Insoweit sollte das mit dem Führungshandeln verbundene Last- und Lustempfinden in ihren Ursachen, Ausprägungsformen und Auswirkungen im Zuge der Reflexion von Führung nicht vernachlässigt werden. Wir gewinnen dadurch ein Mehr an Klarheit über unsere eigenen Positionen und Beweggründe, über Hemmnisse und Antriebe.
Antwortversuch zu Frage 4:
Last und Lust als reale Tatbestände sind auch bei Beteiligten und Betroffenen feststellbar. Bei ihnen ergeben sich vergleichbare Wirkungen wie bei den Führungskräften. Dem sich vollziehenden Geschehen wird man insoweit nur dann gerecht werden können, wenn die Phänomene Last und Lust nicht nur bezogen auf Führungskräfte in die Überlegungen einbezogen werden. Dies gilt, zumal heute Beteiligte und Betroffene angesichts ihrer Ideen, Kompetenzen und Erfahrungen in einer Zeit dynamischer Entwicklung, globaler Veränderungen und notwendiger Bündelung von Aktivitäten angesichts zunehmender Komplexität maßgeblich am Geschehen beteiligt sind und insoweit einen nicht unerheblichen Beitrag zum Erfolg und damit zu empfundenem Lustgewinn beisteuern.
Antwortversuch zu Frage 5:
In der Tat führt rationale Betrachtung und Abwägung von Chancen und Risiken bei unzureichenden Rahmenbedingungen zu einem Verzicht auf formal eingeräumte Möglichkeiten, da eine Ausgewogenheit von Aufwand und Ertrag nicht gegeben ist. Lustgewinn erwächst dann aus anderen Quellen und zwar zu Lasten des bisher präferierten Aktionsfeldes.
Führung im Spannungsfeld
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Führungskräfte die ihre Funktion mit Ernsthaftigkeit und Engagement ausüben, stehen vielfältigen Spannungsfeldern gegenüber. Sie müssen erkennen, dass sie gezwungen sind,
- jeweilig vom Grundsätzlichen her Stellung zu beziehen,
- die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen und
- den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber ein stimmiges Erscheinungsbild abzugeben, das
- Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit bewahrt.
Dass dies angesichts der Differenziertheit der Bezugspersonen und der Fälle an Einflussfaktoren nicht einfach ist, dies ist uns nicht neu. Ebenso wenig verkennen wir, dass der Anspruch darauf, optimale Ergebnisse zu erzielen und das konkret Leistbare divergieren – aus objektiven Gegebenheiten und subjektiver Begrenztheit menschlichen Vermögens.
Und doch haben wir uns um den Erfolg zu bemühen, haben dafür zu sorgen, dass Fortschritt im positiven Sinne sich einstellt und wir zu einer höheren Entwicklungsstufe gelangen. Dies als Herausforderung zu begreifen und sich den Erfordernissen zu stellen, erscheint als Notwendigkeit im Rahmen der Sicherung von Zukunftsfähigkeit.
Unsere Betrachtung zu Führung im Spannungsfeld geht vom Grundsätzlichen her an die Problematik von Führung heran. Die Auseinandersetzung erfolgt erfahrungsbasiert und ist bezogen auf heutige und absehbar künftige Verhältnisse in den entwickelten Staaten Westeuropas. Sie kann keinen Absolutheitsanspruch erheben und tut dies auch nicht.
Dennoch verschafft uns die Reflexion über offenkundige Gegebenheiten Einsicht, die hilfreich erscheint, künftiges Führungshandeln in angemessener Form und unter Berücksichtigung der relevanten Einflussfaktoren zu gestalten, sodass sich sowohl ein Mehr an Akzeptanz, als auch ein Mehr an Erfolg einstellt.
Letztlich sind die Ausführungen als Impulsgeber zu verstehen und als Aufforderung zu begreifen, über das Vorgestellte hinaus zu denken und für das eigene Führungsverhalten Schlussfolgerungen zu ziehen. Es geht insoweit um ein personales Wachsen und die Entfaltung des individuell angelegten Potentials im zu gestaltenden Zeitablauf.
So sind wir bemüht, die unterschiedlichen Spannungsfelder, in denen sich Führungskräfte bewähren müssen, offen zu legen und bewusst zu machen, das Erfordernis individueller Positionierung zu beleuchten und eine in sich schlüssig erscheinende Antwort vorzustellen, die als bedenkenswerter Vorschlag zu begreifen ist.
Damit stehen wir nicht am Ende verantwortlichen Bemühens, sondern wiederum am Anfang. Denn Beständigkeit besteht einzig hinsichtlich der Veränderung, dem Wandel
- der Herausforderungen und zu bewältigenden Aufgaben,
- der Lebensumwelt und der Rahmenbedingungen, sowie
- der Bezugspersonen, sowie individueller Ansichten und Befindlichkeiten.
Wir sind insoweit stets auf dem Weg und ein Stehenbleiben wäre letztlich als Rückschritt zu betrachten, den wir uns nicht ernsthaft leisten können, sofern wir auch morgen noch einen hilfreichen Beitrag zur Entwicklung beisteuern wollen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3:
Spannungsfelder
Quelle: selbst erstellt
Spannungsfelder
Wenn wir uns dem Wesen von Spannungsfeldern zuwenden, so ist uns bewusst, dass diese uns gegensätzliche Positionen aufzeigen, zwischen denen sich Spektren auftun, die zu einer individuellen Entscheidung und jeweiligen Positionierung drängen. Kennzeichnend sind insoweit
- Gegensatz,
- Spektrum und
- Entscheidungsbedarf.
Das Aufrechterhalten der Spannung und die Verweigerung von Entscheidung stellen insoweit keine Lösung der Herausforderung und der zu bewältigenden Problematik dar. Ambiguitätstoleranz kann insoweit nur temporär überbrücken, zumal im Zeitablauf fortlaufend Entscheidungs- und Festlegungsbedarf besteht – zum Teil grundsätzlich, zum Teil auch nur individuell.
Spannungsfelder stellen sich uns dabei als natürliche Phänomene dar, da die Realisierung gegensätzlicher Optionen für uns zwar möglicherweise wünschenswert, aber eben nicht realistisch erscheint. Schließlich lässt sich das Leben als eine Abfolge von Wahlhandlungen charakterisieren, die uns zu einem spezifischen individuellen Sein führt.
Für uns sind aus der Fülle der unterschiedlichen Spannungsfelder vor allem jene von besonderem Interesse, die von grundsätzlicher Bedeutung für unsere Führungsaufgabe sind. Dies sind z.B. Spannungsfelder zwischen
- Gemeinschaftsideologie und übersteigertem Egoismus,
- Mittelmaßpräferenz, Normierungsdruck und Entwicklungsphobie,
- Kurzfrist- und Langzeitorientierung,
- Nachgeben und Widerstehen,
- Gleichbehandlung und Einzelfallberücksichtigung,
- Schein und Sein,
- positivem und negativem Menschenbild,
- Wahrnehmung bzw. Ablehnung handlungstheoretischer Verantwortung,
- Seriosität oder Intrigenspiel und Mobbingverhalten.
Uns fällt es schwer, all jene mehr oder weniger relevanten Spannungsfelder aufzulisten. Und doch kommt es uns zu, in ihnen jene Position einzunehmen, die geeignet ist, individuelle Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit zu bewahren und damit dem konstruktiven zielgerichteten Miteinander eine Chance zu geben.
Spannungsfelder sind im Zeitablauf nicht statisch. Sie verändern sich ebenso wie wir und die Lebensumwelt insgesamt. So können wir im Rahmen von Spannungsfeldern unsere Grundüberzeugung zum Ausdruck bringen, aber auch situativ wohl erwogene und begründete Ausnahmen zulassen. Diese sollten allerdings nicht den Regelfall zahlenmäßig überrunden, sodass ein in sich schlüssiges Erscheinungsbild verloren geht.
Wenn wir die Bedeutung der Spannungsfelder zu ergründen suchen, so ist diese höchst heterogen – und dies sowohl intersubjektiv, als auch vom Subjektiven her.
- Intersubjektiv gelten beispielsweise – kulturell gefestigt – die Wahrung der Menschenwürde und die Einhaltung der Menschenrechte als unverzichtbare Handlungsmaximen und deren Gegenteil als ein verwerflicher Greul.
- Subjektiv geprägte Präferenzen (wie z.B. im Bereich des durch Mode unterstrichenen individuellen Erscheinungsbildes) erscheinen demgegenüber häufig als weniger bedeutsame Ausprägungen des persönlichen Geschmacks und Empfindens.
Da erscheint Aufmerksamkeit und hinreichende Reflexion vor allem in den grundsätzlichen Spannungsfeldern angezeigt, wo es um die Grundorientierung des Einzelnen beim Wesentlichen geht, damit die Person nicht das Gesicht verliert und weiterhin ernst genommen werden kann.
Zwar besteht ein gesellschaftlicher Grundkonsens, dieser aber erscheint angesichts der vielfältigen Umbrüche im Hier und Jetzt brüchig. Und auch die öffentliche Diskussion hat die Relativierung des Normenhorizonts längst als wichtigen Themenkomplex identifiziert. Dies gilt gerade dann, wenn man den Kernbestand des Gemeinsamen, die kulturelle Identität jenseits der vielfältigen Veränderungen und Verwerfungen bewahren will.
Erfordernis der individuellen Positionierung
Der Einzelne ist insoweit gefordert, sich zu positionieren. Nur dies gewährleistet das sich Einbringen in soziale Gebilde, die Berücksichtigung der individuellen Anlagen, Stärken und Präferenzen innerhalb des sich vollziehenden Geschehens und sichert somit die Ausgewogenheit zwischen personaler Entfaltung und sozialer Rückbindung.
Ein dem Herdentrieb folgen würde den Einzelnen zu einer auswechselbaren Kopie degradieren und die ihm zukommende Würde verweigern, eine auf individuelle Ausrichtung zu Lasten der Gemeinschaft würde sich letztlich nicht nur gegen soziale Gebilde und deren unverzichtbare Funktion, sondern auch gegen den Einzelnen selbst wenden.
Denken wir in diesem Zusammenhang nur an den Verlust an Orientierung und der vermittelten Wertmaßstäbe, denken wir nur an die aus den sozialen Gebilden heraus erwachsende Sicherheit und des stützenden und tragenden Rückhalts durch ein verständiges, auf Ausgleich bedachtes faires Miteinander.
Das Wesen der individuellen Positionierung lässt sich dadurch kennzeichnen, dass über Wahlhandlungen Stellung bezogen, Klarheit geschaffen und ein eindeutiger Ausgangspunkt festgelegt wird, von dem aus Zukunft gestaltet bzw. beeinflusst werden soll.
Mit der Bindung der Wahlhandlung an den Einzelnen ergibt sich eine große Vielfalt unter den Menschen, die allerdings als vernunftbegabte Wesen den Wert gemeinschaftlichen Vorgehens erkennen und gegenüber z.T. kurzfristigen individuellen Vorteilen abwägen können. In diesem Zusammenhang sollte neben den sich ergebenden langfristigen Effekten nicht die Dimension des ethisch Vertretbaren übersehen werden.
Positionierung vorzunehmen und Stellung zu beziehen basiert neben den gefestigten Grundüberzeugungen nicht zuletzt auch auf den jeweiligen, mehr oder weniger realistischen personalen Erwartungen hinsichtlich künftig gegebener Verhältnisse.
Aus individueller Positionierung ergeben sich jeweils Konsequenzen und diese sind im Bewusstsein der Unmöglichkeit der gleichzeitigen Realisierung gegenteiliger Optionen in Kauf zu nehmen. Entscheidungen schaffen hier neben der Klarheit über die Perspektiven auch eine Befreiung von nicht präferierten Alternativen.
Dies ermöglicht, sich zielgerichtet auf den Weg zu machen und konsequent das für richtig Erachtete zu verfolgen, sodass sich im Zeitablauf nicht Stillstand, sondern Entwicklung erkennen lässt, die idealtypisch zu einem tieferen Verstehen und Durchdringen und damit zu einem höheren Entwicklungsniveau führt.
Konsequenz ist die nachfolgende Handlung, einschließlich des Tragens der sich ergebenden und im Vorfeld nur partiell bereits erkennbaren Folgewirkungen. Immerhin bleibt die Option, angesichts der ggf. erkennbaren Abweichungen vom Ziel anpassende, steuernde bzw. korrigierende Eingriffe vorzunehmen.
Antwort als bedenkenswertes Angebot
In diesem Zusammenhang stellt sich schon die Frage nach den bedenkenswerten Antworten, den überzeugenden Angeboten. Philosophie und Theologie, aber auch Ideologien halten hier vielfältige Konzepte bereit, die es ernsthaft zu durchdenken und abzuwägen gilt.
Was also kann uns helfen, Orientierung zu finden, Maßstäbe zu gewinnen, Hilfe zu erfahren, personale Entfaltung und Selbstverwirklichung zu erlangen und gleichzeitig soziale Sicherheit zu gewährleisten? Was kann uns in dem sich auftuenden Spagat also relative Gewissheit verschaffen?
Es ist dies die Vorstellung von der Existenz des Transzendentalen, das den Menschen überragt. In dieser Vorstellung ist der Mensch nicht das Maß aller Dinge. Er ist eingebunden in ein größeres Ganzes und damit nicht alleinig Handelnder, Maßstabgeber und Nabel der Welt.
Eine solche Antwort zeigt sich uns als ein offeriertes Angebot. Es will nicht überreden, sondern überzeugen. Damit wird der Subjektstellung der Bezugspersonen ebenso Rechnung getragen, wie der Notwendigkeit eines Ringens um bestmögliche Lösungen für bestehende Herausforderungen, denn das Bessere ist der Feind des Guten.
Immerhin werden wir durch die Ausweitung der Betrachtung und die Relativierung des Menschen innerhalb des Geschehens davor bewahrt, in maßloser Überheblichkeit den natürlichen Rahmen zu sprengen und uns in ideologischer Verblendung selbst zu überhöhen. Erfahrungen aus der Vergangenheit sollten uns hier als warnende Beispiele dienen.
Antwort als Angebot ist insoweit eine Einladung zu ernsthaftem verantwortungsbewussten Bemühen, eine Einladung zur Beteiligung und Teilhabe am fortschreitenden Erkenntnisprozess.
Aus dem skizzierten Angebot lassen sich neue Perspektiven entfalten, die ihrerseits einen Ausgangspunkt und für Gegenwart und Zukunft eine tragfähige, jedoch weiter zu entwickelnde Basis darstellen. Mit diesem neuen Ausgangspunkt wird der vorgelagerte Erkenntnisstand überwunden, auch wenn er bis in die Zukunft hinein nachwirkt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4:
Individuelle Herausforderungen
Quelle: selbst erstellt
So können wir letztlich von einer organischen geprägten Entwicklung ausgehen, die uns – ungeachtet teilweise auftretender Rückschläge und Verirrungen – im Zeitablauf hin zu Fortschritt im besten Sinne des Wortes und zu qualitativen Verbesserungen führt.
Hoffnung und Vertrauen hinsichtlich der Bewältigung der Herausforderungen sind in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung. Wer sich dabei in einem größeren Ganzen geborgen weiß, der ist nicht ausschließlich an die eigene Beschränktheit und Unvollkommenheit gebunden und damit freier als andere.
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Zusammenfassend können wir mithin sagen, dass vielfältige Spannungsfelder die jeweilige Führungssituation kennzeichnen. Sie sind Begleiterscheinung und Herausforderung, Aufgabe und Bewährungsfeld. In ihnen sich angemessen zu positionieren und dabei Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit zu bewahren zählt zu den entscheidenden Kriterien von Souveränität und Führungskompetenz.
Gerade die Vielfalt der Spannungsfelder, in denen gleichzeitig Stellung zu beziehen ist, macht deutlich, dass es für den Entscheidungsträger um ein fortlaufendes Ringen im Zeitablauf geht und keine Veranlassung dazu besteht, sich auf erzielten Erfolgen auszuruhen. Das Erfordernis der individuellen Positionierung kann letztlich nicht ersetzt werden.
Gut, wenn es da eine Antwort als bedenkenswertes Angebot gibt, die uns die Grundorientierung erleichtert und das sich vollziehende Geschehen aus einem neuen Blickwinkel in das Bewusstsein tritt. Eine solche Weitung des Blicks gewährt uns die Einbeziehung des Transzendentalen. Dies ist für den Betrachter eine ernsthafte Option, die über den Menschen hinausweist, ihn relativ setzt und insoweit vor Größenwahn bewahrt.
Dies reflektierend kommen wir zu dem Schluss, dass jeweils der Einzelne gefordert ist. Er ist Gestalter und Folgenverursacher, er ist Entscheidungs-, Verantwortungs- und Folgenträger – allen bestehenden Mitverantwortlichkeiten zum Trotz. Da erscheint unverzichtbar,
- auf hinreichende Reflexion im Vorfeld des Geschehens zu setzen und die Folgen von beabsichtigten Verhaltensweisen hinreichend zu durchdenken,
- Flexibilität, Offenheit und Dynamik zu entfalten, um die im Zeitablauf sich ergebende Veränderungen und neue Einsichten zu berücksichtigen und damit
- der sich verändernden Realität in der Lebensumwelt ein bestmöglich angepasstes Lösungskonzept als Gegenpol zu Zumutungen und Herausforderungen gegenüber zu stellen.
Dies garantiert nicht den letztendlichen Erfolg und das Wohlbefinden, stellt allerdings eine aktive Beeinflussung des Geschehens im Rahmen des Möglichen dar. Insoweit werden bestehende Chancen genutzt und Risiken in ihren Auswirkungen begrenzt.
In diesem Zusammenhang stellt das eingebunden Sein in die zeitliche Entwicklung eine – vom Entwicklungsstand gesellschaftlicher Verhältnisse her – geprägte Begrenzung an realistischen Optionen dar. Wenn wir in unserer individuellen Entwicklung der Zeit vorauseilen oder hinterherhinken, erscheint unsere Ausrichtung bei der Öffentlichkeit fragwürdig.
So bleibt als Ausblick, dass es dem Einzelnen obliegt, sich um Ausgewogenheit zu bemühen und im täglichen Ringen bei den einzelnen Spannungsfeldern ein neues Gleichgewicht zu finden, das den gesetzten Ansprüchen genügt, dem Einzelnen Seelenfrieden verschafft und das soziale Zusammenstehen nicht über Gebühr belastet.
Sich die perfekte Welt vorzustellen und Wunschträumen nachzuhängen ist das Eine, sich in der realen Welt angemessen zu bewegen und zu behaupten das Andere. Uns wird fortlaufend gleichzeitig ein professionelles, legales und legitimes Handeln abgefordert, das einzuhalten sich nur schwer gewährleisten lässt.
Im Wissen um die Fehlbarkeit des Menschen kommt daher dem ernsthaften Bemühen eine entscheidende Bedeutung zu. Möge jeder Handelnde sich dessen bewusst sein und aus diesem Bewusstsein heraus verantwortungsbewusst handeln.
Literatur, Anfragen, Antwortversuche
Literatur
Frank F. (2009): Führungsethik im Spannungsfeld von Erfolgs- und Humanverantwortung, GRIN Verlag
Frey D./Schmalzried L. (2013): Philosophie der Führung : Gute Führung lernen von Kant, Aristoteles, Popper & Co., Springer Verlag
Kreuser K./Robrecht T. (2010): Führung und Erfolg : Eigene Potentiale Entfalten, Mitarbeiter erfolgreich machen, Gabler Betriebswirteverlag
Seiler S. (Hg.) (2010): Führung neu denken : Im Spannungsfeld zwischen Erfolg, Moral und Komplexität, OrellFuessli Verlag
Seliger R. (2013): Das Dschungelbuch der Führung : Ein Navigationssystem für Führungskräfte, Auer-System-Verlag, 4. Aufl.
Anfragen
Frage 1:
Die Vielschichtigkeit der sich fortlaufend verändernden Spannungsfelder sowie der subjektive Umgang mit ihnen hinterlassen für uns eine Reihe offener Fragen. Können wir hierzu aus grundsätzlicher Sicht überhaupt differenzierte Antworten geben?
Frage 2:
Für die Führungskraft ergibt sich fortlaufender Entscheidungsbedarf. Maßgeblich erscheinen in diesem Zusammenhang die Bereitschaft zur Entscheidung und der jeweilige Entscheidungszeitpunkt. Hängen diese nicht maßgeblich vom Grad der individuellen Risikoakzeptanz ab?
Frage 3:
Für die zu treffenden Entscheidungen besteht eine Bedeutsamkeit der individuellen Grundorientierung, die sowohl von Anlagen (individuelles Potential) und Umwelt (Kultur, Erfahrungen) geprägt wird. Wie gestaltet sich dies in einer Zeit des Orientierungsverlustes?
Frage 4:
Individuelle Entscheidung sind befreiende Ausgangspunkte für den einzuschlagenden Weg in die Zukunft. Befreiung ist gleichzeitig aber auch Bindung. Wie kann hier – ungeachtet der Festlegung – über eingeräumte Flexibilität notwendige Sicherheit geschaffen werden?
Frage 5:
Angesichts neu auftretender Informationen und Einflüsse bedarf es fortlaufender Nachregulierung bei getroffenen Entscheidungen. Bedeutet dies den Verzicht hinsichtlich zu treffender Festlegungen?
Antwortversuche
Antwortversuch zu Frage 1:
Wenn wir in vielfältigen und vielschichtigen Spannungsfeldern stehen und sich nur im individuellen Entscheidungsprozess für den Einzelfall eine Auflösung des Spannungsverhältnisses ergibt, erscheinen Antwortversuche aus grundsätzlicher Sicht problematisch. Aber bereits das Erkennen der Bedeutung individueller Betroffenheit, Zuständigkeit und der Notwendigkeit individuellen Vorgehens erscheinen für sich genommen bedeutsam, um mit den jeweiligen Zumutungen angemessen umzugehen. Gefordert ist hier der Einzelne, aber auch die Gesellschaft im Zuge ihrer Kultur des Umgangs mit den zwangsläufigen Gegebenheiten.
Antwortversuch zu Frage 2:
Fortlaufender Entscheidungsbedarf und Risikoakzeptanz hängen eng zusammen. Denn bei übergroßer Risikovermeidung sinkt die Bereitschaft zur rechtzeitigen Entscheidung. Dies wirkt sich häufig negativ auf die nachfolgende Entwicklung aus. Möglichkeiten werden so verpasst und Chancen nicht genutzt. Damit sinkt Konkurrenz- und Zukunftsfähigkeit. Begrenzte Risiken gehören unweigerlich mit zum menschlichen Leben. Sicher ist nur die Veränderung. Sie anzunehmen ist Zeichen der Reife, sie zu verweigern lässt an der vorhandenen Mündigkeit zweifeln. Dies gilt besonders in einer Zeit des dynamischen Wandels, der vielfältigen sich gleichzeitig vollziehenden Veränderungen, von ungeahnter Wissenszunahme und gegensteuerndem angstgeprägtem Beharrungsstreben.
Antwortversuch zu Frage 3:
Individuelle Grundorientierung erwächst aus den Anlagen des Einzelnen sowie seinen prägenden Umwelterfahrungen. Sie führen zu einer personalen Ausprägung, die mehr oder weniger offen ist für Anpassungen und Veränderungen. Das sich in diesem Zusammenhang zeigende Spektrum sollte allerdings in hohem Maße den heutigen gesellschaftlichen Prozessen Rechnung tragen, sodass sich – unter Vermeidung von unnötigen Reibungsverlusten – ein Gleichklang der Entwicklung und über einen möglichst einvernehmlichen Lernprozess eine organische Fortentwicklung der Gegebenheiten einstellt. Gerade Führungskräfte haben hier auf die Vermittlung von Sinn zu achten und Orientierung zu geben, sodass zum gemeinsamen Wohl eine Bündelung der vorhandenen Kräfte erfolgt.
Antwortversuch zu Frage 4:
Wer sich entscheidet, der legt sich fest. Er schließt alternative Möglichkeiten bewusst aus. Über ein Denken in alternativen Optionen, der Planung optimistischer und pessimistischer Varianten und der Einbeziehung von Um- und Ausstiegsmöglichkeiten kann da der zukunftsbezogenen Unsicherheit partiell gegengesteuert werden. Dies erscheint auch sinnvoll, um vor Überraschungen im Rahmen des Möglichen gefeit zu sein.
Antwortversuch zu Frage 5:
Neu auftretende Informationen und Einflüsse erfordern die fortlaufende Prüfung der Angemessenheit getroffener Entscheidungen und ggf. ein Nachregulieren unter Berücksichtigung bislang noch nicht berücksichtigter Faktoren. Man sollte allerdings nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Ein Verzicht auf Planung wäre der falsche Weg, denn „Planung ist ein Flirt mit dem Irrtum, fehlende Planung wäre ein Vertrag mit dem Chaos.“
Glaube, Sinn, Gerechtigkeit
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Glaube, Sinn und Gerechtigkeit stehen zueinander in einer unauflöslichen Beziehung. Der Glaube trägt uns und gibt uns Halt, er vermittelt Maßstab und Sinn. Und die Gerechtigkeit ist resultierendes Bestreben zur Sicherung eines friedvollen Miteinanders und ebenso von Zukunftsfähigkeit.
Daher erscheint es vernünftig, sich mit Glaube, Sinn und Gerechtigkeit im Zusammenhang mit Führung auseinander zu setzen. Es macht Sinn,
- Handeln auf einem tragfähigen Fundament zu verankern,
- durch Klärung der Sinnfrage Orientierung zu gewinnen und
- mittels Bemühen um Fairness und Gerechtigkeit der Würde des Mitmenschen Rechnung zu tragen.
Ihm gerecht zu werden schafft Perspektive, ihn in seinen legitimen Interessen und Bedürfnissen einzubeziehen Bereicherung und Sicherheit. So erscheint ein fester Standpunkt nicht in erster Linie als eine Einschränkung bei den Möglichkeiten, sondern als eine gewonnene Klarheit und Befreiung zur Verwirklichung des Wesentlichen.
Wer sich mit Glaube, Sinn und Gerechtigkeit befasst, der kann nur individuell zu einer tragfähigen Grundposition finden, die sich allerdings weitgehend mit der Grundposition anderer decken kann. Insoweit ist der Einzelne gefordert zu reflektieren, Position zu beziehen und von den gewonnenen Grundüberzeugungen aus zu handeln.
Über die Vielfalt der Individuen kann eine solche Positionbestimmung nicht vorgegeben werden. Dies würde der Würde des Einzelnen und seiner personalen Verantwortung widersprechen. So beschränken sich die Ausführungen dieses Beitrages darauf, Anregungen zu geben und bedenkenswerte Überlegungen darzustellen.
Dass wir uns dabei im Hier und Jetzt bewegen und bei den nachfolgenden Ausführungen keinen Absolutheitsanspruch erheben, sei ergänzend festgestellt. Schließlich basiert das Vorgetragene auf Erfahrungen, die naturgemäß kontextgebunden und damit Stückwerk sind.
So sind wir im Rahmen nachfolgender Ausführungen bestrebt, eine tragfähige Basis für das Führungshandeln zu finden, dem im Führungshandeln verborgenen Sinn nachzuspüren und dabei die Bedeutung von Gerechtigkeit für den intendierten Erfolg des Bemühens herauszustellen. Wir gehen davon aus, dass
- eine durch den Glauben gefestigte Grundposition uns auch im Sturmwind des Alltags trägt,
- der uns aufscheinende Sinn Maß und Ziel offenbart, uns den Weg zum Andern finden lässt und
- mittels Gerechtigkeit letztlich ein friedvolles und konstruktives Miteinander ermöglicht wird.
Die hier skizzierte Groborientierung soll zum Weiterdenken anregen, um individuell zu einem gefestigten Standpunkt zu gelangen. Dies bleibt dem Einzelnen überlassen und kann ihm nicht abgenommen werden. Der Anstoß aber findet als auslösendes Moment eine hinreichend erscheinende Rechtfertigung.
So machen wir uns auf den Weg, den eigenen Horizont zu weiten und mehr an Klarheit zu erlangen. Wir schreiten voran, um zu einer höheren Entwicklungsstufe zu gelangen, die für den nachfolgenden Zeitabschnitt einen neuen Ausgangspunkt darstellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Glaube Sinn
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5:
Glaube, Sinn, Gerechtigkeit, Frieden
Quelle: selbst erstellt
Glaube als tragendes Fundament
Glaube ist ein tragendes Fundament. Er lässt sich begreifen als Grundhaltung, die gekennzeichnet ist von einem „für Wahr halten“ von gewonnenen Überzeugungen, an die sich der Einzelne bindet. Es ist dies ein sich einlassen auf das Fundament und die Gestaltung und Fortentwicklung der individuellen Existenz ausgehend von den hier festgehaltenen Positionen.
Eine mögliche Definition nimmt im Rahmen des christlichen Glaubens der neutestamentliche Autor des Hebräerbriefs vor: „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr11,1). Zwischen dem Glaubensakt und dem Glaubensinhalt kann dabei differenziert werden. Auch wird im Zusammenhang mit dem Glauben das mögliche Spannungsverhältnis zum Wissen hinterfragt.
Ein Gegensatz von Glauben und Wissen ist dabei nicht vorauszusetzen. Schließlich werden unterschiedliche Dimensionen der Wirklichkeit angesprochen, die sich bei einem rechten Verständnis hinsichtlich des Wissens und des Glaubens ergänzen und bereichern können – ja müssen. Glauben ist insoweit vom Wesen her etwas anderes als das Wissen, aber keineswegs weniger bedeutsam.
Und Glaube ist ungeachtet der vorhandenen Gemeinsamkeiten im Glauben jeweils eine höchst persönliche Angelegenheit. Er ist in Auseinandersetzung mit anderen individuell zu erlangen, fortzuentwickeln, zu verteidigen und zu verantworten. Er ist schließlich daraufhin angelegt, Konsequenzen einzufordern, die sich dann im konkret praktizierten Verhalten zeigen sollten.
Mit der Bindung an den Einzelnen ergibt sich zwangsläufig eine Differenziertheit der jeweilig eingenommenen Positionen sowie der daraus resultierenden Konsequenzen. Dies macht es zuweilen so schwer, eine gemeinsame Basis zu finden; dies impliziert jedoch auch eine produktiv nutzbare Spannung, die im sozialen Austausch Erkenntnisfortschritt, erhöhte subjektive Gewissheit und Glaubenstiefe bewirken kann.
Persönlicher Glaube stellt eine ernsthafte Angelegenheit dar. Denn dadurch werden das individuelle Selbstverständnis, die jeweilige Ausrichtung, sowie die Beziehung des Einzelnen zu seiner Lebensumwelt geprägt, werden letztlich personale Handlungen und Unterlassungen bestimmt und subjektiv empfundenes Gleichgewicht geschaffen.
Persönlicher Glaube hat sich in dieser Welt zu bewähren. Er hat zum Aufbau beizutragen. Dabei ist die umgebende Lebenswirklichkeit einzubeziehen, ohne aber die Eckpfeiler des Glaubens, den Wesenskern der tragenden Überzeugungen, sowie die bleibenden zeit- und raumübergreifenden Grundprinzipien aufzugeben.
Der persönliche Glaube in dieser Welt bedarf angesichts der sich wandelnden Realität einer permanenten Anpassung, eines Prozesses des Wachsens, Reifens und sich Entfaltens, der seinerseits idealtypisch zu einer schrittweisen Vertiefung und Festigung führt, der auftretende Stürme, Widrigkeiten und Unsicherheiten überstehen lässt.
Insoweit ist der persönliche Glaube in dieser Welt eine fortlaufend zu leistende Arbeit, der gerecht zu werden zwar unserem Bestreben entspricht, gleichzeitig aber ein unerreichtes Ziel darstellt. Wir sind mithin – eingedenk unserer menschlichen Begrenztheit – permanent auf dem Weg, unfertig und vollendungsbedürftig.
Sinn als Erfüllung gebendes Element
Wenn wir von Sinn als Erfüllung gebendem Element sprechen, so steckt hinter dieser Aussage die Überzeugung, dass
- mit Sinn in erster Linie der Sinn des Lebens angesprochen ist, der sich als Orientierung gebende Größe gestaltet,
- der eine Deutung des Verhältnisses vornimmt, in dem der Mensch zu seiner Welt steht und
- im Sinn eine ideale Wertvorstellung verborgen ist, die das menschliche Fassungsvermögen übersteigt. (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Sinn_ des_Lebens)
Sinn erschließt sich nur durch intensive Auseinandersetzung. In heutiger Zeit steht dem nicht selten das Nachjagen hinter Trends und üblichen Gepflogenheiten im Weg – Herdentrieb und Konsumismus, die von eigentlich maßgeblichen Werten ablenken und die Gefahr begründen, einen tieferen Sinn zu übersehen und zu verfehlen.
Da zeigt sich, dass sprachbegabte Vernunft- und Verstandeswesen zwar mit der Möglichkeit zu einer selbstbezüglichen Sinnreflexion ausgestattet sind, diese aber nicht zwangsläufig nutzen. Schlussendlich kann dies als eine Verschwendung von Potential charakterisiert werden.
Sinnhaftes Tun schenkt uns Kraft und Erfüllung. Es trägt nicht unwesentlich zur jeweiligen individuellen physischen und psychischen Gesundheit bei, die als Voraussetzung für Elan und Schaffenskraft gilt. Streben wir im Rahmen der unserer mehr oder weniger großen Möglichkeiten letztlich nicht alle nach Erfüllung und Vervollkommnung, die wir in diesem Leben allerdings nicht vollständig erreichen werden?
Gerade das Wirken an der Überwindung des Unvollkommenen und das Bemühen um ein Hinterlassen von Spuren lässt menschliches Sein nicht sinnlos erscheinen und schenkt ihm eine rechtfertigende Legitimation jenseits eines grundlegenden angenommen Seins, das ihm geschenkt ist und sich aus dem Glauben erschließt.
Erfüllung wird dabei – korrespondierende zu den divergierenden personalen Identitäten – individuell unterschiedlich wahrgenommen, gewichtet und bewertet. Und doch ergibt sich aus dem Streben nach einem sinnerfüllten Leben aller im Rahmen der Gemeinschaft eine Bereicherung, welche den Beitrag des Einzelnen übersteigt und schrittweise im Zuge der Entwicklung zu einer höheren Stufe, einem höheren Niveau, führt.
Sinn stärkt und fordert gleichzeitig heraus. Denn die Erschließung von Sinn ist mit Mühe verbunden und auch das Bemühen um sinnbehaftetes Wirken ist nicht ohne Anstrengung zu haben. Dafür erhalten wir allerdings aus dem Erleben des Erfolges Ermutigung und Kraft, die uns stärken, den Weg zum Ziel fortzusetzen und nicht aufzugeben.
Mühe auf sich zu nehmen lässt sich auch im christlichen Sinne als Nachfolge begreifen, als das Folgen jenes guten Beispiels, das uns in Jesus Christus geoffenbart wurde. Stärkung und Herausforderung ergänzen sich insoweit. Sie helfen uns, jenseits aller Rückschläge und Widrigkeiten und gestützt auf ein grundlegendes Urvertrauen im Bemühen nicht nachzulassen.
Ohne erkanntem, anerkanntem und verfolgtem Sinn wäre menschliches Bemühen und individuelle Existenz fragwürdig, würde sie doch Vernunftbegabung auf eine Laune der Natur und des Lebens reduzieren und ihre offenkundige Bedeutung relativieren.
Gerechtigkeit als friedensbewahrende Notwendigkeit
Damit kommen wir zum Streben nach Gerechtigkeit. „Der Begriff bezeichnet einen idealen Zustand des sozialen Miteinanders, in dem es einen angemessenen, unparteilichen und einforderbaren Ausgleich der Interessen und der Verteilung von Gütern und Chancen zwischen den beteiligten Personen oder Gruppen gibt.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Gerechtigkeit)
Der Anspruch als solcher wird zumeist geteilt, was allerdings substanziell unter Gerechtigkeit zu verstehen ist, darüber gehen die Meinungen nicht selten auseinander. Platon stellt auf die innere Einstellung ab. „In den neueren Gerechtigkeitstheorien stehen sich Egalitarismus, Libertarismus und Kommunitarismus als Grundpositionen gegenüber.“ (ebd.)
Bei der Höhe des Einkommens ringen beispielsweise die Qualifikationsgerechtigkeit, die Leistungsgerechtigkeit und die soziale Gerechtigkeit miteinander, sodass wir gezwungen sind uns zurück zu nehmen und von der Erwartung und dem ursprünglichen Anspruch nach absoluter Gerechtigkeit auf relative Gerechtigkeit auszuweichen.
Ungeachtet dessen gilt das Erzielen eines hohen Maßes an Gerechtigkeit als unverzichtbare Notwendigkeit, die allerdings ebenso von den Rahmenbedingungen abhängt, wie von den individuellen Ansprüchen der jeweilig Beteiligten und Betroffenen.
Die Notwendigkeit erwächst aus der sozialverträglichen Gestaltung des konstruktiven und zielgerichteten Miteinanders, das ergebnisbezogen positive Effekte zu erzielen in der Lage ist. Dass beim Schaffen von Gerechtigkeit sich ein Ringen um Konsens ergibt, schmälert die Aussage von der Notwendigkeit der Gerechtigkeit keineswegs.
Man wird auf den Ausgleich differierender Interessen und Ansprüche setzen und im Zuge einer permanenten Gratwanderung bemüht sein müssen, widerstreitende Positionen miteinander zu verbinden, sowie ausgleichend und harmonisierend wirksam zu werden.
Insoweit ist Gerechtigkeit ein zentrales friedensbewahrendes bzw. friedensschaffendes Element und seine Bedeutung kann kaum überschätzt werden. Schließlich knüpft sich an dieses Element die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Bezugsperson und die Bereitschaft, sich auf sie einzulassen und auf sie bezogen begrenzte Risiken einzugehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6:
Gerechtigkeit als absolutes und als relatives Phänomen
Quelle: selbst erstellt
In diesem Zusammenhang besitzt das subjektive Empfinden des Einzelnen hohe Bedeutung. An ihm wird sich sein Verhalten ausrichten, von ihm wird es sich nicht unmaßgeblich bestimmen lassen. Empfundene Ungerechtigkeit wird nach Kompensation suchen und kann gewissermaßen als Hypothek für die Zukunft betrachtet werden.
Fairer Ausgleich ebnet dem gegenüber die Bahn für ein vertrauensvolles Miteinander. So zeigt sich im Dreiklang von Glaube, Sinn und Gerechtigkeit ein schlüssiges, zukunftsträchtiges und erfolgsbegünstigendes Konzept, das auf einem tragfähigen Fundament hinreichende Begründung liefert und jenseits des legitimen Entfaltungsstrebens auch auf soziale Rückbindung setzt.
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Glaube, Sinn und Gerechtigkeit hängen zusammen. Denn Glaube bildet ein tragendes Fundament und vermittelt Sinn. Gerechtigkeit tritt uns als Forderung gegenüber, die aus dem glaubensvermittelten Sinn erwächst. Sie erscheint im Zuge rationaler Betrachtung als friedensbewahrende und Zukunft sichernde Notwendigkeit.
Bei der Betrachtung des Glaubens war dieser zunächst aus grundsätzlicher und individueller Sicht zu beleuchten. Entscheidend erscheinen der persönliche Glaube in dieser Welt und die Wechselwirkungen, die sich im Zeitablauf aus individuellem Glauben und gesellschaftlichen Gegebenheiten letztlich ergeben.
Der vermittelte Sinn liefert nicht nur eine individuell akzeptierte Begründung für die Zielausrichtung; er wirkt als Erfüllung gebende Kraft und Antrieb, aber auch als Stärkung und Herausforderung, die den Einzelnen zur inneren Ausgewogenheit und damit zum inneren Frieden verhelfenden Handeln antreibt.
Gerechtigkeit als Frieden bewahrendes oder Frieden stiftendes Element sichert letztlich Gemeinschaftserleben und dadurch Zukunft. Sie ist Voraussetzung und permanente Forderung zugleich, da sie ein Vertrauen sicherndes Element darstellt, ohne das Abgrenzung, Rückzug und Egoismus dominieren würde.
Glaube, Sinn und Gerechtigkeit sind aufeinander bezogene und untrennbar miteinander verbundene Größen innerhalb des sozialen Geschehens. Sinn ohne ein tragendes Fundament zu erfahren und ethisch gebundene Überzeugungen zu leben ohne den Aspekt der Gerechtigkeit zu berücksichtigen, erscheint ebenso verfehlt, wie ein Glaube ohne resultierende Konsequenzen letztlich ins Leere geht.
Führung ohne Fundament treibt wie ein Blatt im Wind oder ein Boot auf dem Meer. Führung ohne sinnvolle Ausrichtung erscheint als Zeitvertreib oder Beschäftigungstherapie. Und Führung ohne Gerechtigkeit entbehrt der Langfristperspektive, da früher oder später auftretende Widerstände den Bestand der Macht erodieren und Anpassungen erzwingen.
Führungskräfte, die sich der Bedeutung ihrer Grundorientierung für ihr gezeigtes Verhalten nicht bewusst sind und sich diese nicht bewusst machen, handeln denn auch nicht selten als machtausübende Gewalttäter oder als abgedrehte Traumtänzer – bar der Wahrnehmung der für das Zusammenleben und Zusammenwirken maßgeblichen Größen.
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- Arbeit zitieren
- Prof. Dr. Alfons Maria Schmidt (Autor:in), 2014, Führung als komplexes Phänomen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269404
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