Sowohl der Politische Realismus, als auch der Strukturelle Neorealismus betrachten
Macht als Kernfaktor für die internationalen Beziehungen. Jedoch gibt es einige
wesentliche Unterschiede zwischen beiden Theorien, die es zu beachten gilt.
Der Politische Realismus setzt mit der Feststellung an, dass die Politik durch den „im
Sinne von Macht verstandene[n] Begriff des Interesses“1 geleitet und von objektiven
Gesetzen beherrscht wird. Morgenthau betont, dass Internationale Politik nichts anderes
sei, als ein „ein Kampf um Macht“2. Unter diesem weiten Begriff von Macht fasst er „alle
gesellschaftlichen Beziehungen, die diesem Ziel dienen, von der physischen Gewaltanwendung
bis zu den feinsten psychologischen Bindungen, durch die ein geistiger Wille
einen anderen beherrschen kann“3, zusammen.
Außerdem versteht Morgenthau Macht, in Anlehnung an Max Weber, als Herrschaft von
Menschen über Menschen4; Machstreben definiert er als menschlichen Trieb, um zu
überleben. In seinem Werk „Politics among Nations“ hebt er drei mögliche Ziele der Politik
hervor: Erstens den Machterhalt (status quo), zweitens die Machterweiterung
(Imperialismus), und drittens die Machtdemonstration (Prestigepolitik).5 Die Macht selbst
ist im Politischen Realismus ein übergeordnetes Gesetz, demnach also von Zeit und Ort
unabhängig. Jedoch ist zu bemerken, dass ihr Inhalt, d.h. ihre Umsetzung oder Ausübung
eng mit den kulturellen und zeitgeschichtlichen Gegebenheiten verknüpft ist. Ferner ist
Macht rational und immer relativ. Sie dient einzig und allein dem Selbstzweck. [...]
1 Morgenthau, Hans: Macht und Frieden. Gütersloh, 1963. S. 50.
2 Ebd.: S. 69.
3 Ebd.: S. 55.
4 Ebd.: S. 124.
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