Diese Abhandlung geht davon aus, dass Dürer eine neue, bisher nicht bekannte Geste in die Malerei einführt, die den Künstler einerseits als christusähnliche Ikone
präsentiert und zwar durch die weibliche Kraft des Gebährens, Die Hand zeigt sich in scheidenähnlicher Schöheit, zeigt das Tor durch das wir hindurchgehen um
unseren Lebensweg anzutreten. Es ist Zeichen und Ausdruck von tiefer, menschlicher Einsicht, dass alles Leben aus dem ewige, weiblichen Prinzip stammt.
Dürers 67 x 49 cm große „Selbstbildnis im Pelzrock“, das der Maler um 1500 auf
Lindenholz malte und sich in der Alten Pinakotek in München befindet, ist nicht nur
die Erhöhung des Künstlers zum jesusähnlichen Rennaicancefürsten, sondern auch
eine Homage an das Künstlertum als Möglichkeit der Schöpfung oder Erschaffung
unvergänglichen „Kunstlebens“, worauf auch die lateinische Inschrift aufmerksam
macht, in der geschrieben steht: „So malte ich, Albrecht Dürer aus Nürnberg, mich
selbst mit unvergänglichen Farben im Alter von 28 Jahren“. Dabei liegt der
Hauptschwerpunkt der Aussage auf den Worten „unvergängliche Farben“. [...]
Dürers Selbstbildnis im Pelzrock
aktualisierte Fassung Kim Baker gewidmet.
Diese Abhandlung geht davon aus, dass Dürer eine neue, bisher nicht bekannte Geste in die Malerei einführt, die den Künstler einerseits als christusähnliche Ikone präsentiert und zwar durch die weibliche Kraft des Gebährens, Die Hand zeigt sich in scheidenähnlicher Schöheit, zeigt das Tor durch das wir hindurchgehen um unseren Lebensweg anzutreten. Es ist Zeichen und Ausdruck von tiefer, menschlicher Einsicht, dass alles Leben aus dem ewige weiblichen Prinzip stammt.
Dürers 67 x 49 cm große „Selbstbildnis im Pelzrock“, das der Maler um 1500 auf Lindenholz malte und sich in der Alten Pinakotek in München befindet, ist nicht nur die Erhöhung des Künstlers zum jesusähnlichen Rennaicancefürsten, sondern auch eine Homage an das Künstlertum als Möglichkeit der Schöpfung oder Erschaffung unvergänglichen „Kunstlebens“, worauf auch die lateinische Inschrift aufmerksam macht, in der geschrieben steht: „So malte ich, Albrecht Dürer aus Nürnberg, mich selbst mit unvergänglichen Farben im Alter von 28 Jahren“. Dabei liegt der Hauptschwerpunkt der Aussage auf den Worten „unvergängliche Farben“.
Als besonders beachtenswert wurde in dem Bild bis jetzt immer die absolute Frontalität gesehen, die nur Jesus zustand, weil sie die würdevollste Konfrontation mit dem Betrachter bietet und sich der beobachtende Rezipient der Erscheinung nicht entziehen kann, da sie unverstellt vor uns erscheint ernst und ohne Maske, ohne Bewegung, in einer abgehobenen Statuarität und Erhabenheit. Es ist ohne Zweifel, dass der Künstler das Absolute, also göttliche Maß gesucht und gefunden hat. Kein Bild besticht so durch eine gereinigte, würdevolle und selbstbewusste Klarheit, Dürer wusste um die Bedeutung seines Berufsstandes, auch im Gegensatz zum bloßen Handwerk. Für die Erarbeitung seiner Bilder stand er in Kontakt mit den wichtigsten Humanisten seiner Zeit holte und diskutierte seine Bilder aus der Bibel, dem Buch Gottes. Dies macht ihn sicher zum rezipierenden Teil der Ausseinandersetzung mit der Bibel, als ein Zeuge ganz besonderer Art ist er noch einmal „ Nachempfinder“ der Geschehnisse und zugleich, indem er sie darstellt, deren Neuschöpfer, mit einer fast missionarischen, prophetenhaften Aufgabe in der Schilderung der Geschehnisse. Diese Eigenschaft der Versenkung durch das Wort und der Suche nach entsprechenden Bildlösungen erhöht einen Menschen, er findet dadurch Platz im biblischen, sakralen „Denkraum“, wie die zwei Hauptakteure der „Divina Commedia“ Platz finden in der Monadenwanderung zwischen Himmel und Hölle.
Es soll nun versucht werden, den Faden weiterzuspinnen und im Selbstportrait noch einen weiteren wesentlichen Aspekt herauszuarbeiten, der den Künstler nicht nur in Beziehung mit Gottes Sohn oder Christus bringt, sondern auch mit der Fähigkeit der künstlerischen Schöpfung als geburtsstiftende Handlung wobei der Künstler sich bereits bewusst ist, dass sein Werk durch die Farben unvergänglich wird, also alle weiteren Generationen überleben wird. Das wiederum bedeutet, dass der Künstler eine besondere Aufgabe hat, sogesehen Gotteinheit zu sein und noch dazu, mit seiner Geburt, dem akuraten schöpferischen Prozess, etwas Ewiges zu schaffen. Die Verbindung zwischen Gott und Geburt bringt ihn in eine Dreiheit zwischen Gott, Mensch und Geburt als neue Menschwerdung, Gott hat mit Lehm das erste Menschenpaar geschaffen. Dürer schafft mit Farbe sein eigenes Abbild, die Identifikation mit Christus, den Erlöser, bietet sich an, wobei der Akt des Nachbildens überspitzt, als Leidensweg gedeutet werden kann. Durch den Akt des Gestaltens, des vor dem Spiegel Messens und in der optischen Wahrnehmung Schöpfens oder Gebärens, wird der Mann erhöht, ist zugleich Frau und Mann, also androgyn, nach Freud Anima und Animus in einem.
Diese innere Einstellung und „Würdeziehung“ zeigt sich besonders auch in der klaren Beziehung zwischen der Gestalt und ihrer Präsentation. Die Kleidung ist edel, fürstenhaft, als unter Bekleidung trägt er ein weißes Hemd, der Mantel mit Pelzkragen veredelt die Gestalt zu einer „gehobenen“ Erscheinung, die Haare sind leicht gelockt, strähnig fließend und reichen, pharaonenähnlich bis unter die Schultern. Auf Schmuck und Ketten wie bei Herrscherdarstellungen hat der Maler verzichtet, was wiederrum seine vergeistigte, religiöse Natur unterstreicht. Besonderes Augenmerk verdient aber der rechte, angewinkelte Arm des Bildermachers mit der Hand, die sich zu einem vaginalen Gebilde formt, wir fühlen uns an das weibliche Geschlechtsteil erinnert. Die rechte Hand ist dabei so offensichtlich und bewusst geformt, dass man nicht anders kann, als zu behaupten, dass sich Dürer als androgynes Wesen sehen oder zumindest mit zeichensetzender Schlagkraft darauf hindeuten wollte. Dabei fehlt die Gesprächigkeit, die italienische Künstler in dieser Zeit aufweisen, hingewiesen sei auf Boticelli, mit der beeindruckenden Grazilität, auf Bellini, Mantegna, Giorgione, Antonello da Messina, Sebastiano del Piombo um in Venedig zu bleiben das für Dürer durch seine zwei Italienreisen mit Endziel Lagunenstadt, von maßgeblicher Bedeutung war. Die Italiener neigen dazu, die Handsprache als ausdrucksgebenden Zusatz zu betonen, zu überspitzen, eben die Figur dadurch gesprächig und augenblicksgebannt zu machen. Darin beruht die Lebendigkeit der Bilder. Soll das Gesicht für sich sprechen, so stellen sie meistens streng nach oben gezogene, büstenartige Brustbilder ohne Hände dar, dadurch das Problem der zeitlichen Vernetzung mit dem Augenblick gar nicht auftaucht. Jedenfalls wird auch meistens Frontalität vermieden, um nicht in eine schwierige Lage zu kommen, gottähnliche Präsenz zu erlangen, wie man selbst bei den sehr schönen Darstellungen des gemarterten Jesus bei Antonello da Messina sehen kann. Diese Einsicht kommt wahrscheinlich vom Altarbild, indem die religiösen Hauptfiguren meistens frontal dargestellt waren, während die Stifter oder Heiligen seitlich in die Mittelachse führten.
Es soll damit nicht gesagt werden, dass Dürer nicht auch die Geste zur Verdeutlichung von Aussagen benutzt hat, sehr wohl, die gotische Bildsprache bediente. Und doch hat er in seinem Selbstportrait eine ganz sonderbare Direktheit, die nicht auf eine Geste hinweist, sondern Zeichen sein will. Er fügt sich dadurch ein in die Tradition der Christusdarstellung als Halbfigurenportrait und erneuert diese indem er sie personalisiert. Das ist moderne pur. Das ist Sindy Cherman.
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- Quote paper
- Walter Battisti (Author), 2014, Dürers Selbstbildnis im Pelzrock, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268085