Peter Schaber ist Vertreter des moralischen Realismus. In seinem Buch moralischer Realismus, welches 1997 erschien, legt er seine Interpretation des moralischen Realismus dar. Nach dem moralischen Realismus sind Urteile deshalb wahr oder falsch, weil sie sich auf etwas beziehen, das der Fall ist bzw. das nicht der Fall ist. Es stellt sich die Frage nach dem, was der Fall ist. Das ist der Fall, was (moralisch) wahr ist. Nach Schaber setzt der Begriff der moralischen Wahrheit voraus, dass es moralische Tatsachen gibt, die sich durch moralische Urteile als richtig nachweisen lassen.(Es gibt keinen Beweis für moralische Tatsachen. Im Folgenden wird angenommen, dass es sie gibt.) Moralische Urteile sind dann gut, wenn sie den Interessen von Personen dienen. Sie bestehen unabhängig von Einsichten, Überzeugungen und Gefühlen, denn sie haben einen objektiven Charakter.
Oftmals wird bestritten, dass die Sein- Sollens- These, welche 1739 von David Hume im dritten Buch von A Treatise of Human Nature aufgestellt wurde und besagt, dass Seinsaus-sagen bzw. Wertaussagen nicht aus Sollensaussagen abgeleitet werden dürfen, mit dem moralischen Realismus vereinbar ist:
„Ohne moralische Brückenprämisse a lässt sich das moralische Urteil nicht herleiten. Dies stellt den moralischen Realist vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Denn wenn sich eine moralische Aussage (…) nicht allein aus deskriptiven Aussagen ableiten läßt, kann es sich bei moralischen Aussagen nicht - wie der moralische Realist behauptet – um Aussagen handeln die bloß festhalten, was der Fall ist. Wäre nämlich der handlungsanleitende Gehalt einer moralischen Aussage durch den deskriptiven Gehalt bestimmt, ließen sich Sollensaussagen aus bestimmten deskriptiven Aussagen herleiten.“
(Schaber, Peter: Moralischer Realismus. Freiburg/ München: Karl Alber Verlag 1997. S. 161f.)
Es scheint so, als ob der moralische Realismus die Ableitbarkeit von Sollenssätzen aus Seins- sätzen impliziert. Man könnte zu dem Schluß gelangen, dass man entweder die Sein- Sollensthese oder den Moralischen Realismus verwerfen muss. Dies ist nach Schaber nicht der Fall.
Inhaltsverzeichnis
1. Forschungsbericht
2. Hume: The Is Ought Problem
3. Die Bedeutung von Ought [sollen]
4. Schabers Verteidigung der These: Der moralische Realismus ist mit dem Sein Sollens-Problem vereinbar.
4.1. Sollensaussagen werden nicht aus deskriptiven Aussagen allein abgeleitet.
4.2. Sollensaussagen können aus bestimmten, deskriptiven Aussagen hergeleitet werden.
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Forschungsbericht
Die Metaethik beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, ob moralische Urteile wahr bzw. falsch sein können. Der moralische Realismus bejaht diese Frage im Gegensatz zum Antirealismus.1
Peter Schaber ist Vertreter des moralischen Realismus. In seinem Buch moralischer Realis- mus2, welches 1997 erschien, legt er seine Interpretation des moralischen Realismus dar. Nach dem moralischen Realismus sind Urteile deshalb wahr oder falsch, weil sie sich auf etwas beziehen, das der Fall ist bzw. das nicht der Fall ist. Es stellt sich die Frage nach dem, was der Fall ist. Das ist der Fall, was (moralisch) wahr ist. Nach Schaber setzt der Begriff der moralischen Wahrheit voraus, dass es moralische Tatsachen gibt, die sich durch moralische Urteile als richtig nachweisen lassen.3 (Es gibt keinen Beweis für moralische Tatsachen. Im Folgenden wird angenommen, dass es sie gibt.)4 Moralische Urteile sind dann gut, wenn sie den Interessen von Personen dienen.5 Sie bestehen unabhängig von Einsichten, Überzeu- gungen und Gefühlen, denn sie haben einen objektiven Charakter.6
Oftmals wird bestritten, dass die Sein- Sollens- These, welche 1739 von David Hume im dritten Buch von A Treatise of Human Nature7 aufgestellt wurde und besagt, dass Seinsaussagen bzw. Wertaussagen nicht aus Sollensaussagen abgeleitet werden dürfen, mit dem moralischen Realismus vereinbar ist:
„Ohne moralische Brückenprämisse a lässt sich das moralische Urteil nicht herleiten. Dies stellt den moralischen Realist vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Denn wenn sich eine moralische ussage (͙) nicht allein aus deskriptiven Aussagen ableiten läßt, kann es sich bei moralischen Aussagen nicht - wie der moralische Realist behauptet - um Aussagen handeln die bloß festhalten, was der Fall ist. Wäre nämlich der handlungsanleitende Gehalt einer moralischen Aussage durch den deskriptiven Gehalt bestimmt, ließen sich Sollensaussagen aus bestimmten deskriptiven Aussagen herleiten.“8
Es scheint so, als ob der moralische Realismus die Ableitbarkeit von Sollenssätzen aus Seins- sätzen impliziert. Man könnte zu dem Schluß gelangen, dass man entweder die Sein- Sollensthese oder den Moralischen Realismus verwerfen muss. Dies ist nach Schaber nicht
der Fall.9 Es gibt zwei Möglichkeiten, nach denen der moralische Realismus mit der Sein-
Sollens- These vereinbar ist. Erstens: Sollensaussagen werden nicht aus deskriptiven Aussa- gen allein abgeleitet. Bei dieser Argumentation stützt sich Schaber auf Brinks Moral Realism and the Foundations of Ethics.10 Zweitens: Sollensaussagen können aus bestimmten deskrip- tiven Aussagen hergeleitet werden. Diese These lehnt sich an Mackies Buch Ethics. Inventing Right and Wrong11 an.12
Hudson behandelt in seinem Sammelwerk The Is Ought Problem13 die zentralen Fragen rund um die Sein- Sollens- These Humes. 1) Wurde Hume korrekt interpretiert? 2) Kann sollen auf ist vermindert werden? 3) Sind moralische Urteile deskriptiv oder präskriptiv? 4) Kann soll von ist abgeleitet werden?14 Wie Schaber auf diese Fragen antwortet, wird im Folgenden dargelegt.
2. Hume: The Is Ought Problem
Die Sein- Sollens- These wurde 1739 von David Hume aufgestellt. Deshalb wird sie auch als Humsches Gesetz bezeichnet. Hume schrieb im dritten Buch von A Treatise of Human Nature:
„When of a sudden I am surpriz`d to find, that instead of the usual copulations of propositions, is and is not, I meet with no proposition that is not connected with an ought, or an ought not. This change is imperceptible; but is, however, of the last con- sequence. For as this ought, or ought not, express some new relation or affirmation, `tis necessary that it shou`d be observe`d and explain`d and at the same time that a reason should be given, for what seems altogether inconceivable, how this new rela- tion can be a deduction from others, which are entirely different from it.”15
Häufig wechseln Ethiker unversehens zwischen Seinssät-
1. x zu tun, ist moralisch gut.
zen zu Sollenssätzen ohne eine Begründung für ihre 2. A sollte x tun.
Schlüsse von Seinssätzen auf Sollensaussagen abzugeben. →Fehlschluss
Ein Seinsatz kann nicht ohne Begründung aus einem Sollenssatz abgeleitet werden. Das
Humesche Gesetz stellt eines der bekanntesten Argumente dar, dass scharf zwischen Wertungen und Tatsachen trennt.16
3. Die Bedeutung von Ought [sollen]
Es ist auffällig, dass dem verhältnismäßig schwachen Hilfsverb ought so viel Aufmerksamkeit zuteil wird, daher macht es Sinn die Bedeutung von ought genauer zu betrachten. Wer auf eine sittliche Pflicht drängt, verwendet in der Regel must oder shall, nicht ought oder should. Ought ist einfache Vergangenheitsform von owe, wird aber im Präsens benutzt. Owe bedeu- tet so viel wie jemanden etwas Schulden. Daher könnte man A ought to x anstatt mit A soll x tun auch mit A ist es schuldig x zu tun übersetzen. Ought, shall, should und must werden sowohl im moralischen als auch im nichtmoralischen Kontext benutzt.17 Sollen kann in ver- schieden Kontexten benutzt werden.
4. Schabers Verteidigung der These:
Der moralische Realismus ist mit dem Sein-Sollens-Problem vereinbar.
4.1 Sollensaussagen werden nicht aus deskriptiven Aussagen allein abgeleitet.
Der moralische Realist muss nicht davon ausgehen, dass Sollensaussagen aus deskriptiven Aussagen allein gefolgert werden können: „Die bleitung von Sollensaussagen aus deskripti- ven Aussagen ist - wie die Anhänger der Sein- Sollens- These glauben - nur mit Hilfe einer moralischen Prämisse möglich.“18 Schaber führt folgendes Beispiel zur Verdeutlichung auf:
1. Moralische Brückenprämisse: Menschen in Not sollte geholfen werden.
2. Deskriptive Aussage: Hans ist in Not.
3. Moralisches Urteil: Hans sollte geholfen werden.
Mit Hilfe einer moralischen Brückenprämisse (a) lässt sich aus der deskriptiven Aussage (b) ein moralisches Urteil (c) ableiten, denn sowohl in der Prämisse (a) als auch in dem morali-
schem Urteil (c) ist das Wort sollen enthalten.19 Hudson äußert sich: „This argument runs, is how it always has to be valid moral reasoning. The premises
1. Wenn c, dann sollte A x tun.
2. c ist der Fall.
3. Daher sollte A x tun.
must include ought if the conclusion is to do so.”20 Wenn in der moralischen Brückenprä- misse soll enthalten ist, dann wird aus der Konklusion ein moralischer Sollenssatz. Strukturell ist das Argument gültig: sollen kann von sollen abgeleitet werden. Inhaltlich lässt sich die Brückenprämisse jedoch angreifen. Wenn die Brückenprämisse nicht als notwendig wahr angesehen wird, dann ist das moralische Urteil auch nicht notwendig wahr.21 Schaber unterscheidet zwischen Wertaussagen (x ist moralisch gut/ x dient dem Interessen von Personen) und Sollensaussagen (A soll x tun bzw. nicht tun). Oft lassen sich Wertaussagen in Sollensaussagen übersetzen, aber nicht immer.22 Wertaussagen wie moralische Urteile sind nach dem moralischen Realismus wahr oder falsch. Wertaussagen sind deskriptive Aussagen. Daher können sie aus anderen deskriptiven Aussagen abgeleitet werden ohne mit der Sein-Sollens-These in Konflikt zu geraten. Da moralische Urteile deskriptiv, sind kann auch aus ihnen allein kein Sollenssatz abgeleitet werden.23
Brink legt seine Ansicht, dass sich der moralische Realismus nicht durch die Sein-Sollens- These verwerfen lassen muss, in seinem Buch Moral Realism and the Foundations of Ethics dar.24 Er führt drei Argumente auf, nach denen sich der Moralische Realismus verwerfen lassen müsse (eines erkenntnistheoretischer Art, eines metaphysischer und eines ethischer Art) auf und widerlegt sie anschließend.25
Schaber nimmt Stellung zu dem metaphysischen Angriff auf den moralischen Realismus, den Brink aufführt.26 Dieser lautet: “ But some might argue, a set of claims cannot be fact-stating if none of its members is deducible from other, recognizably fact-stating disciplines. Because, by the is/ought thesis, no moral claim is deducible from nonmoral fact-stating claims, moral claims cannot be fact-stating. Therefore, moral nihilism is true and any cognitivist thesis such as moral realism must be false. ”27
Nach Brink lassen sich Sollensaussagen mit Hilfe von Brückenprämissen aus deskriptiven Aussagen ableiten. Sollenssätze sind auch dann wahrheitsfähig, wenn sie mit Hilfe von Brü- ckenprämissen abgeleitet werden. Auch in der Wissenschaft werden deskriptive Aussagen
[...]
1 Vgl. Schaber: Moralischer Realismus. S. 13 - 15
2 Schaber, Peter: Moralischer Realismus. Freiburg/ München: Karl Alber Verlag 1997.
3 Vgl. Ebenda. S. 15. f.
4 Vgl. Ebenda. S. 36
5 Vgl. Ebenda. S. 101
6 Vgl. Ebenda S. 34, S. 38, S. 43
7 Hume, David: A Treatise of Human Nature. London: Penguin Books 1969. S. 469
8 Schaber: Moralischer Realismus. S. 161 f.
9 Vgl. Schaber: Moralischer Realismus. S. 161 f.
10 Brink, David Owen: Moral Realism and the Foundations of Ethics. Cambridge: Cambridge University Press 1989.
11 Mackie, John Leslie: Ethics: inventing right and wrong. London: Penguin Books 1990.
12 Vgl. Schaber: Moralischer Realismus. S. 162 f.
13 Hudson, W. Donald: The Is-Ought Question. A Collection of Papers on the Central Problem in Moral Philosophy. London: Magmillian 1969.
14 Vgl. Eenda.. S. 14 - 26
15 Vgl. Hume: A Treatise of Human Nature. S. 469 f.
16 Vgl. Mackie: Ethik: Auf der Suche nach dem Richtigem und Falschem. S. 79
17 Mackie: inventing right and wrong. S. 74, 64
18 Schaber: Moralischer Realismus. S. 161
19 Vgl. Ebenda. S. 161
20 Hudson: The Is-Ought Question. S. 13
21 Vgl. Hudson: The Is-Ought Question. S. 13; Schaber: Moralischer Realismus. S. 161
22 Vgl. Brink: Moral Realism and the Foundations of Ethics. S. 24 f.
23 Vgl. Schaber: Moralischer Realismus. S. 162
24 Brink, David Owen.: Moral Realism and the Foundations of Ethics. Cambridge: Cambridge University Press 1989.
25 Vgl. Ebenda. S. 155 - 170
26 Vgl. Schaber: Moralischer Realismus. S. 163.
27 Brink: Moral Realism and the Foundations of Ethics. S. 155
- Quote paper
- Esther Schmitt (Author), 2012, Kann sein aus sollen abgeleitet werden?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268522
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