[...] Amartya Sen wendet sich mit seinem Werk „Development as Freedom“2 gegen diese
Auffassung von Entwicklung. Er versteht Entwicklung als „Prozeß der Erweiterung realer
Freiheiten“3. Er bestreitet nicht, daß ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt ein wichtiges Mittel zur
Erweiterung der Freiheiten sein kann, betont aber, daß diese ökonomischen Faktoren nur ein Teil
dessen sind, was Freiheiten prägen.
Vieles von dem, was Sen in seinem Werk als essentiell für die Erweiterung von Freiheit sieht,
läßt sich implizit oder explizit unter Demokratie zusammenfassen. Demokratie sollte nicht nur
abstrakt auf Generalisierung und Formalisierung der Willensbildung gerichtete Prozesse, wie freie,
gleiche und geheime Wahlen, garantieren, sondern auch den Boden bereiten für weiter gefaßte
Partizipationsformen. Den betroffenen Individuen sollte die Möglichkeit gegeben sein, auf den
Entwicklungsprozeß Einfluß zu nehmen. Bürgerliche und politische Freiheiten einer Demokratie
sollten eine Umwelt fördern mit weniger Restriktionen, die Aneignung von Kenntnissen im Bereich
des technologischen Wandels, die Bewegungsfreiheit und damit den Austausch mit anderen
betreffend. All dies sind Voraussetzungen für die Entstehung von Unternehmen und Märkten und
damit für Entwicklung.
Trotzdem ist die Annahme eines positiven Zusammenhangs zwischen Demokratie und
Entwicklung seit langem umstritten; wird doch oft gefordert, zunächst durch Unterdrückung der
bürgerlichen und politischen Rechte das wirtschaftliche Wachstum zu fördern und dann erst die
Entwicklung einer Demokratie, die nach dieser Ansicht das Wirtschaftswachstum hemmt,
voranzutreiben.
Die vorliegende Arbeit untersucht in Anlehnung an Amartya Sen durch die Zusammenführung
der verschiedenen Faktoren von Demokratie, ob es einen Zusammenhang zwischen Demokratie
und Entwicklung gibt. Dazu werden im ersten Kapitel zunächst die als zentral angesehenen
Begriffe Entwicklung, Demokratie und Partizipation geklärt, an denen sich diese Arbeit orientiert.
Anschließend werden dann verschiedene Zusammenhänge zwischen Demokratie und Entwicklung
beleuchtet, um im letzten Teil auf die Kritik an Sens Vorstellung, vor allem auf die sogenannte Lee-
These und die These, daß aufgrund unterschiedlicher kultureller Hintergründe eine universelle
Forderung nach Demokratie nicht zu vertreten ist, einzugehen.
2 Amarty Sen: Development as Freedom, Oxford 1999.
3 Vgl. ebd., S. 4.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriffsbestimmung
- Entwicklung
- Demokratie
- Partizipation
- Die Bedeutung der Demokratie für Entwicklung
- Die intrinsische Bedeutung der Demokratie
- Die instrumentelle Bedeutung der Demokratie
- Die konstruktive Bedeutung der Demokratie
- Demokratie und Märkte
- Partizipation und Entwicklung
- Argumente gegen einen Zusammenhang zwischen Demokratie und Entwicklung
- Kulturinterpretation
- Die Lee-These
- Schlußbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, den Zusammenhang zwischen Demokratie und Entwicklung in Anlehnung an Amartya Sen zu untersuchen. Sie analysiert die verschiedenen Dimensionen der Demokratie und ihre Bedeutung für den Entwicklungsprozess. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob Demokratie einen positiven Einfluss auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung hat.
- Begriffliche Klärung von Entwicklung, Demokratie und Partizipation
- Analyse der intrinsischen, instrumentellen und konstruktiven Bedeutung der Demokratie für Entwicklung
- Bewertung der Rolle von Märkten und Partizipation im Zusammenhang mit Demokratie und Entwicklung
- Behandlung von Argumenten gegen einen Zusammenhang zwischen Demokratie und Entwicklung, insbesondere der Kulturinterpretation und der Lee-These
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Die Einleitung stellt den Kontext der Arbeit vor und erläutert die Relevanz des Themas. Es werden die wichtigsten Argumente von Amartya Sen zur Entwicklung als Freiheit eingeführt.
- Kapitel 2: In diesem Kapitel werden die zentralen Begriffe der Arbeit - Entwicklung, Demokratie und Partizipation - definiert und analysiert. Es wird auf die verschiedenen Dimensionen von Entwicklung und Demokratie eingegangen.
- Kapitel 3: Dieses Kapitel untersucht die verschiedenen Beziehungen zwischen Demokratie und Entwicklung. Es werden sowohl die intrinsische, instrumentelle als auch die konstruktive Bedeutung der Demokratie für den Entwicklungsprozess beleuchtet.
- Kapitel 4: In diesem Kapitel werden die Argumente gegen einen Zusammenhang zwischen Demokratie und Entwicklung kritisch betrachtet, insbesondere die Kulturinterpretation und die Lee-These.
Schlüsselwörter
Demokratie, Entwicklung, Partizipation, Amartya Sen, Freiheit, Wachstum, Wirtschaftswachstum, soziale Entwicklung, Kulturinterpretation, Lee-These.
- Quote paper
- Theresia Schnell (Author), 2004, Der Zusammenhang zwischen Demokratie und Entwicklung in Anlehnung an Amartya Sen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26761