Kindergarten und Schule gehören zu den ersten Orten, an denen Kinder mit Menschen außerhalb ihrer Familie intensiv und dauerhaft konfrontiert werden. Hier lernen sie nicht nur Buchstaben und Formeln, sondern finden auch ihre Rolle in der Gesellschaft. Doch wie sieht es mit körperlich oder geistig beeinträchtigten Schülern aus? Wollen und können wir sie in gleichem Maße zu unserer Gesellschaft zählen wie gesunde Kinder?
Schüler mit Behinderung im Unterricht zu integrieren und ihnen so eine weitgehend normale gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen ist das Hauptanliegen der aktuellen Inklusionsdebatte. Dieser Band beleuchtet die theoretischen Ansätze der inklusiven Pädagogik und liefert gleichzeitig einen Beitrag zur schulischen Praxis, indem er zeigt, wie man Lernprozesse inklusiv gestalten kann.
Aus dem Inhalt
Von der Integration zur Inklusion
Die UN-Behindertenrechtskonvention und der Inklusionsgedanke
Die Montessori-Pädagogik – ein Modell für die Inklusion?
Inklusive Schulkultur: Lernen durch ästhetische Erfahrung
Inhalt
Kristin Kunert (2009): Unterschiede der Ziele und Forderungen von Integration und Inklusion
Einleitung
Integration und Inklusion nach Hinz
Integration nach Feuser
Integration nach Hinz und Feuser im Vergleich
Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Eva Herrmann (2012): Das inklusive Konzept der Montessori-Pädagogik und das Menschenrecht auf Bildung für Behinderte. Ein mögliches Vorbild für ein deutsches inklusives Bildungssystem
Einleitung
Begriffsklärung von Integration und Inklusion
Der rechtlich verankerte Anspruch auf Inklusion im deutschen Bildungssystem als Menschenrecht
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Schulische Inklusion in der Montessori-Pädagogik
Erweiterter Schlussteil
Literaturverzeichnis
Verwendete Zeitschriftenartikel
Verwendete Internetquellen
Sylvia Wilbrink (2010): Ästhetische Erfahrungsbildung als Chance im Inklusionsprozess an Grundschulen
Einleitung
Inklusive Bildung
Bildungsstandards und Schlüsselkompetenzen
Lernprozesse ästhetisch und inklusiv gestalten
Didaktische und methodische Vorschläge für inklusiven Unterricht
Zusammenfassung – Fazit
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Anhang
Einzelpublikationen
Kristin Kunert (2009): Unterschiede der Ziele und Forderungen von Integration und Inklusion
Einleitung
Integration und Inklusion – zwei häufig genutzte Wörter, die für die einen schlichtweg das Gleiche bedeuten, sich für andere jedoch ganz klar voneinander unterscheiden. Im heutigen Sprachgebrauch findet man zunehmend die Verwendung des Begriffs der Inklusion, sodass man den Eindruck bekommen könnte, Integration mit all seinen Vorstellungen und Forderungen würde zukünftig von diesem abgelöst werden und das, obwohl sich Pädagogen bis heute nicht für eine einheitliche Definition und Realisierung von Integrationspädagogik entscheiden konnten.
Die Autoren Andreas Hinz und Georg Feuser haben sich ausführlich mit dem Thema der Integration auseinandergesetzt. Was die Inklusionspädagogik beinhaltet, wurde von Hinz zusätzlich betrachtet. Die Verschiedenheit der mit diesen Begriffen verbundenen Ziele und Forderungen sollen nun Gegenstand der vorliegenden Hausarbeit sein. Zunächst werden Merkmale, Umsetzung und daraus resultierende Probleme der Integration nach dem Verständnis von Hinz aufgezeigt, bevor im Anschluss seine Gedanken zum Inklusionsbegriff vorgestellt werden. Was Feuser unter dem Begriff der Integration versteht, leitet das nachfolgende Kapitel ein. Der Vorstellung seiner Definition folgt schließlich die Erörterung der sich daraus ergebenen Merkmale. Um die von ihm dargestellte Integration erfolgreich in die Praxis umsetzen zu können, bedarf es einiger grundlegender Rahmenbedingungen, auf deren Darstellung in diesem Zusammenhang nicht verzichtet werden kann. Wie bereits Hinz beanstandet auch Feuser die gegenwärtige Realisierung integrativer Pädagogik in der Institution Schule. Die wichtigsten Kritikpunkte werden daher kurz erläutert und schließen letztlich das Kapitel ab. Nachdem die umfangreiche Darstellung beider Positionen zum Begriff Integration erfolgt ist, soll im Anschluss die Beantwortung der Frage
„Bedeutet gleicher Wortgebrauch auch gleiches Verständnis?“
den Mittelpunkt nachfolgender Überlegungen bilden. Zu diesem Zweck werden ausgewählte Aspekte beider Autoren miteinander verglichen. Die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen liefern wichtige der Antwort dienende Erkenntnisse.
Aus Vereinfachungsgründen wird in der vorliegenden Hausarbeit nur die männliche Form verwendet.
Integration und Inklusion nach Hinz
Den Begriffen Integration und Inklusion liegen keine eindeutigen Definitionen zu Grunde. In der Literatur findet man daher eine Vielzahl von Autoren, die sich ausgiebig mit diesen Themen beschäftigt haben. Einer von ihnen ist Andreas Hinz. Sein Verständnis von Integration und die daraus resultierenden Probleme bei Realisierung als auch die Inklusion werden in diesem Kapitel ausführlich beschrieben.
Merkmale und Probleme bei der Umsetzung von Integration
Integration bedeutet für Hinz Menschen mit Schädigungen in eine Gruppe von Menschen, die keine Schädigungen aufweisen, einzubeziehen und ihre Weiterentwicklung mit der Ausstattung personenbezogener Ressourcen, individueller Förderung und eigens für sie zuständiger Pädagogen zu fördern. So werden beispielsweise behinderte Kinder in die Allgemeine Schule aufgenommen, um mit den anderen nichtbehinderten Schülern gemeinsam in einer Klasse zu lernen, obwohl man oftmals bereits im Vorfeld weiß, dass einige der integrierten Kinder die vorgegebenen Ziele der jeweiligen Schulreform nicht erreichen können. Nichtsdestotrotz erfolgt die Aufnahme in diese Schule, wenn sowohl die Rahmenbedingungen stimmen als auch die individuelle Förderung der behinderten Kinder gesichert ist. (Hinz, A. 2002, S. 355 und 359 / 2007, S. 26)
Doch nicht jedem Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird Integration im gleichen Umfang ermöglicht. Die Aussage „Sag mir deine Schädigung und ich sage dir deine Integrationsmöglichkeiten“ (Hinz, A. 2002, S. 356) zeigt laut Hinz die gängige Praxis nach der heute Integration durchgeführt wird. Je nach Beeinträchtigung wird zunächst selektiert und schließlich eine für den jeweiligen Schüler geeignete Integrationsform ausgewählt und zugewiesen. Gerade für schwerer geistig behinderte Kinder führt diese Vorgehensweise zu einem stärkeren Ausschluss aus integrativen Projekten und Maßnahmen. Anstelle ihrer vorhandenen Möglichkeiten wird häufig das Nicht-Können als Ausgangspunkt für die Überlegungen hinsichtlich der Integrierbarkeit dieser Schüler gewählt. Im Ergebnis begründet diese defizitäre Sichtweise somit oftmals die Nicht-Förderbarkeit der schwerstbehinderten Kinder in der Allgemeinen Schule, so dass für sie schließlich nur die Möglichkeit der Sonderschule besteht, die infolgedessen nun zur Restschule degeneriert. (Hinz, A. 1992, S. 12 / 2002, S. 356) Um diesem Trend entgegenzuwirken und zukünftig Kinder mit schweren Behinderungen stärker in Schulen und Projekte zu integrieren, muss ein Umdenken seitens der Pädagogen stattfinden. Dies erfordert von den Fachkräften zunächst die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den eigenen Wertmaßstäben und Haltungen gegenüber Kindern mit Schädigungen. Sind die Barrieren in den Köpfen dann erst einmal abgebaut, ist der Pädagoge auch wieder in der Lage sich mit den spezifischen Erfordernissen, Bedürfnissen und Kompetenzen der schwerstbehinderten Schüler auseinanderzusetzen, um deren Einbezug in integrative Maßnahmen und Projekte sicherzustellen. (Hinz, A. 1992, S. 17)
Angemessene Rahmenbedingungen einer Schule sind neben der veränderten Sichtweise der pädagogischen Fachkräfte eine weitere Voraussetzung für die erfolgreiche Integration besonders mehrfach behinderter Kinder. Häufig stellen die der Allgemeinen Schule vorgegebenen Rahmenbedingungen ein grundlegendes Problem dar, warum diese Schüler nicht integriert werden können (Hinz, A. 2007, S. 27). Die Herausforderung der Integrationspädagogik besteht letztendlich darin, diesen schwerstbehinderten Kindern unter Beachtung ihrer Bedürfnisse ein gemeinsames Leben und Lernen mit anderen in ihrem gewohnten sozialen Umfeld zu ermöglichen und die Voraussetzungen zu schaffen, um in gegenseitigen Begegnungen das Vorhandensein vielfältiger individueller Persönlichkeiten kennen und achten zu lernen. (Hinz, A. 1992, S. 22-23)
Trotz integrativem Unterricht findet das gemeinsame Lernen behinderter und nichtbehinderter Schüler selten statt, sodass die für die Integration maßgeblichen Gründe wie zum Beispiel Interaktion, emotionales Wohlbefinden und die soziale Einbindung in die Gruppe oftmals nicht realisiert werden können. Räumliches Bei- oder Nebeneinander sowie zeitlich begrenztes Miteinander, zum einen häufig verursacht durch für notwendig erachtete Einzelmaßnahmen und zum anderen durch die Festlegung getrennter Unterrichtsdurchführung in den zentralen Fächern wie Rechnen, Lesen und Schreiben führen im Ergebnis dazu, dass Integration nur für diejenigen behinderten Kinder verwirklicht wird, die annähernd dem geistigen Niveau der nichtbehinderten Schüler entsprechen. (Hinz, A. 2002, S. 355)
Zentrales Problem des gemeinsamen Unterrichts ist häufig, dass die Situation des einzelnen behinderten Schülers nicht betrachtet wird. Zwar werden alle verfügbaren Möglichkeiten angewandt, um diesen in die Klasse zu integrieren, die erforderliche Veränderung der Schule als Ganzes, basierend auf einer zuvor getätigten Revidierung der Sichtweise hinsichtlich der Schädigung des Kindes, erfolgt jedoch nicht. Nach außen wird so der Anschein erweckt, dass der behinderte Schüler vollständig in der Klasse integriert ist. In Wirklichkeit aber befindet er sich wie Hinz treffend formuliert „in einer Insellage“ (Hinz, A. 2002, S. 356). Mit anderen Worten gesagt: obwohl das geschädigte Kind zusammen mit nichtbehinderten Kindern in einer Klasse sitzt und lernt, findet oftmals weder Interaktion untereinander statt noch erfolgt die beabsichtigte soziale Einbindung in die Gruppe, denn die vorherrschende Meinung der Schüler und Lehrer ist nach wie vor, dass der behinderte Schüler ‚anders‘ ist und bleibt. (Hinz, A. 2002, S. 356)
Verstärkt wird diese negative Einstellung gegenüber dem Behindert sein und die daraus resultierende Abwertung des geschädigten Kindes unter anderem durch die Bezeichnung als ‚Integrationskind‘ im täglichen Sprachgebrauch, das Vorhandensein anderer speziell für diesen Schüler notwendiger Pädagogen, die nicht der Allgemeinen Schule angehören und die Ausstattung mit zusätzlichen Ressourcen. Die Dominanz der nichtbehinderten Schüler in der Klasse erschwert zusätzlich die Integration und führt folglich dazu, dass die Bedürfnisse der Gruppe der integrierten Kinder zugunsten der Erfordernisse der Mehrheit außer Acht gelassen werden. Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der verschiedenen Modelle und Konzepte der Integration für das einzelne geschädigte Kind ist daher ein verändertes Verständnis von Behinderung sowie eine regelmäßige kritische Reflexion hinsichtlich der Funktionalität angewandter Maßnahmen und Methoden. (Hinz, A. 2002, S. 357 / 2007, S. 26)
Die zuvor erwähnte Ausstattung mit zusätzlichen Ressourcen und die damit einhergehende öffentliche Etikettierung der behinderten Schüler, führen zu einer weiteren Verschärfung der Zwei-Gruppen-Theorie und stellen für Hinz somit ein ernst zu nehmendes Problem der Integration dar. Ergänzt wird diese Stigmatisierung durch die Zuordnung behinderter Schüler zu den jeweiligen Schulformen und verschiedenen Förderschwerpunkten. Auch die Anfertigung individueller Förderpläne wirkt sich laut Hinz eher kontraproduktiv auf das gemeinsame Lernen aus, da sie dem behinderten Kind unter Umständen Lerninhalte vorenthalten. Häufig von Sonderschullehrern verfasst, werden hier ausgehend von den Defiziten des Schülers Lerninhalte, die für ihn realisierbar erscheinen, festgelegt. Doch diese einseitige Ausrichtung an den Lernbedürfnissen und -möglichkeiten des einzelnen Schülers kombiniert mit der Vorstellung, dass diese Kinder nur in kleinen Schritten lernen können, behindern mehr den Lernprozess in der Gemeinschaft als das sie diesen fördern. Diskriminierung, durch die die Teilhabe am öffentlichen Leben eingeschränkt wird, ist oft die Folge. (Hinz, A. 2002, S. 358 / 2007, S. 31)
Probleme hinsichtlich der Integration zeichnen sich darüberhinaus auch auf quantitativer Ebene ab. So hat der gemeinsame Unterricht das bestehende System des gegliederten Schulwesens nicht wie erhofft ersetzt, sondern letztendlich nur ergänzt. Die daraus resultierende Zunahme an sonderpädagogischem Förderbedarf und der damit verbundende notwendige finanzielle Mehraufwand für zusätzlichen Lehrerbedarf und Ressourcen, welche die Situation für die behinderten Schüler verbessern sollen, führten folglich zu einer quantitativen Stagnation des integrativen Unterrichts sowie zu einer Abnahme gemeinsamer Projekte. (Hinz, A. 2002, S. 355)
Es bleibt also festzuhalten, dass Integration als ständiger Prozess von Einigungen zwischen Personen, Institutionen und auf der Ebene gesellschaftlich vorgegebener Normen und Werte stattfindet. Dabei geht es in erster Linie darum, mit Hilfe von Annäherungs- und Abgrenzungsprozessen ein Gleichgewicht zwischen den Polen der Gleichheit und Verschiedenheit herzustellen. Integration klagt das „Recht aller Kinder auf Unterschiedlichkeit“ (Hinz, A. 1992, S. 19 zitiert nach Wocken 1987, 76) ein und zielt daher nicht auf Anpassung oder Abschaffung der Heterogenität ab. (Hinz, A. 1992, S. 18-19)
„Grenzen der Integration gibt es [wiederum] überall dort, wo es nicht zu Einigungen kommt“ (Hinz, A. 1992, S. 23). Ursachen dafür können unter anderem konzeptionelle und finanzielle Festlegungen der Schulverwaltung oder die Bildungspolitik eines Bundeslandes sein. Obwohl auch in Zukunft noch viele Probleme hinsichtlich der Integration gelöst werden müssen, sind die ersten Schritte in die richtige Richtung erfolgt, sodass bereits heute eine begrenzte Anzahl von behinderten Kindern gemeinsam mit anderen Kindern leben und lernen kann. (Hinz, A. 2007, S. 29)
Inklusion
Die Inklusion hat den Anspruch „allen Zugang zu Allem und Teilhabe an Allem zu ermöglichen“ (Hinz, A. 2007, S. 32). Das heißt also, an jedem Ort und zu jedem Zeitpunkt Erfahrungen zu machen, Situationen zu erleben oder Wissen zu erwerben. Grundlegend zielt sie darauf ab, verschiedene Ausmaße von Heterogenität in einer einzigen unteilbaren Gruppe zusammenzuführen. „Heterogenität ist Normalität“ (Hinz, A. 2002, S. 357) kann folglich als Leitidee der Inklusionspädagogik aufgefasst werden. Unabhängig von seinen Fähig- und Fertigkeiten soll der Einzelne als vollwertiges Mitglied in der Gemeinschaft anerkannt und in alle Bereiche mit einbezogen werden. Die Erreichung dieses Zieles setzt in erster Linie eine Veränderung von Einstellungen und Haltungen jedes Einzelnen voraus. Reflexive Entwicklungsprozesse von Institutionen und ein damit einhergehendes verändertes Selbstverständnisses und Menschenbild sind weitere Grundlagen für die erfolgreiche Umsetzung des inklusiven Gedankens. In der Praxis zeigt sich dieser beispielsweise durch Anpassungen am Schulprogramm und Schulprofil. (Hinz, A. 2002, S. 356-357)
Im Gegensatz zur Integration wird die vorhandene Heterogenität bei der Inklusion zum Ausgangspunkt des gemeinsamen Lernens in der Schule. Anstelle von verschiedenen Verantwortlichen für Einzelne gibt es nun eine gemeinsame Zuständigkeit für alle Schüler einer Klasse und resultierend daraus auch eine gemeinschaftliche Reflexion der Gesamtsituation. Um am gemeinsamen Unterricht teilnehmen zu können ist keine Qualifikation erforderlich. Sowohl gemeinsames als auch individuelles Leben und Lernen aller Kinder in der Allgemeinen Schule kennzeichnen die Inklusionspädagogik. Um die Etikettierung des Einzelnen aufzuheben, wird die für die Integration übliche personenbezogene Ressourcenausstattung durch eine pauschale systembezogene Zuweisung von Ressourcen ersetzt. (Hinz, A. 2002, S. 356-358)
Die Inklusion benötigt pädagogische Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel aus der Schul-, Sonder- und Sozialpädagogik, die zusammen als Team durch ihre unterschiedlichen Betrachtungsweisen, die in der Gruppe auftretenden Probleme lösen sowie vorhandene Spannungsfelder ausbalancieren können und so das gemeinsame Lernen innerhalb der Klasse sichern. Diese Pädagogen werden nicht wie aus der Integration bekannt zusätzlich für spezielle Schüler in einem festgesetzten Zeitrahmen eingesetzt, sondern arbeiten ganz an der Schule und unterstützen bei Bedarf den Klassenlehrer. (Hinz, A. 2002, S. 358-359)
Individuelle Förderpläne als auch Begriffe wie ‚geistige Behinderung‘ oder ‚Lernstörung‘ etikettieren nach Meinung von Inklusionspädagogen die in der Klasse vorhandenen behinderten Schüler und werden kategorisch abgelehnt. Deshalb erfolgt anstelle eines spezifischen die Entwicklung eines gemeinsamen Curriculums, das anschließend in unterschiedlichen Teilbereichen individualisiert wird, um ein sinnvolles Lernen aller Beteiligten einer Klasse zu gewährleisten. Die zentrale didaktische Aufgabe des inklusiven Unterrichts besteht darin, zusammen mit jedem Schüler zu überlegen und zu entscheiden, in welcher Art und Weise er sich individuell an den jeweiligen Unterrichtsinhalten beteiligen kann. Eine kollektive Planung und Reflexion gegenwärtiger und zukünftiger Prozesse mit dem Kind trägt entscheidend zum erfolgreichen gemeinsamen Lernen bei. (Hinz, A. 2002, S. 358)
Doch auch bei diesem inklusiven Konzept zeigen sich verschiedene Problematiken. Zum einen geht es um die Frage der Realisierung im Gesetz verfasster Ansprüche eines Kindes auf spezielle Unterstützung. Zum anderen tritt der eigentliche Auftrag der Sonderpädagogen, ausgewählte Kinder gezielt zu fördern, zunehmend in den Hintergrund, da sie nun als Unterstützung für alle Schüler einer Klasse fungieren. Verursacht durch die homogene Ausrichtung der Schule scheinen des Weiteren schulische Anforderungsnormen durch die Forderung nach individueller Entwicklung eines Kindes beliebig zu werden. Zukünftig steht die Inklusionspädagogik daher vor der Aufgabe, das in der Praxis vorhandene selektive Schulsystem so anzupassen, dass inklusive Konzepte erfolgreich verwirklicht werden können. (Hinz, A. 2002, S. 358)
Integration nach Feuser
Integration soll subjektorientiert sein und allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Chancen bezüglich Erziehung, Bildung und Unterricht gewähren. Diesem Anspruch gerecht zu werden, bedarf es einerseits einem veränderten Verständnis von Kultur und sozialer Gemeinschaft und andererseits einem revidierten Menschenbild. (Feuser, G. 1987b, S. 57 / 1995, S. 133)
Das folgende Kapitel zeigt zunächst auf, was Georg Feuser allgemein unter Integration versteht. Ausführlich werden danach Merkmale und Rahmenbedingungen integrativer Pädagogik erörtert, bevor im Anschluss bedeutende Kritikpunkte an der gegenwärtigen Realisierung der Integration vorgestellt werden.
Der Begriff der Integration
Eine „Schule für alle“ (Feuser, G. 1995, S. 135) und eine damit einhergehende Vollintegration zu realisieren stellt für Feuser das oberste Ziel der gegenwärtigen und auch zukünftigen Integrationsbewegung dar. Das Fundament hierfür bildet „die untrennbare Einheit von sozialer Gemeinschaft und einer subjektorientierten Erziehung und Bildung aller ihrer Mitglieder“ (Feuser, G. 1995, S. 137). Damit wird sichergestellt, dass sich jedes Kind und jeder Jugendliche unabhängig seiner physischen und psychischen Verfassung bei Bedarf alle für ihn relevanten Kenntnisse, Fähig- und Fertigkeiten aneignen kann. (Feuser, G. 1987b, S. 54) In diesem Sinne kann daher nicht von einer Integrationspädagogik gesprochen werden, sondern von einer allgemeinen Pädagogik, deren Aufgabe es ist unter Ausschluss von Selektion jedem Schüler Erziehung, Bildung und Unterricht in der Institution Schule zu ermöglichen, um so dessen Entwicklung zu fördern. Da sich diese allgemeine integrative Pädagogik nach Maßgabe der Entwicklung des jeweiligen Schülers anpasst, bedarf sie generell keiner bestimmten Schulform oder -stufe. (Feuser, G. 1995, S. 213) Um der hier geforderten Vollintegration zu entsprechen, muss zunächst die Didaktik betrachtet werden, denn Gegenstand der Integrationspädagogik ist nicht das Kind oder der Jugendliche, sondern der Aufbau des für ihn notwendigen Erziehungs- und Bildungsprozesses. (Feuser, G. 1984, S. 29 / 1995, S. 133-135)
Eine nicht selektierende und segregierende „Allgemeine Pädagogik, in der alle Kinder und Schüler in Kooperation miteinander, auf ihrem jeweiligen Entwicklungsniveau, nach Maßgabe ihrer momentanen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungskompetenzen, in Orientierung auf die ‚nächste Zone ihrer Entwicklung‘, an und mit einem ‚gemeinsamen Gegenstand‘ spielen, lernen und arbeiten.“ (Feuser, G. 1995, S. 168) ist für Feuser letztlich das zentrale Anliegen der Integration. Die Umsetzung der Integration nach diesem Verständnis erfordert primär eine Veränderung des Schulprofils. Ergänzend dazu müssen auch die Lehrer ihre Einstellungen und Haltungen hinsichtlich ihrer Funktion und Bedeutung für die Entwicklung ihrer Schüler überdenken und gegebenenfalls revidieren, um auf dieser Grundlage einen Unterricht planen und durchführen zu können, in dem Integration im zuvor beschriebenen Sinne verwirklicht wird. (Feuser, G. 1987a, S. 219) Inwieweit die von Feuser dargestellte Integration realisiert werden kann, hängt also stark von der Bereitschaft der Lehrer ab, Veränderungen sowohl im Bewusstsein als auch im Handeln zu vollziehen. (Feuser, G. 1987b, S. 68)
Merkmale der Integration
Integration nach dem Verständnis von Feuser stellt die Heterogenität der Gruppe und damit die Individualität des Einzelnen in das Zentrum aller integrativer Überlegungen und Maßnahmen und verhindert infolgedessen einerseits den Ausschluss von behinderten Schülern aus Regelschulen und andererseits das heutzutage häufig praktizierte Zusammenführen von Kindern und Jugendlichen in Gruppen, die annähernd dem gleichen geistigen Niveau entsprechen. (Feuser, G. 1995, S. 171)
Die mit Integration einhergehende Kooperation aller Schüler miteinander bedarf demnach einer durch Individualisierung zu realisierenden Inneren Differenzierung. (Feuser, G. 1987b, S. 52) Diese wird erreicht, indem der für die erfolgreiche Umsetzung der Kooperation notwendige gemeinsame Unterrichtsgegenstand in all seinen Dimensionen so aufbereitet wird, dass sich jeder Schüler der Klasse entsprechend seinem gegenwärtigen Entwicklungsniveau mit diesem auseinandersetzen und bezogen auf die Gruppe als auch auf den Gegenstand kompetent handeln kann. Jedes Kind ist dadurch in der Lage sich in das gemeinsame Vorhaben einzubringen. Die sich durch die Mitarbeit eines jeden für die gesamte Klasse aufbauende soziale Gemeinschaft, bildet nun den Rahmen für die Aneignung neuer Handlungskompetenz und erweiterter Realitätskontrolle, die schließlich bedeutende Voraussetzungen für die physische und psychische Weiterentwicklung des Schülers sind. (Feuser, G. 1984, S. 22-23)
Trotz des gemeinsamen Unterrichts basierend auf einem gemeinsamen Gegenstand werden die Lernziele variabel festgelegt. So führen die Schüler weder alle die gleichen Tätigkeiten aus noch wird von ihnen das gleiche Ergebnis erwartet. (Feuser, G. 1987b, S. 52 / 1995, S. 185) Lernangebote und Lehrmethoden sollten sich grundsätzlich an den Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit, Entwicklung und des Lernens orientieren, denn nur dann ermöglicht die Individualisierung eines gemeinsamen Curriculums, als Resultat der Inneren Differenzierung, jedem einzelnen Mitglied der Klasse entsprechend seinem Entwicklungsniveau zu lernen. (Feuser, G. 1987a, S. 20 / 1995, S. 170)
Die integrative Pädagogik beruht auf der Annahme, dass jedes Individuum zur Aneignung bedeutsamer gesellschaftlicher Erfahrungen spezifischer Hilfen bedarf, die folglich für die Sicherstellung bedarfsgerechten Lernens am richtigen Ort zur richtigen Zeit gewährt werden müssen.
Die dargestellten Ausführungen zeigen deutlich, dass die Institution in der gelehrt und gelernt wird nicht ein Bestimmungsfeld sondern ein Ermöglichungsfeld darstellt. (Feuser, G. 1987a, S. 20-27)
Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Integration
Die Umsetzung der Integration in die Praxis erfordert die Berücksichtigung qualitativer und quantitativer Aspekte, wobei der Qualität im Hinblick auf eine erfolgsversprechende Realisierung integrativer Maßnahmen und Projekte in verschiedenen Institutionen Vorrang gegeben werden sollte. Standort- und Organisationsbedingungen als auch personelle und materielle Gesichtspunkte spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Feuser skizziert verschiedene Prinzipien, deren Beachtung Voraussetzung sind, um Integration entsprechend seiner Vorstellung verwirklichen zu können. (Feuser, G. 1995, S. 187-190)
Wohnortnahe Integration als ein zu realisierender Anspruch an die Integrationspraxis zeichnet sich dadurch aus, dass gerade behinderte Kinder und Jugendliche in ihrem gewohnten Lebens- und Lernumfeld belassen werden, um die zuvor in der Institution geschlossenen Freundschaften auch außerschulisch aufrechterhalten und vertiefen zu können. Im Rahmen der Schule kann Erziehung und Bildung nur angestoßen werden. Bewähren kann sie sich letztlich nur im Alltag außerhalb der Institution, durch Begegnungen beim Einkauf, im Wohnbezirk und dem damit einhergehenden Aufbau von Solidargemeinschaften. (Feuser, G. 1987b, S. 58)
„Regionalisierung erfordert die Dezentralisierung aller spezifischen materiellen und personellen Hilfen für die Kinder.“ (Feuser, G. 1987b, S. 59). Therapie- und Beratungsangebote als auch personelle und materielle Ressourcen sollten nicht an einer zentralen Stelle verfügbar sein, sondern an den Lern- und Lebensorten der Kinder und Jugendlichen eingesetzt werden. Die bedarfsgerechte Bedienung der verschiedenen Integrationsstandorte setzt daher ein hohes Maß an Mobilität und Flexibilität der einzelnen sonderpädagogischen Fachkräfte und Therapeuten voraus. Anstelle Therapien isoliert von den anderen Schülern durchzuführen, sollten diese innerhalb der Klasse in das Unterrichtsgeschehen integriert werden, um bei den anderen nicht den Eindruck zu erwecken, dass das zu therapierende Kind etwas Besonderes ist. Therapie, Pädagogik und Unterricht sind somit als Einheit zu verstehen und infolgedessen auch zu praktizieren. Dieses Prinzip der integrierten Therapie hat zur Folge, dass Sonderpädagogen und Therapeuten nicht mehr an Institutionen gebunden sind, sondern jeweils dort eingesetzt werden, wo die behinderten Schüler eingegliedert sind. (Feuser, G. 1987a, S. 11 / 1995, S. 191)
Um die Erreichbarkeit aller Schüler an ihren Lebens- und Lernorten zu gewährleisten, sollten die jeweiligen sonderpädagogischen Fachkräfte und Therapeuten in einem gemeinsamen ‚Pool‘ organisiert werden. Dadurch wird der Anforderung der einzelnen Schulen und Institutionen, je nach Bedarf
Fachpersonal anfordern zu können, Rechnung getragen. (Feuser, G. 1987b, S. 59)
Eine optimale Realisierung einer Integrationspädagogik im Sinne der Schüler erfordert darüber hinaus die Kooperation aller im Team untereinander. Sei es bei der Planung und Durchführung oder der späteren Auswertung - Pädagogen, Therapeuten und sonderpädagogische Fachkräfte sollten zusammenarbeiten. In Folge der gegenseitigen Anleitung, Beobachtung und Beratung können sie sowohl die fachliche Kompetenz als auch die Handlungsmöglichkeit des anderen in die eigene integrieren und basierend auf diesem Kompetenztransfer das Lernen und die Weiterentwicklung des Schülers bestmöglich fördern. (Feuser, G. 1995, S. 191 / 1987b, S. 60) Die Einigkeit im Team über den Entwicklungsstand eines Schülers, über den gemeinsamen Gegenstand, über die Lernziele und über die anzuwendenden Methoden diese zu erreichen, bilden die Voraussetzungen für eine gemeinsame Planung des Unterrichts. Ob und inwieweit Therapien angewendet oder andere spezifische Hilfen zum Einsatz kommen, um dem Schüler in der Institution optimale Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten zu können, wird gemeinsam mit den jeweils für die Klasse zuständigen Fachkräften erörtert und beschlossen. Auch die notwendige Reflexion des Unterrichtsgeschehens und die damit einhergehende Absprache der weiteren Vorgehensweise, erfordert von allen Beteiligten des Teams die Bereitschaft sich neue Handlungskompetenzen anzueignen oder bestehende zu erweitern. (Feuser, G. 1987a, S. 11 / 1987b, S. 62)
Der Unterricht in Integrationsklassen sollte gleichberechtigt von Regel- und Sonderschullehrer durchgeführt werden. Sowohl die Führung des Unterrichts als auch die Unterstützung aller Schüler der jeweiligen Klasse sind grundlegende Anforderungen, deren Umsetzung von beiden Fachkräften angestrebt werden sollte. (Feuser, G. 1987a, S. 11) Nur so kann erreicht werden, dass sich beide als Lehrer für alle Schüler verstehen und die durch die Anwendung traditioneller Diagnoseverfahren oftmals entstehende Selektion weitgehend vermieden wird. (Feuser, G. 1995, S. 189)
Einen integrativen Unterricht zu planen, der die Bedürfnisse behinderter und nichtbehinderter Schüler gleichermaßen berücksichtigt, fordert von den Lehrkräften zunächst die Revidierung ihres vorherrschenden Menschenbildes. Erst wenn sie jeden Schüler auf seiner jeweiligen Entwicklungsstufe als „kompetent und intelligent handelnden Menschen“ (Feuser, G. 1995, S. 171) begreifen, kann aufbauend auf diesem Fundament Integration verwirklicht werden. Bei der Festlegung von Lernzielen und -methoden sollten sich Lehrer und pädagogische Fachkräfte an den Gesetzmäßigkeiten menschlicher Persönlichkeitsentwicklung und menschlichen Lernens orientieren, um für jeden Schüler einen Lernerfolg zu garantieren. (Feuser, G. 1987b, S. 61) Basierend auf einem gemeinsamen Unterrichtsgegenstand werden Ziele, Methoden und Medien differenziert, so dass durch dieses gemeinschaftliche individualisierte Curriculum den unterschiedlichen Entwicklungsniveaus der Schüler entsprochen wird. Diese auf Grundlage der Individualisierung realisierte Innere Differenzierung bietet jedem Klassenmitglied die Möglichkeit durch seine Arbeit einen wertvollen Beitrag zum Gelingen des Gesamtprojekt leisten zu können. Darüber hinaus sollte der Unterricht so ausgerichtet werden, dass er die Erreichung der nächsthöheren Entwicklungsstufe des Schülers anstrebt. Von Seiten des Lehrers erfordert dieses Ziel die Anwendung verschiedener Kommunikationsformen, um sich nicht nur auf präverbaler sondern auch auf verbaler Ebene mit dem Schüler angemessen verständigen zu können. (Feuser, G. 1987a, S. 21-23)
Ein quantitativer Aspekt, der in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben soll, bezieht sich auf die schulbezogene Ausstattung. Noch immer sind diese Ressourcen an die Art und den Schweregrad der Behinderung gebunden, was eine Etikettierung dieser Schüler zur Folge hat. Dem entgegenzuwirken bedarf es einer schulbezogenen Ausstattung, die sich primär nach der Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit Schädigungen oder sozialen Problemen und den damit einhergehenden notwendigen therapeutischen Aufwand sowie nach der individuellen Betreuung durch diverse Fachkräfte richtet. (Feuser, G. 1995, S. 188)
Kritik an der gegenwärtigen Umsetzung von Integration
Die heutige Pädagogik versteht Integration in erster Linie nur aus phänomenologisch orientierter Perspektive. Häufig nur mit dem Augenmerk auf die Unterrichtsorganisation und die räumliche Zusammenführung behinderter und nichtbehinderter Schüler gerichtet, werden die Bedürfnisse des Einzelnen bei dem Versuch Integrationspraxis zu betreiben weder erkannt noch wird ihnen Rechnung getragen. Integrative Maßnahmen wie sie heute angewandt werden, bergen die Gefahr in sich behinderte Kinder und Jugendliche zu ‚Auch-Menschen‘ zu klassifizieren und führen so „die alte Ungleichheit und Abhängigkeit der Behinderten von den Nichtbehinderten“ (Feuser, G. 1987b, S. 65) fort. Obwohl sie ‚auch‘ in die Regelschule gehen dürfen, was für nichtbehinderte Kinder selbstverständlich ist, erfolgt der Unterricht dort auf der Basis eines eigens für sie individualisierten Lehrplans, oftmals gekennzeichnet durch reduzierte Bildungsinhalte. (Feuser, G. 1995, S. 134) Gerade für geistig behinderte Kinder und Jugendliche bringt die heutzutage betriebene Integrationspraxis mehr Nachteile mit sich als das sie ihnen nutzt. Das Nichtvorhandensein speziellen Personals und Materials sowie die nur einseitig auf nichtbehinderte Kinder ausgerichtete Didaktik nimmt dem Behinderten jegliche Möglichkeit angemessen zu lernen und führt schließlich zur sozialen Vereinsamung. (Feuser, G. 1995, S. 198) Verursacht durch den noch immer dominierenden Fächerunterricht in Regelschulen erfolgt trotz Integration Behinderter in Klassen mit nicht behinderten Schülern häufig kein gemeinsamer Unterricht. Einzel- und Kleingruppenunterricht speziell nur für behinderte Schüler sind die Folge. (Feuser, G. 1995, S. 179-180)
Besonders die Gruppe der Kinder und Jugendlichen mit schwerer geistiger Behinderung oder Mehrfachbehinderung wird von Integrationspädagogen oftmals als nicht integrierbar eingestuft. Die Motive hierfür sind in den Einstellungen und Haltungen der Pädagogen gegenüber Behinderten zu finden. Sie sind der Auffassung, dass mit der heutigen Unterrichtsarbeit schon genug Probleme einhergehen und ein Hinzukommen schwerstbehinderter Schüler, mit denen eine Verständigung oft nicht möglich erscheint, diese Situation noch verschärfen würde, was eine völlige Überforderung ihrerseits zur Folge hätte. Um größtmögliche Homogenität zu gewährleisten, werden diese Kinder schließlich in die Sonderschule abgeschoben, die infolgedessen nun zur Restschule degeneriert. (Feuser, G. 1995, S. 182-183 / S. 208 und 220)
Auch wenn in Regelklassen integrierte behinderte Schüler durch eigene Erkenntnisse der Klasse Anregungen geben, wird dies von den Lehrern nicht anerkannt oder im schlimmsten Fall sogar als störend empfunden. So wird die Individualität des behinderten Schülers unterdrückt, um Raum für die vom Lehrer angestrebte Erreichung des Unterrichtsziels zu schaffen. Das zeigt deutlich, welche Defizite die Pädagogen gegenwärtig noch aufweisen. Ein Lernerfolg spiegelt sich für sie nur in nach außen erkennbaren Fortschritten wider. Das hat zur Folge, dass sie auch den Entwicklungsstand des behinderten Schülers „nur nach den reifen Früchten“ (Feuser, G. 1995, S. 186 zitiert nach Vygotskij 1964, 242) beurteilen. Dabei bedenken sie jedoch nicht, dass der von ihnen durchgeführte Unterricht im Ergebnis die gesamte Entwicklung eines Kindes fördern muss. (Feuser, G. 1995, S. 184-186)
Noch immer befinden sich Sonder- und Regelschulen häufig an unterschiedlichen Standorten, so dass die für Integration erforderliche räumliche Zusammenführung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher nicht ermöglicht wird. (Feuser, G. 1995, S. 208) Nach und nach werden aber auch sogenannte Integrationsschulen gebildet. Doch trotz aller Bemühungen Integration durch den Aufbau dieser Schulen zu realisieren, führt die Existenz des in der Praxis bestehenden gegliederten Schulsystems und die daraus resultierenden notwendigen Selektionsprozesse dazu, dass auch diese Institution letztlich ein selektives System bleibt. Folglich handelt es sich somit wieder nur „um eine weitere zu etablierende ‚Sonderpädagogik‘“ (Feuser, G. 1995, S. 135).
Dass sich Integration häufig wirtschaftlichen Interessen unterordnen muss, zeigt sich im stetigen Vorantreiben integrativer Maßnahmen, unabhängig davon, ob diese für den jeweiligen Schüler Vor- oder Nachteile mit sich bringen. Die mit der Auflösung von Sonderschulen verbundene Kosteneinsparung scheint in diesem Fall der primäre Grund für diese Vorgehensweise zu sein. Dieser Aspekt zeigt offen, wie schwierig es ist, die Ansprüche von Erziehung und Bildung mit den Vorstellungen der Politik in Einklang zu bringen. (Feuser, G. 1995, S. 134-139)
Die bereits erwähnte einseitige Betrachtung der Didaktik in der Integrationspädagogik stellt für Feuser sowohl die Ursache als auch die Folge der heute bestehenden Konflikte innerhalb der Integrationsbewegung dar. (Feuser, G. 1995, S. 133) Nur wenn die praktizierte Pädagogik und Didaktik überdacht und zu Gunsten aller Schüler verändert werden, ist seiner Meinung nach der Weg für die Realisierung einer unteilbaren Integration geebnet. (Feuser, G. 1995, S. 183)
Zusammenfassend wird verdeutlicht, dass Integration gleichermaßen Weg und Ziel darstellt. (Feuser, G. 1995, S. 199) Nur dort, wo heute vorliegende Erkenntnisse didaktischer und methodischer Art im Unterricht umgesetzt werden, wird man dem Anspruch der Integration „Allen alles zu lehren“ (Feuser, G. 1995, S. 171) gerecht werden. (Feuser, G. 1987a, S. 105)
Integration nach Hinz und Feuser im Vergleich
Beide Autoren haben sich mit dem Begriff der Integration auf ihre Weise und ihrem Verständnis nach auseinander gesetzt. Darüber hinaus wurde von Hinz auch das Wesen der Inklusion mit in die Betrachtung gezogen.
Kennzeichnend für Integration ist laut Hinz in erster Linie der Einbezug behinderter Kinder und Jugendlicher in Gruppen mit Nichtbehinderten. Um dort ihre Weiterentwicklung entsprechend zu fördern sind personenbezogene Ressourcen als auch eigens für sie zuständige Pädagogen erforderlich. Dem entgegen steht die Auffassung von Feuser, der zwar auch den Anspruch hat behinderte und nichtbehinderte Schüler in Institutionen zusammenzuführen, um so eine Vollintegration zu realisieren, aber unter der Prämisse, das sich die dortige Materialausstattung und der Personaleinsatz nicht nach der behinderten Person richtet, sondern primär nach der Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit Schädigungen oder sozialen Problemen. Nur schulbezogene Ressourcen verhindern seiner Meinung nach effektiv eine Etikettierung des Behinderten.
Die angestrebte Erreichung der im Lehrplan vorgegebenen Lernziele erstreckt sich in der Integrationspraxis wie Hinz sie darstellt auf alle Schüler einer Klasse. Obwohl man bereits im Vorfeld weiß, dass die integrierten Behinderten die festgelegten Lernziele nicht erreichen können, werden sie, vorausgesetzt die materiellen und personellen Rahmenbedingungen stimmen, in die Allgemeine Schule aufgenommen. Das Aufkommen dieser Problematik hat Feuser bereits vorneherein durch ein von ihm gefordertes gemeinsames, in Teilbereichen individualisiertes, Curriculum ausgeschlossen, welches er als Grundlage jeder erfolgreichen Integration sieht. Dieses zeichnet sich durch die Festlegung variabler Lernziele resultierend aus einem zuvor definierten gemeinsamen Unterrichtsgegenstand aus, wodurch jedem Mitglied der Klasse ermöglicht wird entsprechend seinem Entwicklungsstand zu lernen.
Die Aussage „Sag mir deine Schädigung und ich sage dir deine Integrationsmöglichkeiten“ (Hinz, A. 2002, S. 356) kennzeichnet die von Hinz beschriebene praktische Umsetzung der Integration. Primär beruht die Auswahl geeigneter Integrationsformen auf einer zuvor getätigten Selektion mit dem Ziel eine größtmögliche Homogenität zu gewährleisten. Kinder und Jugendliche, die annähernd dem gleichen geistigen Niveau entsprechen werden folglich in Gruppen zusammengefasst. Mehrfachbehinderte hingegen werden durch dieses Verfahren verstärkt aus integrativen Maßnahmen und Projekten heraus gedrängt. Diese Vorgehensweise wird von Feuser entschieden abgelehnt. Im Mittelpunkt seines Integrationsverständnisses steht die Heterogenität einer Gruppe. Basierend auf der Individualität des Einzelnen wird eine Innere Differenzierung realisiert, indem der gemeinsame Unterrichtsgegenstand in all seinen Dimensionen so aufbereitet wird, dass jeder Schüler der Klasse die Möglichkeit hat einen wertvollen Beitrag zum Gelingen des gesamten Projektes beizutragen. Damit sind die Voraussetzungen für die Aneignung neuer Handlungskompetenz und den Aufbau einer sozialen Gemeinschaft, in der sich keiner ausgeschlossen fühlt, geschaffen.
Die von Hinz angesprochene Selektionspraxis resultiert seiner Meinung nach aus den Einstellungen und Haltungen der Pädagogen gegenüber Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen. Mit dem Augenmerk auf das Nicht-Können behinderter Kinder gerichtet, werden diese bei den Überlegungen hinsichtlich der Integrierbarkeit bereits im Vorfeld ausgeschlossen oder sitzen isoliert in Integrationsklassen, ohne dass auf ihre Belange hinreichend eingegangen wird. Feuser und Hinz teilen die Ansicht, dass die Planung eines integrativen Unterrichts, der die Bedürfnisse aller Schüler der Klasse gleichermaßen berücksichtigt, ein Umdenken der pädagogischen Fachkräfte erfordert. Die Bereitschaft, Veränderungen im Bewusstsein und Handeln zu vollziehen, entscheidet letztlich über den Erfolg oder Misserfolg integrativer Maßnahmen.
Auch das Vorhandensein angemessener Rahmenbedingungen einer Schule als Grundlage für die Umsetzung von Integration wird von beiden als notwendig erachtet. Ein gemeinsames Lebens- und Lernumfeld Behinderter und Nichtbehinderter in ihrem gewohnten sozialen Umfeld zu schaffen, sieht Hinz als eine Herausforderung der integrativen Pädagogik. Feuser entspricht diesem Anspruch durch die Realisierung einer wohnortnahen Integration. Die mit der Regionalisierung erforderliche Dezentralisierung aller spezifischen Hilfen für behinderte Schüler führt im Ergebnis dazu, dass Maßnahmen dort angewandt werden wo man sie benötigt. Anstelle Therapien isoliert von den anderen Schülern durchzuführen werden diese nun so weit wie möglich in den Unterricht
integriert, so dass das von Hinz kritisierte vielfach praktizierte räumliche Bei- oder Nebeneinander behinderter und nicht behinderter Schüler vermieden wird.
Die Realisierung der Integration nach dem Verständnis von Feuser erfordert ein gemeinsames Unterrichten von Regel- und Sonderschullehrern, gekennzeichnet durch einen ständigen Wechsel zwischen der Führung des Unterrichts und der Unterstützung der Schüler. Eigene Pädagogen für behinderte Kinder bereitzustellen, führt seiner Meinung nach dazu, dass dieser Schüler innerhalb der Gemeinschaft als etwas Besonderes dargestellt wird, was infolgedessen oftmals zu einer Etikettierung führt. Dem entgegen steht die Auffassung von Hinz. Die Entwicklung eines behinderten Schülers kann nur optimal gefördert werden, wenn eigens für ihn zuständige Pädagogen vorhanden sind. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, scheitert das integrierte Kind laut Hinz an den sozialen und inhaltlichen Anforderungen der Schule und hat somit keine Chance sich persönlich zu entfalten.
Der hier erfolgte Vergleich betrachtet nur einige ausgewählte Aspekte des Integrationsbegriffs nach dem Verständnis beider Autoren. Jedoch scheint eines deutlich geworden zu sein: trotz Anwendung des gleichen Begriffs werden unterschiedliche Vorstellungen und Forderungen mit diesem verknüpft. Um diesen bedeutsamen Aspekt noch klarer hervorzuheben, wurden die getätigten Ausführungen von Hinz zum Thema Inklusion nicht mit in die Betrachtung gezogen. Wenn man sich diese aber anschaut, wird man festzustellen, dass sie vollständig dem Verständnis von Feuser’s Integrationsbegriffs entsprechen. Folglich kommt es also nicht auf die Wortwahl an, sondern auf die Gedanken jedes Einzelnen, die mit diesem Begriff assoziiert werden. Gleicher Wortgebrauch bedeutet somit im Ergebnis noch lange nicht gleiches Verständnis.
Schlussbemerkung
Bedeutet gleicher Wortgebrauch auch gleiches Verständnis?
Die getätigten Ausführungen haben eindeutig gezeigt, dass dem nicht so ist. Wie Integration und Inklusion von jedem Einzelnen verstanden wird, hängt primär von dessen Vorstellungen und seinen bisherigen Praxiserfahrungen ab. Mit seinem Verständnis von Integration und den für die Realisierung notwendigen Rahmenbedingungen war Georg Feuser 1995 seiner Zeit um einige Jahre voraus. Bereits zu diesem Zeitpunkt beschrieb er integrative Pädagogik in einer Art und Weise, wie sie dem heute immer öfter auftauchenden Inklusionsbegriff entspricht.
Ob dieser theoretisch dargestellte Inklusions- beziehungsweise Integrationsbegriff jemals in seinem ganzen Ausmaß in die Praxis umgesetzt werden kann, ist jedoch fraglich. Zu viele Barrieren stehen auch heute noch der Verwirklichung dieser Pädagogik im Weg. So fördert beispielsweise das gliederte Schulsystem die Selektion anstatt sie zu verhindern. „Wille zur Integration bedeutet […] Wille zur Schulreform“ (Feuser, G. 1987a, S. 220), ein Anspruch, den Feuser schon vor Jahren gestellt hat, dem aber bis heute nur in wenigen Fällen entsprochen wurde, obwohl ein verändertes Schulprofil und ein darauf basierendes Schulprogramm grundlegende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration behinderter Kinder und Jugendlicher bilden. Von Seiten der letztlich für die Umsetzung zuständigen Pädagogen verlangen beide Autoren eine Veränderung der Verhaltensweisen und Einstellungen als auch eine der jeweiligen Situation angepasste Didaktik, denn „Wo Lehrer, Therapeuten und Mitarbeiter […] im integrativen Unterricht selbst nicht integriert sind kann […] kein Schüler integriert werden“ (Feuser, G. 1987a, S. 106). Dass integrative Pädagogik nach dem Verständnis von Feuser bereits in der Vergangenheit erfolgreich umgesetzt werden konnte, zeigt der im Jahre 1984 begonnene „Schulversuch zur gemeinsamen Unterrichtung behinderter und nichtbehinderter Schüler in einem Klassenverband (Integrationsklasse) der Grundschule am Standort Robinsbalje“ (Feuser, G. 1987a, S. 7).
Integration beziehungsweise Inklusion ist ein Prozess, der sich täglich und immer wieder neu vollzieht. Die Herausforderung der gegenwärtigen Inklusionsbewegung sollte demnach darin bestehen, den Begriff der Inklusion nicht zum neuesten Modewort der Pädagogik verkommen zu lassen, sondern alle Möglichkeiten für die gegenwärtige und zukünftige Realisierung der damit verbundenen Ansprüche und Forderungen zu schaffen.
Literaturverzeichnis
Feuser, Georg (1984): Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder im Kindertagesheim. Bremen: Diakonisches Werk.
Feuser, Georg / Meyer, Heike (1987a): Integrativer Unterricht in der Grundschule. Solms: Jarick Oberbiel.
Feuser, Georg (1987b): Unverzichtbare Grundlagen und Formen der gemeinsamen Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder in Kindergarten und Schule. In: Kniel, Andrian (Hrsg.): Integration behinderter Kinder im Vorschulalter. Kassel: Gesamthochschule Kassel.
Feuser, Georg (1995): Behinderte Kinder und Jugendliche. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Hinz, Andreas (1992): Kinder mit schwersten Behinderungen. Herausforderung und Aufgabe für integrative Pädagogik. In: Hinz, Andreas (Hrsg.): Schwerstbehinderte Kinder in Integrationsklassen. Marburg: Lebenshilfe-Verlag.
Hinz, Andreas (2002): Von der Integration zur Inklusion – terminologisches Spiel oder konzeptionelle Weiterentwicklung? In: Zeitschrift für Heilpädagogik Jg. 53, Nr. 9, S. 354-360.
Hinz, Andreas (2007): Elementare Unterstützungsbedürfnisse als Herausforderung an inklusive Pädagogik. In: Hinz, Andreas (Hrsg.): Schwere Mehrfachbehinderung und Integration. Marburg: Lebenshilfe-Verlag.
Eva Herrmann (2012): Das inklusive Konzept der Montessori-Pädagogik und das Menschenrecht auf Bildung für Behinderte. Ein mögliches Vorbild für ein deutsches inklusives Bildungssystem
Einleitung
Integration und Inklusion sind (pädagogisch) zentrale Begriffe der Gegenwart, die heutzutage auch in den Medien zunehmend verbreitet sind. Nicht selten werden sie im alltäglichen Gebrauch miteinander gleichgesetzt, weil man denken könnte, das Wort Inklusion hat das der Integration abgelöst. Dabei verbergen sich hinter diesen zwei Begriffen unterschiedliche Forderungen und Ziele, welche im Feld der Pädagogik eine sehr wichtige Rolle einnehmen, darunter auch im Bereich der Schule. Was die Integrations- und Inklusionspädagogik gemeinsam haben, ist der Anspruch, Kinder und Jugendliche zusammen zu unterrichten, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten und Behinderungen sowie von ihrer sozialen, ethischen und kulturellen Herkunft. Seit 2009 hat sich Deutschland dazu verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem zu errichten, und somit einen gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen zu gewährleisten. Jedoch stellt sich immer wieder die Frage, wie dies umgesetzt werden kann. Befasst man sich mit der Montessori-Pädagogik, so wird deutlich, dass hier bereits eine lange Erfahrung mit einem inklusiven Konzept besteht.
In der folgenden Arbeit soll die Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Bereich der Schule im Mittelpunkt stehen. Zunächst einmal soll gezeigt werden, warum die Worte Integration und Inklusion oftmals nebeneinander auftauchen, und wie diese v. a. im pädagogischen Diskurs miteinander zusammenhängen. Anschließend werde ich den Begriff Inklusion definieren. Dazu ist es nötig, diesen von dem der Integration abzugrenzen, um ein klares Bild davon zu bekommen, in welchen Punkten sich die beiden voneinander unterscheiden.
Im darauffolgenden Teil dieser Arbeit werde ich verdeutlichen, dass das Bereitstellen eines inklusiven Schulsystems seit der Unterzeichnung der Behindertenrechtskonvention eine Verpflichtung für Deutschland darstellt. Es soll gezeigt werden, wie es zur Entstehung dieses Menschenrechts kam und anschließend der Artikel 24, der dies rechtlich verankert, näher beleuchtet werden.
Als eine Möglichkeit, wie man die Inklusion von behinderten Menschen im schulischen Bereich verwirklichen kann, sollen Maria Montessori mit ihrem Erziehungskonzept sowie die inklusiven Ansätze der Montessori-Pädagogik − wie sie sich in der Praxis umsetzten − betrachtet werden.
Im Schlussteil dieser Arbeit möchte ich schließlich ein Resultat ziehen, ob dieses inklusive Konzept die Anforderungen des Artikels 24 erfüllt, ob sich gewisse Nachteile durch dieses Konzept ergeben und ob es letztendlich als Vorbild für den Ausbau des inklusiven Bildungssystems in Deutschland dienen kann.
Begriffsklärung von Integration und Inklusion
Zusammenhang der beiden Begriffe im pädagogischen Diskurs
Im Diskurs um Integration und Inklusion implizieren die beiden Begriffe das Streben nach einer Teilhabe für alle Menschen an allen Bereichen des Gemeinwesens. Diese Teilhabe soll demnach gleichberechtigt, gleichwertig, barrierefrei und unbegrenzt sein. Somit kann schließlich ein Menschenrecht verwirklicht werden (vgl. Feuser 2010, S. 17): „Die Einbindung und das Aufgehobensein in soziale gesellschaftliche Verhältnisse“ (Stein et al. 2010, S. 11).
Laut Prof. Dr. Georg Feuser, der sich seit Jahren sehr intensiv mit der Thematik der Integration und Inklusion im Rahmen der Behindertenpädagogik auseinandersetzt, beinhaltet Integration das Ziel, dass alle Kinder und Jugendliche miteinander lernen dürfen, unabhängig von ihren verschiedenen Lernmöglichkeiten, ihrem Entwicklungsstand und ihren Beeinträchtigungen. Auch eine andere Sprache, Religion oder Nationalität dürfen einem gemeinsamen Unterricht nicht im Wege stehen. Ein solch errichtetes integratives System in den Bereichen der Erziehung, Bildung und des Unterrichts, das ohne Selektion und Segregation auskommt, kann nach Feuser dann fachlich gesehen als ein inklusives aufgefasst werden. Er ist also der Meinung, dass die Integration behinderter Menschen in die Klassen bestehend aus Nichtbehinderten, die Prämisse für die Umsetzung/Entstehung eines inklusiven Bildungssystems darstellt. Indem sich also ein Wandel in der pädagogischen Praxis vollziehen würde, hin zu einer gleichberechtigten und gleichwertigen Teilhabe an Bildung für alle Menschen, könnten schließlich inklusive Felder im Bereich des Lernens entstehen (vgl. Feuser 2010, S. 19 f.).
Eine solche oder ähnliche Auffassung wird immer wieder auch von anderen Autoren in der Literatur zum inklusiven Bildungssystem wiedergegeben, so beispielsweise auch bei dem Sonderpädagogen Prof. Dr. Alfred Sander:
„Unter Inklusion kann man eine optimierte und erweiterte Integration verstehen: optimiert durch den Abbau der öfters noch beobachtbaren Schwächen der Integrationspraxis und erweitert durch die Einbeziehung aller Kinder und Jugendlichen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen welcher Art auch immer“ (Sander 2008, S. 350).
Man sieht hier bereits, dass die beiden Begriffe nicht wirklich trennbar voneinander sind. Deshalb tauchen sie auch so oft in Verbindung miteinander auf. In der Begriffsdiskussion wird der Integrationsbegriff auch oft als der „zu überwindende“ und der Inklusionsbegriff als „der weiterführende“ genannt (vgl. Stein et al. 2010, S.10). Sie sind aber dennoch nicht synonym zu verwenden, da sie einen wichtigen Unterschied aufzeigen, der im Folgenden ausgeführt wird.
Definition und Abgrenzung der Begriffe Integration und Inklusion
Der Begriff Integration bedeutet so viel wie „Eingliederung“ oder „Einbeziehung“. Es geht also darum, „(…) Menschen mit besonderen Bedürfnissen in eine Gruppe von Menschen bzw. ein System von Menschen ohne Behinderungen aufzunehmen, d.h. Individuen einzugliedern, die vorher ausgeschlossen waren (…)“ (Eckert et al. 2010, S. 8). Die behinderten Individuen werden demnach in die Gesellschaft bzw. in das Bildungssystem mit einbezogen und von ihr bzw. von ihm aufgenommen, jedoch werden sie immer noch als eine getrennte Gruppe auf Grund ihrer Beeinträchtigungen angesehen.
Inklusion hingegen ist gleichzusetzen mit den Worten „Einschluss“ oder „Enthaltensein“, was bedeutet, dass von Anfang an niemand ausgeschlossen wird und somit auch keine Eingliederung mehr nötig ist. Menschen mit Behinderungen werden demnach nicht mehr getrennt von nichtbehinderten Menschen betrachtet und behandelt. Deshalb entfällt auch die Notwendigkeit der Integration von behinderten Menschen in die Lerngruppen von Nichtbehinderten. Der Inklusionsgedanke impliziert das Ziel, eine gemeinsame Beteiligung am gesellschaftlichen Leben und damit auch ein gemeinsames Lernen von Anfang an zu gewähren, und dabei die Verschiedenheit der Individuen außer Acht zu lassen (vgl. ebd.). Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen werden demnach nicht als zwei verschiedene Gruppen angesehen. So kann sich eine heterogene bzw. vielfältige Klasse entwickeln.
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- Quote paper
- Kristin Kunert (Author), Eva Herrmann (Author), Sylvia Wilbrink (Author), 2013, Inklusion ermöglichen – Grenzen überwinden. Schulpädagogik bei Kindern mit Behinderung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268684
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