Eine Krise ist definiert als ein Ausnahmezustand, dessen Ausmaße keine Rückkehr zur Ausgangssituation zulassen. Somit lässt sich der Zeitraum des 17. Juni 1953 ohne Einschränkungen als nationale Krise der DDR bezeichnen. Ob nun ein Arbeiter- oder ein Volksaufstand, oder gar eine extern gelenkte Aktion: was die Ursachen dieser Krise waren, sei im Folgenden geklärt. Bis dahin werde ich das Geschehen weiterhin als Krise oder lediglich Aufstand bezeichnen, um Vorverurteilungen zu vermeiden. Kaum einem Ereignis in der Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik wurde, mit Ausnahme des Mauerfalls 1989, solche Bedeutungsschwere zugewiesen. Die Folgen des Aufstandes reichten in alle Ebenen der sozialistischen Gesellschaft: politische Sanktionen, wirtschaftliche Kompromisse sowie soziale Zugeständnisse (und gleichfalls Verschärfungen) vollzogen sich gewissermaßen als posttraumatische Reaktionen. Diese Gesamtheit struktureller Veränderungen wirkt sich natürlich prägend auf die Erinnerung an ein solches Ereignis aus. Obwohl diese individuell stark variiert, lassen sich intersubjektive „Erinnerungskomplexe“ 1 zusammen fassen. Diese Komplexe mit ihren jeweiligen Ursachen und Verläufen möchte ich im zweiten Teil meiner Arbeit näher analysieren. Erinnerung soll dabei nicht dem Erfahrungswert einiger Zeitzeugen gleich gesetzt werden, sondern vielmehr als aktive und passive Vergangenheitsbewältigung verstanden werden. Interessant sind vor allem deren Rahmenbedingungen, die in BRD und DDR stark differierten. Die Frage nach den Auswirkungen des politischen Systems auf die Erinnerung an die Aufstände des 17. Juni soll somit ein zentraler Aspekt dieser Arbeit sein. Vorher, i m ersten Teil, werde ich auf die realhistorischen Ereignisse eingehen, wie sie aus zahlreicher Fachliteratur zu entnehmen sind. Persönliche Wertungen (meinerseits sowie seitens der Autoren der zugrundeliegenden Quellen) versuche ich in diesem ersten Teil b estmöglich auszuschließen (obwohl die Beschäftigung mit einem solch emotional geprägten Ereignis fast immer eine subjektive Analyse impliziert). Den Vorgängen in Leipzig widme ich dabei ein eigenes Kapitel, da sie einige Spezifika aufweisen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der 17. Juni 1953
- Ursachen des Aufstandes
- Die nationale Dimension des 17. Juni
- Der 17. Juni 1953 im Raum Leipzig
- Folgen des Aufstandes
- Erinnerungsdimensionen des 17. Juni
- Erinnerung in der DDR bis 1989
- Erinnerung in der BRD bis 1989
- Gegenwärtige Erinnerungssituation in der BRD
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Ereignisse des 17. Juni 1953 in der DDR, insbesondere in Leipzig, und untersucht deren Bedeutung für die Erinnerungskultur in Ostmitteleuropa. Das Ziel ist es, die realhistorischen Ereignisse mit den verschiedenen Erinnerungskomplexen in Ost- und Westdeutschland zu verbinden.
- Die Ursachen des Aufstandes vom 17. Juni 1953 in der DDR
- Die nationale Dimension des 17. Juni als Ausdruck gesamtdeutscher Sehnsüchte
- Die Spezifika des 17. Juni im Raum Leipzig
- Die Erinnerungskultur in der DDR und der BRD bis zum Mauerfall
- Die gegenwärtige Erinnerungssituation in der BRD
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des 17. Juni 1953 als nationaler Krise der DDR ein und stellt den Fokus der Arbeit auf die Erinnerungskomplexe im Kontext der realhistorischen Ereignisse. Das Kapitel 2.1 analysiert die Ursachen des Aufstandes, die sich sowohl im sozialistischen System als auch in der latenten Unzufriedenheit der Bevölkerung gründen. Kapitel 2.2 beleuchtet die nationale Dimension des Aufstandes, die sich in den Forderungen der Demonstranten nach freien Wahlen und der Wiedervereinigung Deutschlands äußerte. Das Kapitel 2.3 konzentriert sich auf die Ereignisse des 17. Juni in Leipzig, die durch ihre besondere Heftigkeit und den frühen Einsatz sowjetischer Militäreinheiten gekennzeichnet waren.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem 17. Juni 1953 in der DDR, insbesondere in Leipzig. Im Fokus stehen die Ursachen des Aufstands, die Rolle der nationalen Idee, die spezifischen Ereignisse in Leipzig sowie die Erinnerungskultur an den 17. Juni in Ost- und Westdeutschland. Weitere wichtige Begriffe sind: Volksaufstand, DDR-System, Normerhöhungen, freie Wahlen, Wiedervereinigung, Erinnerungskomplexe, politische Sanktionen, wirtschaftliche Kompromisse, soziale Zugeständnisse, FDJ, Stasi, RIAS, sowjetische Intervention, Kriegsrecht, nationale Krise, Ausnahmezustand.
- Quote paper
- Heiner Hoffmann (Author), 2004, Der 17. Juni 1953: Eine Untersuchung der realhistorischen Ereignisse sowie deren Erinnerungsdimensionen., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26730