Im Jahre 1514 schlug der polnische Astronom Nikolaus Kopernikus ein Modell der ‚Welt’ vor mit der Sonne als Mittelpunkt, um den sich die Erde und die Planeten in kreisförmigen Umlaufbahnen bewegten. Die ‚Kopernikanische Wende’ in diesem Sinne bezeichnet somit die Ablösung des aristotelisch-ptolemäischen Weltbildes mit der Erde als Mittelpunkt (Geozentrismus) durch das heliozentrische Weltbild, ein nachhaltiger Bruch mit der damals vertretenen Lehrmeinung. In seiner zweiten Vorrede zur Kritik der reinen Vernunft stellte Kant eine Analogie zur Metaphysik her, indem er forderte, dass sich nicht mehr all unsere Erkenntnis nach den Gegenständen richten dürfe, sondern, dass sich „der Gegenstand (als Objekt der Sinne) nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens“ richten müsse. Damit begründete Kant „eine neue Stellung des Subjekts zur Objektivität“. Durch den perspektivischen Wechsel wird das erkennende Subjekt zum eigentlichen Gegenstand der Metaphysik und der transzendentale, also Erkenntnis zuallererst ermöglichende Wert des Objekts, minimiert. Die Metaphysik Kants stellt also „nicht mehr die Frage nach Transzendentem“, Erfahrungsjenseitigem, „sondern nach Transzendentalem“, nach den Bedingungen und Grenzen der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt. Kants kritisches Anliegen ist die Vernunft selbst, Kritik an der Vernunft und Kritik durch die Vernunft.
Die Kritik der reinen Vernunft will die Grenzen des Erkenntnisvermögens ziehen und „wenn man das Resultat der kopernikanischen Revolution, die Trennung von Erscheinung und „Ding an sich“, anerkennt und die objektive Erkenntnis auf den Bereich möglicher Erfahrung einschränkt“, stellt sich konsequenterweise die Frage nach den Auswirkungen auf die Probleme bzw. großen Fragen der Metaphysik, mit denen sich Kant auseinandergesetzt hat, insbesondere Raum und Zeit, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Es stellt sich ferner die Frage: Ist Metaphysik nach Kant überhaupt noch möglich, ist Kant doch - ungewollterweise - als der ‚Alleszermalmer’ zu sehen, wie ihn sein Zeitgenosse Moses Mendelsohn genannt hatte? Oder ist es vielmehr so, dass Metaphysik als (philosophische) Einzeldisziplin zwar keine große Rolle mehr spielt, dass aber die Fragen der Metaphysik geblieben sind und nunmehr in mehr oder weniger multidisziplinären Ansätzen - anders als Kant sich das vorgestellt hat, aber doch als Konsequenz seines Denkens - weiter nach Lösungen gesucht wird?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Raum und Zeit als reine Formen der Anschauung a priori und die Frage nach dem Ursprung der Welt
- Freiheit, Natur und das moralische Gesetz in uns
- Widerlegung der Gottesbeweise aus spekulativer Vernunft und die Frage nach einem schlechthin notwendigen Wesen
- Leib-Seele-Problem und die Unsterblichkeit der Seele
- Schluß
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit analysiert die „Kopernikanische Wende“ im Kantischen Kritizismus und ihre Auswirkungen auf die Metaphysik. Ziel ist es, die Bedeutung der transzendentalen Kritik für die Philosophie Kants zu verstehen und die Konsequenzen für zentrale metaphysische Fragestellungen aufzuzeigen.
- Die Rolle der transzendentalen Kritik in Kants Philosophie
- Die Bedeutung der Raum- und Zeitformen für die menschliche Erkenntnis
- Kants Kritik an traditionellen metaphysischen Beweisen, insbesondere hinsichtlich der Existenz Gottes
- Die Auswirkungen der Kantischen Philosophie auf die Fragen nach Freiheit, Moral und Unsterblichkeit
- Die Relevanz der „Kopernikanischen Wende“ für die Weiterentwicklung der Metaphysik
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die „Kopernikanische Wende“ im Kontext der philosophischen Entwicklung dar und führt die zentrale Frage nach der Bedeutung dieser Wende für die Metaphysik ein. Sie beleuchtet die Kritik an traditionellen philosophischen Strömungen, wie z.B. Rationalismus und Empirismus, und zeigt die Notwendigkeit einer neuen Perspektive auf.
- Hauptteil: Der Hauptteil der Arbeit untersucht verschiedene Aspekte der „Kopernikanischen Wende“ und ihre Konsequenzen für die Metaphysik.
- Raum und Zeit als reine Formen der Anschauung a priori und die Frage nach dem Ursprung der Welt: Dieses Kapitel analysiert Kants These, dass Raum und Zeit nicht Eigenschaften der objektiven Welt, sondern apriorische Formen unserer Anschauung sind. Es werden die Auswirkungen dieser These auf die Frage nach dem Ursprung der Welt und die Grenzen menschlicher Erkenntnis untersucht.
- Freiheit, Natur und das moralische Gesetz in uns: Dieses Kapitel beleuchtet Kants Theorie der Freiheit und Moral, die eng mit der „Kopernikanischen Wende“ verbunden ist. Es wird untersucht, wie das moralische Gesetz in uns selbst begründet liegt und nicht aus der objektiven Welt abgeleitet werden kann.
- Widerlegung der Gottesbeweise aus spekulativer Vernunft und die Frage nach einem schlechthin notwendigen Wesen: In diesem Kapitel wird Kants Kritik an traditionellen Gottesbeweisen dargestellt. Er zeigt, dass die Existenz Gottes nicht durch spekulativen Verstand bewiesen werden kann.
- Leib-Seele-Problem und die Unsterblichkeit der Seele: Dieses Kapitel setzt sich mit Kants Auseinandersetzung mit dem Leib-Seele-Problem und der Frage nach der Unsterblichkeit der Seele auseinander. Es werden die Auswirkungen der „Kopernikanischen Wende“ auf diese klassischen metaphysischen Fragen beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit Schlüsselbegriffen wie transzendentaler Kritik, „Kopernikanische Wende“, Raum, Zeit, Apriori, Sinnlichkeit, Verstand, Freiheit, Moral, Gottesbeweise, Leib-Seele-Problem, Unsterblichkeit, Metaphysik, Rationalismus, Empirismus und Skeptizismus.
- Quote paper
- Dr.rer.nat., M.A., PhD Christian Grimm (Author), 2004, Worin besteht die 'Kopernikanische Wende' des Kantischen Kritizismus und was sind seine Konsequenzen für die Metaphysik?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26506