Kaiser Konstantin (306-337) führte nicht nur eine Wende in der Beziehung zwischen römischem Staat und christlicher Kirche herbei, sondern auch eine neue Ära des christlichen Sakralbaus. So wurden aus den vormaligen domus ecclesiae (Häuser der Kirche) Basiliken (Königshallen).
Der vorliegende Essay vermittelt einen Überblick über die Sakralbauten in der konstantinischen Epoche, verortet sie im Handeln Konstantins und würdigt seine Kirchenbautätigkeit und -förderung.
1. Kirchenrestitution als unmittelbarer Dank für Schlachtsieg
Bereits im Jahr 306 liess Konstantin, der sich schon damals um Toleranz gegenüber den Christen bemühte, ihnen in seinem Machtbereich ihre Kultgebäude zurückgeben. 312 gelang es Konstantin nach erstmaliger öffentlicher Anrufung des christlichen Gottes vor einer Schlacht und in dessen Zeichen, den usurpatorisch regierenden Kaiser Maxentius (306-312) bei der Milvischen Brücke vor der Stadt Rom militärisch zu besiegen, und so zusammen mit dem Mitstreiter Licinius die Macht über das ganze römische Reich zu erringen. Als Dank für ihren Sieg sorgten sich die neuen Kaiser Konstantin und Licinius zunächst um die Rückgabe und Wiederherstellung der in Verfolgungszeiten zerstörten christlichen Kultbauten: Gemäss der alsbald nach dem Sieg geschlossenen Mailänder Vereinbarung (Toleranzedikt) zwischen Konstantin und Licinius aus dem Jahr 313 waren früher enteignete Kirchenbauten zu restituieren, wo immer dies noch möglich war. Wo es zu einer Beschädigung oder Zerstörung einer Kirchenanlage gekommen war, sollte den christlichen Gemeinden zudem eine Entschädigung für die Wiederherstellung ausbezahlt werden. Diese Vereinbarung wird Konstantin gleich wie Licinius vollzogen haben, der beispielsweise den Statthalter Bithyniens brieflich anwies, den Christen die gottesdienstlichen Stätten in früherem Zustand zurückzugeben (Lactantius, De mortibus persecutorum, 48.12-13). Da nach alter römischer Auffassung aufgrund des Schlachtsiegs neu auch der Christengott das Heil des Staats garantierte und das Christentum nun eine der staatlich anerkannten Religionen mit entsprechendem Ansehen und Zulauf war, wollte Konstantin – wohl mit Licinius' Zustimmung – aber darüber hinaus für repräsentative Kirchenanlagen sorgen.
2. Kaiserlicher Kirchenbau in Rom
So stiftete Konstantin gleichsam ex voto Ende 312 oder Anfang 313 anlässlich seines ersten Rombesuchs als weiteren Dank für die gewonnene Schlacht die basilica Lateranensis als monumentale fünfschiffige, dem Erlöser geweihte Bischofskirche mitten in der Stadt Rom. Der Neubau sollte die bisherigen Haus- bzw. Titelkirchen in den 14 Stadtregionen und die Memorialkapellen bei den Märtyrergräbern ausserhalb der Stadt in Grösse und Pracht deutlich überbieten. Als Bauplatz stellte der Kaiser das Grundstück der Laterani zur Verfügung, auf welchem sich die Reste der anlässlich der Schlacht mit Maxentius geschleiften Kaserne der früheren kaiserlichen Elitetruppe equites singulares befanden. Mit schliesslich rund 5'000 Quadratmetern überbauter Fläche wollte der Kaiser aber wohl nicht nur ein repräsentatives Denkmal an den Schlachtsieg setzen, sondern auch der nun nach der Erhebung des Christentums zu einer Staatsreligion einsetzenden Vergrösserung der Christengemeinde Rechnung tragen. An die Basilika (griech. στοὰ βασιλική; „Königshalle“) liess Konstantin um 315 ergänzend als ebenso prächtige Tauflokalität ein Baptisterium anbauen. Nach ihrer Vollendung stattete der Kaiser beide Kirchenanlagen mit prunkvollen Geschenken aus – die Basilika z.B. erhielt für die sieben kirchlichen Regionen der Stadt Rom sieben silberne Altäre – und legte für sie jährliche kaiserliche Unterhaltszahlungen fest: 4'390 solidi / Jahr für die Basilika und 10'234 solidi / Jahr für das Baptisterium. Wohl nur wenige Jahre später (um 320), vielleicht aber auch schon früher, liess Konstantin zudem an der Via Labicana, auf dem ehemaligen Friedhofsgelände der equites singulares , über der Katakombe der in der diokletianischen Verfolgung hingerichteten Märtyrer Marcellinus und Petrus eine sogenannte Umgangsbasilika, die basilica ad duas lauros , errichten. An diese baute Konstantin ein zunächst für sich selbst gedachtes grosses imperiales Mausoleum an, worin schliesslich die Kaisermutter Helena (sie verstarb um 330) ihre letzte Ruhe finden sollte. Um die von seiner Mutter aus Jerusalem nach Rom gebrachten mutmasslichen Reste des Kreuzes Jesu verehren zu können, in dessen Zeichen die Schlacht gewonnen worden war, wurde von Konstantin ferner – offenbar vor 316 – auf Geheiss Helenas im Sessorium, dem ehemaligen Palast des früheren Kaisers Elagabal, in Form eines einschiffigen Apsidensaals die Kirche Sancta Crux in Ierusalemme errichtet. Zur Krönung der Märtyrerverehrung in Rom und zugleich wohl als Rache an Kaiser Nero gedacht, errichtete Konstantin – wahrscheinlich zwischen 315 und 349 – am Abhang des Vatikanhügels vor den Toren der Stadt sodann ohne Scheu vor Kosten oder Mühe eine monumentale fünfschiffige Basilika über dem Grab des als Märtyrer gestorbenen Apostelfürsten Petrus, die um einen Drittel grösser als die Laterankirche werden sollte. Am Triumphbogen zwischen basilikalem Hauptschiff und dem Querschiff über der Apostelmemoria brachte der Kaiser als Ausdruck seiner Freude über die gewonnene Schlacht folgende an Christus gerichtete, ebenfalls Dank sagende Inschrift an: „Weil sich unter deiner Führung die Welt triumphierend zu den Gestirnen erhob, weihte Konstantin, der Sieger, dir diese Halle“. Das am Triumphbogen angebrachte Mosaikbild zeigte den Kaiser mit dem Kirchenmodell, welches er Christus und Petrus überreicht, versehen mit der Inschrift „ aula “. Diese Bezeichnung erinnert an kaiserliche Repräsentationsbauten. Für den Unterhalt der Petersbasilika legte der Kaiser jährliche 3'708 solidi fest. Sodann baute Konstantin an der Via Ostiensis über dem Grab des zweiten Apostelfürsten, der in Rom unter Nero den Märtyrertod erlitten hatte, Paulus, ebenfalls eine fünfschiffige Memorialbasilika – die Kirche Hl. Paul ausserhalb der Mauern –, doch bedeutend kleiner und bescheidener. Sie wurde vermutlich 324 geweiht. Auch über dem Grab an der Via Appia, in welches die Gebeine der Apostel Petrus und Paulus während einer Verfolgung im 3. Jahrhundert überführt worden waren, errichtete der Kaiser eine Basilika, die Apostelkirche, mit welcher wohl erneut ein grosses Mausoleum für ein Mitglied der Kaiserfamilie verbunden war. Zusätzlich liess er in Roms Hafenstadt Ostia eine dreischiffige Basilika für Petrus und Paulus bauen. Ferner errichtete Konstantin zusammen mit seinen Familienangehörigen zu Ehren christlicher Märtyrer auf kaiserlichem Grund und Boden die – offenbar bedingt durch die Erfordernisse des Märtyrer- und Totenkultes – als Umgangsbasiliken gestalteten monumentalen Coemeterialbasiliken S. Sebastianus an der Via Appia (bei der Apostelkirche), S. Agnes an der Via Nomentana und S. Laurentius an der Via Tiburtina sowie vielleicht auch die Basilika von Tor de Schiavi. Diese Memorialkirchen befanden sich als über christlichen Friedhöfen gelegene Bauten allesamt an Ausfallstrassen der Stadt Rom und waren zumeist mit einem Mausoleum für ein Mitglied der kaiserlichen Familie verbunden, dienten also insbesondere dem Gedächtniskult des Kaisers und seinen Angehörigen. So war z.B. an das Atrium der von der Kaisertochter Konstantina gestifteten Agnesbasilika ein grosses Rundmausoleum als spätere Grablege der Stifterin angebaut. Laut dem Liber pontificalis (erste Ausgabe um 530), der die von Konstantin für Kirchenanlagen geschenkten Grundstücke und gebauten Kirchen sowie das von ihm gespendete liturgische Gerät verzeichnete, durfte zudem auch Papst Markus im Jahr 336 mit Förderung Konstantins eine Coemeterialbasilika auf kaiserlichem Grund und Boden erstellen. Alle diese konstantinischen Kirchenanlagen, bei denen der Kaiser in der Regel die Architektur, die verwendeten Materialien und die Innenausgestaltung mitbestimmte, wurden vom Kaiser bzw. stiftenden Mitglied der Kaiserfamilie meist reichhaltig ausgestattet und waren wie die antiken Tempel nach Osten zur aufgehenden Sonne ausgerichtet.
[...]
- Quote paper
- Dr.iur. Andrea G. Röllin (Author), 2014, Sakralbauten in der konstantinischen Epoche, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268647