Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich gegenständlich mit der Förderung sozialer Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen, und nimmt hierbei zwei unterschiedliche Ansätze in den Fokus. Es wird der Frage nachgegangen, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der erste Ansatz, die soziale Gruppenarbeit nach § 29 SGBV VIII, durch Elemente des zweiten Ansatzes, dem Training sozialer Kompetenzen, exemplarisch am Gruppentraining sozialer Kompetenzen – GSK nach Hinsch und Pfingsten, am FIT FOR LIFE nach Jugert et al. sowie am SOKO nach Nestler und Goldbeck, ergänzt werden sollte, so dass dies zu einer möglichen Steigerung der sog. Effektivität der sozialpädagogischen Arbeit führen könnte. In diesem Zusammenhang ergaben sich unter anderem folgende forschungsleitende Fragen: Zunächst wurden themenrelevante theoretische Grundbegriffe aufgegriffen, die beiden Ansätzen zugrunde liegen. Zudem ermöglichte ein Vergleich – bspw. hinsichtlich der Zielsetzungen oder der angewandten Techniken in der Trainingsdurchführung – ein differenzierteres Bild beider Ansätze. Sowohl ein theoretischer Vergleich mittels Fachliteratur als auch leitfadengestützter Experteninterviews wurden bei dieser Arbeit als methodische Instrumente herangezogen, um das Erkenntnisinteresse aus zwei Perspektiven bewerten zu können. Ein zentrales Ergebnis des theoretischen Vergleichs sowie der geführten Interviews ist die der sozialen Gruppenarbeit zugrundeliegende offene Struktur, welche eine Lebensweltorientierung hinsichtlich der Angebotsgestaltung ermöglicht. Dem stehen vorstrukturierte Trainings sozialer Kompetenzen gegenüber. Das Resümee dieser Arbeit bekräftigt zum einen die bisherige sozialpädagogische Handlungsweise der sozialen Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII und verweist zum anderen begründend auf einige Elemente des Trainings sozialer Kompetenzen, wie z. B. eine explizite Förderung emotionaler Kompetenzen, welche übernommen werden sollten.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Übersichtsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Die soziale Gruppe – einige oder mehrere Menschen
2.2 Verschiedene Formen der Arbeit mit sozialen Gruppe
2.2.1 Gruppenarbeit
2.2.2 Gruppenpädagogik
2.2.3 Soziale Gruppenarbeit
2.3 Handlungsleitende Prinzipien in der sozialen Gruppenarbeit
2.4 Soziale und emotionale Kompetenz
2.4.1 Der Kompetenz-Begriff
2.4.2 Das Konzept der sozialen Kompetenz
2.4.3 Das Konzept der emotionalen Kompetenz
2.4.4 Darstellung des Zusammenhanges zwischen der emotionalen
und sozialen Kompetenz
3. Ein Vergleich beider Ansätze zur Förderung sozialer Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen: Soziale Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII vs. Training sozialer Kompetenzen
3.1 Das Gruppentraining sozialer Kompetenzen – GSK
nach Hinsch und Pfingsten
3.1.1 Zielsetzung des GSK
3.1.2 Trainingselemente des GSK
3.1.3 GSK-Variante für Kinder und Jugendliche
3.2 Die soziale Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII
3.2.1 Zielsetzung(en) der sozialen Gruppenarbeit
3.2.2 Das (sozial-)pädagogische Profil der sozialen Gruppenarbeit
3.2.3 Formen und Programme der sozialen Gruppenarbeit
3.2.4 Anforderungen an die Professionellen
4. (Ein-) Blick in die Praxis: Expertisen von Professionellen
4.1 Methodisches Vorgehen hinsichtlich der Datenerhebung bzw
-auswertung
4.1.1 Die Datenerhebung
4.1.2 Die Datenauswertung
4.2 Beobachtungen
4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse
4.3.1 Kategorie A – Zugang zum Angebot
4.3.2 Kategorie B – Diagnose, Selbsteinschätzung, Bedarfsermittlung
4.3.3 Kategorie C – Trainingsdurchführung
4.3.4 Kategorie D – Auswertung bzw. Reflexion
5. Fazit: Bezugnahme auf die Forschungsfragen und Schlussfolgerungen hinsichtlich des Erkenntnisinteresses
Anlagenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Selbständigkeitserklärung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Übersichtsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Interaktionen mit unseren Mitmenschen sind ein notwendiges Selbstverständnis, denken wir an die „Verwirklichung“[1] unserer Begabungen, individuellen Zielsetzungen und Bedürfnisse. Hierbei hängt unsere seelische Gesundheit, die Verwirklichung unserer Vorstellungen sowie Ziele und die Qualität unseres alltäglichen Lebens davon ab, inwieweit wir fähig sind, die Notwendigkeit dieser sozialer Interaktionen[2] zu erkennen, sie aufrechtzuerhalten und „bedürfnisgerecht und zielführend (mit) zu gestalten“ (vgl. Pfingsten 2009: 158, zit. ebd.). Diese sozialen Situationen sind – neben einer gezielten Förderung dieser Schlüsselkompetenzen – der Trainer unserer sozialen Kompetenzen – unserer Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit unseren Mitmenschen. Was geschieht jedoch, wenn wir es aus verschiedenen – zum Teil in der eigenen Person liegenden oder auch der Sozialisation geschuldeten – Gründen nicht schaffen, diese sozialen Situationen angemessen zu bewältigen? Sind wir unserer Umwelt, und vor allem unseren Mitmenschen hilflos ausgeliefert? Ein erster und entscheidender Schritt zu einem Sozialverhalten, dass in der jeweiligen Situation sowie perspektivisch positive Konsequenzen bewirkt, könnte die Reflexion des eigenen Verhaltens, der Gründe für dieses und der daraus folgenden Einflüsse auf unsere soziale Umwelt sein. Ist die eine oder die andere Verhaltensweise angebracht und der Situation angemessen oder gibt es Alternativen, die mich schlussendlich an das erstrebte Ziel bringen – und womöglich darüber hinaus? Bestimmte erlernte Verhaltensweisen müssen – vielleicht entgegen der eigenen Erfahrungswerte – nicht generell die ertragreichsten sein.
Besonders im Kinders- und Jugendalter spielen der Erwerb und das Trainieren sozialer Kompetenzen eine wichtige Rolle, denken wir an Beziehung zu Gleichaltrigen und deren entscheidende Bedeutung für die psychische Entwicklung der Kinder. Die Implementierung der Förderung sozialer Kompetenzen in das deutsche Schulgesetzt als „Erziehungsauftrag“ unterstreicht nochmal die besondere Bedeutung und Notwendigkeit bzgl. dieser Schlüsselkompetenz in der Interaktion mit unserer sozialen Umwelt (vgl. Pfingsten 2009: 158, zit. ebd.). Neben direkten oder indirekten pädagogischen Angeboten hinsichtlich der Förderung sozialer Kompetenzen im Rahmen der schulischen Bildung, gibt es auch zahlreiche sozialpädagogisch-orientierte Angebote in verschiedenen Formaten im außerschulischen Bildungsbereich. Hierbei zählen bspw. Angebote in den Bereichen Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Hilfen zur Erziehung, aber auch Trainingsmaßnahmen privater Anbieter[3], die jedoch zumeist ein sozialpädagogisches Handlungs- bzw. Trainingskonzept als Grundlage besitzen, dass sich an Praxis und Forschung orientiert. Letztere bilden den Gegenstand dieser Bachlorarbeit, die eine mögliche Kombination dieser beiden Ansätze in Betracht nimmt.
Der Impuls, mich mit dem Thema Elemente des Trainings sozialer Kompetenzen als ein Bestandteil der Hilfen zur Erziehung bzw. der sozialen Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII auseinanderzusetzen, entstand während meiner Praktikumszeit bei der sozialen Gruppenarbeit der AWO Kreisverband Börde e. V. Hierbei zeigte sich mir, dass die vorhandenen Defizite, aufgrund derer die Jugendlichen die soziale Gruppenarbeit besuchen, erst nach einiger Zeit erkennbar wurden. Grundlegend hierfür in den meisten Beobachtungen ist die Tatsache, dass es Defizite sind/ waren, die sich situationsabhängig äußern und nicht sofort aufgefallen sind. In diesem Zusammenhang stellten sich mir die Fragen: Wie kann die Arbeit des Sozialpädagogen effektiver gestaltet werden? Wie können die Defizite der Jugendlichen früher erkannt und zielorientierter angegangen werden?
Durch die Anfertigung einer Hausarbeit im 3. Semester in dem Kurs Klinische Psychopathologie erfuhr ich von dem (auch präventiven) Ansatz des sog. Trainings sozialer Kompetenzen, der häufig in Zusammenhang mit der Sozialen Phobie bzw. Defiziten bzgl. sozialer Kompetenzen in verschiedenen Variationen angewandt wird. Dieser vermittelt durch Trainer in Einzel- oder Gruppensettings u. a. Kindern und Jugendlichen alternativ zu ihrem bisherigen Verhalten Handlungsansätze bzw. Fähigkeiten, um in bestimmten (sozialen) Situationen angemessen reagieren zu können.
Durch die Anfertigung der Bachelorarbeit erhoffe ich mir einen Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Frage, ob eine ziel- bzw. subjektorientiertere Gestaltung der sozialen Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII hinsichtlich organisatorischer Aspekte sowie der Angebotsstruktur durch die Implementierung ausgewählter Elemente eines Trainings sozialer Kompetenzen ermöglicht wird.
Käme es in einem solchen Fall zu einer Steigerung der Effektivität der Angebote der sozialen Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII durch bspw. Erkenntnisse zur Entwicklung und Verfassung des Jugendlichen, die mittels diagnostischer Instrumente aus den Trainings sozialer Kompetenzen gewonnen werden konnten und schließlich zu einem Ertrag für den Jugendlichen sowie dem Sozialpädagogen? In diesem Zusammenhang ergeben sich folgende forschungsleitenden Fragen: Welche Grundbegriffe, die in Zusammenhang mit den Forschungsfragen stehen bzw. einem besseren Verständnis dienen, müssen geklärt werden? Welche Experten können zur Klärung praxisrelevanter Fragen herangezogen werden? Was sind die übergeordneten Ziele des sog. Trainings sozialer Kompetenzen sowie der sozialen Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII? Welche strukturellen Unterschiede bestehen zwischen den beiden Ansätzen? Ist die soziale Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII jeweils konzeptionell gut aufgestellt? Könnte sie bspw. durch bestimmte Elemente des Gruppentrainings sozialer Kompetenzen – GSK nach Hinsch und Pfingsten ergänzt werden? Welche Elemente könnten in diesem Zusammenhang adaptiert werden?
Im Verlauf meiner Bachelorarbeit werde ich den genannten Fragen nachgehen und versuchen, diese sowohl durch Literaturrecherche als auch durch Expertisen einiger Praktiker und Praktikerinnen zu beantworten.
Die Bachelorarbeit gliedert sich im Hauptteil der Arbeit in drei Bereiche und beinhaltet drei methodische Ansätze, die ich zur Hilfe heranziehe, um dem Erkenntnisinteresse nachzukommen. Nach der Einleitung bzw. Hinführung zum Thema, die zugleich den Gegenstand meiner Arbeit beschreibt, widme ich mich im zweiten Kapitel des Hauptteils den theoretischen Hintergründen und themenrelevanten Begrifflichkeiten [4], die es vorab zu klären gilt.
Im dritten Kapitel des Hauptteils folgt ein Vergleich der beiden sozialpädagogischen Ansätze. Zum einen das Training sozialer Kompetenzen am Beispiel des Gruppentraining sozialer Kompetenzen – GKS nach Hinsch und Pfingsten, und zum anderen die soziale Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII.
Im vierten und somit letzten Kapitel des Hauptteils wendet sich der Blick in die Praxis der sozialpädagogischen Arbeit mit Gruppen. Durch leitfadengestützte Experteninterviews sollen Meinungen und Informationen eingeholt werden, die nach einer Auswertung der Gesprächsinhalte auf eine mögliche Kombination beider Ansätze hinweisen oder diese gänzlich ausschließen.
Eine abschließende Zusammenfassung im Fünften und zugleich im Schlussteil der Arbeit enthält eine persönliche Einschätzung zum Forschungsgegenstand und beantwortet bezugnehmend sowohl auf den theoretischen Vergleich beider Ansätze im dritten Kapitel als auch
aufgrund der geführten Experteninterviews die Frage nach einer möglichen Kombination der beiden Förderansätze für Kinder und Jugendliche.
2. Theoretische Grundlagen
In diesem Kapitel werden zunächst die themenrelevanten Grundbegriffe geklärt, welche im Zusammenhang mit der Kompetenzförderung sowie der Arbeit mit Gruppen stehen.
2.1 Die soziale Gruppe – einige oder mehrere Menschen
Im wissenschaftlich-theoretischen Zusammenhang werden dem Komplex Gruppe mehrere Definitionen zugeschrieben. Hierbei stehen bspw. die untere und die obere zahlenmäßige Grenze einer Gruppe zur Diskussion. Im pädagogischen bzw. soziologischen Kontext sowie im Rahmen der vorliegenden Arbeit stellt die Gruppe ein Sozialgebilde dar, das sich durch unterschiedliche Merkmalszuschreibungen beschreiben lässt.
Die mehrheitlich vertretene Meinung macht deutlich, dass sich eine Gruppe aus mindestens drei Personen zusammensetzt, wobei zwei Personen als ein Paar bezeichnet werden (vgl. Metzinger 2010:9).
Ein weiteres Merkmal einer Gruppe ist das „Zusammengehörigkeitsgefühl“ der Gruppenmitglieder. Dieses steht im Zusammenhang mit der Häufigkeit des Zusammentreffens der Gruppenmitglieder und mit der Tatsache, ob das Zusammentreffen der Gruppenmitglieder durch Freiwilligkeit geprägt ist oder durch äußeren Druck bewirkt wird. Die Intensität des „ Zusammengehörigkeitsgefühls“ ist ausschlaggebend für die Unterscheidung und Abgrenzung der Gruppe nach außen (vgl. ebd., zit. ebd., Hervorhebung durch den Autor).
Die Gruppenmitglieder haben zudem ein „gemeinsames Ziel oder eine gemeinsame Aufgabe“, die über einen Zeitraum oder unabsehbar dauerhaft – eine Basis für die Interaktionen bildet (Schwarz 2010: 3, zit. ebd., Hervorhebung durch den Autor; Metzinger 2010: 9). Ebenso grundlegend sind die formellen sowie informellen festgelegten bzw. entstandenen Umgangsweisen. Dieses „Normen- und Wertesystem“ regelt grundlegend die „gemeinsame Interaktion“ (vgl. Schwarz 2010: 3, zit. ebd., Hervorhebung durch den Autor).
Innerhalb einer Gruppe nimmt jedes Mitglied – bspw. begründet durch seine Persönlichkeitsmerkmale bzw. dem Temperament oder aufgrund der Gruppendynamik – eine relativ bestimmte Rolle ein und trägt somit zu einem sich entwickelnden und unter Umständen dynamischen internen ‚Geflecht‘[5] von aufeinander bezogenen Rollen bei. Diese Rollen charakterisieren sich durch eine gleichwertige oder unterschiedliche Position innerhalb der Gruppe (vgl. ebd.).
Bahrdt beschreibt den Ausdruck „‚soziale Gruppe‘“[6] auch mittels Kriterien, die erfüllt sein müssen: (1) „[M]ehrere Menschen [stehen] in sozialen Beziehungen [zueinander]“ und (2) „[verfolgen] über eine gewisse Zeit gemeinsame Ziele …“. (3) „Über die gemeinsamen Ziele und die Art ihrer Verwirklichung wird kommuniziert“. (4) „Ihre Realisierung geschieht durch situationsübergreifende Interaktionsprozesse“. (5) „Die Garantie des situationsübergreifenden Interaktionsprozesses geschieht durch Normen, aber auch durch Bräuche, Gewohnheiten und Interessen, insbesondere durch Rollenzuweisungen die sich auf den Zusammenhang der Interaktion innerhalb der Gruppe beziehen, über deren Sinn Konsens besteht“ (2003: 90, zit. ebd.).
2.2 Verschiedene Formen der Arbeit mit sozialen Gruppen
Die Arbeit der Professionellen mit und in Gruppen setzt im Wesentlichen das Wissen um die unterschiedlichen Arten der Arbeit mit Gruppen sowie hinsichtlich der jeweiligen Merkmale und Spezifika voraus (vgl. Schmidt-Grunert 2009: 56). Im Folgenden soll auf die Unterschiede bzgl. inhaltlicher Systematik sowie der Anspruchscharakteristika hingewiesen werden.
2.2.1 Gruppenarbeit
An dieser Stelle sei die Begrifflichkeit Gruppenarbeit allgemeingültig definiert, da sie bspw. über den Einsatz als Methode der Sozialen Arbeit auch als ein methodisches Hilfsmittel im „schulischen und außerschulischen Bildungs- und Weiterbildungsbereich“ sowie im Rahmen der Ökonomisierung in der Betriebswirtschaft als eine Form der Arbeitsorganisation gebraucht wird (vgl. Schmidt-Grunert 2009: 57, zit. ebd.). Schmidt-Grunert verweist in Bezug auf ein verallgemeinerndes Begriffsverständnis von Gruppenarbeit auf eine Gemeinsamkeit, welche einen für alle Mitglieder einer Gruppe verbindlichen Charakter enthält. Hierbei sei im Regelfall eine „ verbindliche Zielsetzung“ genannt, die sowohl der Gruppenarbeit vorangestellt sein kann oder auch erst im Verlauf der Gruppenarbeit gemeinsam entwickelt wird (vgl. ebd., zit. ebd.). Die Zielsetzung bestimmt somit unmittelbar die spezifische Art der Gruppe sowie den Inhalt der Gruppenarbeit – in diesem Zusammenhang also „ zielorientierte Gruppenarbeit“ (vgl. ebd.: 58, zit. ebd.).
2.2.2 Gruppenpädagogik
Sowohl bei dem Training sozialer Kompetenzen als auch bei der sozialen Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII begründet sich bzgl. der strukturell-methodischen Ausrichtung durch einen gruppenpädagogisch-orientierten Ansatz in der Angebotsstruktur.
Diese Methode des Bildens, Erziehens sowie gemeinsamen Lernens bedient sich einiger Elemente der vorher beschriebenen Gruppenarbeit und nimmt zudem die pädagogischen Absichten in den Fokus. Prinzipiell handelt es sich bei dieser ziel- und zweckorientierten Methode um Erziehung und Bildung von und in Gruppen, wobei diese zu einer Entstehung von Lernprozessen beitragen. Wissenschaftliche Erkenntnisse bzw. Theorien aus den Bereichen der „Gruppenerziehung“ sowie der „Bildungs- und Lernprozesse“ in Gruppen bilden die Grundlagen der Herangehensweise in der praktischen Arbeit mit Gruppen (vgl. Schmidt-Grunert 2009: 58, zit. ebd.).
Auch sei die Sozialisation, das Hineinwachsen und Hineingeführtwerden in die Gesellschaft, als eine Hauptaufgabe der Erziehung anzusehen. In diesem Fall müsse die Gruppenpädagogik als eine elementare Methode des Sozialisationsprozesses anerkannt werden (Hederer 1976: 89 zit. n. ebd.).
Weiter zeichnet sich die Gruppenpädagogik im Unterschied zu der Gruppenarbeit im allgemeinen Verständnis dadurch aus, dass sie – abgesehen von einer solchen möglichen Zielsetzung – versucht, demokratische Werte zu vermitteln, mindestens jedoch für diese zu sensibilisieren. Hintergründig verweist Schmidt-Grunert auf den defizitären Umstand, dass es den Gruppenmitgliedern an Erfahrungswerten hinsichtlich „‚demokratischer Lebensführung‘“[7] mangelt. Dieses nun zu beheben sei ein weiterer Auftrag der Gruppenleitung (2009: 58f., zit. ebd.: 58).
Die Beziehungen der einzelnen Gruppenmitglieder untereinander sind ein weiteres Merkmal und im Wesentlichen grundlegend für die Gruppenpädagogik. Diese Beziehungen, die im Gruppenprozess während der Interaktionen ausgestaltet werden, die Individualität des einzelnen Gruppenmitgliedes und somit sein Einfluss auf die Gruppendynamik sind einflussreiche Größen innerhalb der Gruppenarbeit (vgl. Konopka 1969: 61f. nach ebd.: 60).
Eine Gruppe ‚lebt durch und wächst an der Ausgestaltung ihrer Beziehung‘. Galuske spricht hierbei von einer wichtigen Aufgabe des Gruppenleiters, nämlich der Gestaltung „von Beziehung[en] innerhalb der Gruppe, zwischen der Gruppe und der Leitung sowie zwischen der Gruppe und [ihrer] Umwelt“ (2009: 95).
Die Gruppenprozesse, die durch den Eigenantrieb der Gruppenmitglieder selbst oder durch ihre Einbeziehung durch den Gruppenleiter, durch ihre Ideen oder Vorschläge angestoßen werden, erweisen sich als potenzielle Lernprozesse, die dem Einzelnen die Möglichkeit bereiten, sich neuen (Gruppen-)Erfahrungen zu stellen. Hierbei bezieht sich die gruppenpädagogische Ausrichtung auf das Ermöglichen eines Rahmens, in dem „kooperative[s], partnerschaftliche[s] und selbstbestimmte[s]“ Verhalten gefördert werden kann. Hinsichtlich der Entwicklung des Einzelnen steht die Entfaltung individueller Ressourcen im gruppenpädagogischen Fokus (vgl. Schmidt-Grunert 2009: 60f., zit. ebd.: 61). Weiter spricht Schmidt-Grunert von einer „sozial integrative[n] Pädagogik“, da die Gruppenmitglieder im Gruppenprozess (aus der Dynamik heraus oder durch den Sozialpädagogen) aufgefordert werden, sich zu beteiligen und das Gruppengeschehen aktiv mitzugestalten. Es können im Rahmen der Interaktionen neue Erfahrungen gemacht werden, bestehende Rollen- und die bisher ‚angewandten‘ Verhaltensmuster reflektiert und bei Bedarf modifiziert werden (vgl. ebd.: 59, zit. ebd.).
2.2.3 Soziale Gruppenarbeit
Soziale Gruppenarbeit lässt sich innerhalb der historischen „‚Dreifaltigkeit‘“[8] der Methoden der Sozialen Arbeit als ein sozialpädagogischer Ansatz bezeichnen, der im Ursprung der Methodendiskussion neben der sozialen Einzelfallhilfe und der sozialen Gemeinwesenarbeit als eine primäre Methode der Sozialen Arbeit einzuordnen ist (vgl. Galuske 2009: 160ff., zit. ebd., S. 160). Die moderne Methodendiskussion verlangt aufgrund der Weiterentwicklung der ‚klassischen‘ Methoden der Sozialen Arbeit, einer entstandenen Vielfältigkeit nach einer schärferen Präzisierung der Begrifflichkeit bzw. einer Differenzierung aufgrund der inhaltlich angewandten Elemente im Rahmen dieses sozialpädagogischen Ansatzes. So ist die soziale Gruppenarbeit als ein „[k]lientenbezogene[s]“ Handlungskonzept bzw. „[k]lientenbezogene Methode“ zu beschreiben (vgl. ebd.: 160ff., zit. ebd.: 163).
In seiner Abbildung zu den Handlungskonzepten und Methoden der Sozialen Arbeit verwendet Galuske den Ausdruck „direkt interventionsbezogene Konzepte und Methoden“ synonym zu der voran verwendeten. Weiter differenziert er die „direkt interventionsbezogenen Konzepte und Methoden“ in „Einzelfall- und primärgruppenbezogene Methoden“ sowie „Gruppen- und sozialraumbezogene Methoden“ und ordnet schließlich die soziale Gruppenarbeit der letzteren Gruppierung zu (vgl. ebd.: 164, zit. ebd.).
Neben der Beschreibung als „klientenbezogene[n]“ methodischen Ansatz nach Galuske (2009: 163) geht Schmidt-Grunert einen Schritt weiter, attribuiert diese Form der Gruppenarbeit mit dem Ausdruck „problemzentriert“ und macht zugleich ein entscheidendes Merkmal hinsichtlich der Abgrenzung zu der Gruppenpädagogik deutlich. Die soziale Gruppenarbeit enthält sowohl alle Elemente der Gruppenarbeit als auch die „erzieherischen Absichten“ der Gruppenpädagogik (2009: 62, zit. ebd.).
Die Aufgabe als Sozialisationsinstanz nimmt die soziale Gruppenarbeit in ihren Grundzügen ebenso wahr wie die Gruppenpädagogik. Zudem richtet sie ihren Fokus auf bestehende „Sozialisationsdefizite“, welche die Gruppenmitglieder in unterschiedlichsten Ausprägungen aufweisen. Die soziale bzw. „problemzentrierte“ Gruppenarbeit als sozialpädagogischer Ansatz beschäftigt sich demnach mit Menschen, die aufgrund von individuellen Problemlagen oder ‚sozialer Benachteiligung‘ Schwierigkeiten haben, ihren Lebensalltag bedürfnis- und zielgerecht zu bewältigen (vgl. ebd., zit. ebd., Hervorhebung durch den Autor).
Das folgende Zitat von Konopka beschreibt in wenigen, jedoch aussagekräftigen Worten das Ziel und die dahinter stehenden Techniken der sozialen Gruppenarbeit.
„Soziale Gruppenarbeit ist eine Methode der Sozialarbeit, die den Einzelnen durch sinnvolle Gruppenerlebnisse hilft, ihre soziale Funktionsfähigkeit zu steigern und ihren persönlichen Problemen, ihren Gruppenproblemen oder den Problemen des öffentlichen Lebens besser gewachsen zu sein“ (Konopka 1971: 35 zit. n. Galuske 2009: 93, Hervorhebung durch den Autor).
Einerseits werden die unterschiedlichen Facetten bzw. Situationen aufgegriffen, die besondere Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltagsgeschehens entstehen lassen können. Zum anderen wird durch das Attribut „sinnvolle“ im Zusammenhang mit dem Einsatz bzw. Entstehen von Gruppenerlebnissen auf die Rolle des Sozialpädagogen hingewiesen. Hierbei besteht die Aufgabe des Sozialpädagogen darin, die entstehenden Gruppenprozesse und unterschiedlichen Interaktionen bzgl. ihrer erzieherischen Bedeutung für den Lernprozess anregend und konstruktiv zu unterstützen bzw. die gruppenorientierten Angebote entsprechend der individuellen Bedarfslage der Gruppenmitglieder hinsichtlich Zielsetzung und einem möglichen Resultat bzgl. der Entwicklungsförderung zu planen, mindestens jedoch gewünschte Entwicklungsschritte des Einzelnen bei der Planung zu beachten (vgl. Metzinger 2010: 14; Konopka 1971: 35 zit. n. Galuske 2009: 93).
„Probleme des öffentlichen Lebens“, „Gruppenprobleme“ oder individuelle Problemlagen in unterschiedlichsten Bereichen, wie z. B. Freundeskreis, Schule, Familie oder auch des beruflichen Alltages können in der sozialen Gruppenarbeit kompensiert und durch die Vermittlung, Erweiterung sowie Festigung sozialer Kompetenzen (auch präventiv) in einem gruppenorientierten Ansatz angegangen werden (vgl. Schmidt-Grunert 2009: 63; Konopka 1971: 35 zit. n. Galuske 2009: 93).
Bei diesem methodischen Ansatz der Sozialen Arbeit geht es zusammengefasst im Grundsätzlichen und der strukturellen Ausrichtung um das Lernen in und von der Gruppe. Der gruppenorientierte Ansatz bezieht sich auf das Ermöglichen und die Förderung von Lernprozessen – hinsichtlich verschiedener Bereiche – des Einzelnen im Rahmen der Gruppeninteraktion.
2.3 Handlungsleitende Prinzipien in der sozialen Gruppenarbeit
Hierbei handelt es sich um Maxime der Gruppenpädagogik, die als „pädagogische Leitlinien“ bei der Arbeit mit Gruppen berücksichtigt werden sollten, da sie sich aus dem Erkenntnisstand um die Bedeutung, Entwicklung und Struktur von und Einflussmöglichkeiten auf Kleingruppen begründen. Zudem richten sie sich an den „ethnischen Wertmaßstäben“ des „pädagogischen“ bzw. „sozialarbeiterischen Handelns“, können aber auch aufgrund ihres allgemeingültigen Anspruchs als Grundwerte der Sozialarbeit auch auf andere methodische Ansätze der Sozialen Arbeit bezogen werden (vgl. Galuske 2009: 94f., zit. ebd.: 95). Schmidt-Grunert bezeichnet diese handlungsleitenden Prinzipien als ein „wichtiges methodisches Instrumentarium“ im Rahmen der Gruppenpädagogik und der sozialen Gruppenarbeit, das zugleich theoretisch die „Grundhaltungen“ für die Gruppenarbeit widerspiegelt (2009: 69, zit. ebd.). Folgende Prinzipien werden in beiden Veröffentlichungen angegeben: (a) Individualisieren, (b) Anfangen, wo die Gruppe steht, (c) sich entbehrlich machen, (d) Hilfen durch Programmgestaltung und (e) das erzieherisch richtige Grenzen setzen.
Individualisieren
Individualisieren bedeutet auch ‚den einzelnen Baum im Wald mit seinen Spezifika‘ wahrzunehmen. Jedes einzelne Mitglied einer Gruppe bringt individuelle Anliegen bzw. Bedürfnisse in den Prozess ein und hat somit einen Anspruch auf eine individualisierte Förderung der Entwicklung und demnach auf eine individuelle Betrachtung seiner Person. Dem Gruppenleiter wird folglich die Aufgabe nachgetragen, sowohl die gesamte Gruppe als auch die einzelnen Gruppenmitglieder in seinen Fokus einzubeziehen (vgl. Galuske 2009: 95).
Anfangen, wo die Gruppe steht
An diesem Punkt sollten die eigenen idealistischen Vorstellungen und auch das eigene Anspruchsniveau bspw. hinsichtlich des Bildungsstandes sowie der Interessenlagen in den Hintergrund treten und bspw. die Vorstellungen, Interessen sowie Meinungen der Gruppenmitglieder in die Gruppenarbeit einbezogen werden. Um diese herauszufinden, stehen dem Gruppenleiter verschiedene Techniken der Beobachtung, Befragung oder Gesprächsführung zur Verfügung, um die Unterschiede innerhalb der Gruppe in den einzelnen Bereichen festzustellen (vgl. Metzinger 2010: 15f.).
Sich entbehrlich machen
Die Rolle des Sozialpädagogen zeichnet sich zu Beginn der Gruppenarbeit überwiegend durch Präsenz und Aktivität aus. Er gibt konstruktive Anregungen, unterstützt aktiv die Lernprozesse und greift bei Bedarf ein. Diese Rolle sollte sich zunehmend passivieren. Er gibt im Bedarfsfall Hilfestellung, hält sich dabei aber im Hintergrund. Der Entwicklungsstand der Gruppe ist beim Abwägen bzgl. der Aktivität oder Zurückhaltung stets zu beachten. In Bezug auf das Einbringen des Gruppenleiters gilt somit stets die Devise: „So aktiv wie nötig, so passiv wie möglich“ (vgl. ebd.: 16f., zit. ebd.: 17).
Hilfen durch Programmgestaltung
Die gezielte Gestaltung bzw. Bereitstellung eines Programmes einer bzw. für eine Gruppenarbeit ist ein wesentliches Instrument, um auf den Gruppenprozess Einfluss auszuüben. Diese Programme können bspw. bestimmte oder einer aktuellen Bedarfslage entsprechende Gesprächsinhalte oder themenorientierte Angebote sein (vgl. Galuske 2009: 95). Lattke bezeichnet das Programm einer Gruppenarbeit als „das gesamte sachliche ‚Material‘“ einer Gruppearbeit, welches ihr zur Verfügung steht (z. B. Diskussionsrunden, Rollenspiele, Thementage, erlebnispädagogische Angebote, Spiele etc.). Die Gruppe bzw. einzelne Gruppenmitglieder können im Rahmen des Programmes ihre Erfahrungen machen.
Als Gegenstück zum „‚sachlichen Material‘“[9] nennt Lattke das „‚soziale Material‘“9 einer Gruppe. Hiermit sind die einzelnen Gruppenmitglieder – die Leitung eingeschlossen – und ihre Beziehungen zueinander gemeint (vgl. Lattke 1962: 149 nach Galuske 2009: 95; Lattke 1962: 149 zit. n. ebd.).
Erzieherisch richtige Grenzen setzen
Nach Metzinger erreichen gesetzte Grenzen, welche begründet aufgestellt wurden, im Rahmen einer Gruppenarbeit neben der funktionalen Dimension, wie z. B. ausreden lassen oder gesetzte Zeiten einhalten, auch die Förderung des „demokratischen Erziehungsprozess[es]“ (s. Abschnitt 2.2.2) (vgl. Metzinger 2010: 16, zit. ebd.). Zum Wachstumsprozess einer Gruppe gehört auch das Wahrnehmen und Achten von gesetzten Grenzen, die vorab kommuniziert und begründet wurden. Ebenso gebraucht Metzinger den Ausdruck „Notwendige Grenzen positiv nutzen“ (ebd.) und geht damit auf die vorgebrachte Kritik nach Schmidt-Grunert ein. Was sind in einem solchen Moment die ‚richtigen‘ Grenzen? Das Setzen erzieherisch ‚richtiger Grenzen‘ sei eine Frage des Erziehungsstils und somit eher subjektiv anzusehen (2009: 72).
Diese Prinzipien sind jedoch in der sozialpädagogischen praktischen Arbeit lediglich als eine „Orientierungshilfe“ zu sehen, da bspw. jede (Gruppen-)Situation, aber auch jede Besonderheit des Einzelnen im Rahmen des gruppenpädagogischen Handelns individuell wahrgenommen und betrachtet werden sollte (vgl. ebd.: 73, zit. ebd.).
2.4 Soziale und emotionale Kompetenz
2.4.1 Der Kompetenz-Begriff
Im wissenschaftlichen Diskurs zum Begriff der Kompetenz gehen die Auffassungen hinsichtlich der Begriffsbestimmung in zwei unterschiedliche Richtungen. Einige Autoren verweisen auf die „Verhaltenspotenziale“ eines Menschen, auf ein „effektives Funktionieren“, welches positive Konsequenzen für den Handelnden im Rahmen einer bestimmten Situation bewirkt bzw. negative relativiert (vgl. Goldfried und D’Zurilla 1969 nach Kannig 2009: 12; vgl. Kannig 2009: 12, zit. Kannig 2009: 12).[10]
Kompetenz als Potenzial
Andere Autoren sehen die Kompetenz als das „Potenzial“ eines Menschen, welches ihn in die Lage versetzt bzw. versetzen kann, ein bestimmtes Verhaltensmuster aufzuweisen
(vgl. Ford 1995 nach Kannig 2009: 12, zit. Kannig 2009: 12). Aus dieser Sicht kann zum einen zwischen den Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Menschen und zum anderen zwischen seinem Agieren in bestimmten Situationen unterschieden werden. Auf die Kompetenz kann prinzipiell auch dann geschlossen werden, wenn aus seinem Verhalten keine positive Konsequenz hervor geht. Hierbei zählt allein die Tatsache, dass er grundsätzlich dazu fähig wäre, ein angemessenes Verhalten zu zeigen (vgl. Kannig 2009: 12f.).
Kompetenz und kompetentes Verhalten
Der Definition der Kompetenz als die Fähigkeiten und Fertigkeiten zu einem entsprechend angemessenen Verhalten eines Individuums schließt sich der Rückschluss an, dass dieses Verhalten als kompetentes Verhalten bezeichnet werden kann. Kompetentes Verhalten ist also die Bezeichnung eines tatsächlichen Verhaltens, als Resultat der ‚Anwendung‘ bzw. Verwirklichung der vorhandenen Kompetenz. Von dieser Disposition kann demnach gesprochen werden, wenn ein kompetentes Verhalten in mehreren bestimmten Situationen beobachtbar war (vgl. ebd.: 13). Die folgende Abbildung veranschaulicht den Zusammenhang von Kompetenz als Potenzial und kompetentem Verhalten als Resultat dieser Kompetenz bzw. kompetentem Verhalten als ein ‚Beweis‘ für eine bestimmte Kompetenz.
Abbildung 1: Kompetenz und kompetentes Verhalten (übernommen aus: Kannig 2009: 13)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.4.2 Das Konzept der sozialen Kompetenz
Das Konstrukt soziale Kompetenz und dessen Definition kann stets nur vor dem Hintergrund des Erkenntnisinteresses bzw. Verwendungszwecks für die eigene Auffassung hinsichtlich dieses Konstrukts hergeleitet werden.
Eine übergeordnete Begriffsklärung bzgl. der zweckmäßigen Verwendung – insofern sie zutreffend bzw. sachdienlich sein soll – kann stets nur unter Zuhilfenahme eines Konstrukts beschrieben bzw. hergeleitet werden (vgl. Euler 2009: 18 nach Arnegger 2013: 9).
Auf der Suche nach einer Gemeinsamkeit vor dem Hintergrund der transdisziplinären Verwendung dieses Konstrukts verweist Arnegger auf die Tatsache, dass es darum gehe, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse mit denen anderer Menschen – und damit mit unserer sozialen Umwelt – in ein Verhältnis zu setzen. Soziale Kompetenz stellt hierbei eine „Schnittstelle“ zwischen dem Individuum und seiner sozialen Umwelt dar (2013: 10, zit. ebd.).
Sie beschreibt unsere individuelle Fähigkeit bzw. unser Potenzial, genau diese „Schnittstelle“ bedürfnisgerecht zu gestalten (vgl. ebd., zit. ebd.).
Auch Kannig versucht den Begriff der sozialen Kompetenz vor dem selbigen Hintergrund sowie der Multidimensionalität des Konstrukts auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zu reduzieren und kommt auf folgendes Ergebnis: Es hat „irgendwas mit zwischenmenschlicher Interaktion zu tun …“ (2009: 11, zit. ebd.).
Soziale Kompetenz aus psychologischer Sicht
Weiter verweist Kannig auf drei Sichtweisen, die den Begriff der sozialen Kompetenz aus ihrer jeweiligen Position bzw. Fachdisziplin heraus beschreiben: Soziale Kompetenz als „Durchsetzungsfähigkeit“, soziale Kompetenz als „Anpassungsfähigkeit“ und soziale Kompetenz als ein „Kompromiss zwischen Anpassung und Durchsetzung“ (vgl. ebd.: 14f., zit. ebd.: 14).
Die erste Gruppe beschäftigt sich mit der sozialen Kompetenz als Konstrukt in der Klinischen Psychologie sowie Organisationspsychologie. Dieser Definitionsversuch geht auf die Auseinandersetzung mit der Sozialen Ängstlichkeit im Rahmen behavioral-therapeutischer Behandlungen zurück. Betroffene haben erhebliche Schwierigkeiten, ihrer sozialen Umwelt etwas abzuschlagen bzw. „‚nein‘“[11] zu sagen. Die schlussfolgernde Konsequenz – auch für die inhaltliche Ausrichtung der Behandlung – ergab, dass es ihnen an Durchsetzungsvermögen bzw. -kraft mangelt (vgl. ebd.: 14, zit. ebd.).
Eine zweite Gruppe legt ihren Fokus aus entwicklungspsychologischer Sicht auf die soziale Kompetenz als die Fähigkeit, sich der sozialen Umwelt anzupassen, von ihr zu lernen und sich entsprechend erlernter Umgangsformen zu verhalten, was schlussfolgernd im Wesentlichen dem Prozess der Sozialisation entspricht (vgl. ebd.).
Beide Sichtweisen scheinen erst mal nachvollziehbar, da sowohl die Klinische Psychologie als auch die Entwicklungspsychologie das menschliche Verhalten unter unterschiedlichen Gesichtspunkten bzw. theoretischen Bezügen betrachten. Der ‚klinische Blick‘ der Psychologie sieht vor dem Hintergrund der Sozialen Ängstlichkeit eines Menschen den Mangel an Durchsetzungsfähigkeit, wohingegen die Entwicklungspsychologie den Lern- bzw. den Entwicklungsprozess des Menschen als eine Anpassung an die soziale Umwelt in den Blick nimmt (vgl. ebd.: 14f.).
Die dritte Gruppe vereint beide Ansichten und beschreibt sozial kompetentes Verhalten „als einen Kompromiss zwischen Anpassung und Durchsetzung“. Menschen, die in der Lage sind, ein angemessenes Sozialverhalten – hierbei eigene Interessen und Bedürfnisse zu verwirklichen, ohne dabei die Interessen der sozialen Umwelt außer Acht zu lassen – auszuüben, verfügen über soziale Kompetenzen (vgl. ebd.: 15, zit. ebd.).
Angelehnt an die Begriffsbestimmung des Kompetenzbegriffs bzw. des kompetenten Verhaltens beschreibt Kannig die soziale Kompetenz und das sozial kompetente Verhalten wie folgt:
Über`sicht 1: Definition sozialer Kompetenz und sozial kompetenten Verhaltens (übernommen aus: Kannig 2009: 15)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Soziale Kompetenz nach Jugert, Rehder, Notz und Petermann (2013) – FIT FOR LIFE: Ein Kompetenztraining für Jugendliche
Jugert et al. beschreiben in ihrer Publikation zu dem oben genannten Training zur Steigerung des Sozial- und Arbeitsverhaltens die soziale Kompetenz als ein „psychologisches Konzept“, dass seine Verwendung bspw. in der Beschreibung von Entwicklungszielen
im Kindes- und Jugendalter oder in der Bestimmung von Trainings- bzw. Behandlungszielen findet (vgl. Jugert et al. 2013: 11, zit. ebd.).
In diesem Zusammenhang verweisen sie auf drei zu berücksichtigende Umstände: (1) Einmal auf die – wie bereits bei Kannig in diesem Abschnitt hingewiesen – Multidimensionalität der sozialen Kompetenz, (2) auf die Tatsache, dass bei der Beschreibung der sozialen Kompetenz der Entwicklungsprozess eines Menschen zu beachten ist, da sowohl die Qualität als auch die Quantität sozialer Kompetenzen aufgrund der Verdichtung der sozialen Beziehungen, mit der Übernahme unterschiedlichster Entwicklungsaufgaben und Rollen mit dem Alter zunimmt, sich mindestens verändert, (3) und letztlich darauf, dass beschreibende Begriffe, wie z. B. selbstsicher, kontaktfähig oder durchsetzungsfähig das Wesen der sozialen Kompetenz nur bedingt widerspiegeln (vgl. ebd.).
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Vorhandensein sozialer Kompetenz zu einer Steigerung der Lebensqualität führt, wie z. B. hinsichtlich der alltäglichen Gestaltung des Schulalltags oder der beruflichen Entwicklung, kann diese als eine Vielzahl von Fähigkeiten beschrieben werden, welche es dem Handelnden ermöglichen, sich im sozialen Kontext situationsspezifisch und „differenziert“ zu verhalten (vgl. ebd.: 12, zit. ebd.).
Eine weitere Begriffsbestimmung nehmen Jugert et al. in Anlehnung an Bloomquist vor und definieren soziale Kompetenz als die „Fähigkeit […], umweltbezogene und persönliche Ressourcen gezielt so einzusetzen, dass eine optimale Entwicklung möglich wird“ (vgl. Bloomquist 1996 nach Jugert et al. 2013: 12, zit. Jugert et al. 2013: 12).
Die letztere Definition verweist – wie auch bei Kannig aufgeführt – auf entwicklungspsychologische Aspekte hinsichtlich der Begriffsbestimmung der sozialen Kompetenz. Diese hat zur Folge, dass die Förderung sozialer Kompetenzen stets vor dem Hintergrund von zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben, die altersabhängige Anforderungen darstellen, erfolgen sollte (ebd.). Havighurst beschreibt folgende Entwicklungsaufgaben für die Altersgruppe der 12- bis 18-Jährigen, die in der Übersicht 2[12] aufgeführt sind (vgl. Havighurst 1982 nach Jugert et al. 2013: 12).
Auch Eisenberg und Harris beschreiben in der folgenden Übersicht Entwicklungsziele, die auch die soziale Kompetenz „als einen Katalog von Entwicklungszielen“ definieren (Eisenberg & Harris 1984 zit. n. Jugert et al. 2013: 13).
Übersicht 2: Zusammenfassende Übersicht zu Anforderungen an Kinder bzw. Jugendliche aus entwicklungspsychologischer Sicht (Havighurst 1982 zit. n. Jugert et al. 2013: 12; Eisenberg & Harris 1984 zit. n. Jugert et al
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Um diese Entwicklungsaufgaben bzw. -ziele zu bewältigen oder zu erreichen, die soziale Situation bedürfnisgerecht zu gestalten, muss die handelnde Person ihre „verfügbaren Fertigkeiten“ situationsspezifisch anwenden. Gelingt ihr der zielführende und bedürfnisbefriedigende Einsatz ihrer Fertigkeiten, so kann von sozial kompetentem Verhalten gesprochen werden (vgl. Jugert et al. 2013: 13, zit. ebd.).
Jugert et al. gehen bei ihrem Konzept zur sozialen Kompetenz also auch (s. Kannig 2009; s. Abschnitt 2.4.2, Übersicht 1) von einer Unterscheidung zwischen der sozialen Kompetenz als grundlegende Fähigkeit und sozial kompetentem Verhalten aus, wobei letzteres eine offenkundige Anwendung der sozialen Fertigkeiten voraussetzt (2013: 13).
Übersicht 3[13] beschreibt die fünf zentralen Aspekte nach Caldarella und Merrell, die entscheidend für die Entwicklung sozialer Fertigkeiten im Kindes- und Jugendalter sind und stellt diesen Beispiele für konkrete soziale Fertigkeiten nach Gambrill gegenüber (vgl. ebd.: 14f.). Anschließend soll die Aufgliederung einer sozialen Fertigkeit in ihre einzelnen Komponenten mittels der Abbildung 2 veranschaulicht werden.
„Eine differenzierte soziale Wahrnehmung“, „eine angemessene soziale Urteilsfähigkeit“ sowie „ein umfassendes Repertoire an sozialen Handlungsweisen“ beschreiben Jugert et al. als die Voraussetzung bzw. als eine Basis, die für das Erreichen der „Feinziele“ der einzelnen Komponenten einer sozialen Fertigkeit vorhanden sein muss (vgl. ebd.: 15, zit. ebd.).
Abbildung 2: Eigenes Beispiel für eine Aufgliederung einer sozialen Fertigkeit in ihre Komponenten
Übersicht 3: Zusammenfassende Übersicht zu den fünf grundlegenden Aspekten sozialer Fertigkeiten sowie zu Beispielen für soziale Fertigkeiten (Caldarella/ Merrell 1997 zit. n. Jugert et al. 2013: 16; Gambrill 1995 zit. n. Jugert et al. 2013: 14)
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Jugert et al. fügen an dieser Stelle hinzu, dass in einem Training sozialer Kompetenzen die einzelnen sozialen Fertigkeiten ‚in ihre Einzelteile aufgebrochen‘ werden müssen, so dass sie in dem Training reflektiert und eingeübt werden können (2013: 15).
Soziale Kompetenz nach Hinsch und Pfingsten – Gruppentraining sozialer Kompetenzen – GSK
Eine aus praktischen Erfahrungen abgeleitete Begriffsbestimmung sozial kompetentem Verhaltens bzw. sozialer Kompetenz hat neben den Vorteilen der „Anschaulichkeit“ sowie „Praxisnähe“ jedoch einen wesentlichen Nachteil: Bei vielen Förderprogrammen hinsichtlich sozialer Kompetenz stoßen Interessierte stets auf unterschiedliche Indikationsmerkmale, Trainingsziele und -methoden (vgl. Pfingsten 2007a: 4, zit. ebd.). Aus diesem Grund haben Hinsch und Pfingsten in ihrem Trainingsmanual zum Gruppentraining sozialer Kompetenzen – GSK (s. Abschnitt 3.1) eine für das Konzept des Trainings als Grundlage eignende Begriffsdefinition angegeben:
„Unter sozialer Kompetenz verstehen wir die Verfügbarkeit und Anwendung von kognitiven, emotionalen und motorischen Verhaltensweisen, die in bestimmten sozialen Situationen zu einem langfristig günstigen Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen für den Handelnden führen“ (ebd., Hervorhebung durch den Autor) .
Gelingt es dem Handelnden nicht, sein Verhalten in einer sozialen Situation entsprechend den Anforderungen dieser zu steuern, sprechen die Autoren von sozial inkompetentem Verhalten, folglich von sozialen Kompetenzproblemen[15] (vgl. ebd.: 6). Hinsch und Pfingsten verdeutlichen in ihrer praxisnahen Begriffsbestimmung, dass der Akteur zum einen
angemessene Verhaltensweisen in seinem Repertoire haben sollte, und zum anderen diese auch tatsächlich in konkreten Situationen anwenden müsse, um perspektivisch ein bedürfnisbefriedigendes Verhältnis zwischen „positiven und negativen Konsequenzen“ durch die Auseinandersetzung mit seiner sozialen Umwelt zu bewirken (vgl. ebd.: 5, zit. ebd.: 4). In diesem Zusammenhang sei es ebenso notwendig, die eigenen Kognitionen sowie Emotionen[16] „in sinnvoller Weise bedürfnis- und zielgerecht“ zu steuern (vgl. ebd.: 5, zit. ebd.: 5).
Es ist dennoch festzuhalten, dass diese Begriffsbestimmung nicht das Ende aller Definitionsversuche darstellt; sie dient lediglich als eine „pragmatische Grundlage“ für ihre theoretischen Überlegungen und für das Trainingskonzept des Gruppentrainings sozialer Kompetenzen – GSK (vgl. ebd., zit. ebd.).
Zusätzlich zu der genannten Definition in dem Programmmanual ergänzen Hinsch und Wittmann in einem begleitenden Buch zum Gruppentraining sozialer Kompetenzen – GSK folgende Definition, die auf eine Anpassung innerhalb einer sich verändernden sozialen Situation verweist:
„Soziale Kompetenz ist dann gegeben, wenn man in der Lage ist, die der jeweiligen Situation angemessenen Verhaltensweisen zu zeigen. Dazu gehört auch, dass man sein Verhalten den Situationsanforderungen entsprechend schnell und flexibel verändern kann“ (Hinsch/ Wittmann 2010: 52, Hervorhebung durch den Autor).
2.4.3 Das Konzept der emotionalen Kompetenz
Einst wurden Emotionen als Störungen in unserem Denkprozess eingestuft und als ein möglicher Einflussfaktor hinsichtlich unserer Persönlichkeitsentwicklung gänzlich unbeachtet gelassen (Link 2).
Neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ist es gegenteilig. Dem ‚richtigen‘ Umgang mit unseren Emotionen sowie auch mit Emotionen wird eine wesentliche Bedeutung bzgl. der Alltags- und Lebensbewältigung von Erwachsenen und Kindern zugeschrieben (vgl. Petermann/ Wiedebusch 2008: 13). Aus der entwicklungspsychologischen Sicht gehört das Erlernen des Umgangs sowohl mit den eigenen Gefühlen als auch mit den Gefühlen anderer Menschen zu den wesentlichen Entwicklungszielen eines Kindes (vgl. Lewis 1998 nach ebd.). Die Auseinandersetzung mit den eigenen und fremden Emotionen führt „im Verlauf der emotionalen Entwicklung zur Ausbildung entsprechender Fertigkeiten und zum Erwerb einer umfassenden emotionalen Kompetenz …“ (Denham 1998/ Saarni 1999/ Friedlmeier 1999b zit. n. Petermann/ Wiedebusch 2008: 13).
Denham, Saarni und Friedlmeier verweisen auf Studien der Entwicklungspsychologie mit Kindern, die zum Ergebnis hätten, dass sich eine angemessen entwickelte emotionale Kompetenz positiv sowohl auf die soziale als auch auf die schulische Entwicklung auswirke (Denham 2007 zit. n. ebd.). Nach Trinidad und Johnson konnten risikoreiche Auswirkungen einer weniger ausgeprägten emotionalen Kompetenz auf den Konsum von alkoholischen Getränken und Tabak durch Jugendliche nachgewiesen werden (2002 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 13f.).
In der folgenden Abbildung sind die emotionalen Kompetenzbereiche nach Petermann und Wiedebusch veranschaulicht.
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Abbildung 3: Bereiche emotionaler Kompetenz (übernommen aus: Petermann/ Wiedebusch 2008: 14)
Die emotionale Kompetenz definiert sich aus einer funktionalen Sichtweise heraus als die Fähigkeit eines Individuums, bedeutende soziale Beziehungen zu beginnen, aufrecht zu erhalten, zu modellieren oder zu beenden (vgl. Campos, Mumme, Kermoian & Campos 1994 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 14). Dieser Definition entsprechend werden Emotionen zumeist in einem sozialen Zusammenhang und mit einer übertragenen Intention zum Ausdruck gebracht. Hierbei werden durch den Ausdruck „soziale Signale“ an unsere Mitmenschen weitergeleitet und wiederum „zurückgewonnen“ (vgl. Saarni 1999/ Denham 1998 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 14; Saarni 1999/ Denham 1998 zit. n. Petermann/ Wiedebusch 2008: 14).
Saarni verweist in ihrem „ Konzept zur emotionalen Kompetenz “ auf die Zweckdienlichkeit von emotionalen Fertigkeiten einer Person in sozialen Interaktionen. Von einem emotional kompetenten Verhalten kann dann gesprochen werden, wenn die emotionalen Fertigkeiten in einer Interaktion mit anderen Personen angewandt werden und diese zu einer Selbstwirksamkeit in den Verhaltensweisen führen (vgl. Saarni 1999, 2002 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 14; Saarni 1999, 2002 zit. n. Petermann/ Wiedebusch 2008: 14). In diesem Zusammenhang müssten folgende zwei Kriterien erfüllt sein: (1) Die handelnde Person ist sich dessen bewusst, dass sie die Reaktionen ihrer sozialen Umwelt u. a. durch „ihr eigenes emotionales Ausdrucksverhalten“ bedingt und (2) in ihrem Entwicklungsprozess hinsichtlich ihrer emotionalen Kompetenz gelernt hat, das eigene (emotionale) Verhalten „strategisch zu steuern“, um antizipierte Reaktionen ihrer Interaktionspartner zu bewirken (vgl. Petermann/ Wiedebusch 2008: 14f., zit. ebd. 15).
Die emotionalen Fertigkeiten, die die handelnde Person anwenden müsse, um als emotional kompetent ‚bewertet‘ – das gezeigte Verhalten demnach den sozialen, antizipierten sowie wertegebundenen Inhalten entspricht – zu werden, unterliegen in ihrem Entwicklungsprozess dem „familiären und kulturellen Umfeld“ der Person (Saarni 1999 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 15; Saarni 1999 zit. n. Petermann/ Wiedebusch 2008: 15; Kannig 2009: 16). In der folgenden Abbildung[17] soll der Zusammenhang zwischen emotionaler Kompetenz und dem genannten Umfeld einer Person (angelehnt an Abbildung 1 – Kompetenz und kompetentes Verhalten sowie an die eben thematisierten Überlegungen von Saarni) veranschaulicht werden.
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Abbildung 4: Eigene Darstellung des Zusammenhangs zwischen sozialer Umwelt und emotionalen Kompetenzen
So benennt auch Denham einige emotionale Schlüsselfertigkeiten, welche er in drei Bereiche einteilt (s. Übersicht 4) und somit zu einer besseren Ordnung verhilft: der „Emotionsausdruck“, das „Emotionsverständnis“ und die „Emotionsregulation“. Die Qualität und Quantität dieser emotionalen Schlüsselfertigkeiten stehen auch im Zusammenhang mit dem Alter sowie dem Fortschritt der Entwicklung einer Person und können demnach mehr oder weniger stark ausgeprägt sein (vgl. Denham 1998 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 16; Denham 1998 zit. n. Petermann/ Wiedebusch 2008: 16). Abbildung 4 verdeutlicht die Variationen hinsichtlich der Ausprägung der emotionalen Fertigkeiten mittels der unterschiedlichen Größe und Form der Kästchen.
Übersicht 4: Komponenten emotionaler Kompetenz (Denham 1998 zit. n. Petermann/ Wiedebusch 2008: 16)
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2.4.4 Der Zusammenhang zwischen emotionaler und sozialer Kompetenz
Nach Petermann und Wiedebusch sei die emotionale und soziale Entwicklung auf vielseitige Weise miteinander verbunden (Petermann 2002a zit. n. Petermann/ Wiedebusch 2008: 23). Kinder, die das Vortäuschen von Emotionen erlernen, sind ebenso in der Lage, dies in sozialen Interaktionen zielgerichtet einzusetzen (vgl. Saarni 1999 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 23).
Nach neueren Studien stellen zahlreiche emotionale Fertigkeiten des Kindes eine Voraussetzung für die Entwicklung eines angemessenen Sozialverhaltens dar (vgl. Denham et al. 2001 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 23). Zudem ist nachgewiesen, dass sich eine Verfügung emotionaler Fertigkeiten positiv auf die soziale Kompetenz, auf den sozialen Status sowie auf die Akzeptanz in der Gruppe Gleichaltriger auswirkt (vgl. Petermann/ Wiedebusch 2008: 23). Das Erkennen und Interpretieren des mimischen Emotionsausdruckes anderer fällt „sozial auffälligen“ Kindern deutlich schwerer, als Kindern, die ein angemessenes Sozialverhalten aufweisen (vgl. Deichmann/ Kastner-Koller/ Benka/ Kainz/ Schmidt 2005 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 23, zit. Petermann/ Wiedebusch 2008: 23). Diese Kinder verfügen zudem über ein unzureichendes „Emotionsverständnis“ (Bohnert/ Crnic/ Lim 2003 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 23, zit. Petermann/ Wiedebusch 2008: 23). Buckley, Storino und Saarni konnten belegen, dass aggressive Verhaltensweisen im Zusammenhang mit einer geringen Fähigkeit zur Regulation der eigenen Emotionen stehen (2003 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 23). Sowohl Einfühlungsvermögen als auch prosoziales Verhalten, die emotional kompetentes Verhalten, wie z. B. „emotionale Perspektivenübernahme“ ermöglichen, setzen angemessen entwickelte emotionale Fertigkeiten voraus (vgl. Eisenberg et al. 1997; Eisenberg/ Fabes 1998 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 23, zit. Petermann/ Wiedebusch 2008: 23). Eisenberg konnte folgende Zusammenhänge zwischen der „ Emotionalität “, der „ Emotionsregulation “ (Petermann/ Wiedebusch 2008: 26) und der sozialen Kompetenz bzw. dem prosozialen Verhalten eines Kindes feststellen:
- Die Quantität sowie die Intensität der gezeigten Emotionen, die (positive oder negative) „Valenz“ dieser Emotionen und auch die Variationen der negativen Gefühle haben Auswirkungen auf die soziale Kompetenz bzw. das Sozialverhalten eines Kindes (vgl. Eisenberg/ Fabes/ Guthrie/ Reiser 2002 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 26, zit. Petermann/ Wiedebusch 2008: 26).
- Die Regulation der eigenen Emotionen wird auch dazu eingesetzt, ein bestimmtes Ziel in der sozialen Interaktion zu erreichen. Diese Regulation kann als ein „interner Prozess“ bezeichnet werden, „bei dem das Auftreten, die Intensität oder Dauer subjektiv erlebter Gefühlszustände und emotionsbezogener physiologischer Veränderungen initiiert, aufrechterhalten oder verändert wird“ (vgl. Eisenberg/ Fabes/ Guthrie/ Reiser 2002 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 26, zit. Petermann/ Wiedebusch 2008: 26). Die durch die Regulation herbeigeführten Auswirkungen auf die Verhaltensebene des Handelnden stellen gleichzeitig eine Auswirkung auf sein Sozialverhalten dar (vgl. Eisenberg/ Fabes/ Guthrie/ Reiser 2002 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 26, zit. Petermann/ Wiedebusch 2008: 26).
- Aggressives Verhalten sowie „externalisierende“ Störungen des Verhaltens können bspw. auch auf Mängel in der Regulation der eigenen Emotionen sowie auf eine ausgeprägte negative Gefühlswelt zurückgeführt werden (vgl. Eisenberg/ Fabes/ Guthrie/ Reiser 2002 nach Petermann/ Wiedebusch 2008: 27, zit. Petermann/ Wiedebusch 2008: 27). Petermann und Wiedebusch ergänzen in diesem Zusammenhang, dass durch den positiven oder negativen Ausdruck der Emotionen und die Fähigkeit, Emotionen regulieren zu können, sowohl die Wahrnehmung als auch das eigene Verhalten in sozialen Interaktionen beeinflusst werden (2008: 26).
3. Ein Vergleich beider Ansätze zur Förderung sozialer Kompetenzen: soziale Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII vs. Training sozialer Kompetenzen
Das folgende Kapitel setzt sich mit zwei praktischen Ansätzen der Förderung sozialer Kompetenzen, mit deren Konzeption, Zielsetzung und einzelnen Bestandteilen auseinander und stellt die einzelnen Komponenten der Konzeption einander gegenüber.
Dieser Vergleich soll dazu verhelfen, sowohl mögliche Gemeinsamkeiten als auch mögliche Unterschiede und somit erste Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Ergänzung beider Ansätze festzustellen.
3.1 Das Gruppentraining sozialer Kompetenzen – GSK nach Hinsch und Pfingsten
Das Gruppentraining sozialer Kompetenzen – GSK entwickelten Rüdiger Hinsch und Ulrich Pfingsten zu Beginn der 80er Jahre, angeregt durch zahlreiche Gespräche mit Personen, die vergleichsweise von ähnlichen Problemen hinsichtlich des Umgangs mit zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Äußern von eigenen Emotionen, Vorstellungen sowie Bedürfnissen berichteten. In ihren Überlegungen zu einer angemessenen Förderung sozialer Kompetenzen gelangten sie zu dem Schluss, dass bei der Bewältigung von sozial inkompetentem Verhalten aus verschiedenen Gründen ein gruppenorientiertes Verfahren geeignet wäre – im Gegensatz zu „individuellen Interventionen“, die auch aus Gründen der Ökonomie bedenklich seien (vgl. Hinsch & Pfingsten 2007: X, zit. ebd.)[18].
[...]
[1] Die Verwendung von dem stilistischen Mittel doppelte Anführungszeichen erfolgt in der vorliegenden Arbeit ausschließlich bei Zitationen.
[2] Wenn zwei oder mehrere Menschen miteinander Kontakt haben, werden die zwischen ihnen stattfindenden „Prozesse“ als „soziale Interaktion“ bezeichnet. Dieser Informationsaustausch kann in verbaler oder nonverbaler Form geschehen, durch bspw. gesprochene Worte, Verhalten, Körpersprache oder dem Gesichtsausdruck (vgl. Hinsch & Wittmann 2010: 27, zit. ebd.).
[3] In der vorliegenden Arbeit wird auf eine gendersensible bzw. geschlechterspezifische Schreibweise aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichtet. Stattdessen wird, sofern der Zusammenhang eine geschlechterspezifische Ausdruckweise nicht ausdrücklich erfordert, bei Personen- und Funktionsbezeichnungen die männliche Form verwendet.
[4] Die Verwendung des stilistischen Mittels kursiv erfolgt bei dem Hinweis auf relevante Schlüsselwörter bzw. –ausdrücke in dem jeweiligen Zusammenhang, bei dem Kenntlich-machen von Autoren im Fließtext sowie aus textstrukturellen Gründen.
[5] Die Verwendung einfacher Anführungszeichen erfolgt in der vorliegenden Arbeit (1) bei der Kennzeichnung von Begriffen bzw. Ausdrucksweisen, die metaphorisch, doppel- bzw. mehrdeutig gemeint sind bzw. gewertet werden können und somit nicht einer erforderlichen Sachlichkeit entsprechen, jedoch inhaltlich korrekt sind sowie (2) bei dem Hinweis auf eine bereits erfolgte Zitation bei zitierten Inhalten.
[6] Bei diesem Zitat sind die einfachen Anführungszeichen als Hervorhebung aus dem Original durch den Autor übernommen.
[7] Die doppelten Anführungszeichen als Hervorhebung aus dem Original wurden durch den Autor zur Wahrung der Hervorhebung im Rahmen der Zitation in einfache Anführungszeichen überführt.
[8] Die doppelten Anführungszeichen als Hervorhebung aus dem Original wurden durch den Autor zur Wahrung der Hervorhebung im Rahmen der Zitation in einfache Anführungszeichen überführt.
[9] Bei diesem Zitat sind die einfachen Anführungszeichen als Hervorhebung aus dem Original durch den Autor übernommen.
[10] In diesem Abschnitt wird nicht auf die zugehörigen, tiefergehenden Erklärungsmodelle nach Pfingsten (2007b) bzw. Berking (2010) eingegangen, da dies in der notwendigen Ausführlichkeit nicht dem Gegenstand der Bachelorarbeit entspricht. Hinsichtlich des letzteren Quellenverweises Berking (2010) ist im Literaturverzeichnis eine Quelle zur weiterführenden Literatur angegeben.
[11] Die doppelten Anführungszeichen als Hervorhebung aus dem Original wurden durch den Autor zur Wahrung der Hervorhebung im Rahmen der Zitation in einfache Anführungszeichen überführt.
[12] Die Inhalte der Übersicht wurden inhaltlich aus dem Original übernommen, wobei einige geringfügige Änderungen hinsichtlich der einheitlichen Textgestaltung sowie korrekten Grammatik durch den Autor vorgenommen wurden.
[13] Die Übersicht wurde inhaltlich aus dem Original übernommen, wobei einige geringfügige Änderungen hinsichtlich der einheitlichen Textgestaltung sowie korrekten Grammatik durch den Autor vorgenommen wurden.
[14] Hervorhebung durch den Autor
[15] „Soziale Kompetenzprobleme sind alle Probleme bei der Verfügbarkeit und Anwendung von kognitiven, emotionalen und motorischen Verhaltensweisen, die es einer Person erschweren, in für sie relevanten sozialen Alltagssituationen ein langfristig günstiges Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen zu erzielen“ (Pfingsten 2007a: 7).
[16] In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Gefühl(e) und Emotion(en) synonym verwendet.
[17] In dieser Abbildung bedeutet EF die emotionalen Fertigkeiten.
[18] Dieser Literaturverweis bezieht sich auf das Vorwort des angegebenen Buches.
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