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Sowohl die Konfrontation von zwei hochgerüsteten militärischen Allianzen in Europa als
auch die Opposition zweier mächtiger Rivalen, deren Macht sich gegenseitig aufhob, ist
vorüber. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts löste sich auch die Struktur der internationalen
Beziehungen auf, die mehr als vierzig Jahre Bestand hatte.
Angesichts dieser Lageveränderung befindet sich vor allem Deutschland, das einstige
Zentrum des Ost-West-Konflikts, in einer beispiellosen Situation. Aus dem Schutz der
ehemaligen Supermächte rückte es heraus in die Rolle eines souveränen Staates.2
Längst hat die Bundesrepublik erkannt, daß das atlantische Bündnis nicht mehr der alleinige
Rahmen für die deutsche Sicherheitspolitik und Verteidigungsplanung sein kann. Aber welche
Rolle spielt vor dem Hintergrund der großen bestehenden Sicherheitsbündnisse - dem
Nordatlantikpakt (NATO) und den Bündnissen mit den Europäischen Partnern - der neue
Partner im Osten? Kommt den deutsch-russischen Sicherheitsbeziehungen angesichts des
rapiden Machtverfalls der ehemaligen Großmacht und des wirtschaftlichen Niedergangs
Rußlands überhaupt noch eine entscheidende Rolle zu?
In dieser Arbeit soll versucht werden, einige dieser Fragen zu beleuchten. Hierzu wurden vor
allem das Werk von Gregor Schöllgen, das sich mit der Außenpolitik der Bundesrepublik
Deutschland befaßt, und der Sammelband von Werner Weidenfeld über die Europäische
Union herangezogen.
Die vorliegende Arbeit ist in zwei Haupteile unterteilt. Im ersten Teil soll ein Überblick über
die NATO und die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) und über deren
aktuelle Probleme mit Rußland gegeben werden, da Deutschland als Mitglied in beiden
Bündnissen von diesen Entwicklungen stark betroffen ist.
Im zweiten Teil sollen dann verschiedene Probleme, die aus intensivierten deutschrussischen
Beziehungen mit den beiden wichtigsten Bündnispartnern - den USA und der EU -
entstehen können, aufgezeigt werden.
2 Vgl. Wolfgang Heydrich; Joachim Krause; Uwe Nerlich; Jürgen Nötzold; Reinhardt Rummel: Einleitung
der Herausgeber, in: Heydrich / Krause/ Nerlich / Nötzold / Rummel (Hrsg.): Sicherheitspolitik
Deutschlands: Neue Konstellationen, Risiken, Instrumente, Baden-Baden 1993,
S. 11 - 18, S. 11.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. NATO und ESVP - Pfeiler deutscher Sicherheitspolitik
1.1. Der Nordatlantikpakt
1.1.1. Bedeutung der NATO für die BRD während des Ost-West-Konflikts
1.1.2. NATO und Rußland
1.2. Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)
1.2.1. Entstehung und Entwicklung des ESVP
1.2.2. EU und Rußland
2. Deutsch-Russische Sicherheitsbeziehungen
2.1. Deutsch-Russische Sicherheitsbeziehungen und die EU
2.2. Deutsch-Russische Sicherheitsbeziehungen und die USA
Schlußbetrachtung
Bibliographie
Einleitung
Seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation sind über zehn Jahre vergangen. Unlösbar mit dieser Auflösung verbunden ist der Zusammenbruch des sozialistischen Systems. Der Prozeß der graduellen Schwächung des östlichen Pols innerhalb des bipolaren internationalen Systems kulminierte in der Auflösung der Sowjetunion 1991.[1]
Sowohl die Konfrontation von zwei hochgerüsteten militärischen Allianzen in Europa als auch die Opposition zweier mächtiger Rivalen, deren Macht sich gegenseitig aufhob, ist vorüber. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts löste sich auch die Struktur der internationalen Beziehungen auf, die mehr als vierzig Jahre Bestand hatte.
Angesichts dieser Lageveränderung befindet sich vor allem Deutschland, das einstige Zentrum des Ost-West-Konflikts, in einer beispiellosen Situation. Aus dem Schutz der ehemaligen Supermächte rückte es heraus in die Rolle eines souveränen Staates.[2]
Längst hat die Bundesrepublik erkannt, daß das atlantische Bündnis nicht mehr der alleinige Rahmen für die deutsche Sicherheitspolitik und Verteidigungsplanung sein kann. Aber welche Rolle spielt vor dem Hintergrund der großen bestehenden Sicherheitsbündnisse - dem Nordatlantikpakt (NATO) und den Bündnissen mit den Europäischen Partnern - der neue Partner im Osten? Kommt den deutsch-russischen Sicherheitsbeziehungen angesichts des rapiden Machtverfalls der ehemaligen Großmacht und des wirtschaftlichen Niedergangs Rußlands überhaupt noch eine entscheidende Rolle zu?
In dieser Arbeit soll versucht werden, einige dieser Fragen zu beleuchten. Hierzu wurden vor allem das Werk von Gregor Schöllgen, das sich mit der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland befaßt, und der Sammelband von Werner Weidenfeld über die Europäische Union herangezogen.
Die vorliegende Arbeit ist in zwei Haupteile unterteilt. Im ersten Teil soll ein Überblick über die NATO und die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) und über deren aktuelle Probleme mit Rußland gegeben werden, da Deutschland als Mitglied in beiden Bündnissen von diesen Entwicklungen stark betroffen ist.
Im zweiten Teil sollen dann verschiedene Probleme, die aus intensivierten deutsch-russischen Beziehungen mit den beiden wichtigsten Bündnispartnern - den USA und der EU - entstehen können, aufgezeigt werden.
1. NATO und ESVP – Pfeiler deutscher Sicherheitspolitik
1.1. Der Nordatlantikpakt
1.1.1. Bedeutung der NATO für die BRD während des Ost-West-Konflikts
Die NATO entstand 1949 im Zuge der Verschärfung des Ost-West-Konflikts. Der NATO-Vertrag definiert zwar als wichtigste Aufgabe den Schutz sämtlicher NATO-Partner gegen eine mögliche Aggression; neben der militärischen setzt sich die NATO jedoch erstmals in der Geschichte der Bündnissysteme auch die politische, soziale, ökonomische und kulturelle Zusammenarbeit als Ziel. Die Verteidigung der „westlichen Demokratien“ als eine Lebensform, die sich gegen die des sowjetischen Einflußbereichs klar abgrenzte, war und ist somit zentraler Bestandteil der NATO.[3]
Als die Bundesrepublik Deutschland 1953 eingeladen wurde, der NATO beizutreten, bedeutete dies für die Adenauer-Regierung daher nicht nur die Bestätigung ihrer Westintegrationspolitik, sondern vor allem die Absicherung der jungen westdeutschen Demokratie. Für die Bundesrepublik, die als Zentrum des Ost-West-Konflikts besonders bedroht war, bot die NATO stärker als für die Bündnispartner die notwendige Sicherheit vor der drohenden Gefahr im Osten. Mit ihrem Beitritt im Mai 1955 erlangte die Bundesrepublik Deutschland zudem die langersehnte - fast vollständige - Souveränität ohne auf den Schutz der Westmächte verzichten zu müssen.[4]
Mit der Antwort der Sowjetunion auf die Gründung der NATO, der Schaffung des Warschauer Pakts im Mai 1955, fand sich Europa nur zehn Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs wieder eingebunden in umfassende militärische Bündnisse, die aufgrund ihres ideologischen Hintergrunds einen Ausgleich unvorstellbar machten.[5]
1.1.2. NATO und Rußland
Der Nordatlantikpakt ist auch nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts 1990 - nicht zuletzt aufgrund seines politischen, ökonomischen und militärischen Potentials - die für die Sicherheit in Europa entscheidende internationale Organisation geblieben. Gerade angesichts einer internationalen Situation, in der Bedrohungen, Unsicherheiten und Unkalkulierbarkeiten diffuser werden[6], stärkt das Bekenntnis der USA, auch nach dem Ende des Ost-West-Konflikts in Europa engagiert zu bleiben, die Glaubwürdigkeit der NATO zusätzlich.[7]
Erst zehn Jahre nach dem Ende des Ost-West-Konflikts wurden im Frühjahr 1999 mit Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik die ersten ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten Mitglieder der NATO. Eine weitere Erweiterung der NATO nach Osten soll auf dem Transformationsgipfel im November diesen Jahres in Prag beschlossen werden.[8]
Obwohl die Osterweiterung der NATO die militärische Sicherheit Rußlands nicht notwendigerweise bedroht, hat kein Problem zwischen den NATO-Staaten und Rußland die Beziehungen derart belastet wie die Ausweitung des Einflußgebietes der NATO auf die Staaten, die vordem dem Warschauer Pakt angehörten.
Deutlich hervor tritt dies in der folgenden Aussage Dmitri Trenins, dem stellvertretenden Direktor des Carnegie Center in Moskau:
„ Moscou n’a pu empêcher la réorientation radicale des politiques sécuritaires des anciens satellites soviétiques. Elle est sortie blessée et humiliée de cette longue lutte diplomatique et de cette campagne de propagande prolongée.“[9]
Nicht nur der Amtsantritt des jetzigen russischen Präsidenten Wladimir Putin, sondern vor allem die „Koalition gegen den Terror“, die von den USA im Anschluß an die Anschläge im September 2001 gegründet wurde, führten zu einer Wiederannäherung Rußlands an die NATO. Mit der Gründung des NATO-Rußland-Rates im Mai 2002 in Rom wurde gezeigt, daß Rußland als gleichberechtigter und wichtiger Partner für die Durchsetzung gemeinsamer Interessen angesehen wird.[10]
Allerdings hegen weiterhin einige Staaten der NATO gegenüber Rußland ein tiefes Mißtrauen. Während Rußland für viele Mitgliedstaaten der NATO immer noch eine Bedrohung darstellt, gegen deren potentielles Hegemoniestreben nur die NATO einen einigermaßen stabilen Schutz bietet, vertritt James A. Baker III in „The Washington Quarterly“ die Ansicht, daß:
„...keeping Russia out of NATO increases the risk of Russian expansionism, while making it clear that Russia would be eligible for admission to NATO ... reduces that risk.“[11]
So wird ein potentieller Beitritt Rußlands zur NATO weiteren Diskussionsstoff liefern, ebenso wie mit der Kandidatur der baltischen Staaten für einen Beitritt zur NATO im Rahmen der nächsten Erweiterungsrunde und mit einem eventuellen Militärschlag der USA gegen den Irak schon wieder Streitpunkte entstanden sind, die das Verhältnis stark belasten können.
[...]
[1] Vgl. Pál Dunay: „Zurück in die Zukunft“ oder: Europa als neuer Machtblock?, in: Wolf-Dieter Eberwein; Gerald Mader; Wolfgang R. Vogt (Hrsg.): Europa im Umbruch. Chancen und Risiken der Friedensentwicklung nach dem Ende der Systemkonfrontation, Münster 1997, S. 67 - 91, S. 67.
[2] Vgl. Wolfgang Heydrich; Joachim Krause; Uwe Nerlich; Jürgen Nötzold; Reinhardt Rummel: Einleitung der Herausgeber, in: Heydrich / Krause/ Nerlich / Nötzold / Rummel (Hrsg.): Sicherheitspolitik Deutschlands: Neue Konstellationen, Risiken, Instrumente, Baden-Baden 1993, S. 11 - 18, S. 11.
[3] Vgl. Wichard Woyke: NATO, in: Wichard Woyke (Hrsg.):Handwörterbuch Internationale Politik, 8. aktualisierte Auflage, Bonn 2000, S. 321 - 326.
[4] Vgl. Gregor Schöllgen: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. Auflage, München 2001, S. 18 - 42.
[5] Vgl. Curt Gasteyger: Europa von der Spaltung zur Einigung. Darstellung und Dokumentation 1945-2000, vollständige und überarbeitete Neuauflage, Bonn 2001, S. 110.
[6] Verwiesen sei hier beispielsweise auf die Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus.
[7] Vgl. Wichard Woyke: Neue Europäische Sicherheitsstruktur, in: Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch Internationale Politik, S. 327 - 338, S. 332.
[8] Vgl. Klaus Naumann: Das Bündnis vor dem Aus? Gedanken über die Zukuft der NATO, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.): Internationale Politik, B 7/2002, S. 7 - 14, S. 12.
[9] Dmitri Trenin: L’elargissement de l’OTAN vu de Moscou, in: Thierry de Montbrial (Hrsg.): Politique Étrangère, B 2/2002, S. 377 - 393, S. 379. „Moskau konnte eine radikale Umorientierung in der Sicherheitspolitik der ehemaligen sowjetischen Satellitenstaaten nicht verhindern. Es ging verletzt und gedemütigt aus diesem lagen diplomatischen Kampf und dieser Propagandacampagne heraus.“
[10] Vgl. Lord Robertson: Die Tragödie als Chance, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.): Internationale Politik, B 7/2002, S. 1 – 6, S. 3.
[11] James A. Baker III: Russia in NATO?, in: Alexander T. J. Lennon (Hrsg.): The Washington Quarterly, B 1/2002, S. 95 - 103, S. 99.
- Quote paper
- Theresia Schnell (Author), 2002, Deutsch-russische Sicherheitsbeziehungen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26770
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